Kreative Leiden schaft Zu B es uch in Wohn ung e n un d Ate lie rs ins pirierende r Fr a ue n
Si m one Kn au ss Fotos von Ul ri ke Myrzik
S im on e Kn au s s F otos von U l rik e M y r z i k
Kreative Leiden schaft Zu Besuch i n Wohnu ng e n u nd At e l ie r s i ns p i r i e r e nde r F rau e n
Callwey
Inha lt
7
Einleitung
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Corinna Berghoff
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Gründerin und kreativer Kopf von anna wand, Hamburg
Künstlerin, Elmau 112
18
K a r e n M ü ll e r
Susanna Leiser
M a r ja n a vo n B e r l e p s c h Schmuckdesignerin, Hamburg
Farb- und Raumpsychologin, München 120 26
Gesa Sander
C h a lwa H e i g l Erfinderin von DerGugl, München
Illustratorin, Hamburg 130 32
Saskia Diez
J u l i a vo n H ü l s e n Fassmalerin, Plön
Schmuckdesignerin, München 140 40
A n to n i a Z a n d e r
Inhaberin des Einrichtungsladens Ladoug, München
Modedesignerin, München 48
Birgit Morgenstern
146
Tapeten- und Stoffdesignerin, Lüneburg 54
Andrea Douglas
Y vo n n e Bau e r Hobby-Bäckerin und Deko-Bloggerin, Passau
E va M a r g u e r r e Produktdesignerin, Hamburg
152
Sabine Schwer Gold- und Silberschmiedin, Hamburg
64
Sandra Haischberger Porzellan-Designerin, Wien
74
160
M a rt i n a G o e r n e m a n n Einrichtungsberaterin und Restauratorin, München
D o m e n i ca M o r e G o r d o n Wollkünstlerin, Inveresk bei Edinburgh 168
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Bettina Herholz und Sophie Unützer Designerinnen und Inhaberinnen von Rosalie Boutique, München
96
Veronika Wildgruber Produktdesignerin, Berlin
K r i s t i n a M a r kov i c Architektin und Designerin, Marburg
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Adressen, Impressum und Bildnachweis
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Einleitung
W
enn du eine gute Idee hast – mach’ es einfach!“, lautete der beste Ratschlag, den Corinna Berghoff jemals von einem Freund bekommen hat. Sie hat sich daran gehalten und ist mit ihrer Firma anna wand heute der Inbegriff der Design-Wandsticker. Chalwa Heigl verkaufte ihr florierendes PR-Unternehmen, erfand eine kleine Kuchenpraline und baute DerGugl zu einer erfolgreichen Marke auf. Ihr Ziel: die Eroberung des Weltmarkts. Ihr Erfolgsgeheimnis: „Liebe, was du tust, und der Erfolg kommt fast von allein.“ So sieht es auch die Schottin Domenica More Gordon, um deren handgefilzte Wollhunde sich mittlerweile sogar Hollywood-Größen wie Brad Pitt reißen, und setzt noch einen drauf: „Mich reizen vor allem die Dinge, vor denen ich ein bisschen Angst habe.“ Manchmal kann das auch die Angst vor der eigenen Courage sein – und da braucht es schon eine Portion Mut, um diese zu überwinden. Der Dreiklang aus Ideenreichtum, Liebe und Mut ist es, der jede der hier porträtierten Frauen antreibt und sie dazu bringt, ihren Traum zu leben. Es gibt viele Wege, an die Sache heranzugehen: Die eine schreibt erst einmal einen detaillierten Businessplan, bevor sie anfängt, die andere stellt eine Milchmädchenrechnung auf und verlässt sich eher auf ihr Bauchgefühl. Die eine verdient sich durch ihr Hobby etwas dazu, die andere muss mit ihrer Arbeit drei Kinder durchbringen. Die aufstrebende Jungdesignerin hat andere Pläne als die etablierte Porzellankünstlerin, deren Plastiken bereits in Sammlungen und großen Museen stehen. Doch alle sind sie davon überzeugt, sich richtig entschieden zu haben und heute genau das Leben zu führen, das sie leben wollen. Dass es eine Bereicherung ist, etwas mit den eigenen Händen herzustellen, und