Die Malerzeitschrift 09/2015
Wissen wie’s geht – wissen was kommt
c h lu ss
21.
Ein reic h u n g ss
Septe m b e r
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Inhalt // Ausgabe 09/2015
36
im Brennpunkt
08
Hersteller und Lieferanten werden Materialpreise und Konditionen härter verhandeln
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zu beachten, wenn es an die
Planung und Ausführung von Fassadensanierungen geht.
Aktuell //
06 Meldungen 80 Panorama
im Brennpunkt // 08 Der Preis wird heißer
Immer mehr Hersteller und Lieferanten erkennen, dass sie ihr Preismanagement verbessern müssen. Das heißt: dass sie Materialpreise und Konditionen mit den Kunden härter verhandeln werden. Als Malerbetrieb müssen Sie sich darauf gefasst machen und vorbereitet sein.
4 • Mappe 09/15
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Technik Viele Aspekte sind
Betoninstandsetzung
Hilfreiche Tipps für den einfachen Betonschutz unterhalb von Eingriffen in die Statik und ohne SIVV-Schein.
Fokus Unser Sonderteil
beschäftigt sich mit aktuellen Lackentwicklungen und Verarbeitungstechniken
Kundenauftrag //
18 Marketing
22 Technik // Fassadensanierung
30 Wandbeläge
36 Betoninstandsetzung
5 Tipps für den kleinen Werbeetat Fassaden prüfen und instandsetzen Tadellos tapezieren Reduzierter Aufwand
41 Wand- und Deckenschleifer Mit großer Reichweite schleifen 44 Personalsuche Erfolgreiche Stellenanzeigen
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Trends & Chancen Transparenz hat für Unternehmen wir auch
für Kunden viele Vorteile. Wir zeigen, warum und wo sich Offenheit lohnt.
Fotos: William87/Fotolia, Mathias Solt/Fotolia
Mineralisch Nicht brennbar Ohne Biozide
Fokus // BAUTENLACKE
48 Bindemittel-Technologie
52 Lackforschung
54 Streichen und rollen
Holzschutz mit Abperleffekt Jetzt wird’s härter
Wasserlacke richtig verarbeiten
58 Spritzsystem Einfacher geht’s nicht 61 Schaufenster Materialien und Produkte
TRENDS UND CHANCEN //
70 Trends erkennen // Transparenz
75
Schöne gläserne Arbeitswelt
Chancen nutzen // Transparenz
Sichtbar erfolgreich
Rubriken //
03 Editorial 04 Inhalt 16 Dialog // MALER DES JAHRES 17 Impressum 64 Schaufenster // Materialien und Produkte 68 Malerquellen 82 Vorschau // Heft 10/2015
Die Mappe im Internet // Webseite // www.mappe.de facebook // www.facebook.com/Mappe.Malerzeitschrift pinterest // www.pinterest.com/diemappe
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im Brennpunkt //
PREISPOLITIK Materialhersteller und Händler werden künftig Materialpreise und Konditionen härter verhandeln. Darauf sollten Malerbetriebe vorbereitet sein
s i e r P Der r e ß i e h d r i w
8 • Mappe 09/15
MATERIALPREISE Welcher Preis ist der richtige Preis? Stehen Leistungsfähigkeit und
Qualität des benötigten Produkts in akzeptablem Verhältnis und steht die Gesamtforderung meines Lieferanten im Einklang mit seiner Leistung und seinem berechtigten Gewinninteresse? Solche und ähnliche Fragen werden sich Kunden aus der Bauzulieferindustrie und damit auch Malerbetriebe zukünftig öfter stellen müssen – denn Hersteller und Lieferanten hinterfragen zunehmend ihre Preis- und Konditionensysteme.
E
s war ein schöner Auftrag – einer je-
sind bereits per Abschlagszahlung abge-
spricht. Er kann also Probleme schnell erken-
ner Sorte, die von der Arbeit her
rechnet und das Geld ist auch fristgerecht
nen und versuchen, diese abzustellen.
