Hempel Ausgezeichnete Architektur & Ingenieur Baukunst issuu

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AndreAs gottlieb hempel

Ausge zeich nete Architektur und ingenieur

bAu kunst 50 preisgekrรถnte projekte

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Andreas  Gottlieb  Hempel

Ausge zeich nete Architektur und Ingenieur

bau kunst 50 preisgekrönte Projekte

14 15 CALLWEY


Inhalt

006 Vorwort Dr. Barbara Hendricks Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

007 Vorwort Dip.-Ing. Hans-Dieter Hegner Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

008 Vorwort Barbara EttingerBrinckmann Bundesarchitektenkammer

009 Vorwort Reiner Nagel Bundesstiftung Baukultur

010 Vorwort Stephan Engelsmann Bundesingenieurkammer

011 Vorwort Andreas Gottlieb Hempel Autor

012 Deutscher Architekturpreis 2013 Kunstmuseum Ravensburg

018 BDA Große Nike 2013 Kolumba Kunstmuseum, Köln

022 BDA Nike für Fügung 2013 Nya Nordiska, Dannenberg

028 BDA Nike für Neuerung 2013 Städel Museum, Frankfurt am Main

034 BDA Nike für soziales Engagement 2013 Betriebsrestaurant mit Auditorium, Ditzingen

040 BDA Nike für Komposition 2013 Tannerhof, Bayrischzell

044 Bauwelt-Preis 2013 Haus der Tagesmütter, Selb

048 Gestaltungspreis der Wüstenrot Stiftung 2012 Wohnquartier Altenhagener Weg, Hamburg

054 Ingenieurbaupreis Ernst & Sohn 2013 Nationalstadion Warschau, Polen

060 Deutscher Städtebaupreis 2012 Historische Mitte, Staßfurt an der Bode

064 Balthasar-NeumannPreis 2014 Landesarchiv NRW, Duisburg

070 Internationaler Hochhaus Preis 2012 Bürohochhaus 1 Bligh, Sydney, Australien

076 Architekturpreis Zukunft Wohnen 2012, Kategorie: Wohnen mit geringem Budget Penthouse, Berlin

082 Deutscher Bauherrenpreis 2013, Kategorie: Modernisierung Wohnzeilen Zornedinger Straße, MünchenRamersdorf

086 Deutscher Bauherrenpreis 2014, Kategorie: Neubau Wohnungsbauten Piusplatz, MünchenRamersdorf

090 Häuser des Jahres 2014 Werkhaus, Gerswalde, Uckermark

094 Vorbildliche Bauten im Lande Hessen 2011 Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden

100 Heinze Architekten Award 2014, Kategorie: Eindrucksvolle Wohnarchitektur Baugruppenhaus Auguststraße, Berlin

104 Deutscher Hochschulbaupreis 2014 Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Golm der Universität Potsdam

110 Prom des Jahres 2013, Kategorie: Öffentlich und sozial genutzte Immobilien Neubau Modellbauvor­ haben CO2-neutrale PLUS-Energie-Kinder­ tagesstätte mit Hort, Ostseebad Wustrow

114 Prom des Jahres 2013, Kategorie: Gewerblich genutzte Immobilie Elobau Erweiterung Werk II, Leutkirch

118 Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur 2013 S-Bahnhof WilhelmLeuschner-Platz, Leipzig


122 Ingenieurpreis der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau 2013 AWM Carportüberdachung, München

128 Deutscher Brückenbaupreis 2014, Kategorie: Straßen- oder Eisenbahnbrücke Eisenbahnüberführung Gänsebachtalbrücke, Buttstädt / Thüringen

132 Deutscher Brückenbaupreis 2014, Kategorie: Fuß- und Radwegbrücken Erba-Steg, Bamberg

136 Architekturpreis für vorbildliche Gewerbebauten 2012 Windkanalzentrum der BMW-Group, München

142 Architekturpreis für vorbildliche Gewerbebauten 2012 Transferzentrum für Adaptronik des Fraunhofer-Instituts LBF Darmstadt

146 Architekturpreis für vorbildliche Gewerbebauten 2012 Hochregallager Ernsting’s VertriebsCenter, CoesfeldLette

150 Deutscher Holzbaupreis 2013, Kategorie: Neubau Finanzamt GarmischPartenkirchen

156 Deutscher Holzbaupreis 2013, Kategorie: Neubau Rupert-Neß-Gymnasium, Wangen / Allgäu

160 Deutscher Holzbaupreis 2013, Kategorie: Neubau Temporärer Hörsaal der TU München, Garching

166 Deutscher Holzbaupreis 2013, Kategorie: Komponenten und Konzepte Turm für eine Windkraftanlage, Hannover

170 Deutscher NatursteinPreis 2013, Kategorie B und C Hambacher Schloss, Neustadt an der Weinstraße

176 Deutscher NatursteinPreis 2013, Kategorie: D Ein- und Mehrfamilienhäuser Villa in München

182 Deutscher Ziegelpreis 2011 Mehrgenerationenhaus mit Einliegerwohnung, Stuttgart-Rotenberg

188 Fritz-Höger-Preis 2011 für Backsteinarchitektur Dominikuszentrum, München

192 Architekturpreis Beton 2011 Iller-Wasserkraftwerk AÜW, Kempten / Allgäu

198 Architekturpreis Beton 2011 Museum für Naturkunde, Neubau des Ostflügels, Berlin

202 Architekturpreis Beton 2011 Altes Parkhaus Stubengasse, Münster

206 Architekturpreis Beton 2011 Neues Museum, Berlin

212 Architekturpreis Beton 2011 Marco Polo Tower, Hamburg

216 Deutscher Verzinkerpreis für Architektur und Metallgestaltung 2013 Fußgängerbrücke über die Adler, Königgrätz (CZ)

220 Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013, Kategorie: Hochbau Museum der Bayerischen Könige am Alpsee, Hohenschwangau

