Frauen und ihre Gärten
Besondere
Eva Kohlrusch Fotos von Gary Rogers
Dies ist eine Leseprobe
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INHALT
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Einen Garten für sich allein
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EINLEITUNG
Rosenpracht zwischen Iris- und Päonienfeldern AGLAJA VON RUMOHR, CHEFIN DER
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Der Garten der langen Vorfreude
STAUDENGÄRTNEREI GRÄFIN VON ZEPPELIN
ANJA MAUBACH, LANDSCHAFTSARCHITEKTIN
94 22
Löwenmaul und Irisschwert
Quelle der Poesie ULLA HAHN, SCHRIFTSTELLERIN
BARBARA FRISCHMUTH, SCHRIFTSTELLERIN
98 28
Wo Göttinnen und Kobolde wohnen
Ewiges Fließen aus Grün und Licht CHRISTINA-RICARDA LANGE, LEHRERIN
RUTH MARIA KUBITSCHEK, SCHAUSPIELERIN UND AUTORIN
104 34
Sehnsucht nach Selbstvergessenheit
Gartenliebe mit allen Sinnen BARBARA HAMMERSTEIN, INNENAUSSTATTERIN
CAROLIN REIBER, RADIO- UND TV-MODERATORIN
110 40
Die ewige Suche nach Schönheit
Das Leben ist ein Garten ELISABETH LANG, BÄUERIN IN RENTE
FENNA GRAF, FAMILIENFRAU
116 46
Inspiration und Gedankenraum
Im Dämmerlicht der Blätter PATRICIA RIEKEL, CHEFREDAKTEURIN
CHARLOTTE LINK, SCHRIFTSTELLERIN
122 52
Gärtnerin aus Leidenschaft
Gartenmenschen lieben immer ERIKA JAHNKE, SCHULLEITERIN
BARBARA GHYCZY, FAMILIENFRAU
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Gräser, die im Wind tanzen
BARONIN MARIETHERES WALDBOTT-BASSENHEIM,
PETRA PELZ, LANDSCHAFTSARCHITEKTIN
SCHLOSSHERRIN
Paradies für Igel und Libellen
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Beschützerin der Pflanzen
Vaters Erbe in neuer Pracht MARIANNE FOERSTER, HÜTERIN EINES DENKMALS
ELLEN SCHWIERS, SCHAUSPIELERIN
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Der Traum vom alten Barockgarten
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LOKI SCHMIDT, KÄMPFERIN FÜR NATURSCHUTZ
Lieblingsplätze in stillen Gartenräumen CHRISTIANE HELMS, ERZIEHERIN
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Ein Kräutergarten für himmlische Genüsse
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EVA KOHLRUSCH, JOURNALISTIN
JOHANNA MAIER, SPITZENKÖCHIN
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Große Passion für englische Gartenkunst KRISTIN LAMMERTING, GARTENBUCHAUTORIN
Ein Garten der großen Gefühle
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Anhang, Adressen
DER GARTEN DER LANGEN VORFREUDE
Anja Maubach LANDSCHAFTSARCHITEKTIN UND BESITZERIN EINER DER ÄLTESTEN STAUDENGÄRTNEREIEN DEUTSCHLANDS
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er eine Staudengärtnerei betritt, erwartet die wohlsortierte Fülle: Reihen um Reihen neuer Züchtungen, eingetopfte Verschiedenheiten in braver Ordnung mit kleinen Steckschildern dran, Preiskategorien, Standortvorschläge – eben jenes Gemenge aus Verlockung und Akkuratesse, das man heim in den eigenen Garten tragen kann. Wer aber in Anja Maubachs Reich eintritt, findet darüber hinaus noch etwas ganz anderes. Betritt man diesen Ort, ist es, als begäbe man sich ins offene Bilderbuch einer Familiengeschichte: Alles ist versammelt, die alten Wohngebäude, die Intimität der sie umgebenden Gärten, die Staudenkulturen, Folientunnel, Anzuchthäuser, mittendrin als Hort der Urwüchsigkeit das Mutterpflanzenquartier. Und über allem ist die besondere Magie eines Raumes spürbar, in dem Menschen und Pflanzen ganz offensichtlich ihr Leben miteinander teilen. Eine bewohnte Gärtnerei. Ein LebensRaum. Das ist schon seit 120 Jahren so, seit Anja Maubachs berühmter Urgroßvater Georg Arends den Plan fasste, hier in Wuppertal-Ronsdorf auf den winddurchfurchten rauen Höhen des Bergischen Landes Stauden zu züchten, um sie besonders widerstandsfähig zu machen. Neu ist, dass seine Urenkelin beschlossen hat, nicht einfach die Nachfolgerin zu sein, die das Vorgefundene weiterführt. Vielmehr gab es im Frühjahr 2008 einen Moment, in dem ihr mit aller Macht bewusst wurde: „Dies ist mein Ort in der Welt. Hier finde ich statt.