November 2013
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Spiellandschaften
Inhalt 11/2013
Newsletter Jetzt kostenlos abonnieren: www.garten-landschaft.de Regelmäßig Neuigkeiten aus der Branche. Die Kinder und Eltern bereits an der Planung von Spielplätzen zu beteiligen, wird immer wichtiger. Für den Grasbrookpark in der Hamburger HafenCity wünschten sie sich ein Weidenlabyrinth, Seite 12.
Spiellandschaften
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Jugend bewegt Stadt Peter Apel, Nicola Wiener Freiräume für die Bedürfnisse von Jugendlichen
Collage: EMBT
Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
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Wilde Piraten und zahme Schafe Ljubica Heinsen Spielen mit Wasser im Hamburger Grasbrookpark
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Eine Frage der Alltagstauglichkeit Thomas Armonat Interview zu Spiel und Beteiligung in der Hamburger HafenCity
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Spielabenteuer im Londoner Olympiapark Nadya Kerimova Der Spielplatz Tumbling Bay im Queen Elizabeth Olympiapark
Editorial
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Ludisches Innovationsverhalten Robert Schäfer
Journal
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Neue grüne Mitte für Altona Peter Zöch Wettbewerb zu neuem Stadtteilpark in Hamburg entschieden
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Barrierefrei bespielbare Freiflächen Barbara Grundner-Köppel, Lothar Köppel Anforderungen an Spielplätze für Menschen mit und ohne Einschränkungen
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Ein Gestalter lebenswerter Räume Claudia Moll, Axel Simon Zum Tod des Schweizer Architekten Eduard Neuenschwander
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Dreckig und Draußen Martin Kohler Die Sport- und Spielangebote auf dem Gelände der Hamburger igs
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Das Bild der Natur in der Landschaftsarchitektur Ellen Fetzer 24. ECLAS Konferenz in der HafenCity Hamburg
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Die Fanta Spielplatz Initiative Dirk Schelhorn Ein privater Investor versucht sich in sozialem Engagement
4 Im Umfeld des Güterbahnhofs in Hamburg-Altona soll sich einiges ändern. Den Wett bewerb zum Park Neue Mitte Altona gewann das Büro Rotzler Krebs aus Winterthur.
7 Ende September fand in Hamburg unter dem Titel „Specifics“ die Konferenz des Europäischen Rates der Landschaftsarchitekturhochschulen (ECLAS) statt.
12 Viel Platz zum Spielen bietet seit dem Sommer der Grasbrookpark in der Hamburger HafenCity. Wasser und ein Kletterwald sind die Hauptattraktionen und Ergebnis einer Bürgerbeteiligung.
22 Der Londoner Olympiapark wird nun für die Zeit nach den Spielen weiterentwickelt. Ein Element ist der Spielplatz Tumbling Bay.
32 Auf dem Gelände der Hamburger igs muss sich nach dem Ende der Gartenschau zeigen, ob die Sport- und Spielangebote die Wilhelmsburger begeistern. Im Bild: die Skateanlage.
Urban Design GaLaBau Praxis
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Nachrichten Wettbewerbe Personen Termine Campus DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Nachtrag Impressum
40 44 47 50 51 58 64 64
28 Spielplätze für motorisch eingeschränkte Kinder wie an der Bayerischen Landesschule für Körperbehinderte müssen spezielle Anforderungen erfüllen.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 123. Jahrgang
Bilder: Rotzler Krebs, Rebekka Seubert, HafenCity Hamburg GmbH/Thomas Hampel, David Grandorge, Martin Kohler, Köppel Landschaftsarchitekt Titel: Spielplatz Tumbling Bay im Londoner Olympiapark, David Grandorge
Für die Zukunft gestalten. 2
Garten + Landschaft
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Wilde Piraten und zahme Schafe Die Hamburger HafenCity ist seit dem Sommer für Kinder wesentlich attraktiver: Der Grasbrookpark wurde auf Wunsch der Anwohner zu einem riesigen Wasserspielplatz anstatt zu einem städtischen Platz, wie ursprünglich vorgesehen. Den Palmenkletterwald und das Weidenlabyrinth wünschten sich Kinder der angrenzenden Katahrinenschule bei den Planungsworkshops, ein Piratenschiff wurde von
HafenCity Hamburg GmbH/Thomas Hampel (6)
einem temporären Spielplatz in den Grasbrookpark versetzt.
Ein Palmenkletterwald und ein riesiges Wasserbecken sind die Hauptattraktionen des Grasbrookparks. Er hat schon viele Fans aus ganz Hamburg gefunden.
