Garten und Landschaft 12 2011

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Dezember 2011

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Energielandschaft


Inhalt 12/2011

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Energielandschaft

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Reich an sauberer Energie Ludger Hovestadt Ein optimistisches Szenario zur ausschließlichen Nutzung von Sonnenenergie

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Den Landschaftswandel erlebbar machen Timo Herrmann Erlebnis Tagebaulandschaft im Rhein-Erft-Kreis

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Energielandschaften als neue Kulturlandschaften Stefan Tischer Historische Vorbilder für das neue Bild der Landschaft

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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

Ja zu erneuerbaren Energien und zum Erhalt der Natur Thomas Armonat Interview mit Holger Magel, Professor für Landentwicklung an der TU München

Forschen über den Landschaftswandel Stefanie Hennecke Den Fachdiskurs mit dem gesellschaftlichen Diskurs verknüpfen

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In Reih und Glied – Windparks in Frankreich Joachim Steinmetz Ästhetik als Voraussetzung für die Genehmigung von Windparks

Editorial

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Zwei Grad mehr war gestern Robert Schäfer

Journal

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Blog und Facebook bei Garten + Landschaft Robert Schäfer Neue Website, Blog, Facebook und Newsletter ergänzen die Print-Ausgabe

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Energiewende – demokratisch und naturverträglich Beate Jessel Die Bedeutung von Naturschutzstandards und der Einfluss der Menschen

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Was stand in unserer Fachzeitschrift? Robert Schäfer Die DGGL feiert ihr 125-jähriges Bestehen, Garten + Landschaft feiert mit

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Wann kommt das Windrad auf die Milchtüte? Bertram Weisshaar Windparks als Gestaltungsmittel in der Landschaft

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Natur entwerfen Robert Schäfer Interview mit Anette Freytag zu ihrer Dissertation über Dieter Kienasts Werk

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Konstruktive Atmosphären Stefanie Krebs Das kunsthistorische Erbe der Landschaftsmalerei

5 Anette Freytag analysierte die Pflanzensoziologie und Gestaltung im Werk des Schweizer Landschafts­archi­tekten Dieter Kienast. Im Bild: der Hof am Geschäftshaus Basler + Partner.

6 Landschaftseingriffe wie beim Bau einer Brücke im thüringischen Massetal müssen genauso ausgeglichen werden wie die für Windparks. Kernproblem ist der Flächenverbrauch.

11 Wissenschaftler der ETH Zürich prognostizieren, dass sich die Schweiz rein mit Photovoltaikenergie versorgen ­ließe. Im Bild: die Solar-In­ stallation „Tanzende Blumen“.

23 Nicht nur der Bau von Kraftwerken, auch urbane Landwirtschaft erfordert eine breitere gesellschaftliche Diskussion des Landschaftsbildes. Im Bild: die Prin­ zessinnengärten in Berlin.

28 Nur mit nachvollziehbaren Konzepten und einem naturverträglichen Ausbau etwa von Windparks erreicht man, dass die Menschen neue Anlagen auch akzeptieren.

Urban Design Produkte Spiel

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GaLaBau Praxis Recht Produkte

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Fotografen Fokus Best Products Nachrichten Personen Campus Wettbewerbe DGGL Nachrichten Termine Autoren, Vorschau, Impressum

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31 Bei der Bewegung durch den Raum verschmelzen in der Wahrnehmung einzelne Elemente wie Kraftwerke mit der Landschaft zu einem zeitgenössischen Landschaftsbild.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 121. Jahrgang Bilder: Anette Freytag, pilot_micha/flickr, Alexis Zerges, GriinBlog, Vattenfall, Betram Weisshaar Titel: Windrad und Traktor auf einem Acker, Michael Bliefert

Für die Zukunft gestalten. 2

Garten + Landschaft

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privat

Ja zu erneuerbaren Energien und zum Erhalt der Natur Eingriffe in die Landschaft zur Nutzung erneuerbarer Energieformen werfen die Frage auf, ob die gängige Praxis der Ausgleichsmaßnahmen gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes noch zeitgemäß ist. Thomas Armonat befragte Holger Magel, Inhaber des Lehrstuhls für Bodenordnung und Landentwicklung an der TU München, zu den Erfahrungen, die er in der

Franz Jachim

Praxis unter anderem als Chef der Bayerischen Flurbereinigungsverwaltung gesammelt hat.