“ Sie entschied, sich mit Haut und Haaren auf ihr Erbe einzulassen: „Alles, was ich in Zukunft tun werde, wird in diesen Ort eingehen. Ich bin wurde bewusst: fast zwanzig Jahre fertig mit Dies ist mein meinem Studium, hatte eine in der Welt « Gastprofessur in Hannover, habe dies und das gemacht und sehe, dass Gartenarchitekten nie Zeit haben für ihren eigenen Garten; immer fließen die Ideen in andere Projekte. Ich aber werde meine Energie ganz auf diesen Ort richten. Das gesamte Ensemble aus Schaugärten, Wohnhaus und Verkauf soll Gedankenwelten spiegeln, damit Menschen, die uns besuchen, sich inspirieren lassen können und etwas mitnehmen.“ Zu diesem Entschluss zu kommen, war durchaus ein schwieriger Prozess. Anja Mau-
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»Mir Ort
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Vorherige Seite: Rispen-Hortensie (Hydrangea paniculata) neigt sich über einen Gedenkstein. Anja Maubach sitzt eingerahmt von Perlhyazinthen. Rechts: Zwischen Allium ‘Globemaster’ ein Thymianweg – bei leisem Tritt grüßt er mit Duft; links im Hintergrund weißer Wiesenknopf (Sanguisorba tenuifolia).
bach ist in der Gärtnerei aufgewachsen. Eine schöne Kindheit, eng verbunden mit den Jahreszeiten. Die herausragende Stellung des Urgroßvaters als Staudenzüchter brachte mit sich, dass ständig berühmte Personen der Gartenwelt zu Gast waren. Besucher und Kunden drängten darauf, den legendären Felsengarten des Gründers – die 1902 mit alpinen Pflanzen bestückte so genannte „Felspartie“ – besichtigen zu dürfen. Bis heute trägt eine herrliche Vielfalt von Sorten wie Astilben, Phlox, Rhododendren den Zusatz „arendsii“ im Namen. Kein Wunder, dass schon der kleinen Anja das Gärtnern im Blut lag. Je älter sie wurde, desto mehr suchte sie jedoch Wege, sich abzugrenzen. Während der Zeit, als ihre Mutter Ursula Maubauch-Arends die Gärtnerei führte, bestand Anja Maubach darauf, ihren eigenen Garten anzulegen. Nahm einen Kredit auf, schuf ein Geviert mit Wasserbecken, setzte Mäuerchen für einen Topfgarten, pflanzte blaue Inseln aus Iris, Katzenminze (Nepeta) und Salbei (Salvia). Entwarf ihre inzwischen berühmten Spielregeln für Staudenbeete, die mit „Drifts“ aus je drei, sechs oder zwölf gleichen Pflanzen eine ruhige Bewegtheit schaffen – mal wie Wellengang, mal so still gegliedert wie die Höhenzüge der Landschaft rundherum. „Dieser Garten war meiner, mein eigenes Atelier, um Ideen zu verwirklichen und mit Pflanzen und Farben zu experimentieren. Ich habe ihn den ‚Garten der langen Vorfreude‘ genannt, weil ich so lange darauf gewartet habe. Und ich habe mich dagegen gesträubt, dass andere ihn besuchten und er Teil des Unternehmens werden sollte.“ Privates und Firma sollten sich nicht vermengen. „Ich wusste lange Zeit nicht, wer ich bin und was ich will, hatte nur den Wunsch, eine eigene Geschichte zu haben.“ Anja Maubach machte sich einen Namen mit ihren „Gartenspaziergängen“, entwarf Gärten, eröffnete die erste Gartenschule in Deutschland, schenkte ihrem Stadtteil Ronsdorf einen Staudengarten, lud Berühmtheiten zu Vorträgen in ihre Gartenschule ein. Wahrhaftig ein Erfolgsleben für eine Vierzig-
Das Seerosenbecken soll zum Tr채umen einladen.
