Garten + Landschaft 12_2014

Page 1

Dezember 2014

Garten+

Landschaft Zeitschrift für Landschaftsarchitektur

Gehölzverwendung


Inhalt 12/2014

Newsletter 4 Abschied: Nach 30 Jahren als verantwortlicher Redakteur verlässt Robert Schäfer Garten + Landschaft.

Jetzt kostenlos Newsletter abonnieren: www.garten-landschaft.de Regelmäßig Neuigkeiten aus der Branche

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

124. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten.

Garten + Landschaft

1

Bäume unter Stress Robert Schäfer

Journal

4

Das wäre geschafft! Robert Schäfer 30 Jahre Garten + Landschaft – ein Abschied

6

Die Industrielandschaft im Blick Peter Latz mit dem Sckell-Ehrenring 2014 ausgezeichnet

6 Von der Mülldeponie zum öffentlichen Raum und beliebten Hotspot: Die Gestaltung der Mülldeponie Hiriya in Tel Aviv ist eines der weltweit beachteten Projekte des Sckell-RingTrägers Peter Latz.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

2

Editorial

12/2014

8 Städtische Wälder: Im Wald­ labor in Alnarp erforschen Mitarbeiter der Universität SLU, verschiedene Gehölzkombinationen.

16 Für den Park eines Pharmaunternehmens wählten die Landschaftsarchitekten von SLA sorgfältig Arten und Größen aus und komponierten die Bäume zu einer nachempfundenen Naturlandschaft.


Gehölzverwendung

8

Gehölzverwendung in der Landschaftsarchitektur Swantje Duthweiler Trends für Sträucher und Bäume in Parks

12

Fremdländische Gehölze in der Stadt Ingo Kowarik Risiken und Chancen

16

Zwei, drei Dinge, die wir an Bäumen lieben Stig L. Andersson, Rasmus Astrup Gestaltete Naturlandschaft für ein Pharmaunternehmen in in Bagsværd, Dänemark

22

Die Gehölze als Akteure des Gartens atelier le balto Drei Projekte des atelier le balto

28

Coppicing im öffentlichen Grün Jonas Reif Gehölzbeete und Rückschnitt

32

Animal-Aided Design Rupert Schelle, Thomas Hauck, Wolfgang Weisser Integration von Tierbedürfnissen in Pflanzungen

36

Gehölzrahmenkonzepte – ein Erfahrungsbericht Mark Krieger Entwürfe für die igs Hamburg und die Landesgartenschau in Bayreuth

22 Der Garten „Bois de biais“ (schräges Wäldchen, hier mit Kunstwerk von Kai Schiemenz) in Métis, gestaltet vom atelier le balto, setzt sich aus Pappeln und Weiden zusammen, die jedes Jahr ­heruntergeschnitten werden.

28 Im Alaunpark in Dresden gibt ­ es eine Coppicing-Versuchs­ fläche. Dort wird der Einsatz von Gehölzen erprobt, die immer wieder zurüchgeschnitten werden. Bild: Sommeraspekt mit Catalpa erubescens und Phlox amplifolia.

Nachrichten Campus Projekte Produkte Wettbewerbe DGGL Nachrichten Personen, Recht Vorschau, Autoren, Impressum

40 46 48 52 53 58 60 64

36 Auf der igs Hamburg wurden Gehölze eingesetzt, um Bebauung und Park voneinander abzugrenzen. Im Bereich des Wasserwerks übernahm eine Gehölzrabatte diese Funktion.

