Oktober 2010
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Trittfest
Inhalt 10/2010
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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
120. Jahrgang
Für die Zukunft gestalten.
Garten + Landschaft
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Tritt-, rutsch- und sattelfest Robert Schäfer
Journal
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Zwischen Central Park und Pocket Park Eva Henze Konferenz „Zukunft Park – Zukunft findet Stadt(-grün)” in Hamburg
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Kein Geld verschenken bei anrechenbaren Kosten Thomas Armonat Interview mit Dieter Pfrommer zur Honorarbemessung nach der HOAI 2009
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Weniger Architekten, mehr Selbstbewusstsein Thomas Jakob Interview mit Arno Sighart Schmid, ehemaliger Präsident der Bundesarchitektenkammer
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Neues Leben in der Grube Thomas Armonat Eröffnung des Besucherinformationszentrums Grube Messel bei Darmstadt
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Pionierpark und Skateanlage für ein neues Wohnquartier Thomas Jakob Erweiterung des Volksparks Hirschgarten in München
4 Ende August fand in Hamburg die Konferenz „Zukunft Park” statt. Dort wurden zukunftsweisende Projekte diskutiert. Im Bild: der High Line Park in New York.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
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Editorial
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9 Am 26. August eröffnete das Besucherzentrum der Grube Messel. Das Münchner Büro Keller & Damm Landschaftsarchitekten gestaltete die Außenanlagen.
10 Neben Holz, Naturstein und Beton verwenden Planer auch weniger gebräuchliche Baustoffe. Im Bild: Glasscheiben im Jardin de la Paix im französischen Bitche.
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Neue Materialien für die Landschaftsarchitektur Cordula Loidl-Reisch Plädoyer für die Verwendung ungewöhnlicher Materialien
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Neue Wege für Bad Nauheim Axel Klapka Epoxidharzbeschichteter Asphalt im historischen Kurpark
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Ein roter Teppich für die Kunst Friedel Winkler Eingefärbter Asphalt vor dem Landesmuseum in Sankt Pölten
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Neue Regeln für ein altes Handwerk Ingrid Schegk Empfehlungen und Richtlinien für den Trockenmauerbau
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Bühne oder Wohnzimmer? Albert Kirchengast Der rote Kunststoffbelag der Sankt Galler „Stadtlounge”
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Mehr Farben und Formen Klaus Kaiser Gestaltungsmöglichkeiten mit Kunststoffbelägen
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Eine Bühne für das städtische Leben Richard Watzke Großformatige Granitplatten in der Wiener Fußgängerzone
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Ein Gütesiegel für nachhaltige Freianlagen Jennifer Zelt System zur Zertifizierung von Elementen und Anlagen
14 Das Berliner Büro k1 versah die Wege im Bad Nauheimer Kurpark mit einem neuen Belag. Der Asphalt erhielt eine Epoxidharzbeschichtung.
17 Als „roter Teppich” soll rötlich eingefärbter Asphalt in das Landesmuseum in Sankt Pölten einladen. Das Wiener Büro Rataplan Architektur entwarf den Vorplatz.
Urban Design Projekte Produkte
46 49
GaLaBau Praxis Produkte Recht Fassadengrün
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Nachrichten Campus Tagungen Wettbewerbe DGGL Nachrichten Termine Autoren, Vorschau, Nachtrag, Impressum
38 42 45 54 58 60 64 64
25 2005 stellte der Architekt Carlos Martinez mit der Künstlerin Pipilotti Rist die „Stadtlounge” Sankt Gallen fertig. Ein Zustandsbericht über den Kunststoffbelag.