226 Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013, Kategorie: Brückenbau Donaubrücke, Günzburg

230 Deutscher Fassadenpreis für vorgehängte hinterlüftete Fassaden 2013 Hochhaus C10 der Hochschule Darmstadt

234 Green Building Award 2013, Kategorie: Wohngebäude und Sanierungsprojekt Einfamilienhaus Energy + Home, NiederRamstadt, Mühltal

238 Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik 2011 Halle design.s, Freising

242 Europäischer Architekturpreis Energie + Architektur 2012 Modellvorhaben e%Energieeffizienter Wohnungsbau, Ingolstadt-Hollerstauden

246 Hans Sauer Preis 2014 Wohnungsbau in der Grüntenstraße, Augsburg

250 KfW-Award 2013, Kategorie: Bauen und Wohnen Stadtmolekül Domplatz 6a, Halle/Saale

254 Auslober der Architekturpreise

256 Bildnachweis /  Impressum


Verantwortung und Engagement des Bundes bei der Förderung von Baukultur

Dr. Barbara Hendricks Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Ausgezeichnete Architektur und Ingenieurbaukunst verwirklicht die in jeder Hinsicht besten Gebäude: nachhaltig, energieeffizient, klimagerecht und baukulturell wertvoll, insbesondere aber auch inspirierend für die Menschen, die in ihnen leben und arbeiten. Der Standard der Baukultur in Deutschland befindet sich auf einem hohen Niveau. Er verlangt von jedem Bauwerk, behutsam konzipiert und mit dem Ziel der Langlebigkeit realisiert zu werden. Das Fachwissen der Architekten und Ingenieure spiegelt sich in der zukunftsfähigen Planung und Ausführung sowie in der Akzeptanz durch die Betrachter und Nutzer der Bauwerke wider. Dies erklärt die hohe Bedeutung von Baukultur – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – und begründet die Verantwortung und das Engagement des Bundes bei der baukulturellen Förderung. Wettbewerbe haben sich dabei als ein Instrument zur Sicherung von Planungsqualität in der Architektur– wie in der Ingenieurbaukunst bewährt. Wir brauchen diese kreative Konkurrenz der Ideen, um die besten Lösungen für individuelle Bauaufgaben zu finden. Der Bund ist sich als Bauherr seiner Vorbildfunktion sehr bewusst und fördert die Planungs- und Wettbewerbskultur für seine eigenen Bauvorhaben. Neben der Qualitätsfindung sind Wettbewerbe ein hervorragendes Instrument der öffentlichen Vermittlung von Baukultur. Mit der öffentlichen Präsentation der Wettbewerbsergebnisse wird die Auseinandersetzung und Identifikation mit den Projekten zusätzlich unterstützt. Die Besucherzahlen bei Wettbewerbsausstellungen im In- und Ausland zeigen das große Interesse an den baukulturellen Leistungen Deutschlands. Die Wettbewerbskooperationen des Bundesbauministeriums beweisen, dass sich Qualität durchsetzt. Gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer wird im Rhythmus von zwei Jah­ ren mit dem Deutschen Architekturpreis einer der wichtigsten Architekturpreise ausgelobt. Die ausgezeichneten Arbeiten sollen Anregungen für zukünftige Planungen geben und eine breite Öffentlichkeit auf die Belange des nachhaltigen Bauens und der Baukultur aufmerksam machen. Dies erfüllt der Neubau des Kunstmuseums in Ravensburg in hervorragender Weise. Das Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei aus Stuttgart hat damit den Deutschen Architekturpreis 2013 gewonnen. Das Projekt fügt sich einfühlsam in die gewachsene Stadt ein. Es wurde mit Ziegeln aus einem abgetragenen Kloster errichtet, die damit eine zweite Verwendung erhalten haben. Für große Anerkennung hat auch gesorgt, dass erstmals ein Passivhausstandard für den Typus des Museumsbaus umgesetzt worden ist. In Kooperation mit der Bundesingenieurkammer engagiert sich das Bundesbauministerium ebenso beim Deutschen Brückenbaupreis. Die Gänsebachtalbrücke in Thüringen und der ErbaSteg in Bamberg konnten als Siegerprojekte im Wettbewerb 2014 ausgezeichnet werden. Mit dem Buch Ausgezeichnete Architektur und Ingenieurbaukunst – 50 preisgekrönte Projekte sollen die seit 2011 prämierten Architektur- und Ingenieurbauleistungen in unserem Land präsentiert werden. Damit wird die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Bundesarchitektenkammer, mit der Bundesingenieurkammer sowie mit der Bundesstiftung Baukultur bei der gemeinsamen Förderung von Baukultur in Deutschland dokumentiert und die positive Außenwirkung deutscher Architekten und Ingenieure auch im internationalen Kontext weiter gestärkt. Als Bundesbauministerin wünsche ich mir, dass die im Rahmen anerkannter Wettbewerbe ausgezeichneten Architektur- und Ingenieurbauprojekte uns allen Ansporn und Vorbild sind. In diesem Sinne begreife ich das Buch Ausgezeichnete Architektur und Ingenieurbaukunst als eine Botschaft an alle Planerinnen und Planer, Nutzerinnen und Nutzer sowie Bauherrinnen und Bauherren, sich auch zukünftig gemeinsam für eine nachhaltige und zukunftsgerechte Baukultur einzusetzen.


