Vom Glück mit Büchern zu leben - Leseprobe - Kürthy

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K N u r e i n e le s e n d e F r au i st e i n e

g l체 c k li c h e F r au I ld i k처 vo n K체 rthy Buchautorin und Journalistin

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Ildikó von Kürthy rechts: Die Lieblingsbücher der Bestsellerautorin aus allen Lebensphasen, schön eingekastelt. Links unten der Titel Starschnitte, ein Interviewband ihres Mannes Sven Michaelsen. rechtE SEITE: Alle Generationen teilen sich die Bibliothek vor Ildikó von Kürthys Schreibzimmer. Für ihre Söhne hat sie eine Leseecke mit Spieltisch eingerichtet, in der sie ihnen vorliest.

S

ie ist die weibliche Stimme der LatteMacchiato-Generation, die sich mit neuen Männern, den ungemütlichen Überraschungen der Gleichberechtigung und der Botox-Frage herumschlägt. Liebes-

sehnsüchte, Busenzustände, die segensreiche MafiaEffizienz von Freundesclans und eheliche Langeweile in der Provinz – all das wird in ihren Büchern mit Wortwitz und Tempo verhandelt. Millionen Leserinnen lieben ihre Romane wie Mondscheintarif, Schwerelos und Endlich!. Vielleicht liegt Ildikó von Kürthys weltweiter Erfolg daran, dass sie genau das beschreibt, was viele der um das Jahr 1970 geborenen Frauen denken, erleben und wonach sie sich sehnen. Sie ist die gute Freundin, die Bausteine des

kamen ins Haus, lasen ihm vor, er diktierte seine Texte.

weiblichen Lebens erzählt, nur eben witziger, spannender,

„Sprachdauerberieselung“ nennt Ildikó von Kürthy im

farbiger als man sich selbst empfindet.

Rückblick die Szenerie daheim. „Ich konnte mit meinem

Hinter dem Erfolg der langjährigen Stern-Journalis-

Vater sehr gut sprechen, da er erst mit Mitte zwanzig

tin steht ein Lebensweg, dessen erster Abschnitt prä-

erblindet war und wusste, wie die Welt aussieht und was

gend war für ihr Talent als Erzählerin. Denn er hat viel mit

Farben sind. Ich erinnere mich, wie ich einmal im Flugzeug

Erzählen zu tun. Ildikó von Kürthy wuchs mit einem blin-

versucht habe, ihm die Wolken genau zu beschreiben. Mit

den Vater auf, und sie, das Einzelkind, hatte nur die Spra-

der Zeit habe ich gelernt, ihm wirklich gute Geschichten

che als Mittel, um mit ihm zu kommunizieren. „Das ge-

zu erzählen, ohne Gestik und Mimik einzusetzen, denn nur

naue Erzählen für ihn hat mich sicher sehr geprägt und

so konnte ich eine Verbindung zu ihm haben.“

war eine unfreiwillige Schule für mich als Autorin“, sagt

Auch ihre Mutter, von Beruf Bibliothekarin, erzählte

die mädchenhaft wirkende Frau mit den braunen Haaren.

und las viel vor. Ildikó von Kürthy lebte mit Märchen – „ich

Vater Kürthy war Universitätsprofessor, seine Hilfskräfte

grusele mich heute immer noch bei Schneeweißchen und

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Ich fühle mich wohler, wenn Bücher um mich herum sind. Sie sind gute Gegenstände, ES IST so, als ob viele Spaghetti im Haus sind.

OBEN: Blick aus der Bibliothek in das helle, offene Schreibzimmer der Autorin. Kreatives Zentrum des Glücks und manchmal auch der Qual. rechts: Ort des weiblichen Lebens und Schreibens. Die Madonnenfigur mit dem traditionellen blauen Mantel bewacht den Raum, in dem Kürthys Bücher entstehen.

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Ildikó von Kürthy

Rosenrot“ –, liebte das Buch Kleiner König Kallewisch von Tilde Michels, dann folgte eine intensive Indianerphase. „In der Seele war ich immer schon ein Indianerjunge und sah auch so aus!“, blickt sie zurück. Als angehende Journalistin interessierte sie sich später für den Stamm der Dakota, schrieb ein Indianerbuch, in das sie wahre historische Begebenheiten einbettete. „Es liegt als unentdeckter Rohdiamant noch im Schrank“, sagt sie und grinst. Auf die Indianerabenteuer folgten Tim und Struppi, Der Kleine Nick und Asterix. Dann: plötzlicher Genrewechsel mit den deutschen Erwachungsklassikern. „Von 19 bis 24 hatte ich diese typische Hermann-HesseSteppenwolf-Nietzsche-Phase, in der man denkt, man sei der wichtigste Mensch der Welt und in der man sich so ungeheuer schwermütig und alt fühlt.“ Danach kam erneut ein radikaler Umschwung in Richtung – Rosamunde Pilcher. „Ich wollte die Schwere des Lebens nicht noch erschweren, sondern herrliche Bücher lesen, die einem nichts antun, die einen beschützen. Solche Bücher sind nicht so intellektuell bereichernd wie Literatur, die einem nahe geht, aber sie tun gut“, sagt sie. „Und dann gibt es die harten Bücher, die ans Eingemachte gehen, die so ungemütlich sind für einen selber, weil sie wunde Stellen berühren, Trägheit und Ängste ansprechen.“ Heute hat sie eine ideale Mischung aus verschiedenen Genres gefunden. Eines ihrer Lieblingsbücher ist Die Tante Jolesch von Friedrich Torberg. Sie liebt seinen Humor und die ver-