Ljubica Heinsen
Das maritime Thema für den Grasbrookpark in der Hamburger HafenCity spiegelt sich selbst in der Bepflanzung von EMBT w ieder: „Heckenschiffe“ als Begrenzung. Grafik: EMBT
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Schon die Anreise zum neuen Grasbrookpark in der Hamburger HafenCity kann ein Abenteuer sein. Fährt man mit der neuen U-Bahnlinie 4 und steigt am Bahnhof „Überseequartier“ aus, führt aus 20 Meter Tiefe eine erstaunlich breite Rolltreppe hinauf ins Freie. Saftig grüne Palmenblätter springen einem dann gegen Ende des Aufstiegs als erstes ins Auge. Für die Freiräume der HafenCity ist auch die Geräuschkulisse ungewohnt. Mit jedem weiteren Schritt in den Grasbrookpark erinnert sie mehr und mehr an die eines Schulhofs oder eines Freibads. Palmenkletterwald, Piratenschiff und eine Flusslandschaft mit Wasserspielen: auch unter einem milchig grauen Herbsthimmel scheinen die Abenteuer der Karibik zum Greifen nah. Zugang
zu den Spielattraktionen des Grasbrookparks haben Kinder seit Mitte August. Diesen über 7 000 Quadratmeter großen Spiel- und Bewegungspark hätte es in dieser Form nicht gegeben, wären die Entwurfspläne aus dem freiraumplanerischen Wettbewerb für die westliche HafenCity von 2002 realisiert worden. Das Gewinnerbüro Enric Miralles – Benedetta Tagliabue aus Barcelona (EMBT) sah damals vis à vis zu den Marco-Polo-Terrassen einen urbanen Platz mit einzelnen Bäumen und Wasserelementen vor. „Wie die Gestaltung des Grasbrookparks genau aussehen sollte, blieb lange offen“, resümiert Benedetta Tagliabue. Sie freut sich, dass die wachsende Bewohnerschaft der HafenCity schließlich darüber bestimm-
te, was dort passieren soll. Eltern, die in die westliche HafenCity gezogen waren, äußerten schon bald den Wunsch nach Spielflächen. Abhilfe schuf die HafenCity 2008 mit dem Bau des temporären Spielplatzes „Schatzinsel“ nach dem Entwurf des Hamburger Büros WFP Landschafts architekten mit einem großen hölzernen Piratenschiff als Attraktion. Wie für den jetzigen Grasbrookpark, waren auch bei der damaligen temporären Planung schon Eltern und Kinder aus dem neuen Quartier beteiligt. Seit 2011 bietet der Sandtorpark mit seiner modellierten Rasenlandschaft Kindern mehr Bewegungsraum als die vorwiegend steinern gestalteten Promenaden und Hafenköpfe. Die HafenCity verzichtete darauf, den 6 000 Quadratmeter Garten + Landschaft
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Spielabenteuer im Londoner Olympiapark Der Spielplatz Tumbling Bay im Londoner Olympiapark setzt Maßstäbe für naturnah gestaltete Tumbling Bay Spielplatz und Timber Lodge Hub Gebäude, Queen Eliza beth Olympiapark, London
Spielplätze und ist Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und Eltern aus der Nachbarschaft. Als Bestandteil des London Legacy Development, der Weiterentwicklung des Olympiaparks in der Phase nach den Spielen, wird er mit darüber entscheiden, wie gut die Bevölkerung
Bauherr: London Legacy Develop ment Corporation Planer: erect architecture, London LUC – Land Use Consultants, London Waldkieferspielplatz: Adventure Play ground Engineers, London Sand- und Wasserspielbereich: The Fountain Workshop, Chatham Kent mit Mel Chantrey Fläche: 2 Hektar Bauzeit: 2013
den Park annimmt.
Nadya Kerimova Als zentraler Naturspielplatz für den Queen Elizabeth Olympic Park wurde Tumbling Bay im Sommer 2012 im nördlichen Teil des Parks eröffnet. Ein Großteil des Parks ist derzeit noch Baustelle, um ihn an die Zeit nach Olympia anzupassen. Doch der nach ökologischen Gesichtspunkten angelegte nördliche Bereich ist für die Öffentlichkeit bereits wieder zugänglich. Tumbling Bay gleicht einer Flusslandschaft, wie sie im nahen Tal des Flüsschens Lea zu finden ist. Das Projekt ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass der North Park Hub als Knotenpunkt für die Bewohner der umliegenden
Stadtteile Eltern, junge Kinder und Teenager gleichermaßen anzieht. Den Entwurfswettbewerb der London Legacy Development Corporation von 2011 gewannen die Londoner Büros erect architecture und Land Use Consultants – Environmental Planning Design & Management (LUC) mit einem inspirierenden Entwurfskonzept. Die endgültige Version des Spielplatzes wurde in Kooperation mit Adventure Playground Engineers (APES) und dem Künstler Mel Chantry (The Fountain Workshop) gestaltet und umgesetzt. Grundidee des sorgfältig durchdachten
Entwurfskonzepts ist die Sukzession beziehungsweise der Vegetationszyklus. Auf den Flächen des Spielplatzes lässt sich beobachten, wie nach und nach die Klimaxvegeta tion die Pionierpflanzen verdrängt. Im nördlichen Teil des Spielplatzes bildet ein Birkenhain mit graslandtypischen Wiesen die Pioniervegetation und leitet die Abfolge der thematischen Zonen ein. Es schließt sich ein Mischwaldgebiet aus jungen Bäumen an: Haselnussgehölze mit Weiden, Ebereschen, Eichen und Eschen machen die wachsende Vielfalt und Bio diversität sich entwickelnder Pflanzen
Die große Spiellandschaft besteht aus einem Wasserspielplatz und einem kleinen Industrieareal als Sandspielbereich. Dort, wo sich die wichtigsten Fuß- und Radwege kreuzen, gibt es ein Café mit Mehrzweckraum als Treffpunkt oder Ort für Workshops.