Erwartungshaltung der modernen Gesellschaft an die gebaute Umwelt

Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Baukultur ist nicht erst seit heute ein Thema. Sie entsteht täglich in den deutschen Städten und Gemeinden und prägt wesentlich das Erscheinungsbild und die Lebensqualität in Regionen und Bundesländern. Die aktuelle Diskussion um qualitätsvolles Bauen ist geprägt durch die Auseinandersetzung mit höchstem künstlerischem Niveau, ausgezeichneter Ingenieurbaukunst und den Beiträgen von Projekten zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft. Die Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft steht in vielfältigen Wechselbeziehungen mit Maßnahmen und Zielen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Hervorzuheben sind insbesondere der Klimaschutz und die Verbesserung der Energieeffizienz, die Verbesserung der Energie- und Rohstoffproduktivität, die Senkung der Flächeninanspruchnahme und die Gestaltung des demografischen Wandels. Nachhaltiges Bauen zielt auf eine ganzheitliche Qualitätsverbesserung des Bauens über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks ab: von den ersten Planungsschritten über die bauliche Realisierung bis hinein in die Zeit der eigentlichen Nutzung. Die Bewertung des Beitrags von Bauwerken für eine nachhaltige Entwicklung bezieht umfassend ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte ein. Dabei ist klar, dass Nachhaltigkeit keine Floskel bleiben darf, sondern sich real messen lassen muss. Der Leitfaden Nachhaltiges Bauen des Bundes wurde bereits im Jahre 2012 für alle großen Neubaumaßnahmen des Bundes verbindlich eingeführt und im Jahr 2013 um die Bestandsmaßnahmen erweitert. Das dabei in Bezug genommene Bewertungssystem gliedert sich in eine genaue Anzahl von Kriterien, für die Messmethoden und Benchmarks in so genannten Kriterien-Steckbriefen klar beschrieben sind. Die in der Forschungsinitiative Zukunft Bau entwickelten Steckbriefe, Methoden, Datenbanken sowie Arbeitshilfen tragen dazu bei, dass öffentliche und private Bauherren einen ausgewogenen Kriterienkatalog für zukunftsfähiges Bauen erhalten. Die Ansprüche der Gesellschaft sind hoch und nicht ohne Grund. Das Bauwesen nimmt sowohl beim Bau als auch in der langen Bewirtschaftungs- und Betriebsphase von Bauwerken erhebliche Ressourcen in Anspruch. Rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland wird immer noch für die Raumheizung benötigt. 50 Prozent der benötigten Rohstoffe verbrauchen wir für die Errichtung und den Umbau von Gebäuden. 60 Prozent aller Abfallmaterialien kommen aus dem Gebäudebereich. Die Bauindustrie als eine Schlüsselbranche für die Binnenwirtschaft und zugleich der größte Wirtschaftszweig in Deutschland ist deshalb bei der Lösung dieser Fragen in besonderer Weise gefragt. Doch lässt sich alles in Maß und Zahl ausdrücken? Wie wird ein Bau zu einem einprägsamen und identitätsstiftenden Element im Stadtbild? Welche Anmutung hat die Fassade? Wie spricht uns das Material an? Wie wirken Räume auf uns? Offensichtlich braucht man beides: Kennziffern und messbare Qualitäten eines Gebäudes und eine Architektur und Ingenieurbaukunst, die die Menschen auf besondere Weise berührt. Die Auseinandersetzung des Menschen mit gebautem Raum hat immer fasziniert. Umso wichtiger ist es, dass eine eingehende Beschäftigung auch die richtigen Instrumente hat – wie zum Beispiel Wettbewerbe und Preise. Der Wettstreit von Konzepten und guten Ideen von Architekten und Ingenieuren beflügelt die Diskussion um bessere Baukultur, die durch Umsetzungen in unserem Land neu erwächst. Schon der römische Rhetoriker und Schriftsteller Marcus Lucius Annaeus Seneca wusste: „Lang ist der Weg durch Lehren, kurz und wirksam durch Beispiele.“ In Deutschland gibt es Wettbewerbe und Preise in unterschiedlichster Ausformung. Sie in einem Buch zusammenzubringen, ist dabei ein wertvoller Beitrag in der aktuellen Diskussion um nachhaltiges Bauen und gute Baukultur.

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Baukultureller Mehrwert durch qualitätsorientierte Vergabe

Dipl.-Ing. Architektin Barbara Ettinger-Brinckmann BDA DWB Präsidentin der Bundesarchitektenkammer e.V.