Bilder: Boris Storz, Swantje Duthweiler, Latz + Partner, SLA, atelier le balto, Jonas Reif, Mark Krieger Titel: Robert Schäfer

Garten + Landschaft

12/2014

3


Journal

Das wäre geschafft! 30 Jahre Garten + Landschaft – ein Abschied

Schwer ist leicht was. Zum Bei­ spiel Abschied nehmen. Hat man aber so schlaue Leute wie Konfuzius zur Seite, ist einem schon leichter ums Herz: „Wird man gebraucht, erfüllt man seine Pflicht. Wird man nicht mehr gebraucht, so zieht man sich zurück.” 30 Jahre als verantwortlicher Redakteur von Garten + Land­ schaft (und etliche Jahre von weiterem Gedöns wie Topos) sind eine lange Zeit. Gerda Gollwitzer hatte nach der Neu­ gründung der Zeitschrift Gar­ tenkunst als Garten und Land­ schaft in der Nachkriegszeit der Fachzeitschrift über 22 ­Jahre ihr Profil gegeben. Eike Schmidt hat es weiterentwi­ ckelt, 12 Jahre lang. In den 70er-Jahren versuchte er be­ reits, über Deutschland hinaus zu denken und mit englischen Texten die Profession interna­ tional zu verstehen. Kritische Kommentare 1984 wurde ein Nachfolger für Eike Schmidt gesucht. Die Deutsche Gesellschaft für Gar­ tenkunst und Landschaftskul­ tur als Eigentümerin der Zeit­ schrift, der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (der damals seine Verbandsmittei­ lungen auf gelbem Papier in Garten + Landschaft veröffent­ lichte) und die Verleger des Hauses Callwey machten sich die Entscheidung nicht leicht. Sieben Kandidaten kamen in die engere Wahl. Letztendlich fiel das Votum nach starker Fürsprache des DGGL-Präsiden­ ten Robert Mürb, Gartenamts­ leiter und CDU-Stadtrat in Karlsruhe, auf den studierten Landschaftsplaner und Journa­ listen, der mit Jutetasche, Voll­ bart und Lammfelljacke frisch

4

Garten + Landschaft

12/2014

von Horst Sterns Ökopostille „natur“ kam. Das Risiko war überschaubar. Die neuen Themen klopften an die Tür: Umweltschutz, Wald­ sterben, UVP, Stadterneuerung, Verkehr. Und mittendrin die Landschaftsplaner, Landespfle­ ger, Landschaftsarchitekten. ­Irgendwann renovierten wir den Untertitel der Zeitschrift und beschränkten uns auf Landschaftsarchitektur, auf den Begriff der alle anderen Tätigkeiten unter sich auf­ nimmt: Von der Gartengestal­ tung bis zur Landschaftspla­ nung, von der Gartendenkmal­ pflege bis zur Eingriffsrege­ lung. Dies entsprach auch der Präambel der DGGL-Satzung und der Intention des langjäh­ rigen Präsidenten Mürb. Gele­ gentlich kritische Kommentare in der Anfang 1985 eingeführ­ ten Rubrik „Zum Thema“, heu­ te schlicht Editorial genannt, führten zu Stirnrunzeln beim Verleger und zu erbosten Re­ aktionen einiger Leser – da­ mals als Leserbrief. Twitter und Shitstorm waren noch nicht er­ funden. Man dürfe doch in der Zeitschrift der DGGL nicht poli­ tisieren, hieß es. Das war zu Zeiten, als endlich ansatzweise (in den 80ern) über das natio­ nalsozialistische Erbe in der Landschaftsplanung beider Deutschland diskutiert wurde. Lesen bildet Ich werde nicht müde, die Lek­ türe älterer Jahrgänge von Garten + Landschaft zu emp­ fehlen, seien es die 70er- bis 90er-Jahre, oder die 20er- und 30er- des vergangenen Jahr­ hunderts bis zur Gleichschal­ tung. Es gab tatsächlich immer Themen, die kontrovers disku­ tiert wurden: die richtige Aus­