Stillleben einer Meisterin: Schere, Band, Tontöpfe.
jährige.Wenn da nicht leise Irritationen gewesen wären. Dies Gefühl, keine eigene Lebensentscheidung getroffen zu haben, sondern eher zufällig hineingewachsen zu sein in etwas bereits Gedachtes. Sie wusste genau, dass die Art, wie in ihrer Gärtnerei Wohnen und Arbeiten verflochten sind, besonders »Ich liebe Pflanzen, anziehend auf ihre Besucher die mit den wirkt. Aber wollte sie Elementen spielen« selbst genau das? Zum Jahresbeginn 2008, als der Garten schlief, reiste sie nach Indien, um einmal aus der Ferne auf sich zu blicken. Einen Monat später kam sie zurück mit der schönen Gewissheit, genau das tun zu wollen, was sie bereits seit Jahren tat. Schluss mit Abgrenzungsversuchen. „Ich habe mich entschieden, dass alles zusammen – die Gärtnerei, seine Schaugärten und mein eigener Garten – das Gesamtkunstwerk ist, das die Spuren der Generationen in sich birgt und wo sich mein Teil noch hinzufügt.“ Das kann nur wunderbar werden. Anja Maubachs Spuren sind ja längst erkennbar. „Ich liebe Pflanzen, die mit den Elementen spielen“, sagt sie. „Gräser, die im Wind tanzen und in denen morgens die Frühtautropfen glänzen. Meine Lieblingsblumen sind das Spanische Gänseblümchen (Erigeron), Katzen20
minze (Nepeta) und Gaura, mit denen man den ganzen Sommer verbringt. Gaura schiebt zwischen schmalen Blättchen ganz zarte lange Stiele mit Dutzenden von Blüten raus. Die sehen in der Abenddämmerung aus wie herumschwirrende weiße Schmetterlinge über einem duftenden Beet.“ So viel zärtliche Gefühle, Romantik, Fürsorglichkeit würde man Anja Maubach nicht auf Anhieb zuschreiben. Eher wirkt sie wie eine resolute Fachfrau, die beherzt zur Pflanzschaufel greift. Der Umgang mit dem Familienerbe und den Gärten hat sie jedoch zur Philosophin gemacht. „Was Menschen hindert, im Garten glücklich zu sein, ist, dass sie sich nicht als Teil der Natur sehen, sondern zu oft nur durch ihre Wohnzimmerscheibe blicken und bewerten, was sie da sehen“, sagt sie. „Würden sie bei jeder Gelegenheit sehr bewusst durch ihren Garten gehen, würden sie fühlen, dass sie und er eine Einheit sind, was schlicht heißt, ihn zu lieben.“ Sie selbst hat ein indisches Gartentörchen in den Weg zum Haus gesetzt. „Wenn ich abends die private Anja bin, die nach Hause geht, gibt es immer diesen Moment, wo ich den Bügel dieses kleinen Tores hochhebe und hinter mir wieder schließe. Ich gehe also hinaus und in etwas anderes hinein. Alles ist in Bewegung, alles jeden Tag neu. Das ist mein Dialog mit dem Garten.“
Erfahrungen Dass jede Blume bestimmte Nachbarn braucht. Meine Lieblingsblume Gaura liebt Echinacea, Aster, Gräser, Katzenminze (Nepeta), Perovskia, Potentilla, Skabiosen (Scabiosa), Sedum.
Dass Strohblumen (Helichrysum) wunderbare Füller für das sonnige Beet sind. Mit ihren langen Ranken ziehen sie sich durch die Stauden, hangeln sich von Topf zu Topf und verweben alles zu neuen überraschenden Bildern.
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Lieblingspflanzen
Katzenminze (Nepeta), Spanische Gänseblümchen (Erigeron) und Gaura, weil sie so lange blühen. Euphorbien (Euphorbia), weil sie sich so gern selbst aussäen. Im Vorfrühling Alpenveilchen (Cyclamen) und Christrosen (Helleborus). „Als ich aus Indien wiederkam, bin ich zuerst zu meinen Christrosen gegangen, habe die Blätter abgeschnitten und gedüngt. Das ist etwas Schönes: Etwas hineinzugeben in die Erde und im nächsten Jahr etwas Schöneres zurückzubekommen durch reiche Blüte.“
Dass der Bartfaden (Penstemon) glücklich macht, weil er dem Spätsommer von August bis Oktober Blüten verleiht. Es ist gut, wenn man bereits im Mai damit Stauden- und Rosenbeete füllt – und auch den einen oder anderen Topf. Dass Gräser während des ganzen Jahres bezaubern – wegen der fließen Formen, wegen des Rauschens im Wind. Zauberhaft, wenn sie sich im Winter mit Tau und Eiskristallen schmücken und in der Wintersonne glitzern. Also erst im Frühjahr zurückschneiden! Dass es einer Meditation gleichkommt, den Farnen in einem Schattenbeet zuzuschauen, wegen ihrer einzigartigen grafischen Wirkung und der magischen Momente, wenn sich ihre Wedel sanft entrollen. Herrlich zu kombinieren mit Scheinmohn (Meconopsis), Waldanemone (Anemone sylvestris), Christrosen (Helloborus), Storchschnabel (Geranium), Frühlingswaldwicke (Lathyrus), Funkien (Hosta), Salomonssiegel (Polygonatum), Elfenblumen (Epimedium), Schaublatt (Rodgersia) und Immergrün (Vinca).