Wem Baukultur wichtig ist, der lebt auch eine gute Vergabe- und Vertragskultur. Ein durchdachtes und wettbewerbsoffenes Vergabeverfahren ist notwendige Voraussetzung dafür, die beste Lösung für ein Bauprojekt zu finden. Und ein fairer Vertrag ist unerlässliche Grundlage für eine konstruktive und gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Der Architektenwettbewerb gehört zu den unverrückbaren Konstanten im deutschen Vergaberecht. Seine Grundsätze wurden bereits 1867 formuliert und gelten bis heute fast unverändert fort. Er zielt auf die Qualität und nicht auf den Preis der Architektenleistung ab: Nur über einen qualitätsorientierten Ansatz beim Planen und Bauen lassen sich das herausragende Niveau, die Kompetenz und die Kreativität deutscher Architekten und Ingenieure heben und das weltweit hohe Ansehen deutscher Baukultur fördern und ausbauen. Doch Architektenwettbewerbe sollten nicht nur bei großen und nicht nur bei öffentlichen Bauaufgaben erste Wahl sein. Sie können auch bei kleineren und bei privaten Baumaßnahmen sowie beim Bauen im Bestand hervorragende Resultate liefern – geht es doch darum, mittels Ideenwettstreit die beste Lösung für städtebauliche, architektonische und baulich-konstruktive Aufgaben zu finden. Und er dient der ständigen Weiterentwicklung, der Innovation, was die Beteiligung auch junger Büros voraussetzt. Im Wettbewerb finden Auftraggeber und Auftragnehmer in einem klar strukturierten, transparenten Verfahren auf faire, partnerschaftliche Weise zueinander. Ein kompetentes Preisgericht und die Anonymität der Wettbewerbsbeiträge sichern – neben der Gleichbehandlung der Teilnehmer – auch eine rein sachorientierte und qualifizierte Entscheidung über die Qualität der Lösungsvorschläge. Baukultur lebt aber auch von Partizipation und Akzeptanz. Der Architektenwettbewerb setzt auf Transparenz und ist erklärter und anerkannter Gegner der Vergabe im Hinterzimmer. Besonders wichtig: Die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ist bereits bei der Bestimmung der Ziele des Wettbewerbs möglich. So lässt sich wünschenswerte bürgerschaftliche Partizipation verwirklichen. Das verleiht der Vergabeentscheidung eine zusätzliche demokratische Legitimation. Aufzuräumen gilt es leider immer noch mit der Vorstellung, Wettbewerbe seien grundsätzlich zeitaufwendig und teuer. Das ist Unsinn: Die Wettbewerbsregeln sind flexibel genug, um für jedes nur denkbare Projekt ein Verfahren maßzuschneidern. Und jüngste empirische Forschungen des Bundesbauministeriums widerlegen den pauschalen Generalverdacht gegenüber dem Architektenwettbewerb hinsichtlich Zeit- und Kostenaufwand. Die hier vorgestellten 50 aktuellen, mit einem Preis ausgezeichneten Bauprojekte der Jahre 2011 bis 2014 sind vielfach Ergebnis von Architektenwettbewerben und eindrucksvolle Belege deutscher Baukunst. Meine Hoffnung ist, dass das Instrument des Architektenwettbewerbs zur Förderung von Baukunst und Baukultur künftig noch intensiver und mutiger genutzt wird. Die zu erwartenden herausragenden Resultate rechtfertigen dies in jedem Fall!

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Baukultureller Mehrwert durch Interdisziplinarität

Dipl.-Ing. Architekt Reiner Nagel BDA DASL Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur

Wenn Architektur und Ingenieurbaukunst das Prädikat „ausgezeichnet“ erhalten, ist das auch ein Qualitätssiegel der Baukultur. Dabei denke ich an eine Baukultur, die nicht nur gestalterisch oder baukünstlerisch begriffen wird, sondern interdisziplinär und prozessorientiert gedacht werden muss. Projekte sind dann besonders erfolgreich, wenn über das eigentliche Bauwerk hinaus gesellschaftliche Mehrwerte entstehen, wenn sich funktionale Vorteile ergeben, wenn ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit geschaffen wird und wenn positive Impulse für die Umgebung oder Anregungen für die Nutzer ausgelöst werden. Doch es zählt nicht nur das gebaute Ergebnis, sondern auch der Weg dorthin. Wenn es an der Qualität der Prozesse bei Planung und Umsetzung mangelt, kann kein gutes Ergebnis im Sinne einer Baukultur entstehen, die sich auch als Planungskultur und als Kultur für den Umgang mit Schnittstellen zwischen verschiedenen Themen und Disziplinen versteht. Angesichts kommender Herausforderungen können wir uns keine fachlichen Alleingänge mehr leisten: Alles muss neu zusammen gedacht werden, und das fachliche Wissen vieler ist gefragt. Deshalb ist es so wichtig, dass in diesem Buch herausragende Beispiele aus der Architektur und der Ingenieurbaukunst gemeinsam versammelt sind und die am Bau beteiligten Planer benannt werden. Es ist ein Verdienst von Herausgeber und Verlag, dass die integrierte Planungskonzeption von Architekten und Ingenieuren als Qualitätsmerkmal für eine national und international wirksame Baukultur erkennbar wird. Die Rolle einzelner Akteure wird hierbei dennoch gewürdigt, weil so persönliche Verantwortung, Motivation und Identifikation entstehen. Ausgezeichnete Ergebnisse werden dann geschaffen, wenn es Raum für Experimente gibt und persönlicher Mut nicht gebremst wird. Dieser Freiraum ist zunehmend gefährdet – obwohl er unentbehrlich ist, wenn weiterhin Innovationen entstehen sollen. Insbesondere Wettbewerbe sind ein geeignetes Instrument, um Kreativität und Kompetenz zu demonstrieren. Sie sind einerseits als Qualitätsmesser wichtig, andererseits helfen sie, den abstrakten Begriff Baukultur mit Leben zu füllen, denn dafür müssen stets Bilder geliefert, konkrete Beispiele aufgeführt und Erfolgsgeschichten erzählt werden. Die preisgekrönten Projekte aus der vorliegenden Publikation leisten all das und stellen gleichzeitig unter Beweis, dass ausgezeichnete Qualität nicht ohne Baukultur entstehen kann.