Foto: David Grandorge
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LUC (2)
Im Modell von Tumbling Bay im Olympiapark wird bereits der Abenteuercharakter des von erect architecture, LUC, Adventure Playground Engineers (APES) und dem Künstler Mel Chantry (The Fountain Workshop) geplanten Spielplatzes deutlich.
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Dreckig und Draußen Die Internationale Gartenschau in Hamburg beinhaltet auch ambitionierte Sportangebote. Vor allem ein Hochseilgarten und eine riesige Skateanlage Der Skatepark mit Bowl und Street Arena bietet Möglichkeiten für Anfänger, Könner und Experten. Sie hat sich zum Hot Spot der Szene gemausert.
ziehen nicht nur junges Publikum an. Nach der Gartenschau wird es entscheidend sein, die Wilhelmsburger Kinder und Jugendlichen auf die Anlagen zu locken.
Fotos: Martin Kohler (11)
Die Firma, die die Skateanlage auf dem Gartenschaugelände entwarf und baute, beschäftigt nur aktive Skater. Sie machten die Anlage zum Erfolgsprojekt.
Martin Kohler Wer weiß, was Parkour ist? Vermutlich würden heute sehr viel mehr Hände nach oben gehen als fünf Jahre zuvor. Wahrscheinlich wüssten auch die meisten, dass man das mit k schreibt und nicht mit c, trotz des französisch anmutenden Namens. Aber was ist mit Urban Explorations, Geocaching, Cross-Golf, 4square, Slacklining, Standup-Paddling …? Alles Freiraumaktivitäten, die ohne Verein, aber doch zusammen ausgeübt werden und die das Verständnis dessen auf die Probe stellen, was „Sport“ ist. Man sieht sie noch nicht allzu lange in den städtischen Parks und Sportplätzen. Wobei „in städtischen Parks“ schon in die Irre führt – viele dieser neuen Benutzungsformen des städtischen Freiraums finden nicht unbedingt nur im grüngeprägten, gestalteten Freiraum statt. Laut einer 2010 veröffentlichten Forschungs studie der Universität Osnabrück zu Sport in der Stadt werden fast 50 Prozent aller
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Sportaktivitäten in Hamburg in Natur- und Straßenräumen ausgeübt. Das heißt in Parks und Gärten, aber auch im Wald, auf natürlichen Gewässern oder Landwirtschaftsflächen und eben auf der Straße (12,9 Prozent). Dort allein passiert doppelt so viel wie auf Sportplätzen (5 Prozent). Die Internationale Gartenschau in Hamburg entführt nach eigenem Anspruch die Besucher auf eine Weltreise durch die Kulturen und Vegetationszonen der Erde, eingebettet in sieben Welten. Die „Welt der Häfen“ oder die „Wasserwelten“ haben nicht alle Kritiker überzeugt und, wie die Zahlen zeigen, auch nicht genug Besucher. Anstatt des ambitionierten Ziels von 2,5 Millionen waren es am Ende nur halb so viele. Eine der Welten aber brummt und vibriert: Die „Welt der Bewegung“ bietet zeitgemäße Aktivitäten für bewegungsorientierte Großstädter aller Altersgruppen und zieht vor allem ein jüngeres Publikum
und Familien auf das Gelände. Mit Kletterhalle, Hochseilgarten und Skateanlage liegt der Schwerpunkt auf Trendsport arten. Auf einem 150 Meter breiten Streifen entlang der Lärmschutzmauer zur SBahntrasse stehen nun eine neue Kletterhalle und ein Hochseilgarten, die größte Skateanlage Norddeutschlands, eine Schwimmhalle und eine markierte und beleuchtete, sechs Kilometer lange Laufstrecke. Nach dem Ende der Gartenschau wird die Blumenschauhalle zum Basketballzentrum umgebaut und eine 3 500 Meter lange Kanustrecke Teiche, Bracks, Kanäle und Wasserbecken auf der Insel verbinden. Ein Kleinspielfeld, ein Bouleplatz und ein etwas unpraktisch zackig geratenes Wasserfußballbecken runden das Angebot ab. Dass auch noch ein Minigolfplatz integriert wurde, erscheint dabei wie eine niedliche Referenz an die gute alte Zeit der Ausflugslokale und Freizeitparks. Aber sogar Garten + Landschaft
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