Mappe 09/2015

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Die Malerzeitschrift 09/2015

Wissen wie’s geht – wissen was kommt

c h lu ss

21.

Ein reic h u n g ss

Septe m b e r

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Inhalt // Ausgabe 09/2015

36

im Brennpunkt

08

Hersteller und Lieferanten werden Materialpreise und Konditionen härter verhandeln

22

zu beachten, wenn es an die

Planung und Ausführung von Fassadensanierungen geht.

Aktuell //

06 Meldungen 80 Panorama

im Brennpunkt // 08 Der Preis wird heißer

Immer mehr Hersteller und Lieferanten erkennen, dass sie ihr Preismanagement verbessern müssen. Das heißt: dass sie Materialpreise und Konditionen mit den Kunden härter verhandeln werden. Als Malerbetrieb müssen Sie sich darauf gefasst machen und vorbereitet sein.

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54

Technik Viele Aspekte sind

Betoninstandsetzung

Hilfreiche Tipps für den einfachen Betonschutz unterhalb von Eingriffen in die Statik und ohne SIVV-Schein.

Fokus Unser Sonderteil

beschäftigt sich mit aktuellen Lackentwicklungen und Verarbeitungstechniken

Kundenauftrag //

18 Marketing

22 Technik // Fassadensanierung

30 Wandbeläge

36 Betoninstandsetzung

5 Tipps für den kleinen Werbeetat Fassaden prüfen und instandsetzen Tadellos tapezieren Reduzierter Aufwand

41 Wand- und Deckenschleifer Mit großer Reichweite schleifen 44 Personalsuche Erfolgreiche Stellenanzeigen


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Trends & Chancen Transparenz hat für Unternehmen wir auch

für Kunden viele Vorteile. Wir zeigen, warum und wo sich Offenheit lohnt.

Fotos: William87/Fotolia, Mathias Solt/Fotolia

Mineralisch Nicht brennbar Ohne Biozide

Fokus // BAUTENLACKE

48 Bindemittel-Technologie

52 Lackforschung

54 Streichen und rollen

Holzschutz mit Abperleffekt Jetzt wird’s härter

Wasserlacke richtig verarbeiten

58 Spritzsystem Einfacher geht’s nicht 61 Schaufenster Materialien und Produkte

TRENDS UND CHANCEN //

70 Trends erkennen // Transparenz

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Schöne gläserne Arbeitswelt

Chancen nutzen // Transparenz

Sichtbar erfolgreich

Rubriken //

03 Editorial 04 Inhalt 16 Dialog // MALER DES JAHRES 17 Impressum 64 Schaufenster // Materialien und Produkte 68 Malerquellen 82 Vorschau // Heft 10/2015

Die Mappe im Internet // Webseite // www.mappe.de facebook // www.facebook.com/Mappe.Malerzeitschrift pinterest // www.pinterest.com/diemappe

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im Brennpunkt //

PREISPOLITIK Materialhersteller und Händler werden künftig Materialpreise und Konditionen härter verhandeln. Darauf sollten Malerbetriebe vorbereitet sein

s i e r P Der r e ß i e h d r i w

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 MATERIALPREISE Welcher Preis ist der richtige Preis? Stehen Leistungsfähigkeit und

Qualität des benötigten Produkts in akzeptablem Verhältnis und steht die Gesamtforderung meines Lieferanten im Einklang mit seiner Leistung und seinem berechtigten Gewinninteresse? Solche und ähnliche Fragen werden sich Kunden aus der Bauzulieferindustrie und damit auch Malerbetriebe zukünftig öfter stellen müssen – denn Hersteller und Lieferanten hinterfragen zunehmend ihre Preis- und Konditionensysteme.

E

s war ein schöner Auftrag – einer je-

sind bereits per Abschlagszahlung abge-

spricht. Er kann also Probleme schnell erken-

ner Sorte, die von der Arbeit her

rechnet und das Geld ist auch fristgerecht

nen und versuchen, diese abzustellen.