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Über den Beitrag der Ingenieure zur Baukultur

Prof. Dr.-Ing. Stephan Engelsmann Vorstandsmitglied Bundesingenieurkammer

Im November 2013 wurde die Bundesingenieurkammer gebeten, sich gemeinsam mit dem damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie der Bundesarchitektenkammer an der Herausgabe des hier vorliegenden Buches zu beteiligen. Der Projektauswahl wurden die wichtigsten deutschen Architekten- und Ingenieurpreise der vergangenen Jahre zugrunde gelegt. Für die Bundesingenieurkammer war es von Bedeutung, dass bei dieser Publikation Architekten und Ingenieure gleichermaßen als Planungsbeteiligte genannt werden. Denn das Planen von Gebäuden ist heute in der Regel eine Teamleistung. In zahlreichen Veröffentlichungen wird dies leider nur zu oft vergessen. Ingenieure leisten an der Seite von Architekten einen unverzichtbaren Beitrag in der Planung von Gebäuden. Es gibt heute kein anspruchsvolles Gebäude, das ohne Tragwerksplaner und Klimaingenieure errichtet wird. In vielen Fällen sind es gerade die Beiträge der Ingenieure – vom strukturoptimierten und filigranen Tragwerk über die hochleistungsfähige Gebäudehülle bis zum innovativen und nachhaltigen Energiekonzept –, die ein Bauwerk aus der grauen Gebäudemasse hervorheben und einzigartig machen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, die Schöpfer dieser Leistungen zu nennen. Einen bedeutsamen Teil der Baukunst bilden aber auch die so genannten Ingenieurbauwerke, für die Ingenieure in vielen Fällen die vollumfängliche Planungsverantwortung haben. Es ist nicht allen bewusst, aber entwerfende Ingenieure gestalten unsere gebaute Umwelt in erheblichem Umfang. Ingenieurbauten sind nicht nur funktional, sondern auch gestalterisch hochanspruchsvolle Bauwerke, landschaftsprägend und raumbildend. Ingenieurbauwerke geringschätzig als Zweckbauten zu bezeichnen, wird ihrer funktionalen und ästhetischen Bedeutung nicht gerecht. Von der Komposition bis zum Detail sorgfältig und mit dem Anspruch einer ganzheitlichen Qualität gestaltet, werden Ingenieurbauten vielmehr zu Ingenieurbaukunst, wie die in diesem Buch vorgestellten Ingenieurbauwerke anschaulich belegen. Betrachtet man die Gesamtheit der ausgewählten Objekte, stellt man fest, dass vergleichsweise wenige Ingenieurbauwerke vorgestellt werden. Das hat mit der geringen Anzahl von Ingenieurpreisen und Ingenieurwettbewerben zu tun. Wir wünschen uns für die Zukunft, dass Ingenieure nicht länger vom Wettbewerbswesen ausgeschlossen werden. Ingenieurwettbewerbe für Ingenieuraufgaben beziehungsweise die Teilnahme von Ingenieuren an interdisziplinären Wettbewerben bieten Auftraggebern eine hervorragende Möglichkeit, zu qualitativ hervorragenden Projektlösungen zu gelangen. Ebenso wäre es wünschenswert, wenn Preise für herausragende bauliche Leistungen nicht grundsätzlich nur an die beteiligten Architekten gingen. Gerechter wäre es, mit Preisen alle Planungs- und Baubeteiligten (also Architekten und Ingenieure, aber auch ausführende Unternehmen und selbstverständlich auch die Bauherren) auszuzeichnen. Baukultur ist multidisziplinär!

