Garten und Landschaft 11_ 2014

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Wassermanagement

11/2014

Garten + Landschaft

November 2014

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Wassermanagement


Inhalt 11/2014

Newsletter Jetzt kostenlos Newsletter abonnieren: www.garten-landschaft.de Regelmäßig Neuigkeiten aus der Branche Mit Living Breakwaters überzeugte das Team von Scape Landscape Architecture aus New York die Jury des US-Wettbewerbs „Rebuild by ­Design“. Grafik: Team Scape Landscape Architecture

Editorial

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Keiner mag nasse Füße Robert Schäfer

Journal

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Bauen für alle Irene Lohaus Leitfaden Barrierefreies Bauen für öffentliche Bauten

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Topos Landscape Award an LOLA aus Rotterdam Robert Schäfer Niederländisches Landschaftsarchitekturbüro ausgezeichnet

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Die Sprache der Landschaft Udo Weilacher Kommentar zum Wettbewerbsergebnis Erinnerungsort Olympia-Attentat München 72

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A Landscape for You Siegrid Ehrmann 8. Biennale der Landschaftsarchitektur vom 25. bis 27. September in Barcelona

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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

4 Der Leitfaden für „Barrierefreies Bauen“ gibt Best-Practice-Beispiele sowohl für Außen- als auch für Innenräume. Das Bild zeigt das Umweltbundesamt in Dessau.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 124. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten. 2

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New York: Highline dritter Teil eröffnet Robert Schäfer Die teuerste Promenade der USA erreicht den Hudson River

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8 Das australische Büro TCL, Taylor Cullity Lethlean, erhielt für die Auckland Waterfront den diesjährigen Rosa Barba Preis der Landschaftsarchitektur Biennale Barcelona.

12 Der Kopenhagener Stadtteil ­Østerbro wird bei Starkregen ­immer wieder überflutet. Nun soll dort ein Klimaviertel ent­ stehen, in dem experimentelle ­Ideen erprobt werden.


Wassermanagement

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Der Regen kann kommen Henriette Steiner Konzepte für den Umgang mit Starkregen in der Region Kopenhagen

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Gewappnet für Wolkenbrüche Dieter Grau, Hendrik Porst Regenwassermanagement in Kopenhagen

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Wasserplätze in Rotterdam Anneke Bokern Regenwasserrückhaltebecken über und unter der Erde

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Küstenschutz ist Landschaftsentwicklung Inge Kersten Die Nationale Küstenschutzstrategie der Niederlande

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Reform durch Design Henk Ovink Der Wettebwerb Rebuild by Design in der Metropolregion New York

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Hamburg in Zeiten des Regenwassers Werner Steinke Die Initiative RISA – Regen-Infra-Struktur-Anpassung

22 Rotterdam schafft Wasserrückhaltebecken auf und unterhalb der Stadtoberfläche. Becken in der Tiefgarage des Museumparks können 10 Millionen Liter Regenwasser aufnehmen.

28 Ein interdisziplinäres Team erarbeitete die Nationale Küstenstrategie für die Niederlande. Sie enthält Strategien für die verschiedenen Küstenabschnitte (im Bild: Vlissingen).

Nachrichten Tagungen Projekte Wettbewerbe Produkte DGGL Nachrichten Vorschau, Autoren, Impressum

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35 Das Team der Bjarke Ingels Group entwarf im Rahmen des Wettbewerbs Rebuild by Design das Konzept BIG U für Manhattan.

Bilder: Marcus Bredt, Simon Devitt, Tredje Natur, Paul de Ruiter Architects, Atelier Küstenqualität, Team BIG Titel: Konzept BIG U für Manhattan, Wettbewerb Rebuild by Design, BIG – Bjarke Ingels Group

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Tredje Natur (3)

Der Regen kann kommen In Kopenhagen und Umgebung treffen neue Ideen für das Regenwassermanagement mit dem Trend zusammen, das junge Image der Region hervorzuheben. Planungen wie das Musicon Viertel in Roskilde und die Initiative Vandplus in Kopenhagen kombinieren Regenwasserschutz mit städtischem öffentlichen Raum, der auf sportliche Aktivitäten ausgelegt ist.

