Garten und landschaft 10 2014

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Oktober 2014

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

In der Region


Inhalt 10/2014

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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

124. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten.

Garten + Landschaft

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Baukulturlandschaft Robert Schäfer

Journal

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Kicken für den Klimaschutz: Global United FC Robert Schäfer Ehemalige Fussballprofis unterstützen die Charta „Zukunft Stadt und Grün“

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Die Schönheit der großen Straße Juliane von Hagen Ein Ausstellungs- und Forschungsprojekt an der A40 von Duisburg bis Dortmund

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Kooperative Strategien für die Landschaft Verena Butt EMiLA Summer School im Mittleren Ammerland

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Das Tempelhofer Feld Robert Schäfer Kilometerweite Sicht und viele Geschichten rund um das Flughafenrelikt

5 Entlang der A40 stellten 20 Künstlergruppen ihre Werke bis Anfang September aus. Im Bild ist die Südtiroler Künstlerin Gabriela Oberkofler mit ihrer „Buggelkraxe“ zu sehen.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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Editorial

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7 Das Tempelhofer Feld dient bereits seit dem 19. Jahrhundert als Freizeitparadies. In seinem Buch beschäftigt sich Rolf Lautenschläger mit der Geschichte dieses außergewöhnlichen Parks.

8 Das Erlebniszentrum Paläon mit Park im niedersächsischen Schöningen informiert über den Fund von 300 000 Jahre alten Speeren im benachbarten Tagebau.


In der Region

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Wolken, Wiesen, Wildpferde Bettina Krause Erlebnis- und Forschungszentrum Paläon, Schöningen

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Freiraum schafft Unternehmens-Identität Anette Kolkau Die Außenanlagen der Firma B. Braun, Melsungen

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Meißeln im schwarzen Gold Heike Vossen Der Park „SchieferErlebnis“ Dormettingen

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Eine Schule wie ein Hotel Beatrice Bednar Außenanlage der Fachberufsschule für Tourismus, Villach

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Römische Spuren in der Eifel Juliane von Hagen Der Archäologische Landschaftspark in Nettersheim

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Auf dem Weg zum Zentrum Barbara Kirsch Die Dorfmitte von Dierikon, Schweiz

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Tierspuren über der Autobahn Barbara Kirsch Die Städtlerwaldbrücke bei Cham, Schweiz

13 Das große Wasserbecken vor den neuen Gebäuden der Firma B. Braun in Melsungen verbindet den Industriekomplex mit der umgebenden Landschaft.

18 Dort, wo früher Ölschiefer ­abgebaut wurde, gibt es in ­Dormettingen jetzt einen Park mit Spielplatz und Fossilienklopfplatz.

Nachrichten Campus Projekte Produkte Wettbewerbe DGGL Nachrichten Termine Vorschau, Autoren, Nachtrag, Impressum

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32 Zusammen mit einem neuen Schulhof und damit einer neuen Dorfmitte erhielt das schweizerische Dierikon auch neue Spielplätze am Dorfrand.

Bilder: Urbane Künste Ruhr / MAP, Paul Langrock, Hanns Joosten, Gereon Holtschneider, Siegmund Landschaftsarchitektur, koepflipartner Titel: Hanns Joosten; Paläon mit Park, Schöningen

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Journal

Kicken für den Klimaschutz: Global United FC Ehemalige Fussballprofis unterstützen die Charta „Zukunft Stadt und Grün“

Mehr Lebensqualität durch ­urbanes Grün steht als Motto über der am 21. Januar 2014 veröffentlichten Charta Zukunft Stadt und Grün. Ein Bündnis aus Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Einzelpersonen steht hinter der Charta, die maßgeblich vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau initiiert wurde. „Es gilt, die Planung, Ausführung und die Pflege von urbanen Grünflächen als Grundanliegen der Daseinsvorsorge und Baukultur anzuerkennen“, steht in der Präambel der Charta, die nun illustre Mitstreiter gefunden hat, d ­ enen zumindest Bolz- und Sportplätze sehr vertraut sind. Als Unterzeichnergruppe wird Global United Football Club e.V. gemeldet. Dies ist der erste gemeinnützige Fußball­ förderverein, der sich dem nachhaltigen Klimaschutz verschrieben hat und sich gegen das schädliche Eingreifen des Menschen in das ökologische Gleichgewicht einsetzt.