Spaß machten – also nicht nur Nul-
eingegangen. Soweit war also alles in tro-
lachtfünfzehn-Weißware verarbeiten – son-
ckenen Tüchern – dachte sich Sebastian
Wo steckt der Fehler? Sebastian Wolf
dern die das kleine Malerteam auch kreativ
Wolf zu diesem Zeitpunkt noch.
machte sich also an die Nachkalkulation des
forderte und es war von vornherein klar,
35.000 Euro-Auftrags und ging zunächst da-
dass eine ordentliche Ausführung abgelie-
Nachkalkulation – ja oder nein?
von aus, dass Aufwand und Ertrag einiger-
fert werden muss. Sebastian Wolf (Name
Immer noch geht das Gerücht um, dass viele
maßen zusammenpassen müssten. Er selbst
von der Redaktion geändert) und seine Mit-
Malerbetriebe keine oder nur selten eine
war ja auch oft vor Ort und hat mitgearbei-
arbeiter hatten die Baustelle vor zwei Tagen
Nachkalkulation durchführen. Sebastian
tet, da lief die Baustelle rund. Wie sich he-
abgeschlossen.
Wolf gehörte auch einmal zu solchen Betrie-
rausstellte passte es aber nicht! Was war los?
ben. Die Summen schienen meistens zu
Er sah sich die Details an – wie viele Arbeits-
einmal gesaugt und den Müll eingesammelt
stimmen, Arbeit war genug da und es blieb
stunden waren geplant, hatte er Mitarbeiter
und mitgenommen – die Baustelle also so
am Ende des Jahres ein akzeptabler Gewinn
und Materialrechnungen richtig zugeord-
ordentlich verlassen, wie es gemeinhin er-
übrig. Trotzdem – irgendwie wurde Seba-
net? Lief die Arbeit doch nicht so rund, wie
wartet und empfohlen wird. Für den Maler-
stian Wolf das ungute Gefühl nicht los, dass
er dachte? Hatte er womöglich nicht alle zu-
betrieb mit sechs Gesellen und einem Aus-
er vielleicht etwas doch mal genauer hin-
sätzlich ausgeführten Arbeiten abgerech-
zubildenden waren die 35.000 Euro Auf-
schauen sollte. Doch wann? Man hat ja als
net? Er prüfte die typischen Fehlerquellen,
tragssumme in den letzten Wochen eine
Malermeister dafür in der Regel wenig Zeit.
fand aber keinen Fehler. Trotzdem war der
Sie hatten die Baustelle geräumt, noch
gute Beschäftigung. Der Kunde – ein
Inzwischen kalkuliert Sebastian Wolf die
Gewinn viel niedriger als gedacht.
Stammkunde, für den er schon seit zehn
meisten Aufträge konsequent nach und hat
Jahren immer wieder tätig sein darf – wollte
dabei schon manche Baustelle gefunden,
von der Stadtmitte an die Peripherie ziehen
die in der Realität doch nicht so rund lief wie
Liegt es womöglich an hohen Materialkosten? Nach Prüfung aller klas-
und hat sich dort ein Haus mit Garten ge-
es zuerst den Anschein hatte. Sebastian
sischen Fehlerquellen fing Sebastian Wolf
kauft und nun umgebaut.
Wolf lernte daraus und änderte z. B. Arbeits-
nochmal von vorne an. Jetzt wollte er es ge-
abläufe und infomierte die Mitarbeiter bes-
nau wissen und wühlte sich immer tiefer
noch einmal durch alle Räume gegangen.