dass es stolz macht, sein eigener Chef zu sein. Nicht jede von den Frauen hat dabei die Eroberung des Weltmarktes im Sinn, nicht jede wird mit ihrer Idee reich, aber alle sind sie glücklich. Dieses Buch stellt faszinierende Frauen mit ihren kreativen Berufen vor und zeichnet interessante Lebenswege nach. Aber es führt uns noch viel mehr vor Augen: eine gesamte, individuelle Lebenswelt, die jede einzelne der Porträtierten sich geschaffen hat. Denn wer so intensiv seine Träume lebt, der macht damit nicht um 16 Uhr Feierabend, der trägt seine Kreativität auch mit nach Hause – wenn er nicht sowieso von dort aus arbeitet. Die Wohnungen oder Häuser der hier vorgestellten Frauen spiegeln in faszinierender Art und Weise die Persönlichkeit ihrer Bewohnerinnen wider. Besonders spannend ist es, wenn wir durch das Schlüsselloch gucken und entdecken können, mit was sich eine Wohnpsychologin, die Inhaberin eines Einrichtungsladens oder eine Modedesignerin umgeben und welche Deko- und Einrichtungstipps sie so auf Lager haben. Wer ihre Stilvorbilder sind und was sie vielleicht noch ändern wollen. Welche Möbelstücke ihnen am Herzen liegen, auf welchen Flohmärkten sie die tollsten Sachen finden oder wie es sich mit einem Minimum an Einrichtungsgegenständen wohnt. Dieses Buch soll Anregungen geben – und Sie anspornen, Ihren Traum zu leben. Ob Sie sich dann mit einer guten Idee selbstständig machen oder einfach nur die Wohnung umgestalten, bleibt natürlich Ihnen überlassen. Was immer Sie tun: Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg dabei! Simone Knauss „Für meine Mutter – die schon immer wusste, was Frauen alles schaffen können“
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Corinna Be rgho ff Gründerin und kreativer Kopf von anna wand, Hamburg
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Corinna Berghoff
„Ich mag meine Produkte und lebe mit ihnen. Und Lampenschirme sind eine alte Leidenschaft von mir.”
D
as meiste wurde noch nicht erfunden. Ist das nicht wunderbar?“ Corinna Berghoff strahlt über das ganze, lockenumrahmte Gesicht. Wer sich mit dieser Frau unterhält, würde sich hinterher am liebsten hinsetzen und in Daniel-Düsentrieb-Manier anfangen zu tüfteln, denn selten trifft man jemanden, der so mitreißend erzählen kann – und vor Ideen nur so sprudelt. Die Werbetexterin arbeitete einige Jahre für große Agenturen in Hamburg und London, bevor sie nach einem Zwischenstopp als freiberufliche Texterin zum Inbegriff für Design-Wandsticker wurde. „Das Leben als Freiberufler war nicht so mein Ding. Aber Menschen, die sich mit einer Idee selbstständig machen und ihre eigene Firma gründen, haben mich schon immer fasziniert. Das wollte ich auch – mir fehlte nur immer die Idee dazu“, erzählt sie. Der Geistesblitz kam 2005, auf einer Retrospektive des Fotokünstlers Martin Munkácsi in den Hamburger Deichtorhallen. „Die Ausstellungstexte waren direkt auf die Wand geklebt – und ich dachte: ,ah, Worte auf Wände kleben – das ist es!‘ Als Texter hat man es ja ständig mit klugen Sätzen zu tun und ich sah plötzlich vor meinem inneren Auge den Schriftzug ,If you can dream it, you can do it‘ in
LICHTGESTALTEN Corinna Berghoffs jüngstes „Baby”, die Lampenschirme ihres Labels anna lampe, leuchten in jeder Ecke und über dem Esstisch ihrer gemütlichen Hamburger Altbauwohnung. Das ungewöhnliche Regal im Wohnzimmer besteht aus alten Weinkisten aus Süddeutschland und diente schon als Ausstellungsmöbel auf diversen Messen. Es ist gefüllt mit Büchern und geliebtem Kleinkram in anna wand-Pink.