United FC unterstützt den Bau von Tiefbrunnen in Nepal wie von Biogasöfen in Indien. Der Verein fördert die Arbeit des Trans­atlantischen Klimainstituts (TACIT), das Frühwarnsysteme für Tsunamis baut. In drei Kategorien engagiert sich der besondere Fußballverein. Zunächst gibt es weltweit ­Benefiz-Spiele und Fundraising-Aktionen an Orten mit hoher Klimaschutzsymbolik und Öffentlichkeitswirksamkeit zur Förderung lokaler ­Klimaschutzprojekte. Dann die Klimabildungsinitiativen, ­Jugend-Bildungsprojekte für den Klimaschutz. Dabei ­packen die Altherren gemeinsame Projekte an wie Baumpflanz- und Umweltsäuberungsaktionen, Fußball-Kick­ arounds, besuchen Schulen und Hospitäler, halten Vorträge und coachen in JugendTrainingscamps. In Talkrunden schließlich sprechen Mitglieder des Global United FC e.V. mit Wirtschaftsunternehmen zum Thema sozialer Klima- und Umweltschutz.

Geführt wird der Verein vom Vorstand Lutz Pfannenstiel, dazu von Generalsekretär ­Rainer Hahn, ein Medien- und Sponsorenmanager. Ehren­ mitglied Tilman Meuser ist ein Werbeprofi, im Aufsichtsrat sitzen Fredi Bobic, derzeit ­Manager des VfB Stuttgart, und Gerhard Hirth, Geschäftsführer der Unternehmens­ gruppe Schwenk.

Der ehemalige Welttorhüter Lutz Pfannenstiel gründete 2009 die gemeinnützige Foundation Global United FC e.V. – den weltweit ersten Verein, der sich mit ehemaligen Fußball-Profis für den Klimaschutz engagiert.

Klimagipfel im Iglu Für den Klimagipfel 2012 in Ruhpolding, parallel zur Biathlon WM, empfing Lutz Pfannenstiel im eigens gebauten ­Iglu Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Sport. Hier wurde über globale Probleme, richtungsweisende Strategien und Vorzeigeprojekte international diskutiert. Vielleicht empfängt Pfannenstiel demnächst Entscheider in einem Baumhaus, um über die Zukunft des Stadtgrüns zu beraten. Robert Schäfer

Kicken fürs Klima

Arosa Tourismus

Der als Profi-Torwart auf allen Kontinenten erfahrene Lutz Pfannenstiel gründete diesen Verein, in dem er ehemalige Profi-Fußballspieler aus aller Welt versammelt, um über Fußball das Thema Klimaschutz zu verbreiten. Matthäus, Zidane, Bobic, Rufer – viele der 250 Namen sind dem Fan dieser Sportart noch geläufig. Nun unterstützen sie Projekte, die präventiv den Klimaschutz fördern, zum Beispiel Solarlampen für Namibia. Ein Soforthilfefonds hilft Opfern von Fluten oder anderen Natur­ereignissen. Global Beim Global United FC kicken ehemalige Fußballprofis für den Klimaschutz. Am 22. und 23. Januar 2015 spielen sie beim 5. Arosa IceSnowFootball.

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Die Schönheit der großen Straße

Copyright: Urbane Künste Ruhr / MAP Markus Ambach Projekte (3)

Ein Ausstellungs- und Forschungsprojekt an der A40 von Duisburg bis Dortmund

Die Südtiroler Künstlerin ­Gabriela Oberkofler wanderte mit ihrer „Buggelkraxe“ entlang der großen Straße und konfrontiert so ihre ländliche Vergangenheit mit dem industriellen Ambiente des Ruhrgebiets (links). Performance Electrics bauten eine Windkraftanlage aus recycelten Autobahnfragmenten (unten).