Bilder: Barrett Doherty, Keller & Damm Landschaftsarchitekten, Cordula Loidl-Reisch, k1 Landschaftsarchitekten, Markus Tomaselli, Marc Wetli Titel: Stadtlounge Sankt Gallen, Hannes Thalmann
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Neue Materialien für die Landschaftsarchitektur Neben bewährten Materialien wie Naturstein, Beton und Holz experimentieren Landschaftsarchitekten auch mit neuen Materialien. Neue Anforderungen und Anwendungsmöglichkeiten machen es notwendig, Risiken in Bezug auf die Haltbarkeit einzugehen und Überzeugungsarbeit beim Bauherrn zu leisten.
Groß ist die Sehnsucht, schicke, glänzende, farbige oder strahlend weiße, schlank-filigrane, transparent-leichte Materialien und Oberflächen, wie sie jeder vom Durchblättern von Design- und Architekturzeitschriften kennt, auch in der Landschaftsarchitektur einzusetzen. Was steht dem entgegen? Bekanntermaßen sind sämtliche Elemente im Außenraum äußerst harten Bedingungen ausgesetzt: Große Temperaturschwankungen, Wind, Regen, Schnee, Eis und Hagel sowie alle Arten von Verschmutzung greifen das Material an und lassen es verwittern. Hinzu kommen verschiedene Strahlungsarten und das Aggressionspotenzial der Nutzer. Neue Materialien in der Landschaftsarchitektur haben vielfältige Aspekte. Eine neue Ästhetik lässt sich etwa durch Farbe, Transparenz, schlanke Profile bei hoher Tragfähigkeit und unsichtbare Infrastruktur erreichen. Innovationen ermöglichen und unterstützen zukunftsorientierte, klimaaktive Freiräume wie Dachlandschaften und Fassadenbegrünung, oder Elemente etwa zur Entwässerung oder für den Baumschutz. Durch leichtere Bauweisen mit aufgelösten Profilen lässt sich ressourcenschonend und nachhaltig bauen. Erwünscht ist auch ein gesteigerter Komfort für die Nutzer, etwa nach den Prinzipien des Universal Design. Dabei handelt es sich um ein Design-Konzept, das Produkte, Ge-
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räte, Umgebungen und Systeme so gestaltet, dass sie für so viele Menschen wie möglich ohne weitere Anpassung oder Spezialisierung nutzbar sind. Durch robuste Produkte lassen sich Kosten senken, die sonst für Reparaturen anfallen würden. In eine ähnliche Richtung gehen Mittel, die die Pflege reduzieren, etwa „Anti-Aging“Beschichtungen, Resistenz gegen Vandalismus und künstliche Patina. Materialien, die Vogelanprall verhindern oder Baumschutzelemente berücksichtigen hauptsächlich ökologische Aspekte und den Artenschutz. Sehnsucht nach brillanten Farben Weit oben auf der Wunschliste rangiert wohl die Sehnsucht nach mehr Farbigkeit in Freiräumen. Herkömmliche Materialien zeigen – einmal abgesehen von Lacken und Pulverbeschichtungen, die mit steigendem Stahleinsatz tendenziell häufiger verwendet werden – kaum brillante Farbigkeit. Holz oder Naturstein liefern erdverbundene Töne – Anthrazit, Grau, Braun, Beige, Gelb, Grün, Rot. Frische, knallige und spritzige Farbtöne dagegen sind in der Landschaftsarchitektur kaum zu finden. Sie werden überwiegend bei temporären Gestaltungen eingesetzt. Das ist verständlich: Witterung und UVStrahlung lassen farbige Elemente im Außenraum recht schnell verblassen, vergilben, vergrauen und verschmutzen; auch
Cordula Loidl-Reisch (2)
Cordula Loidl-Reisch
Zwischen Drahtseilen verspannte Glasscheiben bilden ein ungewรถhnliches Gestaltungselement im Jardin pour la Paix im franzรถsischen Bitche bei Straร burg.
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k1 Landschaftsarchitekten (6)
Zu Testzwecken wurden im Bad Nauheimer Kurpark verschiedene Oberflächen und Farbmuster auf neu asphaltierte Wege aufgetragen.
