Garten und Landschaft 12 2013

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Dezember 2013

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Bauen und Landschaft


Inhalt 12/2013

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Bauen und Landschaft

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Wie sieht die Zukunft der ­Metropole Ruhr aus? Damit ­beschäftigten sich fünf inter­ nationale Planerteams in den vergangenen sechs Monaten. Nun gibt es Ergebnisse, Seite 4.

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An der Wiege menschlicher Kultur Thomas Armonat Der Archäopark Vogelherd in Niederstotzingen

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Bekenntnis zur Landschaft Bjarne Mastenbroek Baukultur für lebenswerte Freiräume

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Landschaftsgerechtes Bauen: alles wieder von vorne? Ulrich Franke Über das gelungene Miteinander von Bauwerken und Landschaft

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Transformation ist Trumpf Juliane Pegels Der Lippepark im Westen von Hamm

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Schatzsuche am Cottbuser Ostsee Brigitte Scholz Die Seeachse Teichland bei Cottbus

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Der Vertikale Forst – ein Modellprojekt? Manfred Köhler Die Hochhäuser „Bosco Verticale“ in Mailand

Grafiken: Urban Catalyststudio/ berchtoldkrass/Integral Ruedi Baur

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

Editorial

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Ingredienzen der Stadt Robert Schäfer

Journal

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Die Zukunft der Metropole Ruhr anders denken Ergebnisse des Ideenwettbewerbs Zukunft Metropole Ruhr

4 Ein regionales Regiebuch soll die Veränderungen im Ruhr­ gebiet künftig koordinieren: ­ So sieht es das Team um rha aus Aachen. Doch es gibt noch vier weitere Vorschläge.

8 Mit schlichten Eingriffen wurde die Auenlandschaft um das Gut ­Eichthal zu einem lohnenswerten Ausflugsziel.

14 Vor über 32 000 Jahren lebten frühzeitliche Menschen im Lonetal. Im Archäopark Vogelherd werden nun ­ihre Hinterlassenschaften inszeniert.

Aufgeräumte Auenlandschaft Anette Kolkau Der Landschaftspark Gut Eichthal in Overath bei Köln

20 Gerade in dicht besiedelten Räumen sollten Planer Architektur neu definieren, um Freiräume l­ebenswerter zu machen. Im Bild: Anbau an den Gutshof Favrholm im dänischen Hillerød.

28 Wo einst der Schacht Franz zu finden war, bietet der Lippepark in Hamm den Menschen nun skulptural gestaltete Landschaft.

Urban Design GaLaBau Praxis

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Nachrichten Wettbewerbe Termine DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Impressum

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32 In der Gemeinde Teichland bei Cottbus führt eine Seeachse Besucher vorbei an der umgebenden Tagebaulandschaft zum Cottbuser Ostsee.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 123. Jahrgang

Bilder: rha/West 8/Kengo Kuma, Gereon Holtschneider, Brigida González, Iwan Baan, Matthias Funk, Julien Lanoo Titel: Bosco Verticale in Mailand, Marco Garofalo

Für die Zukunft gestalten. 2

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Der Aggerpavillon am Gut Eichthal ist einer von drei Bau­körpern, den das Kölner Büro H ­ alfmann Architekten in den ­neu gestalteten Landschaftspark einfügten.

Aufgeräumte Auenlandschaft Rund um das Gut Eichthal bei Overath, westlich von Köln, setzen Wege, Pavillons und Heckenzimmer neue Akzente.

Anette Kolkau

Diese kleinen Eingriffe ermöglichen es, die alte Kultur-

Gereon Holtschneider (7)

landschaft des Flüsschens Agger zu erkunden.

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Ein Landschaftsbild wie aus dem Kalender: ein plätschernder Fluss, saftige Auen, Wiesen, kleine Baumgruppen, Wälder und Ortschaften auf sanften Höhenzügen. Diese Flächen gehörten zum Gut Eichthal bei Overath, dessen Hauptgebäude immer noch in der Flussniederung stehen. Sie waren „Maßstab und Zentrum“ der Landschaftsgestaltung von club L 94, die sich zusammen mit Halfmann Architekten aus Köln in einem Wettbewerb durchsetzten. Diesen hat die Stadt Overath 2007 ausgelobt, um drei Pavillons als außerschulische Lernorte im Rahmen des Regionale 2010-Projekts KennenLernUmwelt bauen zu lassen und „diese sensibel in die Parkanlage des historischen Guts Eichthal und den Auenraum der Agger zu integrieren“.

Die Eingriffe der Kölner Landschaftsarchitekten sind zurückhaltend. Und trotzdem durchbrechen sie mit der Geradlinigkeit ihrer Gestaltung die durch Fluss, Natur und Mensch geformte, wenig strukturierte Landschaft. „Formal stehen unsere Entwürfe der jungen Moderne nah. Wir vermeiden es, die romantisierenden Landschaftsbilder vergangener Epochen unreflektiert zu übernehmen,“ so die club L 94-Landschaftsarchitekten. Das muss man wissen, begibt man sich in die Flusslandschaft der Agger rund um das Gut Eichthal. Es ist, als wären zwei unterschied­ liche Systeme – gewachsene Landschaft und streng orthogonale, gestaltende Erschließung – übereinander gelegt worden. Und doch harmonieren sie miteinander.