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Starke Regenfälle und Überschwemmungen haben in den vergangenen Jahren die Dänen auf die Probe gestellt und gleichzeitig die Schwachpunkte der existierenden Wasser­ infrastruktur offengelegt sowie die Notwen­ digkeit, das Regenwassermanagement beson­ ders in den Städten zu überdenken. Erst kürz­ lich, am 6. September 2014, wurde Kopen­ hagen von starken Regenfällen heimgesucht, die an kritischen Punkten die städtische Kana­ lisation lahmlegten. So wurde etwa die Un­ terführung einer Hauptverkehrsader in die Stadt und weite Teile des Stadteils Østerbro überflutet. Autos schwammen im Wasser. Die Starkregenereignisse der vergangenen Jahre haben in Kopenhagen zu ­einem Umdenken geführt. Dem Problem soll nicht nur unter­ irdisch begegnet werden, sondern auch an der Oberfläche (siehe auch Artikel Seite 17). Bevor wir uns den schwimmenden Autos in Østerbro zuwenden, werfen wir einen Blick

auf neue Projekte, die Gedanken zu Regen­ wassermanagement und öffentlichen Frei­ flächen vereinen. Ein solches Projekt ist der Skaterpark in Roskilde rund 30 Kilometer westlich von Kopenhagen. Dort entsteht ­gerade auf dem Gelände einer früheren ­Betonfabrik das neues Viertel Musicon. Es richtet sich an junge Menschen und wird Bil­ dungs- und Kultureinrichtungen beherber­ gen, ein Rockmuseum (das Roskilde Festival ist eines von Europas größten Open-Air-­ Musikfestivals), billigen Arbeitsraum für Künstler und neue Wohnquartiere. Es ist ein Versuch, eine städtische Entwicklung zu len­ ken, die traditionell von unten nach oben stattfindet: Zuerst ziehen Studenten und Künstler in Stadtteile, die früher von der ­Industrie dominiert waren, und schaffen ein Viertel mit avantgardistischem Flair – in die­ sem Fall rund um die Musik. Teil des Projekts ist ein großer öffentlicher Park, Rabalder, der

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Henriette Steiner

Für den Kopenhagener Stadtteil Østerbro, der bei Starkregen im­ mer wieder unter Wasser steht, gibt es erste Ideen für ein Klima­ viertel. Ganz oben: Ideen für den St. Kjelds Platz und Bryggervan­ gen. Oben: Ein Entwurf für den Tåsinge Platz.

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Wasserplätze in Rotterdam Rotterdam benötig bis zum Jahr 2050 mehrere hunderttausend Kubikmeter Rückhaltekapazität für Regenwasser. Da unterirdische Reservoirs nicht ausreichen, experimentiert die Stadt derzeit mit Wasserplätzen. Restflächen werden zu Plätzen umgestaltet, die im trockenen Zustand beispielsweise als Sportplätze dienen und bei Starkregen als Bassin.

Anneke Bokern Rotterdam ist dafür prädestiniert, nasse Füße zu bekommen. Die Hafenstadt im Flussdelta von Rhein und Maas hat eine offene Verbin­ dung zur Nordsee und liegt größtenteils ­unter dem Meeresspiegel. Im Grunde kommt das Wasser in Rotterdam aus allen Richtun­ gen: vom Meer, vom Fluss, als Grundwasser aus dem Boden und als Regen vom Himmel. Dass Wassermanagement ein wichtiges The­ ma in Rotterdam ist, versteht sich daher fast von selbst. Derzeit stellt weniger der steigen­ de Meeresspiegel, sondern vor allem der ­Regen eine Herausforderung für die Stadt dar. Zwischen 1910 und 2009 hat die jähr­ liche Niederschlagsmenge in den Niederlan­ den um ein Viertel zugenommen und ist die Anzahl der Tage mit sehr starkem Nieder­ schlag um 85 Prozent gestiegen. 22