sere. Jetzt arbeitet er konsequent an der Op-
durch die Zahlen. Der Kaffee auf dem
Gemeinsam haben sie die Malerarbeiten
timierung und sein neues Ziel ist eine mit-
Schreibtisch war schon kalt. Und dann fand
begutachtet. Bis auf zwei kleine Beschädi-
laufende Nachkalkulation, zumindest für
er den entscheidenden Wert: Über 1.100 Eu-
gungen – diese wurden sofort ausgebessert,
größere Objekte. Denn so erkennt er schon
ro mehr hatte er für das Material bezahlt als
das Material war noch im Firmenbulli – hat-
während der Ausführung, wenn die Realität
er kalkuliert hatte! Die nackten Zahlen wa-
te der Kunde nichts zu monieren. Im Gegen-
nicht der Preisgestaltung im Angebot ent-
ren unbestechlich und die sofortige Kontrol-
Sebastian Wolf war mit dem Kunden
teil: Er war mit der Arbeit und dem Ergebnis hochzufrieden. Seine Frau, die nicht so häufig auf der Baustelle war, freute sich über die neuen Oberflächen. Sebastian Wolf freute sich auch, hatte er doch gute Malerarbeiten ausgeführt und dafür auch Markenprodukte
Handlungsempfehlungen für Malerbetriebe
Das sollten Sie tun
Legen Sie fest, wer außer Ihnen autorisiert ist, Preise und Konditionen festzulegen
und mit dem Lieferanten darüber zu verhandeln
verarbeitet. Das dürfte sich auch für den
Bauen sie eine Kompetenz für Preisfindung und Preisverhandlung auf
Großhändler ausgezahlt haben. Zwar nahm
Definieren Sie Prozesse und Verantwortlichkeiten für die Vorbereitung auf Preis-
Sebastian Wolf nicht die großen Material-
verhandlungen mit dem Lieferanten
mengen ab, dafür fast nur Premium-Pro-
Entwickeln Sie einfache Hilfsmittel für die Verhandlungssituation
dukte mit einer guten Marge.
Überprüfen Sie regelmäßig Voraussetzungen für die vereinbarten leistungsbezo-
Positiv für Sebastian Wolfs Auftragskal-
genen Konditionen
kulation: Zwei Drittel der Auftragssumme
Mappe 09/15 • 9
Kundenauftrag // MARKETING Auch kleine Werbebudgets haben große Durchschlagskraft!
5 Tipps
für den kleinen Werbeetat
Werbung Ihr Betrieb ist klein, und das ist auch Ihr Werbeetat? Unsere Tipps, wie Sie
zu kleinem Geld mächtig auffallen!
A
nzeigen schalten für zigtausende
nicht mithalten. Das heißt noch gar nichts
bislang noch nicht gekommen bin? So kön-
Euro? Kundschaft und Interessen-
für den (Werbe-) Erfolg, wie schon David ge-
nen die konkreten Antworten lauten – unse-
ten mit 24-seitigen Hochglanzbro-
gen Goliath vorgemacht hat. Man muss nur
re Tipps:
schüren bewerfen, um Aufträge zu bekom-
die Schwachstelle der Konkurrenz finden
men? Ständig große Firmenveranstaltungen
und ihr etwas entgegensetzen. Denken Sie
mit fünfstelligem Kosteneinsatz und im-
dabei in zwei Richtungen: Wo kann ich mit
Tipp : Machen Sie das Naheliegende ganz anders! Firmenfahrzeuge?
mensem internen Zeitaufwand durchfüh-
kleinem Aufwand etwas anderes machen als
Haben Sie sowieso. Berufskleidung? Haben
ren? Das kann gute Werbung sein, doch sie
die anderen, somit als einzigartig dastehen
Sie sowieso. Ein Firmengebäude? Haben Sie
hat ihren Preis. Gerade kleinere Betriebe tun
und entsprechend auffallen? Und: Welche
sowieso. Warum aber sind Ihre Firmenfahr-
sich schwer, geeignete Werbemaßnahmen
günstigen Werbemedien gibt es, auf die ich
zeuge und Ihre Berufsbekleidung weiß wie
durchzuführen, die zur Betriebsgröße passen und bezahlbar bleiben. Doch wie immer gibt es nicht nur ein Problem, sondern auch Lösungen. Man muss nur um die Ecke denken – denken Sie mit! Hier kommen unsere Anregungen für den kleinen Werbeetat.
Anders als die anderen – und clever bei der Auswahl der Werbemedien. Mit den Großen können Sie bei teuren Werbeformen
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Matthias Eigel, Kaleidoskop Marketing-Service GmbH
»Gute Werbung ist keine Frage der gut gefüllten Werbekasse, sondern der guten Idee. Und immer wieder gilt: Tun Sie es!«
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im Fokus // BAUTENLACKE Die klassische Verarbeitung von Lacken ist die mit dem Pinsel. Sie erfodert jedoch auf das Lackmaterial abgestimmtes Werkzeug
Wasserlacke
richtig verarbeiten streichen und rollen Mit der Weiterentwicklung der wasserverdünnbaren Lacke
haben sich auch die Verarbeitungsmethoden weiterentwickelt. Wir zeigen Tipps und Tricks für die klassische Verarbeitung mit Streich- und Rollwerkzeugen, um ein hervorragendes Lackierergebnis zu erzielen. Das gängige Arbeitsverfahren zur Untergrundvorbereitung ist maschinelles Schleifen
Kanten und kleine Flächen schleift man mit Hilfe eines Schleifklotzes
Für profilierte Flächen und Kanten haben sich Schleifvliese bewährt
54 • Mappe 09/15
Vor der Beschichtung mit wasserbasierten Produkten reinigt man die Untergründe mit feuchten Mikrofasertüchern und bindet so den Schleifstaub
W
asserverdünnbare Lacke sind
braucher deutlich sensibler gegenüber um-
möglichen die Verarbeitung ähnlich löse-
das Material der Zukunft. Sie
weltrelevanten Themen geworden sind. Sie
mittelhaltiger Lacke.