Das Zentrum des etwa drei Hektar großen Areals liegt am Ufer der Agger, einem 69 ­Kilometer langen Nebenfluss der Sieg im südlichen Nordrhein-Westfalen. Das Gebiet, das auch schon vor Wettbewerbsauslobung Wiesenlandschaft gewesen ist, gehört der Stadt Overath. Der Landschaftsverband Rheinland ist Pächter der alten, nördlich gelegenen Gutsgebäude. Dort ist das Amt für Bodendenkmalpflege untergebracht. Auf diesen Komplex reagierte club L 94, um alle Eingriffe in die Landschaft in ihrer Maßstäblichkeit darauf abzustimmen. Das Gut wird von einer Eibenhecke eingefasst und in Richtung Geländezentrum von einem schnurgeraden Weg parallel zu den Gebäuden flankiert. An diesem Weg, der mitten durch das

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Das Halbrund des Besucherzentrums Archäopark Vogelherd legten Ritter Jokisch Architekten sanft ins Gelände. Den Park mit Rundweg zu den Höhlen, dem Fundort über 32 000 Jahre alter Artefakte, gestaltete das Münchner Büro Keller Damm Roser Landschaftsarchitekten. Plan: Keller Damm Roser

Klamme Enge, dunkle Stille und große ­Ungewissheit. Die eiszeitliche Kälte kroch von draußen herein und verdrängte die Wärme des spärlichen Feuers. Das sind die Lebens­umstände, denen sich die Bewohner der Vogelherdhöhle vor über 30 000 Jahren ausgesetzt sahen. Draußen in der kargen Tundra lebten wollhaarige Nas­ hörner, Moschusochsen und Mammuts. Mehrere tausend Jahre lang ­siedelten die aus Afrika kommenden ­Jäger der Eiszeit im Lonetal auf der Schwäbischen Alb. Dort begegneten sie nicht nur Tieren. Auch das in der Forschung viel thematisierte Aufeinandertreffen zwischen Homo neandertalensis, dem „alten Euro­päer“, und Homo sapiens, dem modernen Menschen, hat es an der Lone wohl ­gegeben. Fundstücke zeugen davon. Fundstücke, die unter ungewöhn­lichen Umständen wieder ans Tageslicht kamen und den Grundstock für den ­Archäopark ­Vogelherd im baden-württembergischen Niederstotzingen bilden.

An der Wiege menschlicher Kultur

Die schlichte Formensprache des Gebäudes und die Szenografie der Ausstellung verbinden sich ­angenehm zurückhaltend mit der Gestaltung des archäolo­gischen ­Themenparks um die ­Vogelherdhöhlen (unten), angelehnt an die ehemalige Tundrenvegetation.

Ein Hektar Park pro Zentimeter Artefakt Das Besucherzentrum von Ritter Jokisch ­Architekten liegt eingebettet in einen Ausstellungspark, gestaltet vom Münchner ­Büro Keller Damm Roser Landschaftsarchitekten. Doch was rechtfertigt die ­Anlage ­eines 4,8 Hek­tar großen Parks in einem ­5 000-Seelen-Ort mitten in der Provinz ­zwischen Ulm und Heidenheim? Eine 4,8 Zentimeter große Pferdefigur zum B­eispiel, vor über 32 000 Jahren gefertigt aus Mammutelfenbein von den weltweit ersten ­bekannten Künstlern. Diese schaffte

Zwischen Ulm und Heidenheim liegt der Ort Niederstotzingen. Bekannt wurde er durch den Fund der bisher weltweit ältesten Artefakte in den Vogelherdhöhlen. Im Sommer eröffnete ein Besucherzentrum mit angeschlossenem ­Archäopark. Dort können Besucher nicht nur die gefundenen Figuren bewundern, sondern auch Erstaunliches über das Leben vor 32 000 Jahren erfahren – und selber darin eintauchen.

Thomas Armonat

In dem Karst-Hügel bei Niederstotzingen verbergen sich die kleine und große Vogelherdhöhle. Dort rasteten schon im Zeitalter Auri­ gnacien Menschen und hinterließen ihre Spuren.

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Brigida González (5)

Thomas Armonat

Das 3,7 Zentimeter große Mammut und das 4,8 Zentimeter große ­„Lonetalpferd“ sind die beiden ­bekanntesten Fundstücke aus der ­Vogelherdhöhle. Frühzeitliche Menschen fertigten die Figuren aus Mammutstoßzähnen. Fotos: Universität Tübingen/Hildegard Jensen (2)

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Julien Lanoo (4)

Schatzsuche am Cottbuser Ostsee Der Braunkohletagebau hinterlässt in der Lausitz eine riesige Seenlandschaft. Orte, die jahrzehntelang der Industrielandschaft den Rücken zeigten, haben jetzt die Chance, sich neu zu orientieren. Am Ufer des Cottbuser Ostsees wird derzeit eine Achse gebaut, die Cottbus und die Gemeinde Teichland an den See holt.