Spaß machten – also nicht nur Nul-

eingegangen. Soweit war also alles in tro-

lachtfünfzehn-Weißware verarbeiten – son-

ckenen Tüchern – dachte sich Sebastian

Wo steckt der Fehler? Sebastian Wolf

dern die das kleine Malerteam auch kreativ

Wolf zu diesem Zeitpunkt noch.

machte sich also an die Nachkalkulation des

forderte und es war von vornherein klar,

35.000 Euro-Auftrags und ging zunächst da-

dass eine ordentliche Ausführung abgelie-

Nachkalkulation – ja oder nein?

von aus, dass Aufwand und Ertrag einiger-

fert werden muss. Sebastian Wolf (Name

Immer noch geht das Gerücht um, dass viele

maßen zusammenpassen müssten. Er selbst

von der Redaktion geändert) und seine Mit-

Malerbetriebe keine oder nur selten eine

war ja auch oft vor Ort und hat mitgearbei-

arbeiter hatten die Baustelle vor zwei Tagen

Nachkalkulation durchführen. Sebastian

tet, da lief die Baustelle rund. Wie sich he-

abgeschlossen.

Wolf gehörte auch einmal zu solchen Betrie-

rausstellte passte es aber nicht! Was war los?

ben. Die Summen schienen meistens zu

Er sah sich die Details an – wie viele Arbeits-

einmal gesaugt und den Müll eingesammelt

stimmen, Arbeit war genug da und es blieb

stunden waren geplant, hatte er Mitarbeiter

und mitgenommen – die Baustelle also so

am Ende des Jahres ein akzeptabler Gewinn

und Materialrechnungen richtig zugeord-

ordentlich verlassen, wie es gemeinhin er-

übrig. Trotzdem – irgendwie wurde Seba-

net? Lief die Arbeit doch nicht so rund, wie

wartet und empfohlen wird. Für den Maler-

stian Wolf das ungute Gefühl nicht los, dass

er dachte? Hatte er womöglich nicht alle zu-

betrieb mit sechs Gesellen und einem Aus-

er vielleicht etwas doch mal genauer hin-

sätzlich ausgeführten Arbeiten abgerech-

zubildenden waren die 35.000 Euro Auf-

schauen sollte. Doch wann? Man hat ja als

net? Er prüfte die typischen Fehlerquellen,

tragssumme in den letzten Wochen eine

Malermeister dafür in der Regel wenig Zeit.

fand aber keinen Fehler. Trotzdem war der

Sie hatten die Baustelle geräumt, noch

gute Beschäftigung. Der Kunde – ein

Inzwischen kalkuliert Sebastian Wolf die

Gewinn viel niedriger als gedacht.

Stammkunde, für den er schon seit zehn

meisten Aufträge konsequent nach und hat

Jahren immer wieder tätig sein darf – wollte

dabei schon manche Baustelle gefunden,

von der Stadtmitte an die Peripherie ziehen

die in der Realität doch nicht so rund lief wie

Liegt es womöglich an hohen Materialkosten? Nach Prüfung aller klas-

und hat sich dort ein Haus mit Garten ge-

es zuerst den Anschein hatte. Sebastian

sischen Fehlerquellen fing Sebastian Wolf

kauft und nun umgebaut.

Wolf lernte daraus und änderte z. B. Arbeits-

nochmal von vorne an. Jetzt wollte er es ge-

abläufe und infomierte die Mitarbeiter bes-

nau wissen und wühlte sich immer tiefer

noch einmal durch alle Räume gegangen.

sere. Jetzt arbeitet er konsequent an der Op-

durch die Zahlen. Der Kaffee auf dem

Gemeinsam haben sie die Malerarbeiten

timierung und sein neues Ziel ist eine mit-

Schreibtisch war schon kalt. Und dann fand

begutachtet. Bis auf zwei kleine Beschädi-

laufende Nachkalkulation, zumindest für

er den entscheidenden Wert: Über 1.100 Eu-

gungen – diese wurden sofort ausgebessert,

größere Objekte. Denn so erkennt er schon

ro mehr hatte er für das Material bezahlt als

das Material war noch im Firmenbulli – hat-

während der Ausführung, wenn die Realität

er kalkuliert hatte! Die nackten Zahlen wa-

te der Kunde nichts zu monieren. Im Gegen-

nicht der Preisgestaltung im Angebot ent-

ren unbestechlich und die sofortige Kontrol-

Sebastian Wolf war mit dem Kunden

teil: Er war mit der Arbeit und dem Ergebnis hochzufrieden. Seine Frau, die nicht so häufig auf der Baustelle war, freute sich über die neuen Oberflächen. Sebastian Wolf freute sich auch, hatte er doch gute Malerarbeiten ausgeführt und dafür auch Markenprodukte