zu verarbeiten ist nicht schwer.
stehen chemischen Gerüchen kritisch ge-
Das Leistungsniveau der aktuellen Genera-
genüber und wünschen sich daher immer
tion kann sich mit dem der lösemittelhal-
öfter wasserverdünnbare, geruchsarme
Den Untergrund optimal vorbereiten Eine sehr gute Untergrundvor-
tigen Marktprodukte messen. Die hervorra-
Produkte. Deshalb werden lösemittelhal-
bereitung ebnet den Weg für die perfekte
genden Produkteigenschaften verdanken
tige Alkydharzlacke im Innenbereich kaum
Lackoberfläche. Dazu ist nach dem An-
sie u. a. Bindemitteltechnologien wie Hy-
noch akzeptiert. Das ist aber kein Problem
schleifen des Untergrunds eventuell eine
briden (zwei Bindemittel sind kombiniert)
mehr, denn die heutige Qualität und die
Grundbeschichtung mit einer wasserver-
und Tribriden (drei Bindemittel sind kombi-
Verarbeitungseigenschaften wasserver-
dünnbaren Grundierung oder einem Vor-
niert). Solche Bindemittelkombinationen
dünnbarer Lacke lassen sich in keiner Weise
lack nötig. Maschinelles Schleifen mit
beeinflussen Faktoren wie Verarbeitung,
mehr mit den Produkten von vor zehn Jah-
Staubabsaugung ist das gängige Arbeits-
Trocknung und Nutzungseigenschaften
ren vergleichen. Die Kombination von Bin-
verfahren. Tipps: Ideale Schleifmittel setzen
positiv. Ausschlaggebend für die perfekten
demitteln mit verschiedenen Eigen-
sich nicht schnell zu und verursachen keine
Oberflächen bleibt aber weiterhin der Ver-
schaftsprofilen und z. B. Polyurethan er-
Probleme mit thermischer Aufheizung. Für
arbeiter und mit ihm sein Wissen, seine Erfahrung und damit die fachgerechte Verarbeitung dieser Lacke. Diese Erfahrung kann
Glatte Türen mit der Rolle beschichten
der Verarbeiter auch in Workshops – u. a. angeboten von den Lackherstellern – ausbauen und dort sein Wissen im Dialog mit erfahrenen Anwendungstechnikern sowie in Gesprächen mit Kollegen aus der Malerbranche vertiefen.
Anwendungsfall Türlackierung Verschiedene Lackoberflächen befinden sich permanent im Blickfeld des Kunden. Ein typisches Beispiel dafür sind Türen und Türfutter, deren Lackoberflächen sich di-
1
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6
rekt auf Augenhöhe befinden. Perfekte Ergebnisse beim Beschichten lassen sich dabei mit Streich- und Rollwerkzeugen erzielen. Einige Tipps und Tricks muss man allerdings beachten, damit Verarbeiter und Kunde zufrieden und glücklich sind. In der Beratungsphase für solche Aufträge stellt man vermehrt fest, dass Ver-
Zuerst beschichtet man die Kanten (1). Befindet sich anschließend Lackmaterial auf der
Fläche des Türblattes, zieht man diesen überschüssigen Lack sofort mit einem speziell
dafür entwickelten Kunststoffspachtel ab. Mit der Lackiermethode »Streichen in Streifen« (2) trägt man den Lack in einzelnen Streifen auf das Türblatt auf und verschlichtet ihn anschließend ansatzfrei auf der gesamten Fläche (3). Dabei sollte man das Lack-
material nicht »auf null« ausstreichen! Nach dem Verschlichten rollt man die Fläche in Querrichtung ab (4), um anschließend mit dem Abrollen in Längsrichtung das geLackierungen mit einer guten Oberflächenqualität erzielt man mit Mikrofaserrollen mit 5 mm Florhöhe (rechts). Bei Premium-Lackierungen trägt man den Lack mit einer höherflorigen Mikrofaserrolle (Mitte) auf, verteilt ihn und bearbeitet die Fläche danach mit einer PU-Feinschaumrolle (links)
wünschte Finish zu geben (5). Die sichtbare Rollstruktur enspannt sich während der
Trocknung. Abweichend von dieser Standardausführung lässt sich die Qualität lackierter Oberflächen weiter perfektionieren. Dazu setzt man nach dem Auftragen und Verteilen des Lackmaterials eine Feinschaumrolle ein (6). So erzielt man eine feinere Oberflächenstruktur, die besonders gut verläuft.