Herr Magel, gemäß Bundesnaturschutzgesetz sind die Eingriffe in der Landschaft zu kompensieren, die Grund­flächen, Grundwasserspiegel, Naturhaushalt oder Landschaftsbild beeinträchtigen. Das klingt vernünftig. Sie sind aber nicht glücklich mit der heutigen Praxis. Warum? Grundsätzlich halte ich die Eingriffsregelung für ein sinnvolles und notwendiges Instru­ ment. Es entspricht unserem kulturellen Ver­ ständnis und der Idee der Nachhaltigkeit, dass man einen Eingriff in den Naturhaus­ halt oder das Landschaftsbild zum Wohle der Allgemeinheit und vor allem im Interes­ se nachfolgender Generationen ausgleicht. Wogegen ich mich wehre, sind Beckmesse­ reien, die ich in meiner eigenen Flurberei­ nigungspraxis erlebt habe, phantasielose ­Lösungen sowie flächenmäßige Auswüchse wie bei einigen Autobahnbauten in den neuen Bundesländern.

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Nicht nur der Bau von Autobahnen und Gewerbegebieten, auch der Flächenverbrauch für Anlagen erneuerbarer Energien wie ­etwa Windparks, ist nach heutigem Stand 1:1 zu kompensieren. Ist das sinnvoll? Diese Frage ist nicht pauschal zu beantwor­ ten. Es gibt enormen Druck auf diesem Ge­ biet, wie man an Aktionen des Bayerischen Landwirtschaftsministers, des Bayerischen Bauernverbands und am gewaltigen Me­ dienecho sieht. So sehr ich neue Lösungen wie agrarisch nutzbare Ausgleichsflächen begrüße, so klar sehe ich auch, dass beim Ausbau erneuerbarer Energien sowohl das Landschaftsbild als auch Lebensräume von gefährdeten Arten bedroht werden. Es ist ethisch schwierig zu sagen, wo man die Grenze ziehen soll. Ist ein Mast für ein Windrad – künftig auch in Wäldern und Landschaftsschutzgebieten platziert – per ­ ­se besser als ein hoher Mobilfunkmast? Dann könnte man auch anfangen, zwischen

„guten“ und „schlechten“ Verkehrswegen wie Bahnstrecken und Autobahnen zu un­ terscheiden. Was ich sagen will: Vor dem Hintergrund der Energiewende muss eine breitere Diskussion über den Begriff „Ein­ griff“ geführt werden. Dies kann nicht­ ­allein in Insiderkreisen entschieden werden. Es muss diskutiert werden, ob und wie aus­ geglichen wird, zumal hier ja ein enormer politischer, gesellschaftlicher und auch wirt­ schaftlicher Druck besteht. Die Menschen sollten sich energisch einmischen und ihre Erwartungen und Ängste bei diesen Eingrif­ fen nicht nur in die Natur, sondern auch in ihre eigene Lebensqualität äußern.