Handlungsempfehlungen für Malerbetriebe

Das sollten Sie tun

 Legen Sie fest, wer außer Ihnen autorisiert ist, Preise und Konditionen festzulegen

und mit dem Lieferanten darüber zu verhandeln

verarbeitet. Das dürfte sich auch für den

 Bauen sie eine Kompetenz für Preisfindung und Preisverhandlung auf

Großhändler ausgezahlt haben. Zwar nahm

 Definieren Sie Prozesse und Verantwortlichkeiten für die Vorbereitung auf Preis-

Sebastian Wolf nicht die großen Material-

verhandlungen mit dem Lieferanten

mengen ab, dafür fast nur Premium-Pro-

 Entwickeln Sie einfache Hilfsmittel für die Verhandlungssituation

dukte mit einer guten Marge.

 Überprüfen Sie regelmäßig Voraussetzungen für die vereinbarten leistungsbezo-

Positiv für Sebastian Wolfs Auftragskal-

genen Konditionen

kulation: Zwei Drittel der Auftragssumme

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Kundenauftrag // MARKETING Auch kleine Werbebudgets haben große Durchschlagskraft!

5 Tipps

für den kleinen Werbeetat

 Werbung Ihr Betrieb ist klein, und das ist auch Ihr Werbeetat? Unsere Tipps, wie Sie

zu kleinem Geld mächtig auffallen!

A

nzeigen schalten für zigtausende

nicht mithalten. Das heißt noch gar nichts

bislang noch nicht gekommen bin? So kön-

Euro? Kundschaft und Interessen-

für den (Werbe-) Erfolg, wie schon David ge-

nen die konkreten Antworten lauten – unse-

ten mit 24-seitigen Hochglanzbro-

gen Goliath vorgemacht hat. Man muss nur

re Tipps:

schüren bewerfen, um Aufträge zu bekom-

die Schwachstelle der Konkurrenz finden

men? Ständig große Firmenveranstaltungen

und ihr etwas entgegensetzen. Denken Sie

mit fünfstelligem Kosteneinsatz und im-

dabei in zwei Richtungen: Wo kann ich mit

Tipp : Machen Sie das Naheliegende ganz anders! Firmenfahrzeuge?

mensem internen Zeitaufwand durchfüh-

kleinem Aufwand etwas anderes machen als

Haben Sie sowieso. Berufskleidung? Haben

ren? Das kann gute Werbung sein, doch sie

die anderen, somit als einzigartig dastehen

Sie sowieso. Ein Firmengebäude? Haben Sie

hat ihren Preis. Gerade kleinere Betriebe tun

und entsprechend auffallen? Und: Welche

sowieso. Warum aber sind Ihre Firmenfahr-

sich schwer, geeignete Werbemaßnahmen

günstigen Werbemedien gibt es, auf die ich

zeuge und Ihre Berufsbekleidung weiß wie

durchzuführen, die zur Betriebsgröße passen und bezahlbar bleiben. Doch wie immer gibt es nicht nur ein Problem, sondern auch Lösungen. Man muss nur um die Ecke denken – denken Sie mit! Hier kommen unsere Anregungen für den kleinen Werbeetat.

Anders als die anderen – und clever bei der Auswahl der Werbemedien. Mit den Großen können Sie bei teuren Werbeformen

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Matthias Eigel, Kaleidoskop Marketing-Service GmbH

»Gute Werbung ist keine Frage der gut gefüllten Werbekasse, sondern der guten Idee. Und immer wieder gilt: Tun Sie es!«


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im Fokus // BAUTENLACKE Die klassische Verarbeitung von Lacken ist die mit dem Pinsel. Sie erfodert jedoch auf das Lackmaterial abgestimmtes Werkzeug

Wasserlacke

richtig verarbeiten  streichen und rollen Mit der Weiterentwicklung der wasserverdünnbaren Lacke

haben sich auch die Verarbeitungsmethoden weiterentwickelt. Wir zeigen Tipps und Tricks für die klassische Verarbeitung mit Streich- und Rollwerkzeugen, um ein hervorragendes Lackierergebnis zu erzielen. Das gängige Arbeitsverfahren zur Untergrundvorbereitung ist maschinelles Schleifen