Neue Wege für Bad Nauheim Immer wieder sind Bauherren auf der Suche nach Alternativen zu wassergebunden Wegedecken, die deren freundlichem Erscheinungsbild entsprechen, jedoch dauerhafter und belastbarer sind als das Original. Ein Beispiel dafür sind die epoxidharzbeschichteten Asphaltwege im denkmalgeschützten Kurpark in Bad Nauheim.
Die bestehenden Wege im historischen Kurpark in Bad Nauheim erhielten zur diesjährigen Landesgartenschau einen neuen Belag.
Axel Klapka
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In Bad Nauheim sollten für die diesjährige Landesgartenschau die Wege des historischen Kurparks auf einer Fläche von etwa 12 000 Quadratmetern erneuert werden. Die ursprünglich wassergebundenen Wege sollten dabei eine hochwertige und durchgängige Oberfläche erhalten. Grundlage für die Planung waren die an den Wegebelag gestellten Anforderungen. Zu erfüllen war eine ähnliche Körnung und Farbe der Oberfläche wie die wassergebundene Wegedecke sie aufweist. Saugkehrmaschinen und Schneeräumgeräte sollten den Belag problemlos pflegen können. Aufgrund der zu erwartenden Belastungen musste der Belag die Belastungsklasse IV gemäß der Richtlinie für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen, RStO, erreichen. Und nicht zuletzt sollte der denkmalgeschützte Kurpark mit Geh- und Fahrhilfen mobilitätseingeschränkter Personen gut zu nutzen sein. Da mit diesen Vorgaben nur eine bituminöse Bauweise in Frage kam, prüfte unser Büro k1 Landschaftsarchitekten aus Berlin alle beste-
Die Anmutung der ursprünglich wassergebundenen Wege blieb dem Kurpark auch mit dem neuen Asphaltbelag erhalten.
henden Möglichkeiten der Oberflächengestaltung bei Asphaltbauweisen und ließ in Absprache mit der Landesgartenschau GmbH entsprechende Musterflächen anlegen. Durchgefärbter Asphalt wurde aufgrund der hohen Kosten und schlechten Reparaturmöglichkeiten verworfen. Das Schleifen des Asphalts zeigte nicht den gewünschten Effekt, die Oberfläche wies aber deutlich sichtbare Spuren der Schleifmaschinen auf. Gussasphalte mit den verschiedenen Abstreuweisen und bituminöse Beschichtungsverfahren konnten auf Dauer keine gleichmäßige Deckung gewährleisten. Nach dieser ernüchternden Bilanz begaben wir uns auf die Suche nach geeigneten Verfahren in verwandten Fachdisziplinen und stießen dabei auf die Firma Possehl Spezialbau, die ihre Produkte im Autobahnbau und auf Flugplätzen einsetzt, um die vorhandenen Beläge zu erhalten und ihre Griffigkeit zu verbessern. Auf der Basis von speziellen, kalt zu verarbeitenden Reaktionsharzen (Epoxidharze), wird bei diesem Verfahren eine Hartgesteins-