bildung, den richtigen Wege­ verlauf in einem Park. Oder: Darf man an einem Wettbe­ werb zur Begrünung der Wie­ deraufbereitungsanlage Wa­ ckersdorf (WAA) teilnehmen? Soeben gedachten wir dem Mauerfall vor 25 Jahren. Den folgenden Aufbau Ost haben wir ausführlich begleitet, wie auch, parallel dazu, die weg­ weisende IBA Emscherpark, die unter anderem den Land­ schaftspark Duisburg Nord von Peter Latz hervorbrachte, eine Ikone der postindustriellen Konversionsstrategie. Karl Gan­ ser, der Macher der IBA, musste es erdulden, dass wir in der ersten Ausgabe über den Em­ scherpark eine neongelbe lan­ ge Unterhose auf dem Titel platzierten. Mein erster Arbeitstag bei ­Garten + Landschaft sollte prä­ gend sein für die folgenden Jahre und für die Tatsache, dass ich dann 1992 Topos als Europäische Zeitschrift gründe­ te. Ich durfte mit Eike Schmidt zum Kongress des Internatio­ nalen Landschaftsarchitekten­ kongresses IFLA nach Siofok in Ungarn reisen, im Oktober 1984. Ein Politikum: Damals konnten zum ersten Mal die Kollegen aus der DDR am Kon­ gress teilnehmen, wenn auch unter strikter Observanz des Staatssicherheitsdienstes. Garten + Landschaft war in der DDR bekannt und beliebt, aber nur mit Beziehungen zu bekom­ men. Wir lasen dafür die „Land­ schaftsarchitektur“, die einzige Fachzeitschrift im sozialistischen Lager, mit russischen Kurztexten und Berichten von den Partei­ tagen. Leider kam die Zeitschrift nach der Wende in die falschen westlichen Hände und wurde recht bald abgewickelt.


Wer weiß, vielleicht wurde da nur vorweggenommen, was in der Medienbranche inzwischen an der Tagesordnung ist: Über­ lebenskampf der gedruckten Fachzeitschriften, mühsames Erobern digitaler Welten, Ver­ lust gewohnter Positionen. Kommunikation und Informati­ on wird heute anders definiert als vor 30 Jahren. Angebot und Nachfrage werden neu justiert. Die Finanzierung von Inhalten wird schwierig, unsicher und gelegentlich fragwürdig. Es bleibt spannend

30 Jahre Garten + Landschaft, 360 Ausgaben, ­Lesestoff für Generationen. ­Robert Schäfer geht und überlässt es anderen, die ­gebundenen Hefte ins Regal zurückzustellen.

Boris Storz

Es bleibt aber spannend, sich mit Landschaftsarchitektur zu befassen. Wusste ich vor 30 Jahren mit dem Begriff „Toch­ terleistungsverzeichnis“ nichts anzufangen, weil ich eben in einem Nach-68er-Reformpro­ jektstudium in Berlin andere Dinge gelernt hatte, zum Bei­ spiel die Internalisierung exter­ ner Effekte der Produktion oder soziale Wohlfahrtswir­ kung von Grünanlagen, The­ men, die heute eine Renais­ sance erleben, so weiß ich im Moment nicht so recht, was „Smart City“ und „Grüne Infra­ struktur“ sowie „Metropolitan Solutions“ für die Landschafts­ architektur konkret bringen werden. Interessieren wird es mich wei­ terhin, denn ich gehe zwar, aber ich verschwinde nicht, wie der Politiker Martin Bangemann einst sagte. Also, ich bin dann mal weg! Jedoch nicht ohne mich bei den vielen Leserinnen und Lesern zu bedanken, die über all die Jahre Garten + Landschaft die Treue gehalten haben oder sogar Gefallen fan­ den an meinen Auslassungen in den Editorials. Wir sehen uns! Robert Schäfer

5


Gehölzverwendung in der Landschaftsarchitektur Trends für Sträucher und Bäume in Gärten und in Parks

Swantje Duthweiler Die Verwendung von Pflanzen ist eine Aufgabe der Landschaftsarchitektur, die den Außenraum und seine Atmosphäre nachhaltig prägt. Meistens wird sie individuell auf die jeweilige Gesamtgestaltung abgestimmt, doch findet man auch immer wiederkehrende Motive. Nach einer besonders architektonischen, fast pflanzennegierenden Phase der Landschaftsarchitektur ist man derzeit wieder auf dem Weg nach neuen, oft staudenbetonten Lösungen für aktuelle stadtökologische Aufgaben. Das gestalterische Potenzial von Gehölzen scheint dabei nicht ganz ausgeschöpft zu werden. Doch welche Leitideen und Konzepte eignen sich hier für die Zukunft? Um einen Anstoß zu geben, wurden beim Symposium „Aktuelle Gehölzverwendung in der Landschaftsarchitektur“ an der TU München in Freising Sichtweisen und Planungsansätze von Landschaftsarchitekten und Wissenschaftlern vorgestellt und diskutiert.