Kanten und kleine Flächen schleift man mit Hilfe eines Schleifklotzes

Für profilierte Flächen und Kanten haben sich Schleifvliese bewährt

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Vor der Beschichtung mit wasserbasierten Produkten reinigt man die Untergründe mit feuchten Mikrofasertüchern und bindet so den Schleifstaub


W

asserverdünnbare Lacke sind

braucher deutlich sensibler gegenüber um-

möglichen die Verarbeitung ähnlich löse-

das Material der Zukunft. Sie

weltrelevanten Themen geworden sind. Sie

mittelhaltiger Lacke.

zu verarbeiten ist nicht schwer.

stehen chemischen Gerüchen kritisch ge-

Das Leistungsniveau der aktuellen Genera-

genüber und wünschen sich daher immer

tion kann sich mit dem der lösemittelhal-

öfter wasserverdünnbare, geruchsarme

Den Untergrund optimal vorbereiten Eine sehr gute Untergrundvor-

tigen Marktprodukte messen. Die hervorra-

Produkte. Deshalb werden lösemittelhal-

bereitung ebnet den Weg für die perfekte

genden Produkteigenschaften verdanken

tige Alkydharzlacke im Innenbereich kaum

Lackoberfläche. Dazu ist nach dem An-

sie u. a. Bindemitteltechnologien wie Hy-

noch akzeptiert. Das ist aber kein Problem

schleifen des Untergrunds eventuell eine

briden (zwei Bindemittel sind kombiniert)

mehr, denn die heutige Qualität und die

Grundbeschichtung mit einer wasserver-

und Tribriden (drei Bindemittel sind kombi-

Verarbeitungseigenschaften wasserver-

dünnbaren Grundierung oder einem Vor-

niert). Solche Bindemittelkombinationen

dünnbarer Lacke lassen sich in keiner Weise

lack nötig. Maschinelles Schleifen mit

beeinflussen Faktoren wie Verarbeitung,

mehr mit den Produkten von vor zehn Jah-

Staubabsaugung ist das gängige Arbeits-

Trocknung und Nutzungseigenschaften

ren vergleichen. Die Kombination von Bin-

verfahren. Tipps: Ideale Schleifmittel setzen

positiv. Ausschlaggebend für die perfekten

demitteln mit verschiedenen Eigen-

sich nicht schnell zu und verursachen keine

Oberflächen bleibt aber weiterhin der Ver-

schaftsprofilen und z. B. Polyurethan er-

Probleme mit thermischer Aufheizung. Für

arbeiter und mit ihm sein Wissen, seine Erfahrung und damit die fachgerechte Verarbeitung dieser Lacke. Diese Erfahrung kann

Glatte Türen mit der Rolle beschichten

der Verarbeiter auch in Workshops – u. a. angeboten von den Lackherstellern – ausbauen und dort sein Wissen im Dialog mit erfahrenen Anwendungstechnikern sowie in Gesprächen mit Kollegen aus der Malerbranche vertiefen.

Anwendungsfall Türlackierung Verschiedene Lackoberflächen befinden sich permanent im Blickfeld des Kunden. Ein typisches Beispiel dafür sind Türen und Türfutter, deren Lackoberflächen sich di-

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6

rekt auf Augenhöhe befinden. Perfekte Ergebnisse beim Beschichten lassen sich dabei mit Streich- und Rollwerkzeugen erzielen. Einige Tipps und Tricks muss man allerdings beachten, damit Verarbeiter und Kunde zufrieden und glücklich sind. In der Beratungsphase für solche Aufträge stellt man vermehrt fest, dass Ver-

Zuerst beschichtet man die Kanten (1). Befindet sich anschließend Lackmaterial auf der