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Rotterdam hat innerhalb der Niederlande besonders stark mit den steigenden Nieder­ schlagsmengen zu kämpfen, weil die Stadt kein Grachtensystem wie Amsterdam und obendrein einen sehr hohen Anteil an ver­ siegelten Flächen hat. Bislang wird das ­Regenwasser in der Hafenstadt unter- und überirdisch gesammelt, gereinigt und dann in die Maas gepumpt. Das System ist jedoch überlastet und kann auf Dauer der Gemein­ denorm nicht mehr gerecht werden, die be­ sagt, dass höchstens einmal alle zwei Jahre zwanzig Minuten lang Regenwasser auf der Straße stehen bleiben darf. Gleichzeitig macht Platzmangel im Untergrund einen Ausbau der Kanalisation unmöglich. Und so kommt es, dass in letzter Zeit immer häufi­ ger kleine Überschwemmungen auftreten,

von denen vor allem U-Bahneingänge, ­Unterführungen und Läden betroffen sind und die außerdem dazu führen, dass unge­ reinigtes Schmutzwasser direkt in die Maas läuft. Wohin also in Zukunft mit all dem Regen­ wasser, das nicht direkt ablaufen kann und darf? Die Gemeinde hat berechnet, dass bis zum Jahr 2050 Rückhaltekapazität für zusätz­ liche 750 000 Kubikmeter Wasser pro Jahr ­benötigt wird. Das entspricht einem 94 Hek­ tar großen Teich – für den es im dicht besie­ delten Stadtzentrum keinen Platz gibt. Also geht die Stadt das Thema von zwei Seiten an: „Wasserflächen schaffen, wo möglich. Inno­ vative Lösungen finden, wo nötig”, lautet das ­Motto. Einen Leitfaden für das Wasser­ management bildet die Adaptationsstrategie,


Jeroen Musch (3)

Der Benthemplein, entworfen von De Urbanisten, besteht aus abge­ senkten Bereichen, die bei trocke­ nem Wetter Sport- und Aufent­ haltsfläche sind und sich bei Regen mit Wasser füllen.

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Die niederländische Küste ist zum großen Teil eine sandige. Das ­interdisziplinäre Team vom Atelier Küstenqualität entwickelte ein Konzept für die gesamte Küste, das auf deren spezifischen Charakteristika aufbaut. Das Bild zeigt ­eine mög­liche Idee: breite Strandund ­Dünengürtel.

Küstenschutz ist Landschaftsentwicklung Die Niederlande haben 2013 eine Nationale Küstenstrategie aufgestellt, um die Herausforderungen zu meistern, die ein steigender Meeresspiegel mit sich bringt. Ausschlaggebend ist, die natürliche Dynamik für die Küste zu nutzen.

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Feddes x Olthof

Jandirk Hoekstra, Inge Kersten Von 2011 bis Mitte 2013 hat sich das Atelier für Küstenqualität (Atelier Kustkwaliteit) mit langfristigen Schutzmaßnahmen für die niederländische Küste befasst. Das Atelier wurde als unabhängiges Studio für die Entwicklung, den Entwurf, die Ausführung, die Veröffentlichung und die Diskussion neuer Ideen gegründet, die Küstenschutz und räumliche Qualität miteinander verknüpfen. Das Studio hatte von Anfang an eine klare Mission: als multidisziplinäres Forum, vom Wasserbau bis zur Raumplanung alle grund­ legenden Konzepte zu unterstützen, mit dem Ziel, qualitätsvolle Schutzmaßnahmen entlang der niederländischen Küste umzusetzen. Dahinter steht eine langfristige Vision mit ­einem Planungshorizont bis ins Jahr 2100. Die niederländische Küste ist größtenteils „weich” und sandig und lässt sich in drei ­Abschnitte unterteilen: das Südwest-Delta, den zentralen „Hollandbogen“ und das Wattenmeer im Norden. Jeder dieser Abschnitte zeichnet sich durch unterschiedliche, charakteristische Landschaften, Siedlungen und insbesondere Dünengürtel aus.