Überraschende Kombinationen gehören zu Anja Maubachs Handschrift: Geschnitte Buchs- und Eibenkugeln (Buxus und Taxius), zärtlicher gemacht durch Spornblumen (Ceranthus). Ein Feld von Tanacetum coccineum ‘Regent’ darf leuchten.
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Johanna Maier EINZIGE FRAU IN DER CHAMPIONSLEAGUE DER SPITZENKÖCHE, VIELFACH AUSGEZEICHNET, „BESTE KÖCHIN DER WELT“
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EIN KRÄUTERGARTEN FÜR HIMMLISCHE GENÜSSE
ohlgeordnet liegt er da, der Kräutergarten. Ein sachliches Arrangement, Sorte für Sorte nacheinander aufgereiht. Nur ein paar Päonien und Lavendelsträucher warten darauf, mit Schnittlauch- und Thymianblüten zu konkurrieren. Jeden Morgen in der Früh trägt ein Koch sechs, sieben wassergefüllte Eimerchen hinaus, schneidet sorgsame Sträuße aus Zitronenthymian, Petersilie, Kerbel, Beifuß, Koriander und verschiedenen Pfefferminzearten. Ein fast andächtiger Akt. Danach werden die Kräuter kühlgestellt. Eine Hälfte wird in der Küche landen, die andere in den Tischvasen, die in den drei Restaurants des „Genießerhotels Hubertus“ die Gäste einstimmen auf die Frau, die hier kocht und von der Restaurantkritiker ohne Zögern sagen, sie sei „die beste Köchin der Welt“. Wenn Johanna Maier durch diesen Garten geht, fliegen ihr nicht nur Düfte zu, sondern Schwärme von Möglichkeiten, aus ihnen Kochkunst zu komponieren. Sie scheint ihre Rezeptideen einzuatmen wie andere die Luft. Was immer sie sieht, riecht, schmeckt oder fühlt, formt sich in ihr zu den Geschmackswundern, die sie in der Küche vollbringt. Klar definiert ist, welche Zutaten sie nimmt. Die Saiblinge, die auf der Speisekarte landen, stammen aus dem Bach direkt hinterm Gasthaus. Andere Fische kommen aus den Bergbächen, Pilze aus den Wäldern rund um Filzmoos; das Fleisch von Weidelämmern und Rindern wird aus der unmittelbaren Nachbarschaft geliefert. „Ich mag es, wenn alles wahrhaftig ist“, sagt sie. „Ich mag das »Ich mag das Reine, Reine, das die das die Natur uns Natur uns gibt, das gibt, das Wesentliche« Wesentliche.“ Darum liebt sie auch die schlichten Bergwiesen hinterm Haus, auf denen sie, wenn der Mittagsansturm der Gäste vorbei ist, ihren eigenen Hunger stillt: „Ich brauche diese Momente, in denen ich allein in der Natur bin, wie ein Gebet. Ich muss herumgehen und wandern und schauen; sonst wäre das Abendgeschäft gelaufen. Mein Beruf ist sehr, sehr anstrengend.“ Überhaupt empfindet sie die Wiesen als ihren eigentlichen Garten. „Das ist der Garten, den Gott uns schenkt. Eine Wiese hat so einfache Gesetze: Kommen, gehen, wiederkommen. Sie erfreut die
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Menschen, die Bienen. Sie verschenkt sich und nimmt sich doch nicht wichtig.“ Am privaten Haus hat Johanna Maier nur ein paar Nelken gesetzt. „Meine kleinen ‚Nagerl‘ mit rosa Blüten auf grauem Blatt zum Herzerfreuen, wenn der Sommer kommt.“ Als Kind hat sie vor allem den Garten der Großmutter gekannt. Ein zwiespältiges Erinnern. „Eine Handvoll Erdbeeren oder Ribiseln – das war mein Traum. Aber die Großmutter war sehr eigen mit ihren Beeten. Da haben wir Kinder dann lieber in der Nachbarschaft stiebitzt.