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Zu diesem Buch

Prof. Dr. Arch. Andreas Gottlieb Hempel Autor des Buches

Noch nie ist in Deutschland so viel gebaut worden, wie in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach den Zerstörungen deutscher Städte war es die vordringlichste Aufgabe, den Menschen wieder ein Dach über dem Kopf zu verschaffen und Produktionsstätten zu errichten, die den materiellen Wiederaufbau erst ermöglichten. Trotz sparsamster Mittel bemühten sich Baumeister, Architekten und Ingenieure bereits in jenen Jahren, Bauten zu errichten, die eine gültige Form durch die gestalterische Überhöhung von Funktion und Konstruktion erfuhren – auch wenn aus unserer heutigen Sicht daneben viel Ungestaltes entstand. Untrennbar aber war und ist das Bauen mit dem Bedürfnis verbunden, einem bestimmten Ort Atmosphäre, Ausdruck und Lebensqualität durch gute Gestaltung zu verleihen. Insofern sind die Werke von Architekten und Ingenieuren immer auch ein Zeugnis des kul­turellen Geschehens, das dem Empfinden der jeweiligen Gesellschaft in ihrer Zeit entspricht. Auf der Suche nach dem Anschluss an die Moderne, nach einer gültigen Architektur für die Aufgaben unserer Zeit, steht das Bemühen um neue Identität, nach einem übergeordneten Selbstverständnis, das der veränderten Zeit entspricht. Andere und neue komplexe Faktoren sind zum Entwerfen hinzugekommen wie sorgfältigerer Umgang mit Ressourcen, innovative Klimatechnik für sparsame Energiekonzepte, neue Materialien für früher nicht mögliche Konstruktionen, veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse beim Wohnen und Arbeiten und vieles andere mehr. Um unter diesen Prämissen zu einem zeitgemäßen Erscheinungsbild aus der Übereinstimmung von Inhalt und Ausdruck, der Einfügung in den Kontext, der Entsprechung zum „Genius Loci“, dem Zusammenklang von Konstruktion und Material und der Erfüllung verbesserter sozialer Bedingungen zu finden, wurde nach allgemeingültigen Maßstäben für Qualität gesucht. In Zeiten einer offenen Gesellschaft, in der „anything goes“, scheint dies sehr schwierig, fast unerfüllbar zu sein. Eine Möglichkeit zur Darstellung beispielhafter Vorbilder ist die Auszeichnung hervorragender Architektur und Ingenieurbauwerke. Durch Wettbewerbsverfahren können dauerhaft gültige Beurteilungen von unabhängigen Fachleuten zusammen mit Bauherren und Nutzern getroffen werden. Mit diesen Verfahren hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten eine hohe Kultur des Bewertens gelungener Architektur und hervorragender Ingenieurkonstruktionen entwickelt. Auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene können sich Bauherren, Architekten und Ingenieure mit bereits gebauten Projekten um Auszeichnungen bewerben. Die Bauherrenpreise des Bundes Deutscher Architekten (BDA), der Deutsche Architekturpreis oder der Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues sind gute Beispiele dafür. Darüber hinaus gibt es noch material- und konstruktionsbezogene Auslobungen, beispielsweise den Holzbaupreis, den Deutschen Ziegelpreis, den Architekturpreis Beton sowie zahlreiche themenbezogene Verfahren wie den Deutschen Städtebaupreis, den Deutschen Hoch­ schulbaupreis oder den Architekturpreis für vorbildliche Gewerbebauten. Es würde den Umfang dieses hier vorgelegten Bandes bei Weitem sprengen, die Preisträger aller deutschen Auslobungen vorzustellen. Deshalb entschieden Verlag und Herausgeber, sich auf 50 ausgezeichnete Projekte zu beschränken, die fast ausschließlich aus Wettbewerben auf Bundesebene für Bauherren, Architekten und Ingenieure hervorgegangen sind. Ein Anliegen war es, den Projekten so viel Platz einzuräumen, dass die Qualität, die aus der Zusammenarbeit der zahlreichen Planungsbeteiligten resultiert, von Fachleuten wie von Laien erkannt und gewürdigt werden kann. Wenn die am Planen und Bauen Mitwirkenden hier Anregungen fänden, sich weiter um herausragende Leistungen zu bemühen, dann wäre der Zweck des Buches erfüllt. Darüber hinaus wollen auch die Sinne für das Besondere geschärft werden, um dessen Mehrwert zu erkennen, der die materiellen Kosten des jewei­ ligen Baus bei Weitem übertrifft. Gutes Bauen kann die Beeinträchtigung der Umwelt und den Verbrauch an Ressourcen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, Wohnen und Arbeiten entscheidend verbessern und die Lebensqualität der Menschen vorteilhaft bestimmen. Ausgezeichnete Architektur und Ingenieurbaukunst wird durch Kreativität, Innovation und Dauerhaftigkeit zur allgemein gültigen Baukultur, die ihre Zeit überdauert. Dies durch die prämierten Beispiele zu belegen und weiter zu fördern, ist die Absicht dieses Bandes, der erstmalig eine breite Zusammenschau der besten Arbeiten von Architekten und Ingenieuren in Deutschland vorlegt.

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Kunstmuseum Ravensburg

„Architektur entsteht in einem gesellschaftlichen Kontext und an einem konkreten Ort. Deswegen müssen wir Gebäude entwickeln, die für ihren Gebrauch optimal geeignet, sinnvoll konstruiert und gebaut und darüber hinaus auch noch schön sind. Das Kunstmuseum Ravensburg ist ein solches Bauwerk.“

Deutscher Architekturpreis 2013

Zitat aus der Laudatio

Einfügung ohne Anbiederung Der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zusammen mit der Bundesarchitektenkammer wiederbelebte Deutsche Architekturpreis hat als bedeutendster Architekturpreis in Deutschland Vorbildfunktion und vertritt das Interesse für Baukultur auf höchstem Niveau. Das spiegelt sich auch mit der Auszeichnung des Kunstmuseums in Ravensburg wider. „Erst die Stadt, dann das Haus“, ist ein Entwurfsgrundsatz der Architekten Arno Lederer, Jórunn Ragnarsdóttir und Marc Oei. Sie verzichteten auf den Anspruch einer sich selbst genügenden „Stararchitektur“ als Markenzeichen und fügten den Bau in den vorhandenen Kontext ein, als sei er schon immer da gewesen. Das hat nichts mit Anbiederung zu tun. Die Kunst besteht darin, sich mit großer Selbstverständlichkeit im Einklang mit der Umgebung eigenständig zu bewahren. Das Kunstmuseum Ravensburg behauptet sich nicht nur mit harmonischer Präsenz in der kleinteiligen historischen Altstadt, sondern steht als moderner Bau im Dialog neben dem „Mehlsack“ genannten Wehrturm der ehemaligen Reichsstadt. Dieser ästhetische Ansatz des Erscheinungsbildes vermittelt dem oft nur technologisch besetzten Begriff „Nachhaltigkeit“ eine baukulturelle Dimension, die dem Anspruch auf Ganzheitlichkeit der Architektur in seiner besten Form entspricht. Dass beim Entwerfen und Bauen auch die Anforderungen eines Passivhauses berücksichtigt wurden, erscheint in Anbetracht des übergeordneten architektonischen Gesichtspunkts eher als ein erfreuliches Nebenprodukt – mit hohem Wirkungsgrad: Das Kunstmuseum Ravensburg wurde dadurch zum weltweit ersten zertifizierten Museum im Bereich Energie- und Ressourceneinsparung. Architektur ist eben mehr als nur erfüllte Funktion und Bautechnik. Es darf hier auch der sonst oft vermiedene Begriff „Schönheit“ eingeführt werden: Diese Architektur ist schön, von den einfachen Volumen über die klaren Raumformen innen und außen bis zu den eingesetzten Materialien. Dabei spielen die aufbereiteten und für die Außenhülle und Innenseiten der Dachschalen wiederverwendeten Backsteine einer abgebrochenen Klosteranlage eine entscheidende Rolle – sie zeigen, dass der Reiz des Alten, des Gebrauchten eine sonst nicht so leicht zu erzielende Atmosphäre von Behaglichkeit schafft. So erscheint das Kunstmuseum Ravensburg „auf den ersten Blick vertraut“, wie die Architekten über ihren Bau sagen.