Promenade des Ruhrgebiets Anfang der 2000er-Jahre war es eine internationale Sommerakademie, in der Studierende der raumplanenden Disziplinen zusammen kamen und dazu beitrugen, die Straße anders zu sehen, als einen Verkehrsraum. Ob die A40 oder B1 nicht die ChampsElysées des Ruhrgebietes werden könnte, wurde damals provokant gefragt. Mit Ideen Studierender aus aller Welt wurde über die Rolle der Straße in der sich neu erfindenden Region und ihre Ambivalenz zwischen funktionalem Verkehrsraum und identitätsstiftendem Stadtraum diskutiert. Das war der Anfang eines mittlerweile fast 15-jährigen Prozesses, der in verschiedenen Schritten weitergeht.

Der „Regionale Masterplan A40|B1“, das „Gestalthandbuch A40|B1“ und auch das Projekt „B1|A40 – Die Schönheit der großen Straße“ sind drei Schritte, in denen sich das Ruhrgebiet aktuell mit der stadt- und landschaftsräumlichen Integration der Straße in die Stadtlandschaft auseinandersetzt. Parallel zu den räumlichen Planungen sind es ­also immer wieder auch künstlerische Annäherungen, die helfen sollen, diese Straße, die angrenzenden Strukturen und die Menschen an ihren Seiten zu verstehen. Dazu tragen auch die Urbanen Künste Ruhr bei, die seit der Kulturhauptstadt 2010 als Kunstorganisation künstlerische Projekte im öffentlichen Raum, im Schatten der Straße ermöglichen. Dabei stehen eigenwillige und individuelle Formen der Raum­ aneignung, die kulturelle Heterogenität der Landschaft und der Erfindungsreichtum der Anrainer im Fokus. Die Projekte greifen dort, wo das politische und ökonomische Interesse gegen Null sinkt, zum Beispiel: im komplexen Gefüge zwischen Autobahn, Bauernhof und U-Bahn im Umfeld der U18-Station Eichbaum in Mülheim, an der kulturellen Schnittstelle zwischen Kirche, Bordell, SM-Club und Schrebergarten im Umfeld des Schlachthofs Bochum, in prekären Wohnlagen in Essen-Frillendorf, im Umfeld zwischen malerischer Dorfidylle und Autobahn in Dortmund unter der Schnettkerbrücke oder am Autobahnkreuz

Kaiserberg, dem größten Verkehrsknotenpunkt der Region, an dem sich eine Landschaft ganz ohne übergeordnete Planung entwickelt hat. Abschlusstour zu Kunstwerken An sechs verschiedenen Orten waren in diesem Sommer über 20 Künstlergruppen tätig, deren Werke von Mitte Juni bis Anfang September zu sehen waren. Kunst im öffentlichen Raum wird mit dieser Ausstellung völlig neu

definiert: sie sucht Freiräume, wagt Zugriffe, gestaltet Stadt und nimmt vor a ­ llem die Anlieger „der großen Straße“ mit. Zum Abschluss der Ausstellung gab es eine Bustour zu den Ausstellungsorten, eine Rallye für Kinder und zum Finale eine Feier an einem Tisch – eine Reminiszenz an die große Tafel, das kilometerlange Picknick, das im Rahmen der Kulturhauptstadt auf der A40 gefeiert wurde. Juliane von Hagen

Foto: Michael Kneffel

Wer das Ruhrgebiet mit dem ­Auto durchquert, kennt die A 40. Meist langsam kriecht man über diese fast innerstädtische Straße. Sie will zwar Autobahn sein, ist als solche auch deklariert, aber sie mutet anders an. Sie führt mitten durch Wohngebiete, an markanten Landmarken der Großindustrie vorbei, in Tunneln durch Innenstädte. Das Verkehrsband besitzt nicht nur große faktische sondern auch hohe symbolische Bedeutung. Als eine der zentralen Hauptschlagadern der Region wird sie gehasst und weggewünscht, gebraucht und erweitert, ignoriert und inszeniert. Kaum ein künstlerisches Genre hat sich ihrer nicht bereits angenommen.