“ Ribisel – im Österreichischen kann das Wort zärtlich klingen oder wie mit dem Schneidmesser gehackt. In der Schweiz sagt man Meertrübeli, in Schwaben Träuble, im Hochdeutschen Johannisbeere. In Filzmoos gilt sie längst als Johannas Beere, mit deren Rispen sie ihre köstlichsten Desserts krönt. Eine märchenhafte Karriere liegt hinter ihr: Sie fing an als Stubenmädchen im Hotel Hubertus, das den Eltern ihres Mannes Dietmar Maier gehörte. Als 1984 die Schwiegermutter starb, übernahm sie die Küche, mühte sich mit der deftigen regionalen Kost, wurde irgendwann mit ihrem Mann zu einem Essen in der Nachbarstadt Werfen eingeladen, wo sie zum ersten Mal der Nouvelle Cuisine begegnete. Eine Erfahrung wie ein Donnerschlag. Was folgte, wird gern als „drehbuchreif“ beschrieben, eine Geschichte „vom Wäschemäderl zur Spitzenköchin.“ Erst leistete sie sich einen Kochkurs, hospitierte dann bei der Koch-Elite in München, Schaffhausen, New York und Hongkong. 1987 bekam sie die erste Haube verliehen, 1996 wurde sie Koch des Jahres, inzwischen hat sie nicht nur vier Kinder, sondern auch vier Hauben vom Gault-Millau sowie zwei Sterne im Guide Michelin, heftigst bewundert und unterstützt von ihrem Mann, der als Restaurantchef und Kellermeister amtiert. „Träumen wir, oder sind wir wach? Hat es das wirklich gegeben, dieses Essen, so wunderbar leicht und präzise, so treffsicher in den Aromen und Einfällen“, steht im langen Titel eines Buches, das ihren Aufstieg beschreibt. Es muss etwas wie einen inwendigen Garten in ihr geben, aus dem sie schöpft. Einen Garten Eden, in dem Kräuter, Düfte und Essenzen auf Soufflés, Parfaits, Wiesenlämmer und Gartengurken treffen. „Ich könnte keinen Garten gestalten“, sagt sie. „Ich kann nur über das Kochen meine Seele ausdrücken.“
Erfahrungen Dass man auf 1000 Metern Höhe Gärten sehr bedacht planen muss. Meine Pfingstrosen beginnen im Juli zu blühen, Himbeeren und Stachelbeeren sind Ende August reif. Wenn ich das sage, lachen alle. Bei uns kann’s im August schon wieder schneien.
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Lieblingspflanzen
Am Haus Polsternelken (Dianthus deltoides); im Kräutergarten in sortierten Beeten Koriander (Coriandrum sativum), Beifuß (Artemisia), Kerbel (Anthriscus cerefolium), Petersilie (Petrosilium crispum), verschiedene Sorten von Pfefferminze (Mentha) und Thymian (Thymus).
Dass man Kräuter gut in der Früh schneiden und sie dann frischhalten kann. Als Tischschmuck stimmen sie schon auf ein schönes Essen ein. Dass es gut ist, nur die Früchte zu wählen, die zur Jahreszeit gehören. Im Juli könnte ich keine Orangen essen, aber bei dem Wort Kirschen leuchtet im Sommer mein Herz. Dass viel Farbe auf dem Teller sein sollte, wenn der Frühling kommt. Und Frisches mit Bärlauch, Brunnenkresse, Spargel.
Vorherige Seite: Neben der Kirche des Feriendorfs Filzmoos bei Salzburg liegt Johanna Maiers Kräutergarten in klösterlicher Schlichtheit da. Unten: Gleich hinterm Haus steigen die Wildwiesen an. In der Laube am Ende des Küchengartens werden Sträuße aus Zitronenmelisse, Schnittlauch, Dill, Minze, Thymian und jenen Kräutern sortiert, die zu Johanna Maiers Tagesideen gehören.
Dass mit der Natur verbunden zu sein auch heißt, ihr hin und wieder zu danken. Im Herbst danke ich wehmütig für das Jahr, das wir hatten. Dass fremde Gärten besuchen sollte, wer keine Zeit für einen eigenen Garten hat. Meine Freundin hat einen netten Spruch: Willst du ein paar Stunden glücklich sein, trinke. Willst du ein paar Jahre glücklich sein, heirate. Willst du lebenslang glücklich sein, schaue meinen Garten.
