November 2011
Garten+
Landschaft Zeitschrift fĂźr Landschaftsarchitektur
Bauten
Dies ist eine Leseprobe
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Inhalt 11/2011
Bauten
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Bühnenbild am Meer Sofie Willems Die Strandpromenade in Esbjerg, Dänemark
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Ausblick ins Ried Thomas Jakob Aussichtsplattformen und Stege im Pfrunger Ried
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Der Turmbau zu Gosdorf Thomas Jakob Aussichtsturm in den Mur-Auen in der Steiermark
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Schlichtes Gedenken Barbara Willecke Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden
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Im Tod sind alle gleich Juliane Schneegans Das Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof Rosenberg in Winterthur
Editorial
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… und wichtig sind auch die Toiletten! Robert Schäfer
Journal
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In Freiräume investieren bringt den größten Nutzen Thomas Armonat Interview mit BDLA-Präsidentin Andrea Gebhard
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3Land am Dreiländereck Thomas Armonat Trinationaler Masterplan für die Region Basel
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Planen jenseits des Planbaren Jessica Bridger Tagung „Metropolis Nonformal“ an der TU München
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Große Freiheit in Tallinn Triin Ojari Der Vabaduse Platz in der estnischen Hauptstadt
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Europarat: Stadtraum als Quelle von Wohlstand Thomas Armonat 5. Europäische Landschaftstagung in Straßburg
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Erwarte das Unerwartete Xiaodi Zheng Die Meistergärten für die internationale Gartenschau im chinesischen Xi´an
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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
Schöne Aussichten in Norwegen Robert Schäfer Architektonische Aufwertung entlang von 18 Landschaftsrouten
8 Die norwegischen Landschaftsrouten: bemerkenswerte Architektur inmitten grandioser Landschaft. Im Bild: die Tverfjellhütte von Snøhetta.
18 Ein Holzsteg ist Rückgrat der Promenade im dänischen Esbjerg. Zudem locken ein Meerwasserbecken und eine Badeinsel am Nordseestrand.
20 Um Besucherströme besser zu steuern, entstanden zwei Aussichtsplattformen für das Naturschutzgebiet Pfrunger Ried nördlich des Bodensees.
Trocken durchs Wasser Ad Kil, Ro Koster Laufgrabenbrücke zur Festung Fort de Roovere in den Niederlanden Schwingende Spirale Damian Zimmermann Die Rehberger Brücke in Oberhausen
22 Der Mur-Turm im südsteirischen Gosdorf ist das touristische Aushängeschild der Gemeinde. Er steht mitten in den Mur-Auen an der Grenze zu Slowenien.
24 Wo in Wiesbaden einst die Synagoge stand, erinnert seit Anfang des Jahres eine Gedenkstätte an die ermordeten Juden der Stadt.
Urban Design Projekt Spiel Produkte
44 50 51
GaLaBau Praxis Recht
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Sonderveröffentlichung der ELCA For a Better Life in European Cities Nachrichten Campus Termine Wettbewerbe DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Nachtrag, Impressum
40 42 53 54 56 64 64
36 Neun Gärten renommierter Planungsbüros waren das Aushängeschild der Gartenschau in Xi´an. Im Bild: Der Garten der 10 000 Brücken von West 8.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 121. Jahrgang Bilder: Snøhetta, Asger Simonsen, architekturlokal, terrain: Loenhart & Mayr, Andreas Süß, Xiaodi Zheng Titel: Tverfjellhütte Norwegen von Snøhetta, Foto: Ketil Jacobsen
Für die Zukunft gestalten. 2
Garten + Landschaft
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Cato Farstad
Zwei Pavillons setzte der Schweizer Architekt Peter Zumthor an den Strand im nordnorwegischen Vardø. Zusam men mit der Künstlerin Louise Bour geois wurde er beauftragt, als Projekt der Norwegischen Landschaftsrouten eine Gedenkstätte für die Opfer der Hexenverfolgung zu bauen.
18 ausgewählte Landschaftsrouten locken Touristen zu einigen der schönsten Rastplätze und
Robert Schäfer (3)
Schöne Aussichten in Norwegen Aussichtspunkte Norwegens – eine nationale Bauausstellung, die meist lange, aber lohnende
Im Kontrast zu dem 125 Meter lan gen Holzgestell steht das schwarze Glasgebäude, das Louise Bourgeois’ Installation umschließt. Der einge spannte Schlauch aus Segeltuch schafft im Inneren einen dunklen Raum für die eindringliche Doku mentation der 91 Opfer der Hexen verfolgung.