Oben: Geliebter Leseplatz am Küchen-

gangene Atmosphäre der k.u.k.-Welt. „Die Tante Jolesch

fenster. Dahinter hohe Wandregale mit viel

lese ich immer wieder, verschenke sie und streiche

Platz für großformatige Kochbücher,

die mir wichtigen Stellen rot an. Meine Mutter hätte als

Flaschen und Gläser.

altmodische Bibliothekarin niemals wie ich mit Edding in ihren Büchern rumgeschmiert; sie unterstrich wichtige

Orte. Beschützt und zuhause zu sein – das ist mir wich-

Zeilen ganz zart mit Bleistift.“

tig“, sagt sie. Manche Bücher haben für sie das Heimelige jedoch mit der Zeit verloren. „Früher habe ich Der

Sich Zuhause-Fühlen, bei sich sein, das hat für die Mutter zweier Kinder viel mit Büchern zu tun. „Ich bin in

Zeuge im Kirschbaum von Willo Davis Roberts geliebt

meinem tiefsten Inneren ein Dorf und schaffe es, aus

und mir später das Buch mühsam wieder besorgt. Aber

dem größten Palast eine Hütte zu machen. Ich fühle mich

es hat nicht funktioniert und ich war so enttäuscht! Das

gerne zuhause in Büchern, die ich kenne, ich sehe auch

kann sein wie die Erinnerung, die man als Kind an sein

gerne Filme, die ich schon kenne und fahre an vertraute

Elternhaus hat. Ich selbst dachte lange Zeit, ich sei in

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ke beim Schreiben nicht an Kinder oder Schwiegermütter.“ Bei einer Schreibblockade hat sie nur ein Rezept: „Man muss sie aussitzen. Und wenn man in einer Stunde nur drei Sätze schreibt und die dann wegschmeißt, ist das egal. Man muss Disziplin haben. Ich bügele lieber oder gehe eher an den Kühlschrank, als dass ich schreibe. Der Akt des Schreibens ist harte Arbeit.“ Harte Arbeit.

Und großes Glück: „Mein Traum ist, dass ich mein Leben weiter von Büchern begleiten lassen kann. Zu lesen und zu schreiben. Ich tue nichts anderes, als das aufzuschreiben, was mir im Laufe der Jahre passiert. Ich hoffe, meine Leserinnen begleiten mich, bis ich in die Kiste springe.“

Ich weiSS noch meine Ausleihnummer der Pfarrbücherei Aachen, Nummer 275.

oben und rechte seite unten: Unbezahl-

Neulich war ich da

bar schön. Ildikó von Kürthys Mann ließ

und habe mein

als Geschenk hellblaue Buchschuber für die Auslandsausgaben ihrer Bücher anfertigen.

geliebtes Indianer-

Außen aufgeprägt ist ihre Signatur.

buch mit der

einem Palast mit einer lichtdurchfluteten Wendeltreppe

Einsteckkarte in der

aufgewachsen – aber später fand ich: das ist doch ein kleines Hexenhäuschen!“

Pappklappe wieder-

Ildikó von Kürthy macht nach dem Schreiben ihrer

gesehen. Ich war die

eigenen Bücher jeweils eine Pause von eineinhalb Jahren. „Ich bin dann leer und denke wie nach dem Kinder-

Leserin Nummer 6.

gelaunt. Aber dann, nach ein oder zwei Jahren sage ich mir: Könnte doch noch eins machen, eins geht noch!“ Ihre Dialoge? „Entweder erlogen, erlebt oder erzählt. Ich den-

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kriegen: Nie, nie wieder! Man humpelt herum und ist übel


Ildikó von Kürthy

I v

K

—Mein schönster erster Satz:

gens nicht der letzte Satz, aber er gefällt

Erste Sätze sind in meiner eigenen Ar-

mir ausgesprochen gut und es könnte ja

—Ein Buch, das mich einmal gerettet hat: ... ist hoffentlich schon

beit sehr wichtig, denn sie sind der Rein-

schließlich theoretisch auch der letzte

geschrieben und da, wenn ich es am

winker. Mein liebster erster eigener Satz

sein.

meisten brauche.

ser: „Entweder mache ich mir Sorgen

—Ein Buch, das mein Leben verändert hat: Am wichtigsten sind

—Ein Buch für Stunden der Melancholie: Landhausgeschichten!

oder was zu Essen.“

mir meine eigenen Bücher, weil sie mir

ist der, der mir mühelos zufällt an einem sonnigen Nachmittag. Zum Beispiel die-

—Mein schönster letzter Satz:

entscheiden, wann ich arbeite, für wen

—Ein Klassiker, der mich zu Tode langweilt: Die Josephs-Roma-

„Er sieht aus wie eine alte Frau, die wie

ich arbeite. Das ist ein Luxus, über den

ne von Thomas Mann. Die Lieblingsbü-

ein alter Mann aussieht.“ Aus Friedrich

ich mich jeden Tag freue und für den ich

cher meiner Mutter. Aber ich bin einfach

Torbergs Die Tante Jolesch. Es ist übri-

dankbar bin.

kein Thomas-Mann-Fan.

viel Freiheit geschenkt haben. Ich kann

—Dieses Buch hätte ich gerne geschrieben: Der Grüffelo von Julia Donaldson und Axel Scheffler.

—Auf meinem Nachttisch liegt: Bücher für jede Stimmungslage: Alles ist erleuchtet von Jonathan Safran Foer. The Sound of No Hands Clapping von Toby Young. Freiheit von Jonathan Franzen. Die Antwort von Alice Schwarzer.

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