Fläche des Türblattes, zieht man diesen überschüssigen Lack sofort mit einem speziell

dafür entwickelten Kunststoffspachtel ab. Mit der Lackiermethode »Streichen in Streifen« (2) trägt man den Lack in einzelnen Streifen auf das Türblatt auf und verschlichtet ihn anschließend ansatzfrei auf der gesamten Fläche (3). Dabei sollte man das Lack-

material nicht »auf null« ausstreichen! Nach dem Verschlichten rollt man die Fläche in Querrichtung ab (4), um anschließend mit dem Abrollen in Längsrichtung das geLackierungen mit einer guten Oberflächenqualität erzielt man mit Mikrofaserrollen mit 5 mm Florhöhe (rechts). Bei Premium-Lackierungen trägt man den Lack mit einer höherflorigen Mikrofaserrolle (Mitte) auf, verteilt ihn und bearbeitet die Fläche danach mit einer PU-Feinschaumrolle (links)

wünschte Finish zu geben (5). Die sichtbare Rollstruktur enspannt sich während der

Trocknung. Abweichend von dieser Standardausführung lässt sich die Qualität lackierter Oberflächen weiter perfektionieren. Dazu setzt man nach dem Auftragen und Verteilen des Lackmaterials eine Feinschaumrolle ein (6). So erzielt man eine feinere Oberflächenstruktur, die besonders gut verläuft.

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Trends erkennen // TRANSPARENZ Unter Beobachtung: Unternehmen und Menschen werden heutzutage immer leichter zu durchschauen – oder zumindest fordern das viele. Das verändert unsere Arbeitswelt gewaltig

Schöne gläserne

Arbeitswelt GESELLSCHAFT In einer Zeit, in der die Frage über Wissen oder Nichtwissen nur

noch eine Frage des schnellen Internetanschlusses ist, sind dem freien Fluss von Informationen kaum Grenzen gesetzt. Das verändert die Arbeitsbedingungen gewaltig. Auch für Malerbetriebe.

S

einen Kampf gegen die Depression, seine Suche nach

wollten: »Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitge-

Hilfe bei verschiedenen Ärzten, seine Atteste, die ihn

ber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem

eigentlich am Fliegen hindern sollten, all das hatte Co-

Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen

Pilot Andreas Lubitz jahrelang vor den Kollegen und seinem

Schweigepflicht entbunden sein«, forderte z. B. CDU-Ver-

Arbeitgeber verheimlicht. Dann steuerte er ein Flugzeug mit

kehrsexperte Dirk Fischer.

voller Absicht in eine Bergwand hinein, tötete sich und 149 andere Menschen. Sein Geheimnis war auf einmal keines

Heilmittel auf Schmerz und Schreck Der Vorschlag

mehr, und schnell meldeten sich die Stimmen zu Wort, die

von Dirk Fischer ist verständlich: Hätte ein Arzt gegenüber der

ihm das Recht auf dieses Geheimnis ganz absprechen

Fluggesellschaft die psychischen Probleme ihres Angestellten

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erwähnt, wäre Andreas Lubitz wohl nicht die Verantwortung für so viele Menschenleben übertragen worden. Die Schweigepflicht hatte dem freien Fluss notwendiger Informationen den Weg versperrt. Der Vorschlag von Dirk Fischer ist aber auch typisch. Ihm

Definition

Durchlässig bis durchschaubar Transparenz definiert der Duden als Durchlässigkeit, Durchsichtigkeit

ähneln viele der Maßnahmen, mit denen die Politik auf (Bei-

oder auch Durchschaubarkeit. Der Begriff »Transparenz« wird im täg-

nahe-)Katastrophen reagiert: Nach dem Attentat auf Charlie

lichen Sprachgebrauch verwendet um auszudrücken, dass etwas klar er-

Hebdo diskutierte der Bundestag erneut die Vorratsdaten-

kennbar sein soll. Im Zusammenhang mit Datensicherheit ist der Be-

speicherung, die NSA rechtfertigt ihre weltweite Spionage-

griff oftmals negativ belegt. Vom gläsernen Kunden ist die Rede oder

und Datensammelwut damit, dass so terroristischen Anschlä-

schlichtweg von Datenmissbrauch. Transparenz hat aber ebenso posi-

gen vorgebeugt werde. Ein missglückter Anschlag auf ein US-

tive Synonyme, die oft in Zusammenhang mit Organisationen und Un-

Passagierflugzeug brachte die Nacktscanner an Deutschlands

ternehmen fallen: Eine offene Kommunikation gegenüber Mitarbeitern

Flughäfen und der 11. September 2001 das Terrorismusge-

und Bürgern soll Korruption, Ineffizienz, sozialen und ökologischen

setz, das dem Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz den

Schaden abwenden.