Anfahrtswege erfordert. Hier wird Landschaft inszeniert.
Robert Schäfer Die Norweger sind viel unterwegs in ihrem extrem langgestreckten Land, das zudem von Gebirgen durchzogen ist. Dort müssen die Straßenbauer alle Register ziehen, um Passstraßen, Tunnel und Brückenbauwerke auch in den entlegenen Landesteilen anzule gen. Der Königsweg von Oslo nach Bergen und auch der Pilgerweg nach Trondheim zum Nidarosdom sind Vorläufer der norwe gischen Wegebaukunst, die noch heute die Touristen staunen lässt. Das norwegische Straßenbauamt gilt als einflussreiche Institu tion, die nicht nur Ingenieure, sondern auch Architekten und Landschaftsarchitekten gut mit Aufträgen versorgt. Vor rund 20 Jahren erhielt Statens Vegvesen von der norwegischen Regierung den Auf trag, Touristenrouten auszuweisen, um im internationalen Reisegewerbe nicht abge
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hängt zu werden. Einen vorzüglichen frühen Werbeträger gab Kaiser Wilhelm II. ab. Er dampfte mit der Staatsyacht Hohenzollern von 1889 bis 1914 jeden Sommer die norwe gische Küste entlang, mit bis zu 2 000 Perso nen im Schlepptau, worüber sich Hoteliers und Kaufleute freuten. Heute bevölkern deutsche Touristen die Postschiffe der Hur tigrute, die seit 1893 täglich von Bergen nach Kirkenes und zurück fahren. Jedoch war es ein mutiger Niederländer namens Petrus Scheltemer Beduin, der im September 1901 als erster aktenkundiger Autotourist Laerdalsøyri am Sognefjord auf rauen Wegen erreichte. Von jenem Ort aus kann man seit dem Jahr 2000 ganzjäh rig gebührenfrei durch den 24,5 Kilometer langen Laerdalstunnel Richtung Bergen fahren. Doch dieser spektakuläre Tunnel
ist ebensowenig Teil der Touristenrouten wie elegante Brücken oder viele moderne Museen. Über 60 Orte an 18 Streckenabschnitten Man wollte landschaftlich reizvolle Strecken ausweisen und diese fit machen für die Rei senden. Aus mehr als 50 Vorschlägen von Jaeren im Süden bis Varanger im Norden wählte eine Jury schließlich 18 Routen aus, jede zwischen 27 und 194 Kilometer lang. Auf diesen Strecken wiederum wurden etwa 60 Orte bestimmt, die besondere Zuwen dung erfahren sollten, meist Rastplätze und Aussichtspunkte. In der Regel jüngere und experimentierfreudige Teams aus Archi tekten, Landschaftsarchitekten und Künst lern wurden aufgefordert, Vorschläge einzureichen oder sich einem beschränkten
Die arktische Landschaft spiegelt sich in der schwarzen Glasfassade. Drinnen lodern Gasflammen aus einem stählernen Stuhl, ihr Licht wird reflektiert von sieben Spiegeln. Der Betonring soll Besucher auf Dis tanz halten, denn das unbeaufsich tigte Memorial ist jederzeit frei zu gänglich.
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Loopgraafbrug, Halsteren, Niederlande
Nicht übers sondern durchs Wasser führt die Laufgrabenbrücke zur Festung Fort de Roovere nahe des niederländischen Halsteren.
Bauherrin: Gemeinde Bergen op Zoom, Niederlande Architekten: RO&AD architecten, Bergen op Zoom, Niederlande Fläche: 30 Hektar Bauzeit: 2010 bis 2011 Kosten: 2,5 Millionen Euro, Brücke 200 000 Euro.
Trocken durchs Wasser gehen In den Niederlanden sollten Architekten eine „unsichtbare“ Brücke zu einer historischen Befestigungsanlage bauen. Anstatt sie wie gewöhnlich übers Wasser zu spannen, führten sie die Brücke durchs Wasser.