Seeachse Teichland, Gemeinde ­Teichland

Der erste 500 Meter lange Bau­ abschnitt der Seeachse Teichland wurde nach dem Entwurf des Ber­ liner Atelier Loidl fertiggestellt. Spätestens 2030 soll der Cottbuser Ostsee vollgelaufen sein.

Bauherr: Gemeinde Teichland, Bauamt Peitz Planer: Atelier Loidl Landschafts­ architekten, Berlin Landschaftsarchitektur + Umwelt­ planung Thomas Nickel, Dresden (Leistungsphase 8) Fläche: 2 Hektar Bauzeit: 2012 Kosten: 875 000 Euro Entlang der Seeachse Teichland plat­ zierte das Atelier Loidl Elemente wie den Spielplatz „Waldsturm“, dessen Gestaltung vom typischen Land­ schaftsbild der Gegend inspiriert ist.

Plan: Atelier Loidl

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An einem stürmischen Montagmorgen zie­ hen die Wolken über die kleine brandenbur­ gische Gemeinde Teichland: über die riesige Grube des Tagebaus Cottbus-Nord, über Ge­ höfte und Gärten und über die imposanten Kühltürme des Kraftwerks Jänschwalde. Teichland mit seinen drei ehemals eigenstän­ digen Dörfern Maust, Neuendorf und Bären­ brück hat eine reiche jahrhundertealte Tradi­ tion von Teichwirtschaft und sorbisch-wendi­ schem Brauchtum. Der Tagebau wird bereits nach einem Jahrhundert wieder gehen, aber er hinterlässt ein gewaltiges Erbe: 2015 ist Cottbus-Nord ausgekohlt, und das Energie­ unternehmen Vattenfall wird 2018 mit der Flutung der Grube zum See beginnen. Spä­ testens 2030 – die jetzigen Prognosen gehen von einer deutlich kürzeren Zeitspanne aus – wird der Cottbuser Ostsee (Chóśebuski pódzajtšny jazor) Wirklichkeit sein. Der Cottbuser Ostsee ist einer von über 20 Seen des Lausitzer Seenlandes, das durch die Flutung ehemaliger Braunkohle-Tage­ baugruben entsteht. Diese größte Land­ schaftsbaustelle Europas war von 2000 bis

2010 Schauplatz der Internationalen Bau­ ausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land, die als „Werkstatt für neue Landschaften“ dem Strukturwandel der Region neue Impulse gab. Strategien für Erhalt und Inwertset­ zung des industriekulturellen Erbes zählten genauso dazu wie Schwimmende Architek­ tur und Konzepte für die neuen Wasser­ landschaften. Das „Herz“ des Lausitzer Seenlandes ist eine gut 30 Kilometer lange Seenkette zwischen Senftenberg und ­Spremberg, in der zehn Einzelseen mit schiffbaren Kanälen verbunden werden. Der Cottbuser Ostsee liegt davon rund 40 ­Kilometer entfernt und wird mit 1 900 Hek­ tar einmal der größte See der Region sein. Große Umwälzungen für Cottbus Eine solche Entwicklung – großräumig in Zeit und Maßstab – braucht starke Visionen und einen langen Atem, bedeutet sie doch eine komplette Umorientierung der Stadt Cottbus hin zu ihrem ehemals industriellen Nordosten und eine Wasserlandschaft in bislang unbekannter Dimension für Teich­

land. Schon 2001 lobte deshalb die Stadt Cottbus gemeinsam mit der Gemeinde Teichland und der IBA Fürst-Pückler-Land den Ideenwettbewerb „Cottbus-Ostsee“ aus. Die ersten Preise gingen an fünf Arbei­ ten, die unterschiedliche Ansätze für die neue Erholungslandschaft zeigten. In einer zweijährigen Zukunftswerkstatt übersetzte das Büro Fiebig Schönwälder Zimmer, Berlin/ Düsseldorf diese Ideen in einen gemein­ samen Masterplan. Der 2002 von der IBA ­initiierte „Inselrat“ begleitet diesen Prozess als koordinierendes Gremium bis heute. ­Unter Federführung der Stadt Cottbus stim­ men sich die Anliegerkommunen mit Vat­ tenfall und weiteren Partnern über Sanie­ rungsschritte und Entwicklungsziele ab, um möglichst frühzeitig Synergieeffekte zwi­ schen bergbaulicher Sanierung und Folge­ nutzung zu erkennen und zu nutzen. Die Entwicklungsschwerpunkte für den See sind klar definiert: Am Südufer soll der Cottbuser Strand mit Marina entwickelt und über einen „Parkway“ mit der Innen­ stadt verknüpft werden – eine großzügig

Brigitte Scholz

Brigitte Scholz

Die Landschaft im Norden von Cott­ bus ist geprägt vom Tagebau und sei­ nen Folgeerscheinungen. Eine ­davon wird der Cottbuser Ostsee in der heu­ tigen Grube sein.

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