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Corinna Berghoff
„Einer meiner Leitsätze? If you can dream it, you can do it.”
Neonorange über meinem Bett stehen. Da war sie, meine Idee!“ Sie schlief eine Nacht darüber, besprach sich mit Freunden und ehemaligen Kollegen – und legte los. Einen unerschöpflichen Fundus an schlauen Sprüchen hatte sie im Kopf, jetzt brauchte sie nur noch Leute, die ihr halfen, sie an die Wand zu bringen. Sie suchte sich Grafiker, Folienhersteller, Druckereien und konzipierte ihre erste Website. Im November 2005 ging ihr Shop online und war schon nach einem Jahr in den schwarzen Zahlen. „Natürlich habe ich am Anfang auch viele Fehler gemacht, bis ich die richtigen Lieferanten gefunden hatte“, erinnert sich Corinna Berghoff. „Angst hatte ich aber nie. Ich bin jeden Abend glücklich ins Bett gegangen und wusste: das wird eine ganz große Nummer.“ Das erste Jahr war aufgrund der vielen Investitionen recht mager, doch kam sie zum Glück ohne Kredit aus. Ihre einzige Sorge: dass ihr jemand zuvorkommt. Also ließ sie die Marke anna wand europaweit schützen und baute ihre Produktpalette immer weiter aus. „Kopiert zu werden sehe ich als Kompliment“, sagt sie, „aber man muss immer versuchen, der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein.“ Das hat sie geschafft: Heute gibt es neben den Slogans auch Dekoratives wie Schmetterlinge oder Blumen, dazu Wandpanel, Kindertapeten,
LIEBLINGSPLÄTZE So gern Corinna Berghoff vor ihrer Sprüchesammlung am Schreibtisch sitzt und arbeitet: Ihr absoluter Lieblingsraum ist ihr Schlafzimmer. Kein Wunder, dass über ihrem Bett der anna wand-Schriftzug „Naherholungsgebiet” klebt. Den Globus aus den 60er Jahren entdeckte Corinna auf einem Schrottplatz.
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Corinna Berghoff
„Dinge, die farblich zusammenpassen, machen mich glücklich.”
selbstklebende Bordüren und, seit 2012 in Lizenz, die große Markenkooperation mit der Tapetenfirma Erfurt. Zig Motive sind es mittlerweile – und der Laden läuft. Vor kurzem hat Corinna Berghoff ihr zweites Baby aus der Taufe gehoben: das Leuchten-Label anna lampe. Nach monatelangem, eigenhändigem Tüfteln und vielen Baumarktbesuchen fand sie schließlich das ideale Material und die perfekte Montageart. Das Ergebnis: zylindrische Lampenschirme zum Hängen oder Stellen aus einer speziellen Folie, hochwertig von Hand bedruckt mit bekannten oder neuen anna wand-Motiven, lichtbeständig, recycel- und abwaschbar und ganz leicht zusammenzubauen – dank eines neuen Systems, das Corinna bereits zum Patent angemeldet hat. Doch damit nicht genug: zukünftig kann man sich auch seinen individuellen Lampenschirm selbst zusammenstellen, online, versteht sich. Wie ihre Produkte wirken, testet Corinna Berghoff bei sich zu Hause. Überall stehen und hängen ihre Lampenschirme, Schriftzüge und Bordüren schmücken die Räume. Trotzdem sind die Wände nicht so voll, wie man es erwarten würde. „Im Job ist so viel los und ich nehme den Tag über so viel auf, dass mir manchmal fast der Kopf platzt. Da brauche ich es zu Hause ruhig, ordentlich und aufgeräumt – und so leer wie möglich“, erklärt sie. Trotzdem will sie auf ein
RUHEZONE Kein Internet, kein Faxgerät, Telefon nur, wenn’s sein muss: In ihrer Wohnung will Corinna Berghoff abschalten können. Gelingt ihr gut – nicht zuletzt wegen der harmonischen Farben von Möbeln und Wänden. Nichts stört die optische Ruhe, denn die quirlige Geschäftsfrau umgibt sich nur mit Dingen, die sie mag.