mischung auf die Asphaltfahrbahn „geklebt“, die sie griffiger macht und die Lebensdauer der Deckschicht verlängert. Für den Kurpark in Bad Nauheim modifizierte die Firma ihr Produkt. Dazu legte sie Musterflächen mit verschiedenen Gesteinskörnungsmischungen an, die acht Monate lang der normalen Parknutzung ausgesetzt waren. Die kleinen Kornfraktionen erwiesen sich dabei gestalterisch als zu flächenhaft, während die größeren Körnungen etwas zu grob erschienen. Die besten Ergebnisse lieferten Mischungen mit Kornfraktionen von 1/3 oder 2/3. Um die Farbgebung zu unterstützen, lässt sich Epoxidharz zusätzlich einfärben; darauf verzichteten wir in Bad Nauheim allerdings. Letztlich einigten sich die Landesgartenschaugesellschaft und die Landesdenkmalpflege auf eine gelblich-graue Mischung aus Naturstein, die der Farbe der historischen wassergebundenen Decke sehr nahe kommt und gut mit den anderen im Park verwendeten Materialien harmoniert. Als Untergrund für diese Bauweise sind mög-
lichst glatte, gut verdichtete Oberflächen notwendig. Daher ist die Regelbauweise eine Asphalttragschicht mit einer Asphaltbetondecke. Die Körnung des Asphaltbetons orientiert sich an der Belastung, sollte aber 0/8 nicht überschreiten. Asphalttragdeckschichten eignen sich aufgrund der rauen Oberfläche nur eingeschränkt. Dieses Verfahren lässt sich auch auf gut erhaltenen Bestandsflächen einsetzen, wie es etwa in der Autobahnunterhaltung praktiziert wird. In einem ersten Arbeitsschritt wird die Asphaltdeckschicht zur besseren Haftung des Epoxidharzes kugelgestrahlt. Direkt danach wird das Harzgemisch aus zwei Komponenten mit einer Menge von zwei Kilogramm pro Quadratmeter aufgebracht und im gleichen Arbeitsgang von Hand mit etwa acht bis zehn Kilogramm pro Quadratmeter im Überschuss abgestreut. Abschließend drückt eine Gummiwalze das Material in den Belag ein. Nachdem der Belag 24 Stunden lang getrocknet ist, wird der Überschuss abgefegt und kann, wie in unserem Fall, als Streugut im Winter-
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Neue Regeln für ein altes Handwerk Das Wissen um den fachgerechten Bau von Trockenmauern ist – gerade in Deutschland – immer weiter verloren gegangen. Daher kommt es in der Praxis immer wieder zu Schäden, die vermieden werden könnten. Diesem Problem will der Regelwerksausschuss Trockenmauern der FLL mit neu erarbeiteten Empfehlungen entgegenwirken.
Ingrid Schegk Trockenmauern zu bauen ist eine uralte Methode, um Wände zur Geländeterrassierung oder als Einfriedung besonders nachhaltig zu errichten. Als Trockenmauer bezeichnet man eine Wand, die ohne Verwendung von Mörtel oder sonstigen Bindemitteln aus Steinen im Verband aufgemauert wird. Dadurch bleibt das Bauwerk flexibel gegenüber Bodensetzungen, weshalb es nicht starr mit Beton gegründet werden muss. Überdies ist die Trockenmauer grundsätzlich wasserdurchlässig, sie besitzt also die Fähigkeit, sich selbst zu entwässern. Diese Merkmale begünstigen seit Jahrhunderten das Terrassieren von Kulturlandschaften insbesondere im Weinbau in Steillagen. Auch als Ingenieurbauwerke spielten Trockenmauern ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Als die Landschaft durch Eisenbahntrassen und Straßen erschlossen wurde, setzte man Trockenmauern im Gebirge ein.