8

Garten + Landschaft

12/2014


Swantje Duthweiler (3)

Piet Oudolf komponierte im Drömparken (Traumpark) im schwedischen Enköping landschaftliche Pflanzbilder mit Stauden und mehrstämmigen Gehölzen.

Gehölzraster oder neue Landschaftlichkeit­ Pflanzenverwendung ist als Teil der Landschaftsarchitektur eng mit dem räumlichfunktionalen und gestalterischen Gesamtkonzept verbunden. Auf der Suche nach neuen Ansätzen in der Gehölzverwendung ist es wichtig, zunächst den aktuellen Stand der Lage festzustellen. Seit der „neuen ­Moderne“ der 1990er-Jahre trat die Einzelwirkung der Pflanzen zurück und wurde zur Flächenfüllung oder raumbildenden Masse. Man arbeitete mit starker architektonischer Linienführung und reduzierte die Pflanzenverwendung auf geometrische Heckenformen, Gehölzraster und Rasenflächen. Taxus galt als bevorzugte räumliche Gliederung, Buxus sempervirens als Flächenornament, mit dem man so gut wie jede freiraumplanerische Aufgabe lösen konnte. Traditionellerweise wählte man als Straßenbaum ­bevorzugt Sortenauslesen von heimischen Großbäumen mit mächtigen Kronen und dunklem Schatten: Linde, Ulme, Ahorn, aber auch Kastanie und Platane. Heute pflanzt man bevorzugt kleinblättrige oder gefiederte Stadtbäume mit einem lichten Schatten: Robinie, Gleditschie, Schnurbaum, Rot-Ahorn, aber auch Wald-Kiefer oder

Schwarz-Kiefer. In innerstädtischen Park­ anlagen arbeitet man gern mit schnellwüchsigen, aber kurzlebigen Pionierbaum­ arten (Himalaya-Birke, Schwarz-Birke oder Zitter-Pappel). In größerer Dichte als Block oder Hain gepflanzt können sie in kurzer Zeit den umgebenden Gebäudemassen eine Baummasse entgegensetzen. Diese Pflanzweise suggeriert eine gewisse Leichtigkeit und Unverbindlichkeit. Pflanzungen dieser Art werden nie die Würde alter Baum­ charaktere und einen Wert für künftige ­Generationen entwickeln. Sie sind eher auf die Schnelllebigkeit und Spontaneität un­ serer Zeit abgestimmt. Doch ist inzwischen auch eine gewisse ­Ermüdungserscheinung gegenüber architektonisch genormten Bäumen in Hochstammqualität zu beobachten. Wo kein Lichtraumprofil gefordert ist, wird fehlendes Landschaftserleben in verdichteten Stadtvierteln durch landschaftliche Zitate ausgeglichen (Wiese, Steppe, Prärie) und Gehölze als kleinkronige, schirmförmig ­gewachsene ­Solitärgruppen gepflanzt. Für besondere Standorte in Parkanlagen bevorzugt man Stammbüsche oder mehrtriebige, Garten + Landschaft

12/2014

9


G.N. Brandt, photo reprint, courtesy of Lokalhistorisk Arkiv Gentofte

Uralte Bäume, geformt durch Wind und Regen, waren für den dänischen Landschaftsarchitekten G.N. Brandt von besonderer Schönheit und Wildheit. Das Foto entstand in den 1930ern.

Zwei, drei Dinge, die wir an Bäumen lieben Im Park eines Pharmaunternehmens in Bagsværd bei Kopenhagen dreht sich alles um Bäume. Sorgfältig wurden Arten und Größen ausgewählt und zu einer nachempfundenen Naturlandschaft komponiert.