Ad Kil, Ro Koster werke mit ihren Erholungsmöglichkeiten wiederentdeckt. Jedes der Forts wird dabei auf eine andere Weise genutzt, als Camping platz etwa, als Weinkeller, Museum, Restau rant oder Naturreservat. Unsichtbare Brücke über den Graben Die West Brabantse Waterlinie umfasst die Festung Fort de Roovere. Das Fort dient heute als Erholungsgebiet, mehrere Radund Wanderrouten führen an ihm vorbei. Mit der Wiederherstellung der Wasserlinie musste auch eine Brücke über den Wasser graben des Forts gebaut werden. Da es höchst ungewöhnlich ist, eine Brücke über einen Verteidigungsgraben zu bauen – insbesondere auf der feindlichen Seite – schied eine konventionelle Bauweise aus. Vielmehr galt es, eine Brücke zu entwerfen, die sich gut in die Festung einfügt und den ursprünglichen Charakter der Verteidigungsanlage aufrechterhält. Wir, das Architekturbüro RO&AD aus dem nieder ländischen Bergen op Zoom, gestalteten deshalb eine unsichtbare Brücke, die in das Zentrum der Festung führt.
Die Brücke besteht aus Holz, das mit Hilfe einer Kautschukfolie wasserfest gemacht wurde. Wie eine Fuge durchzieht sie die Festungsanlage und den Wassergraben. Die Brücke ist aus der Ferne nicht sichtbar, weil der Oberboden und das Wasser bis an die Oberkante der Geländer heranreichen. Nähert man sich der Brücke, sieht man durch eine schmale Fuge die Festung. Mit Scheuklappen durchs Wasser An jeder Stelle der Brücke entsteht dabei ein anderer Eindruck. Vom Brückenkopf hat man einen wunderbaren Blick auf die Umgebung. Steigt man die Treppen hinab, wir ken die hohen Geländer wie Scheuklappen und man kann nur geradeaus sehen. Auf der Brücke selbst ist der Besucher von Wasser umgeben und bleibt doch trocken. Mit den Händen kann man ins Wasser fas sen, das gegen das Geländer plätschert. Ein wenig erinnert die Szenerie an Moses, der einst das Wasser des Roten Meeres teilte, damit sein Volk trockenen Fußes vor den Streitwagen des Pharaos flüchten konnte. Aus dem Englischen von Simon Herr
RO&AD (2)
Da die Niederlande größtenteils unter Mee resniveau liegen, musste sich das Land schon immer gegen das Wasser behaupten. Doch man machte sich die Kraft des Wassers auch zunutze. Mithilfe ihrer „Geheimwaffe”, der Holländische Wasserlinie, wehrten die Nie derländer zu Kriegszeiten Gegner ab, indem sie gezielt Überflutungen auslösten. Ende des 16. Jahrhunderts vereinigten sich sieben Provinzen der heutigen Niederlande und spalteten sich von der Vorherrschaft Philipp II. von Spanien ab. Neben den Dei chen, die das Meer abwehrten, errichteten sie Schutzzonen gegen Feinde. Dort, wo die Natur keine Hürde darstellte, fügten sie befestigte Städte und manchmal Forts ein, und es entwickelte sich ein Netzwerk aus Trutzstreifen und Befestigungen. So entstand 1628 die West Brabantse Water linie als Verteidigungslinie, bei der einige Städte und Dörfer mit Sand- und Steinwällen befestigt und verbunden wurden. Im Vertei digungsfall wurde das Land vor diesen Wäl len geflutet. Im 19. Jahrhundert verfielen die Anlagen zusehends und gerieten in Verges senheit. Heute haben Touristen diese Bau
Kautschukfolie schützt das Holz vor dem Wasser. Wer über die Brü cke läuft ist praktisch auf Augen höhe mit der Wasseroberfläche.
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Garten + Landschaft
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Schwingende Spirale Seit Juni führt in Oberhausen die Rehberger-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal vom Kaisergarten auf die Emscherinsel. Die Spannbandbrücke schlängelt sich über 460 Meter auf die
Ilias Abawi (3)
Insel, der Kanal selbst ist jedoch nur 60 Meter breit.
Die von dem Künstler Tobias Rehberger entwickelte Brücke windet sich auf 406 Metern von Schloss Oberhausen über den Rhein-Herne-Kanal zur Emscherinsel.
Der Brückenboden besteht aus 88 farbigen Feldern eines Fallschutzbelags umgeben von einer Spiralfeder. Lauffläche und Brückenunterseite werden nachts angestrahlt.