In diesem Zusammenhang ist eine regelrechte Wertediskussion entbrannt. Sind Bauvorhaben zu erneuerbaren Energien nicht für sich schon eine Kompensation? Nein, das finde ich nicht. So unabdingbar und „alternativlos“ seit Frühjahr diesen Jah­ res die forcierte Nutzung erneuerbarer Ener­ gien ist, so wenig rechtfertigen a priori ent­ sprechende Bauvorhaben die kalkulierte oder in Kauf genommene „Zerstörung“ un­ serer natür­lichen Ressourcen und Landschaft. Die Crux ist, dass nun Umwelt- oder Natur­ schutzministerien und -verbände einen Kampf zweier Seelen in ihrer Brust ausfech­ ten müssen: Einerseits gibt es ein leiden­ schaftliches „Ja“ zu den „guten“ erneuer­ baren Energien, andererseits ein mindestens ebenso glühendes „Ja“ zur Erhaltung unserer Natur und unserer Landschaft. Sind Wind­ parks wirklich überall ein Segen für die Ge­ samtheit unseres Landes und unsere Lebens­ qualität? Das muss meines Erachtens im Ein­

zelfall entschieden werden. Ob uns die beste­ hende Ausgleichsflächenarithmetik w ­ eiterhilft, bezweifle ich, auch wenn sie z­ wischen dem Eingreifenden und dem Naturschutz gerne praktiziert wird, weil sie so schön „mechanistisch“ abzuwickeln ist. So oder so wird man sich im Natur- und Hei­ matschutz und in der Landschaftsdiskussion von manchen traditionellen Vorstellungen ­lösen müssen, denn eine Energiewende ohne Veränderung des Landschaftsbildes wird es nicht geben. Für die Eingriffsregelung sind aber nicht nur die klassischen Infrastrukturund die neuen Wind- oder Photovoltaikbau­ vorhaben relevant. Wie stehen wir zu Agro­ forstsystemen, Miscanthusfeldern oder Mais­ monokulturen für Biogaserzeugung? Recht­ fertigt das eine Lebensbedürfnis nach Ener­­gie die Beschädigung eines anderen Lebensbe­ dürfnisses nach intakter Landschaft und Na­ tur? Von ethischen Aspekten wie der Achtung vor der Schöpfung rede ich da noch gar nicht.

Nicht nur der Bau von Windrädern oder Solarfeldern, auch der Anbau von Energiemais ist ein Eingriff in der Landschaft, der kompensiert werden muss.

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Energiewende – demokratisch und naturverträglich Deutschland will künftig auf erneuerbare Energien setzen. Bereits 2020 soll fast ein Fünftel der Energie aus Windkraft und Co. gewonnen werden. Die Zeit drängt. Trotzdem dürfen naturschutzfachliche Standards nicht aus den Augen verloren werden. Und auch die Bürger sollten mitreden können.

Die Energiewende wird dazu führen, dass Energiegewinnung in der Landschaft stärker sichtbar wird. Denn die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Bruttoendenergieverbrauch soll bis zum Jahr 2020 auf mindestens 18 Prozent erhöht werden; für 2050 beträgt die Zielmarke 60 Prozent. Dazu sind noch große Schritte not­ wendig: Die größte Herausforderung liegt dem Energiekonzept der Bundesregierung zufolge im Ausbau der Windenergie; nicht nur offshore, sondern auch auf dem Land. Dabei sollen vor allem bestehende Stand­ orte ausgebaut werden. Und auch die Bio­ energie soll als bedeutender Energieträger für Wärme, Strom und Kraftstoffe weiter ausgebaut werden. Theoretisch wäre es möglich, die Anbauflächen von Biomasse ­ für stoffliche und energetische Nutzung bis 2020 auf 2,5 bis 4 Millionen Hektar auszu­ weiten (zum Vergleich: 2009 waren es 1,8 Millionen Hektar, was 11 Prozent der Land­ wirtschaftsfläche entspricht). Bereits jetzt ­ ist der Zuwachs des Maisanbaus nicht zu übersehen: Die Anbaufläche für Energie­ mais ist zwischen 2005 und 2010 von 70 000 auf über 600 000 Hektar angewachsen. Doch nicht nur die Energieträger selbst, son­ dern auch die notwendige Speicherung so­ wie Verteilung und Transport von Energie, also der Ausbau der Stromnetze werden die Landschaft zunehmend prägen.