012

Lage

Burgstraße 9, 88212 Ravensburg

Website www.kunstmuseum-ravensburg.de



Kunstmuseum Ravensburg

014

Deutscher Architekturpreis 2013


Abendliche Ansicht der Eingangsseite

015


Kunstmuseum Ravensburg

01

02

016

Deutscher Architekturpreis 2013


03

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Ausstellungsraum im Obergeschoss

02

Ausstellungsraum unter den Ziegelschalen des Daches

03

Blick zum Kassen- und Eingangsbereich

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Zugang zur Kasse vom Eingang

05

Treppenlauf zu den Obergeschossen

04

05 Weitere Auszeichnungen Projektbeteiligte Bauherr

Reisch Bau GbR, Bad Saulgau

Architekten

Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart

Bauleitung

Schenk Architektur, Wangen

Energiekonzept, Herz und Lang GmbH, Schongau Heizung, Planungsbüro Vogt und Feist, Lüftung, Ravensburg Klimatechnik  Statik

Ingenieurbüro Schneider & Partner, Planungsgesellschaft mbH, Ravensburg

Elektroplanung Ingenieurbüro Sulzer GmbH & Co. KG, Vogt

Fakten

2014

Hugo-Häring-Auszeichnung BDA Bodensee

2014

Balthasar-Neumann-Preis (Auszeichnung)

2014

DAM Preis für Architektur in Deutschland

2014

Passive House Award

2014

Wienerberger BRICK Award, Kategorie: Public Use

2013

Deutscher Nachhaltigkeitspreis Sonderpreis Nachhaltiges Bauen

Nutzung

Museum

Bauzeit

2010 – 2012

2013

Flächenrecyclingpreis Baden-Württemberg

BGF

1900 m²

2012

BRI

8300 m3

Europäischer Architekturpreis Energie + Architektur

017


Kolumba Kunstmuseum, Köln

„Peter Zumthor trifft in dem Gebäude Kolumba auf die grundlegenden Fragen der Architektur, bezogen auf Raum, Zeit, Material und Stadtgestalt. Seine Antwort inspiriert auf wunderbare Weise zum Sehen, zum Fühlen, zum Erleben und zum Nachdenken.“

BDA Große Nike 2013

Peter Baumann, Jury

Würdevolle architektonische Schichtungen Der Bund Deutscher Architekten (BDA) als Architektenverband mit hohem Ansehen und Tradition lobt im Abstand von drei Jahren den BDA-Preis aus, der den Namen der griechischen Siegesgöttin Nike trägt – die „Große Nike“ ist dabei die höchste Auszeichnung. Es ist eine Seltenheit, dass ein Museum Geschichte so lebendig werden lässt, wie es im Fall des Kolumba Kunstmuseums geschieht. Der Bau steht selbstbewusst auf den Umrissen der spätgotischen Kirche St. Kolumba, die in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde, und macht mit sichtbar gelassenen und sensibel eingefügten Überresten dem Betrachter bereits von außen die Spuren der Vergangenheit erlebbar. Architekt Peter Zumthor führt nicht nur eine lange Tradition fort, sondern er überhöht sie mit seinem Bau, der alles, was hier geschehen ist, zu einem neuen großen Ganzen zusammenfasst. Seine Architektur erzählt diese Geschichte fast sachlich, ohne dabei als Mahnmal zu erstarren. Das Unsichtbare in der Architektur, die Atmosphäre, nimmt in diesem Bau eine ergreifende Gestalt an, die aber gleichzeitig distanzierte Betrachtung erlaubt. Damit entspricht das Haus dem Konzept des „lebenden Museums“ mit jährlich wechselnden Präsentationen aus der eigenen Sammlung. Zu dieser Lebendigkeit verhelfen die Räume im Obergeschoss als eine Komposition aus Licht, Materie und Raum. Helles Tageslicht und künstlich beleuchtete Kabinette wechseln mit weiten und

engen Öffnungen ab und schaffen dadurch intime Bereiche und offene Ausblicke. Dieses Geschoss scheint auf zwölf Meter hohen Stahlstützen zu schweben. Sie geben dem Raum über dem Ausgrabungsfeld der gotischen Kirche und der Kapelle Madonna in den Trümmern, von Gottfried Böhm in den 1950er Jahren erbaut, eine sakrale Anmutung, die sich durch das gebrochene Licht der aufgelösten Ziegelwände in eine mythische Ruinenlandschaft verwandelt. So wird das Kolumba Kunstmuseum zu einem außer­gewöhnlichen Ort, in dem man die dichte städtische Außenwelt vergessen kann. Hier fügen sich die Zeugnisse der Vergangenheit mit dem Neuen in würdevoller Schlichtheit zu architektonisch überformter Geschichte.

Lage

Kolumbastraße 4, 50667 Köln

Website www.kolumba.de

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Kolumba Kunstmuseum, Köln

01

Hohe schlanke Stützen geben dem Aus­grabungsfeld eine sakrale Anmutung.

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Der klare neue Baukörper integriert die Trümmer des Bombenkrieges.

