Garten + Landschaft 10/2015

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Oktober 2015

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Freiraum am Wasser


Inhalt 10/2015

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Editorial

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Frei-räumen Tanja Braemer

Journal

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Zukunft Stadt Stadtstrukturen entwerfen Henrik Schultz

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Planungskultur und Prozessqualität Thomas Krüger 3. Baukulturwerkstatt in Frankfurt am Main

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Wiege deutscher Demokratie neu gefasst Laura Klöser Schlossgarten des Hambacher Schlosses eröffnet

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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

8 Interdisziplinäres Meisterwerk: Die neugestalteten Außenanlagen des Hambacher Schlosses wurden im Juli eröffnet.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 125. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten. 2

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Von der Kuhweide zum Quartierpark Thomas Armonat Pfingstweidpark in Zürich-West nach 15 Monaten Bauzeit eröffnet

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10 Sunken Garden: der Pfingstweidpark in Zürich als Pendant zur dichten City West.

12 Profi-Skate-Park: Die SkateAnlage des Hafenparks in Frankfurt am Main ist der neue Besuchermagnet am Mainufer.


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Freiraum am Wasser

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Sehnsuchtsort am Main Mechthild Harting Der neue Hafenpark in Frankfurt

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Von schäl zu schick Anette Kolkau Kölner Rheinboulevard

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Im Osten viel Neues Claas Gefroi Das Konzept „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ für Hamburg

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Rettungsanker für die Kieler Innenstadt Ljubica Heinsen Holstenbrücke: von der Hauptstraße zum Platz

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Italienflair in Thüringen Bettina Krause Die Krämerbrücke in Erfurt

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Ästhetik und Technik Katrin Korth Brunnen und Wasserspiele in urbanen Freiräumen

18 Flusspanorama: Von der Treppe des Rheinboulevard in Köln-Deutz blickt man über den Rhein hinweg auf die beeindruckende Kölner Stadtsilhouette.

34 Ort für Touristen: an der historischen Krämerbrücke in Erfurt entstand ein Hybrid aus Platz und Park.

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Termine www.garten-landschaft.de

37 Brunnen in der Stadt: Die Betriebskosten sollten im Entwurf mitgedacht werden. Diese Anlage in Asperg in BadenWürttemberg kostet die Stadt 6 000 Euro im Jahr.

Bilder: LOMA, SchnitzelCopter, Philip Winkelmeier, Hanns Joosten, Bettina Krause, Katrin Korth Titel: Hanns Joosten, Rheinboulevard Köln-Deutz

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Sehnsuchtsort am Main Wie viele andere Städte hat auch Frankfurt am Main die Ufer seines Flusses als Freiraum wiederentdeckt. Obwohl als Baufläche vorgesehen, entstand der vier Hektar große ­Hafenpark nahe des EZB Turms am Mainuferweg und verkleinert die Lücke i­m östlichen

Mechthild Harting Frankfurt am Main, das ist die genaue Ortsbezeichnung der Metropole im Hessischen. Den Fluss, die Ausrichtung zum Wasser, die hat die Stadt Frankfurt in den vergangenen Jahren erst wieder lernen müssen. Doch einmal von Frankfurtern und Touristen entdeckt, hat sich das Mainufer zum Publikumsliebling entwickelt. Und weil die Stadtpolitik das spürt, wird viel darüber nachgedacht, wie die Promenade nach Osten und Westen weiter entwickelt werden könnte. Jüngste Perle an dieser Schnur von Grünanlagen, die die Stadtpolitiker selbst als „grünes Juwel“ bezeichnenen, ist der vier Hektar große ­Hafenpark. Er ist im Schatten des neuen Turms der Europäischen Zentralbank im ­Osten der Stadt entstanden und Mitte Juli mit einem großen Fest den Frankfurtern übergeben worden. Auf acht Kilometern, vier auf jeder Seite, erstreckt sich damit nun das grüne Frankfurter Mainufer, von dem aus man aus vielerlei Perspektiven einen Blick auf die berühmte Skyline werfen kann. Dass dieser Hafenpark entstanden ist, hat die seinerzeit zuständige Umweltdezernentin, die Grünen-Politikerin Manuela Rottmann, als „günstige Sekunde in der Stadtentwicklung“ bezeichnet. Frankfurts Planungsdezernent nannte die Existenz des Parks bei der Eröffnung sogar „ein kleines Wunder“. Denn das Areal gehörte den städtischen Hafen­ betrieben und im Jahr 2008 war längst 12