Martin Pfeifle und Wanda Sebastian vergoldeten in ­ihrem Projekt „Eichbaumgold“ die Containerbauten von raumlaborberlin.

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Wolken, Wiesen, Wildpferde Das futuristische Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon im niedersächsischen Schöningen steht in einer Parklandschaft, die an die Landschaft der Urzeit erinnern soll. Denn im nahe gelegenen Braunkohletagebau wurden 300 000 Jahre alte Speere gefunden. Museum und Park spielen mit dem Kontrast von Urzeit und Neuzeit.

Bettina Krause

alle Fotos: Hanns Joosten

Eine der wichtigsten archäologischen Ausgrabungsstätten der Welt befindet sich im niedersächsischen Schöningen zwischen Braunschweig und Magdeburg. In den 1990er-Jahren wurden dort die acht „Schöninger Speere“ und Knochenreste erlegter Wildpferde, Bären und Auerochsen aus der Altsteinzeit gefunden. Sensationell ist, was diese Funde beweisen: Der Homo heidelbergensis – Erzeuger und Nutzer der Speere – handelte und kommunizierte vorausschauend und verfügte bereits zu Lebzeiten über Jagdstrategien sowie ein komplexes Sozialgefüge. Und das schon vor 300 000 Jahren. Um den einzigartigen Fund zu würdigen, feierte das Paläon im Juni vergangenen Jahres seine Eröffnung. Die erlebnisorientierte Ausstellung mit transparentem Forschungs- und Laborbereich widmet sich dem Leben und der Landschaft vor 300 000 Jahren. Das dreistöckige, kantige und rundum mit Aluminium verkleidete Gebäude, entworfen von Holzer Kobler Architekturen aus Zürich, ist ein Hingucker. Freistehend und leicht erhöht platziert, ist der auffällige Bau aus der Entfernung gut zu sehen. Kommt man näher, spiegeln sich Wiesen und Wolken in der Fassade. So verschwinden die Konturen des Gebäudes, es Das Museum Paläon informiert über die Funde im nahen Schöninger Tagebau. Dort wurden in den 1990er-Jahren 300 000 Jahre alte Speere gefunden.

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Wie der Park des Paläon könnte die Landschaft bei Schöningen vor etwa 300 000 Jahren ausgesehen haben: eine Steppe, auf der Wildpferde grasen.

Paläon Schöninger Speere, Schöningen Bauherr: Stadt Schöningen/Pbr Planungsbüro Rohling AG, Osnabrück Landschaftsarchitekten: Topotek 1, Berlin Architekten: Holzer Kobler Architekturen, Zürich/Berlin Fläche: 24 Hektar Bauzeit: 2012 bis 2013 Baukosten Außenraum: 2 Millionen Euro

Mit Tierspuren und Wildtier-Attrappen nehmen Topotek 1 Bezug auf die urzeitlichen Jäger, die einst in Norddeutschland lebten. Im Osten des Geländes, an der Kante zum Tagebau, erstreckt sich ein dichter Wald, im Westen dagegen begrenzt ein lichter Hain den Park. Plan: Topotek 1

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Freiraum schafft Unternehmens-Identität Mit sterilen medizinischen Geräten wurde das Familienunternehmen B. Braun im hessischen Melsungen weltweit erfolgreich. Nachdem im Jahr 2011 ein neuer Gebäudekomplex gebaut wurde, galt es im Außenraum Unternehmenskultur, Architektur und umgebende Landschaft gestalterisch zu vereinen.

alle Fotos: Gereon Holtschneider

Vor den Lagerhallen der Firma B. Braun in Melsungen ­befinden sich kreisförmige Wiesenfelder. Dort sollten ursprünglich Stauden in hochgewölbten Beeten wachsen.

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club L94

Am Stadtrand von Melsungen baute die Firma B. Braun eine Erweiterung ihrer Fabrik. Die Landschaftsarchitekten Club L94 nahmen die Grundidee des Werks auf und interpretierten es als kleine Stadt mit Platz, Gärten und einem See.