In dem Artikel „Der Kommende Garten“, Wasmuth’s Monatshefte für Baukunst, 1930, entwirft der dänische Architekt G.N. Brandt (1878-1945) seine Vision einer Welt, in der gewachsene Umwelt als Gegengewicht zu gebauter Umwelt die Architektur strukturiert. Gewachsene und gebaute ­Umwelt befänden sich allerdings nicht im Krieg, so Brandt, sie bildeten vielmehr ein Gleichgewicht und würden sich mit ihrem jeweils eigenen Universum an Beschreibungen gegenseitig ergänzen. Brandt wollte mit seiner Landschaftsarchitektur szenische Räume schaffen, einen ­gewissen Grad an (bewusster) Unübersichtlichkeit erzeugen und die Autonomie der Pflanzenwelt respektieren. Natur sollte nicht wie bloßes Baumaterial benutzt werden, sondern die ästhetische Basis von Erfahrungen und Gefühlen sein. Durch Natur hervorgerufene Empfindungen verband

16

Garten + Landschaft

12/2014

Brandt mit biologischem Wissen über in der Natur ablaufende Prozesse. Das ermöglichte ihm, der gebauten Umwelt ein adäquates Gegengewicht gegenüberzustellen, um eine Balance zwischen den zwei komplementären Elementen der Architektur zu schaffen – dem Gewachsenen und dem ­Gebauten. Mit seiner Vision der „Gärten von morgen“ gelang G.N. Brandt ein Quantensprung, der zu einer radikal neuen Landschaftsarchitektur führte. Unser Wissen um Brandt kam im Neuen ­Naturpark für Novo Nordisk (2014) zum Tragen: Es ging uns darum, unterschied­ liche E ­ rzählungen von Bäumen auszuwählen und sie in einen neuen, natürlichen Zusammenhang zu bringen, der diesem Ort einen eigenen Charakter gibt. Im Neuen Naturpark, einer Neugestaltung von Natur, wurde eine Auswahl der am schönsten und

SLA Architects (6)

Stig L. Andersson, Rasmus Astrup


Mit seiner Skizze von Zweigen und einem Stamm wollte J.Th. Lundbye 1838 zeigen, wie einzigartig und zuf채llig sich die Natur ausdr체ckt. Skizze: J.Th. Lundbye (1838), F체ller und Bleistift auf Papier, courtesy of Den Hirschsprungske Samling, Kopenhagen

Geschwungene Wege verbinden die Naturr채ume im neuen Park. Das Konzept beruht auf Studien, die ergaben, dass man im Freiraum entspannter, offener und kreativer ist.

Garten + Landschaft

12/2014

17


Coppicing im öffentlichen Grün Die aus Parkanlagen verschwundenen Schmuckpflanzungen werden oft als Sinnbild für die Unterfinanzierung des öffentlichen Grüns herangezogen. Doch auch die Erwartungen der Nutzer und die technischen Möglichkeiten in der Pflege haben sich verändert. Coppicing – das regelmäßige bodennahe Zurückschneiden von Gehölzen – bietet neue Ansätze für Parkpflanzungen.

Farbakzente setzen Panicum Shenandoah (oben), Hartriegel oder ­Liriodendron tulipifera (rechts). Die neue Sorte Cornus alba ’Baton Rouge‘ (mitte) ist noch intensiver gefärbt als ’Sibirica‘. Die Fotos stammen alle von der CoppicingVersuchsfläche im Alaunpark in Dresden.