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­ usgemacht, dass aus dem ehemaligen a ­Industriegelände, auf dem jahrelang Autos verschrottet, zerschreddert und verschifft wurden, ein attraktiver Bürostandort werden sollte. Dann schritt die schwarz-grüne Stadtregierung ein und legte fest, dass als Ausgleich für andere Bauvorhaben in der Stadt das Gelände zu einem Park werden sollte. Dass es über die Jahre gelungen ist, trotz des enormen Hungers der Stadt nach Bauflächen, trotz des städtischen Wachstums, diese 40 000 Quadratmeter direkt am Main frei zu halten, zeichnet die Entstehung des Hafenparks aus. Zumal die Bauvorhaben, deren Ausgleichsfläche der Park werden sollte, bis heute alle nicht realisiert worden sind. „Solche Freiflächen machen die Qualität ­einer Stadt aus“, sagte der Frankfurter Planungsdezernent bei der Eröffnung, denn „Urbanität besteht nicht nur aus Hochhäusern.“ Die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig, ebenfalls eine Grünen-­ Politikerin, ergänzte: Der Park sei mit seinen vier Hektar zwar vergleichsweise klein. Doch für das Lebensgefühl der Stadt sei er „ein ganz Großer“. Weil das trapezförmige Areal zwischen einer lauten Eisenbahnbrücke und der stark von Lastwagen befahrenen Honsellbrücke liegt, der Zufahrt zum Frankfurter Ost­ hafen, stand von Anfang an fest: Hier kann keine barocke Idylle entstehen. Gewünscht

Philip Winkelmeier (6)

Grüngürtel.


„Frankfurt hat einen Ort bekommen, nachdem die Stadt sich gesehnt hat – den es so nicht gab“

Der Mainuferweg verbindet den neuen Hafenpark zu Füßen der EZB mit dem gesamten nördlichen Mainufer. Auf beiden Seiten des Flusses gibt es damit jeweils vier ­Kilometer gestaltete Ufer.

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Von schäl zu schick: Kölner Rheinboulevard Eine große bauliche Geste, bedeutende archäologische Funde, viele Planungs- und Kostenänderungen: Der eröffnete Abschnitt des Rheinboulevard in Köln-Deutz bietet Kölnern und Touristen von der rechten Rheinseite einen phantastischen Blick auf die berühmte Stadtsilhouette mit Dom.

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Anette Kolkau und 90 Zentimeter tiefe Stufen – einmal mehr zu dem früheren Schmuddelkind der Stadt. Einst von I­ndustrie geprägt, wird die rechte Rheinseite auch heute noch zu oft „schäl Sick“ (schlechte/falsche Seite) ge­ nannt. Aber der neue A ­ nschluss an den Stadtkern funktioniert: Die Menschen neh­ men das am 13. Juli eröffnete, neue Stück Stadt an – ein weiterer Schritt zur Identifika­ tion mit der bislang weniger beliebten Seite. Und das, obwohl noch gar nicht alles fertig ist. Auf der Scheitelfläche der Treppe laufen noch die Bauarbeiten für einen großzügigen Boulevard und die bau­liche Verbindung mit der angrenzenden Stadt. Dort entsteht ein parkähnlicher Streifen mit einem fünf Meter breiten Weg aus großformatigen Betonplatten – für Fuß­gänger und Radfahrer gleichermaßen. Baumgruppen aus Japanischen Schnur­bäumen werden Rasen und das Boulevardband gliedern. Kleine Natursteinpflaster­plätze nehmen dann die vorhandenen Wege aus dem Stadtteil auf und führen sie dem neuen Boulevard zu. ­Unterhalb der großen Hochwassermauer

Hanns Joosten (7)

Freitagnachmittag, spätsommerlich heißes Wetter, die Sonne scheint direkt auf die rie­ sigen Stufen mit ihren abgerundeten Kan­ ten. Hier wimmelt es nur so von Menschen, die am Ufer flanieren. Bis zu 10 000 Perso­ nen finden gleichzeitig Platz auf der Trep­ penanlage. Diese Ufertreppe, Teil des künftigen Kölner Rheinboulevards, besteht aus strahlend hel­ lem, gesäuertem Sichtbeton. Die raue Ober­ fläche der etwa 2 500 einzelnen Betonfertig­ teile mit einem Gewicht von je zwei bis drei Tonnen wirkt fast wie Naturstein. Auf den Treppen kann man bequem liegen, sitzen und vor allen Dingen schauen: auf den Dom, den Rhein und die Altstadt. An keinem Ort der Stadt zeigt Köln so eindrucksvoll seine moderne und historische Breitseite. Beson­ ders schön ist es in der Abendsonne, die den Beton wärmt. Sie scheint zu dieser Tageszeit auf die rechte Rheinseite, während die Altstadt gegenüber schon weitgehend im Schatten liegt. Köln bekennt sich mit dieser gigantischen Treppe – 500 Meter lang, 6 Me­ ter Höhenunterschied, 45 Zentimeter hohe

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Rettungsanker für die Kieler Innenstadt Um Kiels Zentrum attraktiver zu machen, möchte die Stadt einen historischen Kanal freilegen. Wo ­heute noch eine sechsspurige Straße verläuft, könnten die Kieler dann an Stegen und Holzdecks direkt am Wasser spazieren und in Ruhe Kaffee trinken. Trotzdem sähen in der Kieler Ratsver-

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sammlung ­manche die dafür veranschlagten Investitionen an anderer Stelle besser angelegt.