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Differenzierte Raumfolgen charakterisieren die Ausstellungsbereiche.

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Immer wieder verbinden sich Ausblicke mit ausgestellten Kunstwerken.

BDA Große Nike 2013

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Projektbeteiligte Bauherr

Erzbistum Köln, Generalvikariat Köln

Architekt

Atelier Peter Zumthor & Partner, Haldenstein (CH)

Örtliche Bauleitung

Atelier Peter Zumthor & Partner, Haldenstein (CH) mit Architekturbüro Wolfram Stein, Köln

Tragwerksplanung

Jürg Buchli, Haldenstein (CH) mit Ingenieurbüro Schwab Lemke, Köln

Klimaplanung

Gerhard Kahlert, Haltern

Elektro- und Ingenieurgesellschaft Hilger, Aachen Sanitärplanung Garten- und Umgebungsgestaltung

Atelier Peter Zumthor & Partner, Haldenstein (CH)

Bauphysik

Ferdinand Stadlin, Buchs (CH)

04

Fakten Nutzung

Museum

Weitere Auszeichnungen

Bauzeit

1997 – 2007

2013

Nike für Atmosphäre

Gesamterstellungskosten

43,5 Mio. Euro

2011

Architekturpreis Nordrhein-Westfalen

2008

Wienerberger Brick Award

2008

DAM Preis für Architektur in Deutschland

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Nya Nordiska, Dannenberg

„Mit dem Projekt in Dannenberg gelingt der exemplarische Beweis, dass sogar Produktionsstandorte an innerstädtischen Lagen mittels Verdichtung zur städtebaulichen Aufwertung beitragen können. Das heutige Gebäudeensemble aus drei Jahrhunderten ist auch in Zukunft ein lebendiger Teil des Stadtkörpers, der die Geschichte des Ortes weitererzählt.“

BDA Nike für Fügung 2013

Zitat aus der Laudatio

Produzieren im stadthistorischen Kontext

Lage

An den Ratswiesen, 29451 Dannenberg

Website www.nya.com

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Der Bund Deutscher Architekten BDA verleiht im Rahmen seines Architekturpreises neben der Großen Nike auch einen Nike-Preis für Fügung. Diese Auszeichnung wird hier für die gelungene Einfügung in den städtischen Kontext an Staab Architekten vergeben. Der Erweiterungsbau des Textilverlags Nya Nordiska mit über 4000 Quadratmetern wurde nicht etwa auf die grüne Wiese vor Dannenberg verlegt, sondern in den Kontext der zweiund dreigeschossigen Häuser der historischen Altstadt eingefügt. Das war eine Entscheidung des Auftraggebers, um die bestehende städtebauliche Struktur auch künftig mit neuer Nutzung und einer gesellschaftspolitischen Komponente lebendig zu erhalten. Für die Architekten bedeutete dies eine schwierige Aufgabe im Hinblick auf Maßstäblichkeit, äußere Erschließung und innere räumliche Organisation zusammen mit den zu lösenden Problemen von Denkmalpflege, Brandschutz, Logistik und anderen technischen Herausforderungen einer Baustelle in dieser besonderen städtebaulichen Lage. Es ist mit großer Selbstverständlichkeit gelungen, die große Baumasse in den klein-

teiligen Bestand so einzubinden, dass eine ganz neue stadträumliche Qualität entstehen konnte, die die 300-jährige Vergangenheit des Stadtviertels in eine lebendige Zukunft führt. Ein vielfältiges Raumgefüge aus unter­ schiedlichen Höfen und Gassen entspricht der innerräumlichen Konzeption. Die Scheddächer des Gewerbegebäudes variieren die Giebeldächer der Umgebung und verweisen gleichzeitig auf die innere Nutzung des großen Baukörpers, der mit seiner rötlichen Metallfassade einen Hauch skandinavischer Holzhäuser assoziieren lässt. Dennoch entwickelt die eindeutig moderne Architektur ohne jede Anbiederung einen spannenden Kontrapunkt zu den historischen Bauten. Wie in der Musik entwickelt sich hier aber kein Gegensatz, sondern eine aufregende, geradezu unterhaltsame Verbindung von Alt und Neu. Der behutsame Umgang mit dem stadthistorischen Kontext ist die bedeutende Leistung dieses Entwurfes für eine ganz andere Gewerbearchitektur, die sich nicht am Ortsrand in alle Beliebigkeit absetzt, sondern eine moderne Qualität des Produzierens in der Stadt schafft.



Nya Nordiska, Dannenberg

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BDA Nike f端r F端gung 2013


Alte und neue Bauteile verbinden sich ganz unkonventionell in einem der Innenhรถfe.

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Die Preisträger der renommiertesten deutschen Architektur - und Ingenieurwettbewerbe haben nicht nur für alle am Bau Beteiligten Vorbildcharakter – sie fördern zusätzlich das hohe Ansehen, das die deutsche Baukultur weltweit genießt. Dieses Jahrbuch, herausgegeben von den wichtigsten nationalen Institutionen des Bauwesens, vereint 50 realisierte Bauten und gibt einen unvergleichlichen Überblick über das hohe Niveau, die Kompetenz und die Kreativität deutscher Archi­tektur und Ingenieurbaukunst.

Ein Jahrbuch, das die bedeutendsten nationalen Architektur- und Ingenieurwettbewerbe umfangreich dokumentiert Eine einzigartige Sammlung der 50 besten deutschen preisgekrönten Bauprojekte, ausführlich vorgestellt mit Texten, Fotos, Plänen, Fakten und den wichtigsten Projektbeteiligten

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