Damian Zimmermann Eine Brücke ist eine Verbindung zwischen zwei Punkten über ein Hindernis hinweg. Geht man nach dieser Definition, dann hat Tobias Rehberger eine Brücke über den Rhein-Herne-Kanal gebaut. Nun ist Rehberger aber weder Architekt noch Stadtplaner, sondern einer der wichtigsten deutschen Künstler der Gegenwart – und deshalb ist seine Arbeit „Slinky Springs to Fame“, die Ende Juni diesen Jahres in Oberhausen mit über einem Jahr Verspätung eröffnet wurde, auch eher eine begehbare Architekturskulptur denn ein Bauwerk geworden. Eine 406 Meter lange Skulptur – obwohl der Rhein-HerneKanal gerade mal 60 Meter breit ist. Aber genau das zeichnet diese ganz besondere Brücke aus: Sie verbindet zwar den Kaisergarten mit den Sportplätzen auf der Emscherinsel, zeigt auf dem Weg dorthin allerdings keine Eile. Wie ein riesiges, aber achtlos dahin geworfenes SchraubenfederSpielzeug, ein „Slinky“ eben, lotet sie den Raum aus, schlängelt sich sanft steigend rechts und links herum durch den Park und knapp an den zahlreichen Bäumen vorbei. 32
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Und wenn der Besucher schließlich in zehn Metern Höhe über dem Wasser steht, dann hat er bereits gut 200 Meter auf der Brücke hinter sich – Effizienz sieht anders aus, aber um die geht es in der Kunst ohnehin nicht. Dafür wird der Spaziergänger zum Flaneur, der sieht und staunt – und zwar bei Tag und bei Nacht, denn die 16 verschiedenen Farbfelder auf dem weichen Boden von „Slinky Springs to Fame“ werden in der Dunkelheit eindrucksvoll angestrahlt. Allerdings hat jede Brücke zwei Enden – und das Zweite wirkt auf der Emscherinsel ein wenig verloren. Schnell merkt man, dass es eben nicht die Brücke alleine ist, die bezaubert, sondern ihre Interaktion mit dem Park, mit der Umwelt. Auf der Emscherinsel windet sich Slinky auf einer leeren Fläche. Kein Baum steht im Weg, der die Kurve rechtfertigen und der die Sichtachsen interessanter machen würde. Insofern ist die Brücke nur zu zwei Drittel wirklich gelungen – dort, wo sie gelungen ist, ist sie jedoch großartig. Eigentlich hätte die Rehberger-Brücke, wie sie meist nur genannt wird, bereits im Rah-
men von „Emscherkunst“ im Kulturhauptstadtjahr 2010 fertig sein sollen. 40 Künstler, darunter Rita McBride, Mark Dion, Monica Bonvicini, Olaf Nicolai und die Postrock-Band Mogwai, wurden aufgefordert, alleine oder gemeinsam Positionen für die Emscherinsel, also den schmalen Landstrich zwischen dem Emscherkanal und dem Rhein-Herne-Kanal, zu erarbeiten. Allerdings ist Rehbergers Entwurf so extravagant, dass die Ausführung deutlich länger gedauert hat und die Kosten am Ende doppelt so hoch ausfielen wie ursprünglich geplant. Zum Vergleich: Für die gesamte Emscherkunst mit insgesamt 20 Skulpturen, Installationen und Interventionen zwischen Oberhausen und Recklinghausen standen elf Millionen Euro zur Verfügung. Davon nimmt die Rehberger-Brücke mit fünf Millionen Euro also fast die Hälfte ein. Das ist sicher kein Pappenstiel – aber die Rehberger-Brücke ist ja auch nicht einfach nur eine Verbindung zwischen zwei Punkten. Sie hat das Potenzial, neues Wahrzeichen von Oberhausen zu werden. www.emscherkunst.de
Bei der Rehberger-Brücke handelt es sich um eine Spannbandbrücke. Tragendes Element sind Spannbänder, die die Lauffläche tragen und mit den Endauflagern zugfest verbunden sind. Charakteristisch ist der konkave Durchhang des Spannbandes in den Feldern. Je geringer der Durchhang, umso größer sind die Zugkräfte.
Slinky Springs to Fame – RehbergerBrücke, Oberhausen Bauherr: Emschergenossenschaft Entwurf: Tobias Rehberger, Frankfurt Ingenieurbüro: Schlaich, Bergermann und Partner, Stuttgart Maße: 406 Meter lang, 2,50 Meter breit, 1 400 Einzelteile, davon 496 Spiralen Kosten: 5 Millionen Euro
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