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Corinna Berghoff
„Es gibt so viele Ideen – man muss sich einfach nur trauen und sie anpacken.”
bisschen Nippes hier und da nicht verzichten – auf ihre Bilderrahmensammlung voller schlauer Sprüche, auf hübsche Deko-Objekte in anna wand-Pink und auf ihre diversen Buddha-Figuren, die sie und ihre Eltern aus Thailand und Indonesien mitgebracht haben und die sie augenzwinkernd zu Kettenträgern umfunktioniert hat. Ihr Lieblingsplatz in der Wohnung? „Mein Bett! Da höre ich abends die Enten auf dem Kanal schnattern und morgens frühstücke ich sogar hier: Müsli, Kaffee und etwas zu lesen – das ist mein Ritual.“ Kein Wunder, dass über dem Bett der Schriftzug „Naherholungsgebiet“ prangt. Wie die gesamte Wohnung ist auch das Schlafzimmer Internet- und Telefonfreie Zone. „Früher, als ich das Büro noch hier in der Wohnung hatte, kam ich nie zur Ruhe. Ein Online-Shop ist nun einmal rund um die Uhr geöffnet. Tagsüber klingelten die DHL-Männer und das Telefon in einer Tour, nachts ratterte das Fax“, erinnert sie sich. Auch heute macht Corinna Berghoff trotz ihrer drei Mitarbeiter vieles noch selbst. „So schwer es mir fällt: ich muss lernen zu delegieren. Irgendwann bin ich dann nur noch der kreative Kopf, der sich hauptsächlich um das große Ganze kümmert – sozusagen die Grande Dame der Wandsticker.“ Wenn das mal kein schöner Schluss-Satz ist.
SPIELZEUG Sämtliche Motivideen für ihre Produkte denkt sich Corinna Berghoff selbst aus. Und vieles, was für ein Muster Pate stand, findet man in ihrer Wohnung wieder. So zieren die Trödelmarkt-Teller über dem Küchentisch heute einen Lampenschirm und auch der charmante Used-Look des indischen Vitrinenschranks wurde zum Muster weiterentwickelt.
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Corinna Berghoff
Mein Stil Was macht Sie glücklich? Meine Patenkinder Sophie und Victor. Der Duft der ersten
Was war die Initialzündung, um Ihr Business zu gründen?
Mandarine im Herbst. Ein gesundes Korallenriff mit seinen
Anfangs war die reine Idee da, eine Geschäftsidee zu
Bewohnern. Frische Waldluft. Farben – kräftige, bunte, kla-
haben. Daraufhin bin ich sehr aufmerksam durch die
re. Wenn etwas tatsächlich entsteht, geschieht oder wahr
Welt gegangen. Meine Idee und alles, was ich zu ihrer
wird, was ich mir von Herzen gewünscht habe.
Umsetzung benötigte, inklusive der richtigen Kontakte, flog mir fast zu. Ich war wie ferngesteuert und hatte keine
Haben Sie V orbilder? Wer hat Sie inspiriert?
Sekunde auch nur den Hauch eines Zweifels. Und das,
Ich habe keine klassischen Vorbilder. Zumindest keine,
obwohl ich nur ein Mini-Budget zur Firmengründung hat-
die schon berühmt sind. Sondern welche, die es viel-
te und die ersten Jahre parallel arbeiten musste, um mei-
leicht noch werden. Eine Freundin zum Beispiel, die als
nen Start zu finanzieren.
gelernte Maklerin, Flugbegleiterin und schließlich Mutter die Idee hatte, Luxus-Zubehör, also Spritzen-Etuis für Dia-
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
betiker aus richtig schickem Leder zu kreieren. Oder ein
Ich glaube an das, was ich tue. Wenn es sein muss, ver-
Freund, ebenfalls Werbetexter, der mit seinen Geschäfts-
werfe ich Ideen, die nicht sein sollen, auch wenn schon
ideen lieber „zum Schmidt und nicht zum Schmidl” – also
viel Arbeit darin steckt. Mein Bauchgefühl muss stimmen.