Die Untersuchungen des Ateliers für Küstenqualität basieren auf „Forschung durch ­Design“ mit dem Schwerpunkt auf räum­ licher Transformation. In Zusammenarbeit mit den Fachrichtungen Küsteningenieurswesen und Stadtplanung erarbeitete das Atelier neue Konzepte für die Sicherheit und auch die Qualität der Küsten, diskutierte diese und wandelte sie in Gestaltungsstrategien um. Die Konzepte reflektieren unterschiedliche Maßstäbe, Anforderungen und Bedingungen und bieten Lösungsansätze, die auf die besonderen Eigenschaften des jeweiligen Landschaftsraums zugeschnitten sind. Die Ergebnisse fließen in die Nationale Küstenstrategie ein. Bereits jetzt würde ohne Instandhaltungsund Schutzmaßnahmen etwa ein Meter Küste pro Jahr weggeschwemmt werden. Seit 1990 sind daher Vorspülungen mit Sand ­üblich. Heute ist die gesamte niederländische Küste ein Vorzeigeprojekt für alle erdenk­ lichen Methoden zur Minderung von Erosion und Vermeidung von Hochwasser. Es gibt sowohl weiche Küstenschutzmaßnahmen mit Garten + Landschaft

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Henk Ovink

BIG entwarf Hochwasserszenarien für drei Bereiche von Manhattan: East River Park (oben), Two Brigdes – Chinatown (Schutzwand, Mitte) und Battery – Financial District (Aquarium, unten).

Hurrikan Sandy hat im Nordosten der USA gewaltige Spuren hinterlassen – in der größten Metropolregion der USA, einem Ballungsgebiet mit enormer Wirtschaftskraft, wurden 650 000 Häuser und hunderttausende Betriebe zerstört oder beschädigt. Im Überschwemmungsgebiet von Newark wurden Industrieareale und ein Agent-OrangeDepot sowie direkt angrenzende Siedlungen mit Sozialwohnungen und Häusern einkommensschwacher Bürger überflutet. Auf der Rockaway Peninsula, auf Staten Island und entlang der Küste sind das Leben der Menschen und ihre Häuser noch immer gefährdet. Sandy hat auf den Inseln tausende Häuser zerstört, erst von der Seeseite her, dann von den Buchten der Küste Sand und Wasser hingespült. Manhattan wurde überflutet, und es heißt, dass nur die Eisenbahn- und Auto-Tunnel ein noch größeres Unglück verhinderten: Sie hätten Rückhalteräume für das Hochwasser geboten. Tatsächlich staute sich in den Tunneln das Wasser, aber ob deshalb die Flut weniger hoch war, ist wissenschaftlich nicht belegt. Sandy hat die sozialen sowie die baulichen, technischen und naturbedingten Schwachstellen der Region sowie deren Wechsel­ wirkungen aufgedeckt und deutlich werden lassen, dass es keine klare, vorausschauende Planung gab. Man sagt, Resilienz sei die ­Fähigkeit, nach einer Katastrophe schnell wieder auf die Beine zu kommen. Aber das ist zu wenig. Resilienz ist ein progressiver Begriff. Es geht darum schnell, aber zugleich intelligent aus der Katastrophe herauszukommen: durch Zusammenarbeit, durch Innovation und das Beste, was Wissenschaft dazu beitragen kann. Bislang werden die Auswirkungen von Umweltkatas­ trophen auf die Wirtschaft jedoch nicht wirklich verstanden. Wandel der Planungskultur Es geht nicht darum, einen Plan aufzustellen, sondern es kommt darauf an, einen kulturellen Wandel herbeizuführen. Daher hat die Sandy-Task-Force das Projekt „Rebuild by ­Design“, Wiederaufbau durch Design, ins ­Leben gerufen. Um Antworten zu finden, ist ein umfassendes Verständnis der Region notwendig, das

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Mit BIG U bezeichnet das Team ein Schutzsystem um Manhattan, die MaĂ&#x;nahmen variieren je nach ­Abschnitt und entstanden in enger Zusammenarbeit mit der Politik.

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