BlueRidgeKitties/flickr.com

Beate Jessel Der Naturschutz müsse dann eben zuguns­ ten von Atomausstieg und Klimaschutz zu­ rücktreten, ist an verschiedener Stelle zu ­hören. Standards müssten abgebaut werden, die Eingriffsregelung sei etwa beim Netzaus­ bau ganz auszusetzen. Seltsam stumm blei­ ben in dieser Diskussion bislang die großen Umwelt- und Naturschutzverbände. Ange­ sichts von Presse-Parolen wie „Was ist uns wichtiger – ein Vogel namens Seetaucher oder unsere Wirtschaft“ ist festzuhalten: ­Naturschutz ist nicht, wie hier suggeriert wird, eine Abwägungs- oder Priorisierungs­ frage, sondern unterliegt definierten recht­ lichen Rahmenbedingungen, die auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu be­ achten sind. Die Bundesregierung hat sich national wie international gleichermaßen zum Klimaschutz und zum Schutz der biolo­ gischen Vielfalt verpflichtet. Trotz aller völ­ kerrechtlichen Vorgaben und gesetzlichen Rahmenbedingungen werden zudem die Ziele für Biodiversität auf nationaler, inter­ nationaler wie auch auf EU-Ebene seit Jah­ ren verfehlt. Für Verfahren und Genehmi­ gungsprozesse ist vielmehr entscheidend, dass fachlich fundierte Bewertungen getrof­ fen werden, die eine einheitliche Verwal­ tungspraxis und Rechtssicherheit gewährleis­ ten. Damit wird auch die Investitions­sicherheit für die Vorhabensträger gestärkt. Wichtig ist, dass der Bedarf nachvollziehbar geschätzt wird; von großer Bedeutung sind

außerdem transparente Planungsverfah­ ren, klare Maßstäbe für Standortentschei­ dungen und vor allem eine frühzeitige Ein­ bindung des Naturschutzes bei der Stand­ ort- und Trassensuche. Deutlich wird das etwa beim Netzausbau. Die Schätzungen zum Bedarf an neuen Hoch- und Höchst­ spannungsleitungen gehen beträchtlich auseinander: Während die stark politisch und von den großen Stromerzeugern ­geprägte DENA-Netzstudie II in ihrem ­Basisszenario den Netzzubaubedarf an Hoch- und Höchstspannungsleitungen mit 3 600 Kilometer Trassenlänge veranschlagt, geht eine Studie im Auftrag des Bundes­ wirtschaftsministeriums davon aus, dass zusätzlich zu den in der DENA-Netzstudie I veranschlagten 850 Kilometer ein weiterer Netzausbau von lediglich etwa 500 Kilo­ meter neuer Leitungen erforderlich ist. ­Um das Bedarfsnetz realistisch einzuschätzen, ist das Zusammenwirken der einzelnen Energieträger sowie das Verhältnis von Zentralität und Dezentralität zu berück­ sichtigen. Neu: Netzausbaubeschleunigungsgesetz Das bedeutet aber auch, anfallende Strom­ mengen (konventionelle wie auch erneu­ erbare) und Verbrauchsorte bedarfsorien­ tiert zu vernetzen und eben nicht ange­ botsorientierte Herangehensweisen der großen Energieversorger zu bedienen.