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EIN GARTEN DER GROSSEN GEFÜHLE
Eva Kohlrusch JOURNALISTIN UND AUTORIN, ERSCHUF EINEN BAROCKGARTEN IM WENDLAND
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ls alles anfing mit dem Garten, war da kein Plan, nur ein Gefühl: Ich wollte einen Garten haben, der mich hinauszieht, in ihm herumzugehen. Vor der Weite der Felder im Hintergrund wollte ich durch Hecken schreiten, wenn der Wind den Duft der Felder herüberträgt. Meinen eigenen Raum wollte ich schaffen, den Festsaal unter freiem Himmel, in dem alles mir gehört – das Blattgeriesel der Pappeln, die dumpf fallenden Äpfel, der Gesang der Amseln hoch in den alten Eichen. Der Ort war gut gewählt. Ein stilles Dorf mitten im dünn besiedelten Wendland, 165 Einwohner, die mittelalterliche Stadt Lüchow nah, der Bauernhof rund 300 Jahre alt. Mein Mann wollte dies Domizil, weil es ihm so wahrhaftig und bescheiden erschien. Ich wollte es, weil es so viel Raum zum Wohnen bot und geradezu unbescheiden viel Raum für einen Garten. Immer wenn ich über das offene, lange Feld zum Waldsaum schaute, fühlte ich mich wie eine Mohnblüte sich fühlen muss, bevor sie aus ihrer Knospenhülle springt und sich machtvoll entfaltet. Ich wollte einen Garten, der große Gefühle weckt; einen mächtigen Garten unter einem mächtigen Himmel. Und tatsächlich schien alles ganz einfach zu sein: Rechts ein Knick und links ein Knick aus hohen Eichen, Eschen, Erlen, durch die morgens von rechts und abends von links das Licht in breiten Streifen durch die Stämme fiel. Dazwischen sonnenbeschienenes Brachland und eine Pferdekoppel. Ich musste also nur den Raum zwischen den Baumreihen füllen. Das war mehr als verwegen: Der Abstand beträgt 140 Meter. »Nicht nur wir lieben So begann ich im Herbst unseren Garten – 1993 ein Abenteuer, das er liebt zurück ...« schon manchen Gartennarren finanziell ruinierte. Mit Hunderten Bildern alter Renaissance- und Barockgärten im Kopf setzte ich rund 1200 Meter Ligusterhecken, um Räume zu schaffen. Ich gab ein Vermögen für Buchskugeln aus, um dem Garten ein ewiggrünes Wintergesicht zu schenken, senkte Aberhunderte Blumenzwiebeln in die Erde, pflanzte Rosen und Stauden, legte 1999 den barocken Teil mit sechs neuen Gartenräumen an. Bald kam ich nicht mehr ohne die Hilfe der Nachbarn aus. Inzwi-
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Vorherige Seite: Die Lieblingsfarbe Cyclam in allen Variationen: Bei den Dahlien. Hinter dem Buchsparterre mit den Rosen ‘Reine de Violettes’ und ‘Rose de Resht’. Rechts: Rosenbögen mit ‘Bobby James‘ und ‘Lykkefund‘, Silberweiden (Salix alba), Petunien.
schen gibt es einen festangestellten Gärtner. Der Mann ist ein Glücksfall, kann Buchse freihändig schneiden, kennt sich als Bauernsohn mit den Jahreszeiten aus und spaziert noch feierabends mit Kind und Hund durch den Garten, so sehr liebt er sein Werk. Ich selbst trage meinen Garten im Kopf herum, wo immer ich gerade herumreise, skizziere Neues, überdenke Beetkompositionen, wo Wühlmäuse und Maulwürfe anderes vorhaben als ich. Bis heute arbeite ich daran, meinem Garten ein Gesicht zu geben, als sei er aus einer alten Zeit übrig geblieben. Mittlerweile reduziere ich die Blumenpracht, konzentriere mich mehr auf skulpturhaftes Grün. Aber längst hat der Garten selbst die Regie übernommen. Im Frühjahr, wenn das Grün der Hecken aufspringt, scheinen Frühlingsmelodien über den Garten zu fliegen. Im Mai wird daraus ein Duett, wenn Azaleen (Azalea), Iris und Veilchen (Viola) mit der Farbe Violett gegen das Ligustergrün antreten. Wogen von Blau folgen mit Flieder (Syringa), Katzenminze (Nepeta), Stiefmütterchen (Viola ! wittrockiana), Blauregen (Wisteria), begleitet von blühenden Apfelbäumen und Zierkirschen (Prunus serrulata). Dann beginnt der Garten zu tanzen. Wenn die Rosen blühen, ist mir der Anblick oft schon zu laut in den Farben, zu prächtig, zu selbstgefällig. Auf die Farbe Gelb verzichtete ich von Anfang an in meinem Garten; sie ist mir zu grell mit zu viel eigener Kraft, geheimnislos. Natürlich kümmert sich der Löwenzahn nie um meine Meinung. Fett und fröhlich kriecht er allerorts aus dem Boden. Wenn die EU es will, bauen die Landwirte im Wendland felderweit Raps-Meere an, in deren Duft Falter und Bienen gaukeln. Ich aber bleibe bei meiner Farbwahl: Weiß-Rosa-Blau-Violett, die Geheimnisstimmung. Im Hochsommer gibt es Wogen von Weidenröschen (Epilobium), Sonnenhut (Echinacea), Phlox und Rittersporn (Delphinum), bis in den Herbst begleitet von Lavendel (Lavandula), dem Purpur der ‘Rose de Resht’, den Porzellantönen der Rosen ‘New Dawn’ und ‘Jacques Cartier’.