Anette Kolkau 1839 fing alles an: Julius Wilhelm Braun erwarb in Melsungen die Rosenapotheke. Die Leidenschaft für das medizinische Thema wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es den entscheidenden Schub: Auf einer Reise lernte Carl Braun einen Arzt aus Kassel kennen, der ihm eine Idee verriet: Sterile medizinische Materialien wären die Lösung für viele Anwendungsbereiche in der Medizin. Er selbst hätte aber keine Idee, wie so etwas zu machen sei. Braun war inspiriert und herausgefordert. 1908 stellte er das erste sterile resorbierbare Nahtmaterial her. Einweggeräte, Infusionslösungsbehälter, ­Infusionsüberleitungssysteme, Mono- oder Mehrkammerbeutel für Aminosäuren und Fettemulsionen und pharmazeutische Produkte gehören aktuell zum Angebot des ­Unternehmens. Heute arbeiten über 6 000 Menschen allein an dem Standort in und um Melsungen. Das Unternehmen ist mittlerweile in 50 Ländern vertreten. Jedes Jahr werden 100 Auszubildende am Standort begrüßt: B. Braun ist Melsungen, Melsungen ist B. Braun. Ein Familienunternehmen, das den Standort prägt – auch mit architektonischer und landschaftsarchitektonischer Geste. Die jüngsten Erweiterungsbauten sind auf freiem Feld, an den Hängen zur Fulda entstanden. Der Hauptkomplex wurde 1992 ­eröffnet, ein zweiter Komplex (Werk W) im Jahr 2011 auf der anderen Straßenseite mit 14

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einer Fertigung von Dialysemaschinen und mit einem großzügigen Ausbildungszentrum. In beiden Fällen legte der Unternehmer Wert auf eine repräsentative und funktionale Architektur und eine angemessene Landschaftsarchitektur, die zwischen Fertigungsgebäuden und Umgebung vermittelt. Entwurf einer kleinen Industriestadt SP Arc Bauplanungs- und Beratungsgesellschaft für Industriebauten zeichnet für die Architektur von Werk W verantwortlich und hat sich die Kölner Landschaftsarchitekten Club L94 mit ins Boot geholt. Diese mussten mit ihren Entwurfsarbeiten auf die schon im Bau befindlichen Anlagen reagieren. Sie nahmen mit ihrem Ansatz die Idee einer Stadt auf, einer kleinen abgegrenzten Industriestadt mit Bereichen wie Garten, See oder Plaza. Und diese drei Bereiche finden ihre Entsprechung in der Freiflächengestaltung: Auf einer geschwungenen Straße erreicht man zunächst die Plaza, eingekeilt zwischen Parkhaus und Ausbildungskomplex, die rechtwinklig zueinander angeordnet sind. Der Platz wird in einer Passage zum Haupteingang fortgesetzt. Belegt ist er mit einem strengen Raster von 1 x 2 Meter zunächst dunkel-, dann hellgrauen Betonplatten – ­eine Referenz an den Industriestandort. Durchbrochen wird der Belag durch eine Reihe von rechtwinkligen Rasenstreifen, zum Teil am Ende hochgebogen. Diese Streifen

B. Braun Avitum Werte Fabrik, Melsungen Bauherr: B. Braun AG, Melsungen Landschaftsarchitekten: Club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Köln Architekten: SP Arc Bauplanung und ­Beratungsgesellschaft mbH, Köln Planungs- und Bauzeit: 2007 bis 2012 Fläche: 12 Hektar Kosten: 2,3 Millionen Euro


Römische Spuren in der Eifel Der Archäologische Landschaftspark in Nettersheim südwestlich von Bonn ist kein Aufsehen erregender Park. Es ist vielmehr der Versuch, Spuren römischer Besiedlung mit den Belangen des Naturraums Eifel in Einklang zu bringen.