Mappe 09/15 • 55
Trends erkennen // TRANSPARENZ Unter Beobachtung: Unternehmen und Menschen werden heutzutage immer leichter zu durchschauen – oder zumindest fordern das viele. Das verändert unsere Arbeitswelt gewaltig
Schöne gläserne
Arbeitswelt GESELLSCHAFT In einer Zeit, in der die Frage über Wissen oder Nichtwissen nur
noch eine Frage des schnellen Internetanschlusses ist, sind dem freien Fluss von Informationen kaum Grenzen gesetzt. Das verändert die Arbeitsbedingungen gewaltig. Auch für Malerbetriebe.
S
einen Kampf gegen die Depression, seine Suche nach
wollten: »Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitge-
Hilfe bei verschiedenen Ärzten, seine Atteste, die ihn
ber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem
eigentlich am Fliegen hindern sollten, all das hatte Co-
Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen
Pilot Andreas Lubitz jahrelang vor den Kollegen und seinem
Schweigepflicht entbunden sein«, forderte z. B. CDU-Ver-
Arbeitgeber verheimlicht. Dann steuerte er ein Flugzeug mit
kehrsexperte Dirk Fischer.
voller Absicht in eine Bergwand hinein, tötete sich und 149 andere Menschen. Sein Geheimnis war auf einmal keines
Heilmittel auf Schmerz und Schreck Der Vorschlag
mehr, und schnell meldeten sich die Stimmen zu Wort, die
von Dirk Fischer ist verständlich: Hätte ein Arzt gegenüber der
ihm das Recht auf dieses Geheimnis ganz absprechen
Fluggesellschaft die psychischen Probleme ihres Angestellten
70 • Mappe 09/15
erwähnt, wäre Andreas Lubitz wohl nicht die Verantwortung für so viele Menschenleben übertragen worden. Die Schweigepflicht hatte dem freien Fluss notwendiger Informationen den Weg versperrt. Der Vorschlag von Dirk Fischer ist aber auch typisch. Ihm
Definition
Durchlässig bis durchschaubar Transparenz definiert der Duden als Durchlässigkeit, Durchsichtigkeit
ähneln viele der Maßnahmen, mit denen die Politik auf (Bei-
oder auch Durchschaubarkeit. Der Begriff »Transparenz« wird im täg-
nahe-)Katastrophen reagiert: Nach dem Attentat auf Charlie
lichen Sprachgebrauch verwendet um auszudrücken, dass etwas klar er-
Hebdo diskutierte der Bundestag erneut die Vorratsdaten-
kennbar sein soll. Im Zusammenhang mit Datensicherheit ist der Be-
speicherung, die NSA rechtfertigt ihre weltweite Spionage-
griff oftmals negativ belegt. Vom gläsernen Kunden ist die Rede oder
und Datensammelwut damit, dass so terroristischen Anschlä-
schlichtweg von Datenmissbrauch. Transparenz hat aber ebenso posi-
gen vorgebeugt werde. Ein missglückter Anschlag auf ein US-
tive Synonyme, die oft in Zusammenhang mit Organisationen und Un-
Passagierflugzeug brachte die Nacktscanner an Deutschlands
ternehmen fallen: Eine offene Kommunikation gegenüber Mitarbeitern
Flughäfen und der 11. September 2001 das Terrorismusge-
und Bürgern soll Korruption, Ineffizienz, sozialen und ökologischen
setz, das dem Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz den
Schaden abwenden.