Abruf von Fluggast-Daten erlaubt. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser noch lang fortsetzbaren Liste: mehr Transparenz. Mehr Transparenz macht aus einer gefährlichen Welt ei-

tagsabgeordneten zu kontrollieren. Bürger befragen Politiker

ne beherrschbare und aus unberechenbaren Mitmenschen

zu Projekten, Themen, ihrem Verhalten, ihren Zielen – und

klare Freunde oder Feinde.

zwar für jeden und jahrelang genau nachlesbar. Daneben veröffentlicht abgeordnetenwatch.de das Abstimmungsverhal-

Das Zeitalter der Transparenz Aber nicht nur dort,

ten und die Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Kurzum:

wo wir um unsere Sicherheit fürchten, ist »Mehr Transparenz«

Politik soll transparenter werden, im Sinn von: durchschaubar,

der Ruf der Stunde. US-Präsident Barack Obama versprach bei

nachvollziehbar und verbindlich.

seinem Amtsantritt eine »Ära der Regierungstransparenz«, Whistleblower wie Edward Snowden werden zu Helden stili-

Permanente Beobachtung Was für die Politik abge-

siert, weil sie Transparenz in die Machenschaften von Ge-

ordnetenwatch.de ist, sind den Unternehmen Onlineplatt-

heimdiensten bringen, die Grünen rühmen sich selbst für ihre

formen wie soziale Medien, Blogs oder Bewertungsportale,

transparente Urwahl und die Piraten gründeten ihren Wahler-

sagt Unternehmensberater Klaus Eck. »Wer die digitale Öf-

folg 2011 in Berlin auf der Idee der vollständigen Transparenz

fentlichkeit lieber ignoriert, muss dafür einen hohen Preis zah-

in der Parteiarbeit. Transparenz ist zum Zauberwort unserer

len (...)«, erklärt er in einem Interview auf dem Blog Socialban-

Moderne geworden, ähnlich strahlend wie »Bio« oder »De-

king20. Täuschen lasse sich die Öffentlichkeit schwer, zu viele

mokratie«. Sein Siegeszug wurzelt in technischen Entwick-

Menschen seien gut informiert und vernetzten sich.

lungen und neuen Kommunikationsmedien.

Dabei reagieren Kunden und das Publikum online auf al-

Seit jeder das, was er sieht und weiß, mit ein paar Klicks ei-

les, was das Unternehmen tut. »Clevere Unternehmen erken-

ner Weltöffentlichkeit unterbreiten kann, hat das Geheimnis

nen, dass sie keine Kontrolle mehr darüber haben, welche In-

einen schweren Stand. Moderne Großrechenzentren können

halte an welchen Stellen zu welcher Zeit konsumiert und ver-

unfassbar große Datenmengen speichern und analysieren.

breitet werden«, schreiben die Autoren Felix und Klaus Holz-

Über das Internet lassen sich diese dann von fast jedem Teil

apfel im Buch »Facebook. Marketing unter Freunden«. Anstatt

der Welt abrufen – schnell, einfach und preisgünstig. Diese

dagegen anzukämpfen, raten sie Firmen, offensiv mit Kritik

beinahe ungebremste Flut von Informationen ändert die Bedingungen für Politik und Wirtschaft gewaltig.

»Sonnenlicht gilt als das beste Desinfektionsmittel« Dieser Ausspruch von Louis D. Brandeis (1856-1941), Richter am Obersten Gerichtshof der USA, war damals genauso wahr wie heute. Werden Entscheidungsprozesse oder Geldflüsse offengelegt, sticht jede Unreinheit sofort ins Auge. Mehr Transparenz bedeutet also immer auch: mehr Kontrolle. Das Portal www.abgeordnetenwatch.de nutzt die Öffentlichkeit und das Gedächtnis

Die Welt in unserer Tasche: Alles, was wir beobachten, können wir über unser Smartphone mit der Öffentlichkeit teilen. Der oder das Beobachtete reiht sich ein in den Informationsstrom des Internets – ob er will oder nicht

des Internets, um die Arbeit der Bundes-

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