Als Bauwerk in Landschaft und Garten hatten Trockenmauern schon immer eine große Bedeutung. Insbesondere in Folge der Naturgarten- und Recyclingbewegung erlebten sie als ökologisch bedeutendes Gestaltungselement in den vergangenen Jahrzehnten eine Renaissance. Heute werden Landschaftsarchitekten auch bei landschaftsplanerischen Aufgaben mit Trockenmauern, ihrer Instandsetzung und Neuerrichtung, konfrontiert, wenn es darum geht, historische, oft denkmalgeschützte Kultur- und Terrassenlandschaften zu erhalten. Als vernakuläres Element (lat. vernaculus = einheimisch) sind sie Spiegel des Naturraums, Ersatzlebensraum für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten und regionaltypisches Kulturgut gleichermaßen. Obwohl der Trockenmauerbau ein traditionelles Handwerk ist, ging das Knowhow, das lange bei Landschaftsgärtnern und Wein-
bauern vorhanden war, mehr und mehr verloren und muss nun mühsam wiederbelebt werden. Mauern fachgerecht zu erbauen, erfordert viel Handarbeit und ist unter den aktuellen Bedingungen im Garten- und Landschaftsbau oft zu teuer. Häufig wird der Aufwand falsch eingeschätzt und es kommt zu Schadensfällen. Ursache für die Schäden sind mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten der Ausführenden, die Trockenmauern häufig ohne Planung realisieren. Aber auch geringes Fachwissen der Planer führt zu Mängeln. Die Mauern sind oft viel zu dünn konzipiert und versagen durch Kippen oder Gleiten. Häufig werden Stützmauern nicht fachgerecht hintermauert, sondern das Mauerwerk der Ansichtsfläche ohne jeglichen Querverband mit Gesteinskörnungen hinterfüllt. Beim dynamischen Verdichten dieser Hinterfüllung wird der Mauerver-
Ingrid Schegk (5)
Links: Bruchsteinzyklopenmauerwerk in Trockenbauweise auf der Insel Mallorca. Unten: Zyklopenmauerwerk aus Granit-SyenitGestein im sächsischen Radebeul.
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Oberhalb von Sion im schweizerischen Wallis steht am Weinberg „La Cotzette“ diese Trockenmauer mit über 20 Metern Höhe.
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Sichtbeton (Fertigteile)
Naturstein (Granit aus Indien)
Kunststoff (Epoxidharz)
Ein Gütesiegel für nachhaltige Freianlagen Das Interesse am nachhaltigen Bauen ist groß. Bei sieben von zehn Landschaftsarchitekten spielt nachhaltiges Bauen eine Rolle in ihrem Planungsalltag. Doch noch gibt es keine einheitlichen Standards für ein nachhaltiges Gesamtkonzept für Freianlagen. Einen ersten Ansatz für ein solches Gütesiegel hat Jennifer Zelt im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der TU Berlin entwickelt.
Noch ist das Gütesiegel „Nachhaltige Freianlage“ in Gold, Silber und Bronze lediglich eine Idee. In ihrer Diplomarbeit hat Jennifer Zelt aber schon mal die Grundlagen dafür erarbeitet.
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Edelstahl (Lochblech)
Holz (Kiefer)
Anhand eines Ausstattungselements verglich Jennifer Zelt fünf verschiedene Materialien hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit. Dafür stellte sie einen Kriterienkatalog auf.
Jennifer Zelt Ein Landschaftsarchitekt, der bei seinen Projekten Naturstein und Beton verwendet, setzt mehr CO2 frei als er durch Pflanzungen kompensieren kann. Dies stellt zumindest der neuseeländische Landschaftsarchitekt Craig Pocock im Rahmen einer CO2Bilanz für seine Projekte fest (siehe Garten + Landschaft 1/2008). Ausgehend von dieser Feststellung habe ich mich in meiner Diplomarbeit am Fachgebiet Landschaftsbau/Objektbau an der TU Berlin bei Cordula Loidl-Reisch mit nachhaltigem Bauen in der Landschaftsarchitektur auseinandergesetzt. Ziel des Nachhaltigen Bauens ist es, in allen Phasen eines Bauprojekts den Ressourcenverbrauch zu minimieren und die Belastung des Naturhaushalts so gering wie möglich zu halten. Grundvoraussetzung, dieses Prinzip im Freiraum umzusetzen, ist vor allem ein Bewusstsein der