gleich zum Chef – gegangen ist. Mittlerweile hat er eine
Außerdem kann ich Menschen begeistern. Ohne viel
sehr erfolgreiche Werbeagentur. Immer, wenn ich heute
Trara. Wichtig ist mir, dass ich dabei ehrlich und authen-
darüber nachdenke, wie ich zu einem neuen Ziel kom-
tisch bleibe. Ich bin schnell, präzise, dabei detailliert und
me, erinnere ich mich an ihn. Und wende mich
umfassend. Zudem habe ich eine hohe Vorstellungs-
direkt an die Person, die die Fäden in der Hand hat.
kraft und vieles, was ich mir wünsche, bewahrheitet sich.
Was tun Sie am liebsten, wenn Sie nichts zu tun haben?
Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Ich frühstücke gern lesend in mei-
Ich ziehe Grenzen. Und schaffe mir
nem Bett. Gern verbringe ich auch
Räume, die weniger vom Job be-
Zeit mit meinen Freunden und ih-
rührt werden können. Zuhause gibt
ren Kindern. Ich liebe es, bis Okto-
es zum Beispiel kein W-LAN und
ber im Meer zu baden. Ich jogge
kein Festnetz mehr. Privat gehe ich
regelmäßig. Stundenlang durch
oft ohne Handy aus, egal ob zum
Großstädte zu streifen, finde ich
Sport oder zur Verabredung.
großartig als auch entspannend.
Haben Sie eine tolle, praktische Idee, die Sie gern weitergeben möchten?
Beschreiben Sie Ihren Wohnstil in drei Worten Hier wohnt Corinna.
Wenn der Bauch „ja” sagt, gibt’s nur eins: Machen!
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Sa ndra Hai s chberger Porzellan-Designerin, Wien
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Sandra Haischberger
„Töpfern war schon während des DesignStudiums meine Leidenschaft – auch wenn andere das ,uncool’ fanden.”
S
andra Haischberger hat großes Glück: Sie besitzt einen Balkon – eine Seltenheit in der Wiener Innenstadt. Wenn Mann und Kind morgens aus dem Haus sind, setzt sie sich erst einmal mit einem Becher Milchkaffee nach draußen und genießt die Ruhe im Hinterhof. Und die kann sie brauchen, bevor es wieder losgeht in ihrem Laden-Atelier feinedinge*. Die hübschen, handgemachten Vasen, Windlichter, Tassen und Teller der PorzellanDesignerin sind sehr gefragt und so langsam platzt die Produktion im Hinterzimmer ihres 100 Quadratmeter großen Geschäfts aus allen Nähten. „Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich mir ernsthaft Gedanken machen muss, wohin sich das Ganze entwickeln soll: Wie weit wollen wir wachsen, wie viel kann ich investieren, wohin ziehen wir um, wie viele Leute stelle ich ein? Das beschäftigt mich gerade sehr“, erzählt Sandra, die sich 2005 „aus dem Bauch raus“ selbstständig gemacht hat.
FUNDGRUBE Wenn Sandra Haischberger auf Reisen oder Flohmärkten etwas Schönes entdeckt, Spiegel, Teller, Retro-Kissen oder Asiatika, kann sie nur selten widerstehen. In ihrem Zuhause in der Wiener Innenstadt gibt es dafür auch in jeder Ecke etwas zu entdecken. „Aktiv dekoriert” wird hier allerdings nicht, schließlich kann sie sich in ihrem Laden-Atelier austoben – und Entwürfe wie die Zuckerdöschen ihrer Alice-Serie immer wieder neu in Szene setzen.
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Sandra Haischberger
„Die besten Ideen habe ich beim direkten Arbeiten am Material.”