In die ­Bedarfsermittlung sind alle technologi­ schen Möglichkeiten der Ertüchtigung vor­ handener Netze, der Linienbündelung und der grenzüberschreitenden Kooperation ein­ zubeziehen. Der Netzausbau ist mit dem Netzausbaube­ schleunigungsgesetz (NABEG) vom 5. August 2011 auf eine neue rechtliche Grundlage ge­ stellt worden. Das Gesetz gilt für das Errich­ ten oder Ändern von länderübergreifenden oder grenzüberschreitenden Höchstspan­ nungsleitungen. Zur Realisierung ist ein drei­ stufiges Planungs- und Zulassungsverfahren vorgesehen, das einen sehr engen Zeitplan vorsieht: Bis zum 3. Juni 2012 haben die Netzbetreiber der Bundesnetzagentur einen abgestimmten nationalen Netzentwicklungs­ plan (NEP) vorzulegen. Dieser soll alle Optio­ nen zur Optimierung und Verstärkung des Netzes enthalten. Auf der Basis des NEP erarbeitet die Bundes­ netzagentur alle drei Jahre einen Bundes­ bedarfsplan Netz, der die länderübergreifen­ den und grenzüberschreitenden Höchstspan­ nungsleitungen definiert und von der Bun­ desregierung abgesegnet wird. Der erste Bundesbedarfsplan zum Netzausbau soll be­ reits zum Oktober 2012 vorliegen und dann vom Bundestag beschlossen werden. In der nächsten Stufe, der Bundesfachplanung, werden dann Trassenkorridore bestimmt, ­ die in den Bundesnetzplan aufgenommen werden und verbindliche Grundlage für das

Damit die Menschen den Ausbau­­ bestehender Windkraftanlagen und neuer Standorte akzeptieren, ist es essenziell, sie im Vorfeld zu beteiligen. Im Bild: Windräder bei Dithmarschen.

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Garten + Landschaft

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Mark Dion: The Course of Empire

Konstruktive Atmosphären

Foto: Gunter Lepkowski

VG Bild-Kunst, Bonn 2011, Foto: Peter Schibli

Stefanie Krebs (2)

In allen Epochen wurden dargestellte Landschaften aus einzelnen Elementen zu etwas Neuem zusammengesetzt. Sie sind keine 1:1-Abbilder vorhandener Situationen.

Corinne Wasmuht: Huari, 2004 Sammlung LBBW, Stuttgart

Roy Lichtenstein: Painting in Landscape, 1984 Fondation Beyeler, Riehen/Basel

Zwei Kunstausstellungen befassen sich aktuell mit Landschaft und der im Wandel begriffenen Vorstellung von ihr. Was die gezeigten Positionsbestimmungen verbindet, ist die Auseinandersetzung mit dem kunsthistorischen Erbe. Dieses beginnt bei der niederländischen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts und führt bis zur amerikanischen Land Art der 1960er-Jahre.

Warum ist Landschaft schön? So lautet in Anlehnung an Lucius Burckhardt der Titel einer aktuellen Ausstellung im Arp Museum Rolandseck, das am Rheinufer ohne Zweifel landschaftlich schön gelegen ist. Die Frage, die der Soziologe Burckhardt bereits 1979 mit seinen Studenten diskutierte, setzt die Schönheit von Landschaft bereits als gegeben voraus, es geht hier nur mehr um das Warum. Es sei im Seminar, so Burckhardt, denn auch nicht gelungen, eine hässliche Landschaft zu entwerfen. Aus kunsthistorischer Perspektive ist das nur folgerichtig, hat doch die Kunstgeschichte per se einen ästhetischen Zugang zu Landschaft. Diese komme erst im Blick und im Werk des Künstlers zum Entstehen. Historisch einzuordnen sei ihre ­ästhetische Geburtsstunde mit dem Beginn der Neuzeit. Zuvor Hintergrund­ staffage, wird erstmals im 16. Jahrhundert­­ in den Niederlanden die Landschaft zum eigentlichen Bildthema, das Genre der Landschaftsmalerei entsteht. Derzeit geben gleich zwei Ausstellungen einen Überblick über aktuelle künstlerische Auseinandersetzungen mit Landschaft und dem Bild, das wir uns von ihr