Landschaftsarchitekten für die Umweltauswirkungen ihrer Planungen und der verwendeten Baustoffe. Nachhaltigkeit erfordert Gesamtkonzept Das Interesse am nachhaltigen Bauen ist groß. Sieben von zehn Landschaftsarchitekten gaben in einer deutschlandweiten Online-Umfrage an, dass nachhaltiges Bauen eine Rolle in ihrem Planungsalltag spiele. Vereinzelt integrieren sie Grundsätze zum nachhaltigen Bauen in ihre Planungen, an einheitlichen Standards für ein nachhaltiges Gesamtkonzept fehlt es jedoch bislang. Den Umfrageergebnissen zufolge fehlt es den Landschaftsarchitekten am Wissen über die Möglichkeiten des nachhaltigen Bauens im Freiraum und an Informationen zu nachhaltigen Freianlagen. Ein Zertifizierungssystem, das Nachhaltig-
keit in der Landschaftsarchitektur misst und beurteilt, könnte die Entwicklung vorantreiben und gleichzeitig als Handlungsanleitung mit einheitlich festgelegten Planungsgrundsätzen für nachhaltige Freianlagen dienen. Während die Vergabe von Nachhaltigkeitszertifikaten im Hochbau international seit Jahren gängige Praxis ist (zum Beispiel LEED in den USA, BREEAM in Großbritannien, DGNB in Deutschland), gibt es bei der Freianlagenzertifizierung bisher nur Ansätze, beispielsweise die Sustainable Sites Initiative in den USA. Eine überwiegende Mehrheit der Umfrageteilnehmer (83 Prozent) würde die Entwicklung eines solchen Systems in Deutschland begrüßen. In Anlehnung an die bestehenden Zertifizierungssysteme für Gebäude habe ich deshalb Ideen für ein deutsches FreianlagenZertifizierungssystem entwickelt, das „Gütesiegel Nachhaltige Freianlagen“ und die Bewertungskriterien von Ausstattungselementen für den Außenraum zugrunde gelegt. Das System basiert auf dem Kriterienkatalog für die Gebäudebewertung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, den ich auf Außenanlagen übertragen und mit entsprechend angepassten Kriterien versehen habe. Wichtige Aspekte für den Außenraum sind etwa der Versiegelungsgrad, die ortsnahe Versickerung, eine standortgerechte Bepflanzung, die Aufenthaltsqualität, die öffentliche Zugänglichkeit, die Vandalismussicherheit und die Pflege- und Instandhaltungsfreundlichkeit der Anlage. Auch Ökobilanzdaten der verwendeten Baustoffe wie der Primärenergiebedarf und das Treibhauspotenzial sowie Kriterien zur Materialauswahl (Recycling-
materialien, regionale Baustoffe, Rückbauund Wiederverwendbarkeit) fließen in die Bewertung ein. So weist Holz hervorragende Ergebnisse in der Ökobilanz auf, sofern es aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammt, Edelstahl wiederum hat ein höheres Wiederverwertungs- und Recyclingpotenzial und ist langlebiger. Es fehlt an Ökobilanzdaten Allerdings sind diese Umweltdeklarationen noch nicht im erforderlichen Umfang für Baustoffe des Garten- und Landschaftsbaus vorhanden, was die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse erschwert. Für Landschaftsarchitekten wären die Ökobilanzdaten jedoch auch bereits während der Planungsphase eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Die 55 entwickelten Kriterien des Bewertungssystems sind in ökologische, ökonomische, technische, soziokulturelle und funktionale Qualität sowie Prozess- und Standortqualität unterteilt und decken damit alle Bereiche des nachhaltigen Bauens ab. Mit einer Bewertungsmatrix, die die Vergabe von Punkten und die Gewichtung von Kriterien und Themenfeldern vorsieht, lässt sich ein Gesamtergebnis ermitteln, auf dessen Grundlage die Außenanlagen mit den Zertifikaten in Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet werden. Verschiedene Freiräume bringen jedoch unterschiedliche Anforderungen an Nutzung, Ausstattung, Pflege und Kosten mit sich, die man in einem Bewertungssystem berücksichtigen muss und verschiedene Systemvarianten notwendig machen. So spielen etwa bei eigenständigen Freiräumen
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