28

Garten + Landschaft

12/2014

Jonas Reif Bis ins 20. Jahrhundert waren regelmäßiges „Auf-den-Stock-setzen“ und „Köpfen“ von Gehölzen (engl. coppicing beziehungsweise pollarding) zur Gewinnung von Viehfutter, Bau- und Brennmaterial weit verbreitet. In Anlehnung an traditionelle „Mixed Borders“ in England experimentierte Nigel Dunnett von der Universität Sheffield in den 1990erJahren mit regelmäßig zurückgeschnittenen Gehölzen in Staudenpflanzungen. Da der Rückschnitt üblicherweise im Februar/März ausgeführt wird, bleiben im Winter kräftige Strukturen erhalten. Einige Arten und Sorten bereichern die Szenerie zu dieser Zeit zusätzlich mit leuchtenden Rindenfarben. Viele Gehölze reagieren auf den Schnitt mit starkem Stockaustrieb und dekorativ vergrößerten Blättern. Zudem haftet das Laub an den kräftigen Trieben bis zu zwei Wochen länger und sorgt somit für eine ausgedehnte Vegetationsperiode. Buntlaubige Auslesen verleihen Pflanzungen über mehrere Monate eine


Die Zweige von Salix alba ’Chermesina‘ (links) sorgen auch im Winter für Farbe. Die zurückgeschnittenen Sträucher werden im Frühjahr von Narzissen verdeckt.

Jonas Reif (12)

auffallende Farbigkeit. Ein regelmäßiger ­bodennaher Schnitt erlaubt zudem eine ­hohe Artenvielfalt auf wenig Fläche. Je nach Schnittintervall können die Gehölzvolumen auf die städtebauliche Umgebung und Nutzung abgestimmt werden, angefangen bei hüfthohen, überschaubaren Pflanzungen bis hin zu überkopfhohen, raumbildenden Niederwaldbeständen. In Abhängigkeit von Größe, Gestaltungsintensität und vorherrschendem Arteninventar können die Pflanzungen im Charakter dekorativen Staudenpflanzungen, Kurzumtriebs-Plantagen oder sogar urbanen Wäldern ähneln. Coppicing im Fokus der Forschung Seit 2012 erprobt die TU Dresden eine Coppicing-Pflanzung im Dresdner Alaunpark ­unter realistischen Bedingungen. Es soll geklärt werden, welche Gehölze hierfür in Mittel­europa geeignet sind, in welchen ­Abständen vorzugsweise zurückzuschneiden

ist und welche anderen Pflanzen berücksichtigt werden sollten, damit ein ganzjährig ­attraktives Bild entsteht. Der in der Neustadt gelegene Park ist die einzige größere Grünfläche in einem dichtbesiedelten, vor allem von jungen Menschen bewohnten Bezirk. Das für die Gesamtplanung zuständige Büro UKL sah für den südöst­ lichen Parkbereich unter anderem Rasen­ flächen, eine große Boule-Fläche und Sitzmöglichkeiten vor, die von rahmenden Pflanzungen geschützt werden. Die Versuchsflächen nehmen dabei in etwa die Position ein, die man in historischen Parkanlagen Schmuckpflanzungen zugedacht hätte. Angesichts der zentralen Lage entschied sich das Team der TU Dresden, die Artenzahl relativ hoch anzusetzen und die Pflanzung um robuste Stauden zu ergänzen, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Die Gehölze sollten nicht nur den Rückschnitt gut vertragen, sondern auch langan-

haltend über Schmuckmerkmale verfügen. Blüten spielen nur eine untergeordnete Rolle, da diese bei vielen Arten erst am mehrjährigen Holz gebildet werden, nach dem jährlichen Rückschnitt also gar nicht auftreten. Viel wichtiger waren dekoratives Laub und dessen Farbe. Da der Winteraspekt von hoher Bedeutung ist, wurde auch die Färbung der Rinde berücksichtigt. Aufbau der Versuchsflächen in rot und gelb Die beiden Teilflächen haben ein gemein­ sames Gestaltungskonzept, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Farbgebung: Eine Fläche ist vorwiegend in Rottönen gehalten, die andere dagegen von gelbem Laub geprägt. Während lockerwüchsige Gehölze wie etwa Trompetenbäume (Catalpa) einzeln angeordnet wurden, stehen andere Arten wie etwa Weiden, in dichten Gruppen. Stauden, die in ihrer Wirkung den Gehölzen nachstehen, mengenmäßig aber überlegen sind, Garten + Landschaft

12/2014

29


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.