Der barock anmutende formale Gartenteil enthält ein Buchsparterre, einen weißen und einen blauen Garten sowie einen Potager. An ihn schließen sich weitere zehn Gartenräume an.
Im Hintergrund des „Verlorenen Gartens“ mit seinem Rosenrund aus ‘Rose de Resht’ wachsen zwei neue Platanendächer heran.
Später glüht der Garten noch einmal auf mit cyclamfarbenen Dahlien (Dahlia) und allen Blautönen von Herbstastern (Aster). Im Frühdunst ist er dann am schönsten: sehr melancholisch, doch lebensvoll. Im Winter liebe ich meinen Garten manchmal nicht, wenn nach langer norddeutscher Nässe überall faulende Blätter den Boden bedecken und nur der Maulwurf rege seine Hügel aufwirft. Doch gibt es Wintertage, an denen ich beim Gang durch die nassen Hecken spüre, dass der Garten ein eigener Organismus ist. Eine Persönlichkeit, die atmet, lebt, träumt. Manchmal glaube ich, nicht nur wir lieben unseren Garten – er liebt zurück. Fehler? Habe ich reichlich gemacht. Zum Beispiel wollte ich unbedingt ein Lavendelmeer rund um die große Terrasse haben. Einen Sommer lang trafen sich sämtliche Schmetterlinge der Gegend bei uns, um über dem Blau zu gaukeln. Im Herbst, als die 200-jährige Eiche ihr Laub von sich warf, spießten die geschnittenen Lavendelsträucher dann jedes Blatt einzeln auf. War es trocken, zerbröselte es beim Raussammeln, war es nass, blieb es glitschig kleben. Der Lavendeltraum wurde ersetzt durch eine Szenerie aus Rosen und japanischen Schneebällen. Ein größerer Fehler war, die Kraft der Elbe zu unterschätzen. Im Katastrophenjahr 2002, als Dresden 156
absoff, schwollen links und rechts von uns die Flüsschen Jeetzel und Seege an, das Grundwasser stieg, bis man auf dem Rasen wie auf nassen Teppichen ging, noch bevor die Flutwelle das Wendland erreichte. Mitten im August, mitten im schönsten Sommerlicht, wurden alle Hecken schwarz. Irgendwer öffnete die Flutwehre, sodass die halbe Gegend geflutet war. Sechs Wochen lang lief ich weinend durch meinen sterbenden Garten. Und nun? Er starb nur ein bisschen. Ein Teil von ihm heißt jetzt „Der verlorene Garten“. Ruppig schaut der aus, fast wollüstig verwegen mit unglaublich in die Breite gewucherten Iris-Stauden und Taglilien (Hemerocallis). Die mochten es, 60 Zentimeter hoch im Wasser zu stehen, während unzählige Buchskugeln und Ligusterhecken erstickten. Warum auch sollte es das alles nicht geben im Garten? Das Werden und Sterben, das Tragische, das Überraschende, das SichFügen und die Überlebenskraft. Seit 2001 haben wir den Garten täglich für Besucher geöffnet, nachdem immer wieder Menschen an der Hecke standen: „Dürfen wir mal gucken?“ Ein Garten will angeschaut werden. Ab 18 Uhr gehört er wieder uns. Manchmal denke ich, im Garten bin ich die andere, die ich auch gern wäre. Verträumter, gelassener. Und ein paar Jahrhunderte älter.
Erfahrungen Dass Platanen die Gegend lieben, obwohl sie gar nicht hierher gehören. Dass spiegelbildlich angelegte Boarders nie symmetrisch werden, wenn ein Streifen sandig, der andere lehmig ist. Dass man Hecken auch rund pflanzen kann – siehe der Garten in Sissinghurst.