Ljubica Heinsen In Kiels Innenstadt ist Shoppen und Bum­ meln nicht mehr attraktiv. Der Einzelhandel verliert seine Kundschaft an Einkaufszent­ ren, die am Stadtrand oder im Umland lie­ gen. Immer beliebter sind Shoppingkonzep­ te wie das Designer Outlet in Neumünster. Altstadtflair ist hier per Attrappe nach­ gestellt, Markenartikel verkaufen sich eben noch besser in einem gemütlich anmuten­ den Lädchen. Ein authentisches Altstadt­ erlebnis kann Kiel dem Neumünsterschen Shoppingstädtchen nur punktuell entge­ gensetzen. Als wichtiger Stützpunkt der Kriegsmarine büßte die schleswig-holsteini­ sche Landeshauptstadt im Zweiten Welt­ krieg viel von ihrer Altstadt ein. Wieder ­aufgebaut wurde sie nach dem Modell der autogerechten Stadt. Auch die in die Jahre gekommene Holstenstraße aus den 50ern – eine der ä ­ ltesten Fußgängerzonen Deutsch­ lands – bietet Stadt­bummlern inzwischen kaum noch Anreiz sich lange in Kiels Zent­ rum aufzuhalten und ihr Geld dort in den Geschäften und Lokalen auszugeben. Mit dem Konzept „Kleiner Kiel Kanal“ soll 30

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sich das ändern. Die Stadt Kiel nimmt rund 11,5 Millionen in die Hand, um an der Schwelle zur Altstadt den öffentlichen Raum aufzuwerten. Hierfür wird die sechsspurige Straße Holstenbrücke zu einem Stadtplatz umgebaut. Formgebende Elemente im Ent­ wurf des Berliner Büros bgmr Becker Giseke Mohren Richard Landschaftsarchitekten sind zwei Wasserflächen – ein Stadtkanal und ein Wasserplatz – die als Kleiner Kiel Kanal den historischen Stadtgraben nachzeichnen. Die Umgestaltung der Holstenbrücke sei nicht nur eine Verschönerungsmaßnahme, unter­ streicht Stadtgestalter Gerald Krysta vom Stadtplanungsamt Kiel. „Die Kieler Altstadt darf nicht weiter ausbluten. Der Kleine Kiel Kanal soll zu einem Anziehungspunkt wer­ den und die Aufenthaltsqualität befördern, um die Innenstadt am Leben zu erhalten.“ Nachdem die aktuell von tosendem Verkehr belegte Fläche umgestaltet ist (geplante Bau­ zeit 2016 bis 2018), werden Fußgänger sehr viel Raum zum Flanieren und Pausieren ge­ winnen. Der motorisierte Individualverkehr darf den Stadtplatz gar nicht mehr befahren.

Um die Kieler Innenstadt für Fuß­ gänger attraktiver zu gestalten soll die Holstenbrücke zu einem Stadtplatz umgebaut werden. Derzeit durchtrennt die sechsspu­ rige Straße die Holstenstraße, Kiels Haupteinkaufsstraße.


Busse, Taxen, Anlieferfahrzeuge sowie Rad­ fahrer verkehren nur östlich des Kleinen Kiel Kanals. Die verkehrs- und wassergeprägten Teile des Platzes zu ­einer einheitlichen Be­ lagsfläche verschmelzen zu lassen, war eine der größten Herausforderungen, sagt Dirk Christiansen vom ­Büro bgmr. Der Stadtplatz würde zwar verkehrsberuhigt, dennoch for­ dere die hohe Frequenz an Busverkehr belas­ tungsfähige Oberflächen. Geplant ist, den Asphaltbelag mit einem Feinsplitt zu überzie­ hen, der in feiner Körnung als Zuschlagstoff für die Betonplatten in der Platzfläche ver­ wendet wird.

Der Kleine Kiel Kanal verbindet die großen wassergeprägten Frei­ flächen ‐– den Kleinen Kiel und den Bootshafen – miteinander. Es soll eine Raumfolge von Plätzen entstehen. Noch Zukunftsmusik: die Anbindung an die Förde.

Ein Projekt mit Streitpotential Der eher steinern geprägte Stadtplatz, mit dem das Büro bgmr im Jahr 2012 den Pla­ nungswettbewerb für sich entschied, ist nach der Einarbeitung der Beiträge aus der ­Öffentlichkeitsbeteiligung von 2014 weicher geworden. Jetzt soll laut Vorentwurf ein „Boardwalk“ aus Holzbohlen das nordöst­ liche Ufer des Kanals und des Wasserbeckens flankieren. Dem Wunsch nach mehr Grün Garten + Landschaft

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