machen. Während im Arp Museum Rolandseck ausschließlich aktuelle Arbeiten gezeigt werden, verdeutlicht die Wanderausstellung „Landschaft als Weltsicht“ Konti­nu­itäten und Brüche in der Gegenüberstellung historischer und zeitgenössischer A ­ nsätze. Ein differenzierter Blick ­ in die Geschichte der Landschaftsmalerei ist denn auch notwendig, um aktuelle künstlerische Positionen zu verstehen, die sich jeweils auf unterschiedliche Epochen beziehen. Das Modell einer idealen Welt Zur Zeit der Aufklärung wird Landschaft in der Malerei zu einer Art moralisch-sitt­ lichem Bildungsträger. In der Überschau betrachtet, wird sie zum Modell einer ­idealen Welt. In der Romantik verschiebt sich ihre Bedeutung zu einem Träger subjektiver – teilweise religiös eingefärbter – Stimmungen, in die der Betrachter ein­ tauchen kann. Doch für alle Epochen gilt gleichermaßen, dass die dargestellten Landschaften aus isolierten Elementen zu etwas gänzlich Neuem zusammengesetzt werden. Sie sind keine 1:1-Abbilder vorhandener Situationen.

Heute greifen Künstler diese kulturell verankerten Lesarten von Landschaft auf, ­legen sie in ihrer Wirkungsweise offen und erweitern sie. Die Grenzen der Malerei wurden dabei längst gesprengt. Bereits in den 1960er-Jahren waren die Land ArtKünstler aus den großstädtischen Ateliers aufgebrochen, um in scheinbar menschenleeren Landschaften neue Dimensionen künstlerischer Interventionen zu erproben. Die unmittelbare Erfahrung beson­ derer naturräumlicher Atmosphären sollte ermöglicht werden. So verstand Nancy Holt ihre „Sun Tunnels“, über fünf Meter lange Betonröhren, die sie ab 1973 in der Wüste von Utah platzierte, als vermittelndes Medium zwischen dem Einzelnen und dem Kosmos. Kalkulierte Erfahrung W. J. T. Mitchell beschreibt in seinem B ­ uch „Landscape and Power“ den Doppelcharakter von Landschaft sowohl als Rahmen als auch als das, was der Rahmen e ­ nthält. Sie ordnet unseren Blick auf die Welt, zugleich leben wir in ihr und gestalten sie. Zeitgenössische Malerei und Fotografie behandeln die Begrenztheit beziehungs-

weise mögliche Entgrenzung ihrer Ausdrucksmöglichkeiten, wenn es um Landschaft als erlebtem oder politischem Raum geht. Im Arp Museum ist ein Video des französischen Künstlers Cyprien Gaillard einer Installation von Annette Weisser gegenübergestellt. Beide greifen auf einen klassischen dreistufigen Bildaufbau mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund zurück, wie ihn etwa Claude Lorrain im 18. Jahrhundert zur Gestaltung seiner heroischen Landschaften anwandte. Gaillards Film „Real Remnants of Fictive Wars, Part V“ gibt den Blick über eine moosbewachsende Balustrade in einen Englischen Landschaftsgarten frei. Auf der offenen Rasenfläche im Bildmittelgrund steigt eine weiße Wolke auf – aus Feuer­ löschern, die aus öffentlichen städtischen Gebäuden stammen. Die Betonung des vergänglichen Moments der Wolke, das Miterleben des Betrachters einer kurzen Situation stellt die Gesetzmäßigkeit der klassischen Komposition infrage. Mit anderen Mitteln betreibt Annette Weisser ­eine Entlarvung klassischer Wahrnehmungsmuster, wiederum im Englischen Landschaftsgarten, der als Modell von

Privat

Stefanie Krebs

Joos de Momper: Berglandschaft mit Reisenden, Ende der 1620er-Jahre, Privatsammlung

Erhabene Berge, modellhaft verkleinert, schieben sich in Mariele Neudeckers Skulptur „400 Thousand Generations“ wie Wahrnehmungsfilter vor die gläsernen Augäpfel als Fenster zur Landschaft.

Mariele Neudecker: 400 Thousand Generations, 2009

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