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Lieblingspflanzen Iris und Buchs (Buxus). Die Beschränkung auf wenige Far-
ben kann irritierend schön werden, z.B. mit Blau-Violett im Mai von Iris, Allium, Tulpen (Tulipa), Stiefmütterchen (Viola ! wittrockiana), Blauregen (Wisteria), Katzenminze (Nepeta), Lavendel (Lavandula). Später Purpur mit Rosen, Salbei (Salvia), Heuchera. Dahlien (Dahlia) sind unübertrefflich für den Spätsommer, ebenso wie alle Sorten Astern (Aster).
Dass die Indiandernessel (Monarda) eines Tages einfach abhaut, wenn man sie nicht stets verjüngt. Und dass Phlox nicht zu dicht stehen darf, weil er mehltauanfällig ist. Dass Wildblumenwiesen Magerboden brauchen. Fehler: Man hätte die überdüngte obere Schicht abtragen und Kies in die Erde einarbeiten müssen. Dass immergrüner Liguster in nassen Wintern nicht grün bleibt, sondern schwarz bis kahl wird und trotzdem immer wieder überwältigend austreibt. Dass die purpurne ‘Rose de Resht’ herzaufreißend bis in den späten Herbst blüht und sogar im Wasser stehend überlebt.
Formales Grün überwiegt, dazwischen leichte, nur angehauchte Töne von Clematis, Rose ‘Héritage’, verblühtem Allium ‘Globemaster’ und der Kletterrose ‘Apple Blossom’
Dass ein Garten viele verschiedene Sitzplätze haben sollte – und sei es nur, um sich vorzustellen, irgendwann einmal dort zu sitzen. Dass ein Garten vor allem Zeit braucht. Auch Zeit, die einfach verstreicht.
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ANJA MAUBACH BARBARA FRISCHMUTH
256 Seiten, ca. 270 Farbfotos ISBN 978-3-7667-1712-2
Chinesisches Sprichwort
Glück ist ein Garten. Er bietet Zuflucht und Entspannung nach dem hektischen Alltag, ist Quell der Inspiration und Ort neuer Gedanken. Eva Kohlrusch und der Fotograf Gary Rogers ermöglichen erstmals den Blick in die privaten Gärten außergewöhnlicher Frauen, wie z.B. der Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek, der Schriftstellerinnen Ulla Hahn und Charlotte Link, der Köchin Johanna Maier, der Gartenexpertinnen Petra Pelz und Anja Maubach. Sie alle zeigen ihre Refugien, diese ganz persönlichen Orte, an denen sie arbeiten, entspannen und neue Ideen spinnen. Neben den vielfach autodidaktischen, oftmals ganz praktischen Erfahrungen gewährt dieses Callwey Buch Einblicke in die persönlichen Gartengeschichten faszinierender Frauen und ihrer besonderen Beziehung zum Gärtnern.
Oliver Kipp Lieblingsplätze im Garten 148 Seiten, ca. 200 Farbfotos und Pläne ISBN 978-3-7667-1701-6
Die Autorin Eva Kohlrusch ist Kolumnistin der Zeitschrift BUNTE und war stellvertretende Chefredakteurin der BILD Zeitung. Als langjährige Redakteurin und freie Autorin ist sie Vorsitzende des Journalistinnenbundes. Sie ist selbst leidenschaftliche Gärtnerin mit einem großen Barockgarten im Wendland, der jährlich viele Besucher anzieht.
Frauen und ihre Gärten
Gärtner von Eden 100 neue Traumgärten
Besondere
„Willst du aber ein Leben lang glücklich sein, so schaffe dir einen Garten.“
• Einblicke in die Privatgärten außergewöhnlicher Frauen • Ihre ganz persönlichen Ideen, Tipps und Erfahrungen • Wunderschöne Foto-Gartenporträts von Gary Rogers
Eva Kohlrusch
Der Fotograf Der Neuseeländer Gary Rogers arbeitet seit vielen Jahren als Fotograf für verschiedene Zeitschriften und Buchprojekte. Als einer der wichtigsten Gartenfotografen hat er sich in Deutschland und England einen Namen gemacht. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit der Goldmedaille der Royal Horticultural Society.
RUTH MARIA KUBITSCHEK CAROLIN REIBER FENNA GRAF CHARLOTTE LINK BARBARA GHYCZY PETRA PELZ ELLEN SCHWIERS LOKI SCHMIDT JOHANNA MAIER KRISTIN LAMMERTING AGLAJA VON RUMOHR ULLA HAHN CHRISTINA-RICARDA LANGE BARBARA HAMMERSTEIN ELISABETH LANG PATRICIA RIEKEL
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Frauen und ihre Gärten
Besondere
Eva Kohlrusch Fotos von Gary Rogers
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