Juliane von Hagen Spuren römischer Straßen und Siedlungen sind in der Eifel keine Seltenheit. Schon im Rahmen der Regionale 2010 wurde das Projekt „Erlebnisraum Römerstraße“ lanciert. Es sieht vor, die zwei wichtigsten römischen Fernstraßen, die von Köln nach Trier führende Via Agrippa und die Richtung Westen ­führende Via Belgica als kulturelles Erbe zu ­sichern und erlebbar zu machen. Die Trassen der beiden Straßen zählen noch heute zu den markantesten Elementen der historischen Kulturlandschaft, die wie keine weitere Infrastruktur die wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Region Köln/Bonn positiv beeinflussten. Mit dem Projekt „Erlebnisraum Römerstraße“ sollen die römischen Straßen und ihr Umfeld wieder sichtbar gemacht werden, was anhand der Via Agrippa und des angrenzenden römischen Dorfes in Nettersheim beispielhaft erprobt wurde. Die Essener Landschaftsarchitekten Davids, Terfrüchte und Partner entwarfen dafür ein „Gestaltungs- und Inszenierungskonzept“. Seit Mai 2014 kann sich die kleine Eifelgemeinde Nettersheim, etwa 20 Kilometer südwestlich von Bad Münstereifel,

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mit dem Archäologischen Landschaftspark Nettersheim präsentieren. Die Entwicklung dieses Parks ist aber nicht nur den Bemühungen der Regionale zu verdanken. Zunächst waren es Ausgrabungsarbeiten der Univer­ sität Köln, die mithilfe von Geomagnetik Spuren einer römischen Siedlung – eines Vicus, ­eines Heiligtums und zweier Befestigungs­ anlagen – entdeckten, sie freilegten und teilweise rekonstruierten. Schon aus archäolo­ gischer Sicht war dabei Sensibilität geboten, aber auch die Belange von Bodendenkmal-, Natur- und Artenschutz verlangten eine ­behutsame Entwicklung des Areals, die mit den Interessen von Tourismus und Natur­ erlebnis in Einklang gebracht werden mussten. Letzteres ist das Leitbild, dem die Nettersheimer sich verschrieben haben: Sie wollen sich als Naturerlebnisdorf profilieren. Wie auch in anderen Gemeinden der Eifel, beispielsweise in Zülpich, wo die Landesgartenschau den his­torischen Stadtgraben aufgewertet hat (siehe Garten + Landschaft 6/2014), bieten die römischen Relikte auch Nettersheim die Chance, sich auf der Tourismuslandkarte der Naturregion neu zu positionieren.


Gemeinde Nettersheim

Das 40 mal 60 Meter kleine Kastell am südlichen Rand des ­Archäologischen Landschaftsparks Nettersheim wurde im Jahr 300 nach Christus Teil der Römersiedlung. ­ Es entstand in Zusammenhang mit ­einer Brücke über die Urft.

DTP

Die Via Agrippa führte fortan durch das Kastell. Wollte man die Urftbrücke überqueren, so musste man den Militärposten passieren. Eine Trockenmauer zeichnet heute die alte Struktur des Kastells an der „Steinrütsch“ nach.

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Auf dem Weg zum Zentrum Mit der Gestaltung der Außenanlagen der Schule im Zentrum der Schweizer Gemeinde Dierikon ist der erste Schritt für eine Neuordnung der Dorfmitte gemacht. Treppen, Rampen und Sichtbezüge verbinden bisher isolierte Bereiche miteinander.