Los ging alles mit einem Töpferkurs an der Volkshochschule. Damals arbeitete Sandra noch als Sport- und Englischlehrerin, ein Job, der sie nicht sonderlich erfüllte, der ihr aber in den folgenden Jahren half, ihren Traum finanziell zu verwirklichen: Sie studierte an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst, wo sie bei Designergrößen wie Matteo Thun und Enzo Mari lernte, und ging dann ein Jahr nach London, um noch ein Interior und Furniture Design-Studium dranzuhängen. Dass ihre Kommilitonen Töpfern „extrem uncool“ fanden, hielt sie nicht davon ab, sich in ihrer Freizeit immer wieder an die Drehscheibe zu setzen. Eine Diplomarbeit, zweieinhalb Jahre in einem Architekturbüro, eine Hochzeit und eine Babypause später wagte Sandra schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit. Zusammen mit befreundeten Künstlern hatte sie gerade einen Design-Weihnachtsmarkt organisiert und festgestellt, dass sich ihre Porzellanprodukte gut verkauften. Also dachte sie sich „Jetzt oder nie!“, mietete einen winzigen Laden um die Ecke, nannte ihn feinedinge* und legte los.
BLÜHENDE FANTASIE Dass sie florale Motive liebt, sieht man sowohl Sandras Entwürfen als auch ihrer Wohnung an. Ihre formal modernen, schlichten Vasen, Windlichter, Leuchtenkugeln oder Geschirrteile sind mit romantischen Blüten- und Blattornamenten, mit Vögeln oder Schmetterlingen verziert. Bei Haischbergers zu Hause trifft man überall auf Lichterketten wie die Blumengirlande über dem Badezimmerspiegel. Und im Flur wächst ein Tapetenwald.
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Sandra Haischberger
„So eine coole, puristische Architektenwohnung wäre nichts für mich.”
„Einen Businessplan habe ich nie geschrieben, das hätte mich bloß abgeschreckt“, gesteht Sandra lachend. Ausgangsbasis für ihren ersten Atelier-Shop sei eher eine Milchmädchenrechnung gewesen: „400 Euro Kindergeld plus ein paar Einnahmen durch den Verkauf minus 300 Euro Miete – passt!“ Die Rechnung ging auf. Gleich im ersten Jahr nahm sie am Förderprogramm „design talents“ der Frankfurter Messe Ambiente teil und konnte so ihre Entwürfe einem breiten Publikum und vor allem den Einzelhändlern vorstellen, von denen viele Sandras feinedinge* in ihr Sortiment aufnahmen. Vor vier Jahren mietete sie dann größere Atelierräume und suchte sich zwei Mitarbeiterinnen.Trotzdem macht Sandra bis heute noch vieles selbst. Beim Arbeiten mit dem Material kommen ihr einfach die besten Ideen – und im direkten Kontakt mit ihren Kunden, die vom Verkaufsraum in die Werkstatt gucken und den Dingen beim Werden zuschauen können. Und eben auch mal darauf hinweisen, dass es doch schön wäre, wenn es passend zum Geschirr einen Eierbecher gäbe.
ROMANTIK PUR Zu Beginn ihrer Selbstständigkeit hatte Sandra Haischberger Sorge, dass ihre Entwürfe „zu lieb” sein könnten. Ihr bis heute stetig wachsender Erfolg zeigt aber, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Kombiniert man ihre feinen Dinge so, wie es die Designerin in ihrem Shop und zu Hause tut, nämlich kombiniert mit viel Weiß oder müden Farben wie Grau oder Taupe, wirken sie alles andere als kitschig.
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Sandra Haischberger
„Es ist mir sehr wichtig, dass die Kunden sehen können, wie wir arbeiten.”