Abruf von Fluggast-Daten erlaubt. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser noch lang fortsetzbaren Liste: mehr Transparenz. Mehr Transparenz macht aus einer gefährlichen Welt ei-
tagsabgeordneten zu kontrollieren. Bürger befragen Politiker
ne beherrschbare und aus unberechenbaren Mitmenschen
zu Projekten, Themen, ihrem Verhalten, ihren Zielen – und
klare Freunde oder Feinde.
zwar für jeden und jahrelang genau nachlesbar. Daneben veröffentlicht abgeordnetenwatch.de das Abstimmungsverhal-
Das Zeitalter der Transparenz Aber nicht nur dort,
ten und die Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Kurzum:
wo wir um unsere Sicherheit fürchten, ist »Mehr Transparenz«
Politik soll transparenter werden, im Sinn von: durchschaubar,
der Ruf der Stunde. US-Präsident Barack Obama versprach bei
nachvollziehbar und verbindlich.
seinem Amtsantritt eine »Ära der Regierungstransparenz«, Whistleblower wie Edward Snowden werden zu Helden stili-
Permanente Beobachtung Was für die Politik abge-
siert, weil sie Transparenz in die Machenschaften von Ge-
ordnetenwatch.de ist, sind den Unternehmen Onlineplatt-
heimdiensten bringen, die Grünen rühmen sich selbst für ihre
formen wie soziale Medien, Blogs oder Bewertungsportale,
transparente Urwahl und die Piraten gründeten ihren Wahler-
sagt Unternehmensberater Klaus Eck. »Wer die digitale Öf-
folg 2011 in Berlin auf der Idee der vollständigen Transparenz
fentlichkeit lieber ignoriert, muss dafür einen hohen Preis zah-
in der Parteiarbeit. Transparenz ist zum Zauberwort unserer
len (...)«, erklärt er in einem Interview auf dem Blog Socialban-
Moderne geworden, ähnlich strahlend wie »Bio« oder »De-
king20. Täuschen lasse sich die Öffentlichkeit schwer, zu viele
mokratie«. Sein Siegeszug wurzelt in technischen Entwick-
Menschen seien gut informiert und vernetzten sich.
lungen und neuen Kommunikationsmedien.
Dabei reagieren Kunden und das Publikum online auf al-
Seit jeder das, was er sieht und weiß, mit ein paar Klicks ei-
les, was das Unternehmen tut. »Clevere Unternehmen erken-
ner Weltöffentlichkeit unterbreiten kann, hat das Geheimnis
nen, dass sie keine Kontrolle mehr darüber haben, welche In-
einen schweren Stand. Moderne Großrechenzentren können
halte an welchen Stellen zu welcher Zeit konsumiert und ver-
unfassbar große Datenmengen speichern und analysieren.
breitet werden«, schreiben die Autoren Felix und Klaus Holz-
Über das Internet lassen sich diese dann von fast jedem Teil
apfel im Buch »Facebook. Marketing unter Freunden«. Anstatt
der Welt abrufen – schnell, einfach und preisgünstig. Diese
dagegen anzukämpfen, raten sie Firmen, offensiv mit Kritik
beinahe ungebremste Flut von Informationen ändert die Bedingungen für Politik und Wirtschaft gewaltig.
»Sonnenlicht gilt als das beste Desinfektionsmittel« Dieser Ausspruch von Louis D. Brandeis (1856-1941), Richter am Obersten Gerichtshof der USA, war damals genauso wahr wie heute. Werden Entscheidungsprozesse oder Geldflüsse offengelegt, sticht jede Unreinheit sofort ins Auge. Mehr Transparenz bedeutet also immer auch: mehr Kontrolle. Das Portal www.abgeordnetenwatch.de nutzt die Öffentlichkeit und das Gedächtnis
Die Welt in unserer Tasche: Alles, was wir beobachten, können wir über unser Smartphone mit der Öffentlichkeit teilen. Der oder das Beobachtete reiht sich ein in den Informationsstrom des Internets – ob er will oder nicht
des Internets, um die Arbeit der Bundes-
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