Barbara Kirsch Leben hier im neuen Zentrum ja wirklich einmal? Eine neue, größere Wohnüber­ bauung an der Kantons­straße Rigi­strasse ­ ist ­bereits in Planung – ­direkt angrenzend an das neue Zentrum und einen der beiden neuen Spielplätze. Und bei größeren Festen, wie an Fasching oder auch beim Schulfest, wurden auch schon Festzelte und Stände auf dem Platz aufgebaut. Dierikon mausert sich – hat nun auch Platz dafür. Und vielleicht gelingt es ja tatsächlich, den ­Bewohnern, Kirchen-, Schul- und Gemeindehausbesuchern einen eigenen Orts­ charakter zu bieten. Baustein für ein neues Zentrum Der Anfang ist gemacht, Planungs- und ­Gestaltungsprozesse sind angelaufen beziehungsweise bereits abgeschlossen. Am Teilstart beteiligt und aktiv: das Landschafts­ architekturbüro koepflipartner aus Luzern. Im Jahr 2009 wurde es mit einem Studienauftrag zur Gestaltung des Pausenplatzes der Primarschule betraut. Laut Stephan Köpfli war „eine große Geste“ über die ganze Gemeinde hinweg wegen gegebener eigenwilliger Strukturen nicht möglich. Aber mit seinem Projekt startete das Büro eine „Präzisierung von Zuordnungen“: Die isolierten Bereiche Schule – Kirche – ­Gemeindehaus wurden von ihren Festungsmauern befreit. Die Funktionsorte wurden

alle Fotos: koepflipartner

Rampen, Treppen, Leere. Noch ein paar Platanen, Asphalt, Beton. Mehr gibt es nicht für die „Agglo-Dorf-Stadt“ Dierikon im Kanton Luzern. Das Zwischendrin, der Freiraum zwischen den Gebäuden, ist auch Thema im neuen Zentrum: „Zwischendrin“ im Ort befindet man sich auf den neugeschaffenen Rampen- und Treppenanlagen. „Zwischen“ Schule, Kirche und Gemeindehaus. „Drin“ im Zentrum. Ein wenig überdimensioniert und leer wirkt alles noch, begibt man sich während der Unterrichtszeit an einem Wochennachmittag dorthin. Aber hin und wieder wagt sich doch ein Rad fahrendes Kind die Rampen hinauf und hinab, kommen hie und da Mütter oder Väter mit ­ihren Zöglingen zu einem der neuen Spielplätze. Und Gärtner, die die neuen Pflanzflächen jäten. Dann ein Lehrer, der seine disziplinierte Schulklasse in die Turnhalle führt. Und ein Landschaftsarchitekt, der sich über das vorsichtig keimende neue Leben in „seinem“ neuen Zentrum freut. Der darauf hinweist, dass vor noch nicht allzu langer Zeit – vor der Umgestaltung – das ungehinderte Radfahren und Bewegen rund um die vorhandenen Gebäude aus den achtziger Jahren nicht möglich ­waren. Zu viele bauliche Hindernisse unterbanden dies. Jetzt hingegen wird die Möglichkeit genutzt, die planerische Idee angenommen. Zwar zögerlich, aber immerhin. Vielleicht pulsiert das

Der neue Schulhof, entworfen von koepflipartner Landschaftsarchitekten, ist auch das neue Zentrum von Dierikon. Rampen und Treppen führen auf eine große Asphaltfläche.

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soweit möglich miteinander verbunden und ­eine gemeinsame Sprache gefunden. So entstand nach einem Bauprozess von rund einem halben Jahr im Frühjahr 2013 aus mehreren Patchwork-­Flicken ein zusammenhängender Flickenteppich. Ein organisierter Ort, der Relevanz für die gesamte Agglomerations-Gemeinde und ihre Bewohner hat; und die den Menschen vor Ort ein wenig mehr „innere Bindung und Verbindung“ möglich machen soll: auf verschieden Ebenen, über Treppenanlagen und Rampen miteinander verbunden; durch neue Sichtbezüge und Großzügigkeit. Auch mit dem Rollstuhl kann man nun durch das Zentrum fahren. In dessen Mitte befindet sich der neue, großzügige Pausenplatz. Eine „Bühne, die sich selbst bespielt; für die kein Theater von außen n ­ ötig ist“. Das „BänkliDenken“ wurde i­gnoriert, stattdessen das Funktionelle mit dem Gestalterischen verbunden: Zugleich Pausenbank unter Platanen und Absturzhindernis entlang ­einer Rampe ist ein schlicht gehaltener, etwa zehn M ­ eter langer vorgefertigter Betonkörper auf dem Gelände. Die Spuren auf seiner

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