Neue Entwürfe nimmt die Designerin gern zum Testen mit nach Hause. Dort passen sie mit ihren floralen Dessins nicht nur wunderbar auf den Balkon, sondern auch in die liebevoll eingerichtete Altbauwohnung. Hier gibt es in jeder Ecke etwas zu entdecken, denn Sandra ist eine passionierte Sammlerin. „Ich kann einfach nicht anders: Wenn ich auf Reisen oder beim Trödler etwas sehe, was mir gefällt, dann muss es einfach mit“, erzählt sie und gibt zu, dass es deswegen zu Hause immer wieder heiße Diskussionen gäbe. „Aber so eine coole Architektenwohnung – das ist einfach nicht meins.“ Also hängen beleuchtete Blumengirlanden über dem Spiegel im Badezimmer, teilen sich schön-kitschige Porzellanvögel ein Regalbord mit Sandras Ghost-Vasen und auf dem alten Servierwagen in der Küche stapeln sich lustige Asiatika aus quietschbuntem Plastik. Hier wird nichts gezielt gestylt – die Dinge fügen sich vielmehr wie von selbst zum stimmigen Ganzen. „Ich tobe mich in Sachen Deko im Laden und in meinem Schaufenster aus“, so Sandra. „Zu Hause will ich einfach meine Ruhe haben.“
HANDARBEIT Im hinteren Teil des Laden-Ateliers werkelt Sandra Haischberger mit ihren beiden Mitarbeiterinnen – häufig beobachtet von neugierigen Kunden, die immer wieder überrascht sind, dass alle Produkte des Porzellan-Labels auf so kleinem Raum entstehen. Weil es hier zu sehr staubt, hat die Designerin ihren Büro-Arbeitsplatz samt Computer zu Hause eingerichtet. Weiterer Pluspunkt: Hier kann sie in der Nähe ihrer Tochter sein, die ihr Kinderzimmer gleich nebenan hat.
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Sandra Haischberger
Mein Stil Was macht Sie glücklich? Wenn ich den Brennofen öffne und sehe, dass nur ganz
Beschreiben Sie Ihren Wohnstil in drei Worten
wenig schief gegangen ist. Die kleinen Zeichnungen und
Altbau, unkompliziert, farbig.
winzigen Basteleien, die meine Tochter immer wieder heimlich zwischen meinen Sachen und in meinem Bett
Was war die Initialzündung, um Ihr Business zu gründen?
versteckt. Städteurlaube und die Zeit am Meer.
Die Geburt meiner Tochter Lili – jetzt oder nie!
Haben Sie Vorbilder? Wer hat Sie inspiriert?
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Die isländische Band Sigur Rós, die mich mit ihrer Musik
Einfach machen und nicht zu viel darüber nachdenken,
und ihrem Stil beeindruckt – besonders die sphärisch
wie sich wohl alles entwickeln wird. Die Gewohnheiten
klingenden, melancholischen Melodien und die wunder-
der Menschen beobachten und zuhören, was gebraucht
schönen Videos finde ich inspirierend.
wird. Spontane Ideen, die beim Arbeiten mit dem Material Porzellan oft entstehen, weiterspinnen und die
Was tun Sie am liebsten, wenn Sie nichts zu tun haben?
Gelegenheit, diese Dinge im eigenen Atelier auch gleich ausprobieren zu können.
Mit meiner Lieblingsmusik laufen, schöne Filme am Sofa schauen, in Zeitschriften, Bildbänden und Büchern schmökern.
Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Schwierig! Mein Mann kümmert sich großartig um unsere Tochter und ist sehr tolerant …
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Faszinierende Porträts von inspirierenden Persönlichkeiten
Zündende Ideen, die zum großen Erfolg wurden
Private Einblicke und exklusive Wohnreportagen Oft beginnen Geschäftsideen in der eigenen Wohnung – oder sogar auf der Parkbank. Ein Gedankenblitz, gepaart mit kreativer Leidenschaft, Ausdauer, Engagement und ein bisschen Verrücktheit, kann Träume wahr werden lassen. So war es bei diesen 20 in spirierenden Frauen, die mit ihrem Stil neue Wege erschaffen, mit Fingerspitzengefühl Schmuck designen oder aus einem Gugelhupf im Miniformat ein Erfolgsrezept machen. Ein kleiner, feiner Einfall, manchmal unter ganz ungewöhnlichen Umständen, wurde zu einem Abenteuer, das keine Grenzen kennt. Unsere Protagonistinnen gewähren uns spannende, private Einblicke in ihre Wohnungen und Werkstätten und verraten die Geheimnisse ihres Schaffens.
ISBN 978-3-7667-1972-0
www.callwey.de
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