CALLWEY
4
VORWORT Drei Dinge muss ein perfekter Koch meisterhaft beherrschen: Die Schnitttechnik (nach dem Motto: „Gut Geschnittenes schmeckt gut.“) und die Kontrolle von Temperatur sowie Garzeit. Für Ersteres muss er wissen, wie er sein Messer – sein wichtigstes Handwerkszeug – behandelt und pflegt. Diese Stahlklinge verträgt keine Kompromisse. Der Griff muss zur Hand und die Klingenlänge zum jeweils zu schneidenden Produkt passen. Das Schärfen der Klinge ist ein enorm wichtiger Aspekt. Miyamoto Musashi bezeichnete in einem seiner Bücher den Messerschleifer als „Schärfer der Klinge, Schärfer der Seele.“ Marius le Rémouleur ist einer dieser Künstler, der eine Klinge genauso gut schärfen kann wie die Seele. Ein Koch wählt seinen Messerschleifer mit Bedacht aus. Für mich war die Begegnung mit Marius von großer Bedeutung. Dieser Mann, der selbst als Koch gearbeitet hatte, kennt sich bestens mit dem wichtigsten Werkzeug des Kochs aus: dem Messer. Thierry Marx
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
G N U T I E L N I E MARIUS LE RÉMOULEUR (MARIUS DER SCHERENSCHLEIFER) IN SEINEM „LONDON TAXICAB“
Didier Mouche, alias „Marius“, arbeitete lange als Koch und schärfte damals seine Messer selbst. Eines Tages entschloss er sich, den Beruf zu wechseln und Scherenschleifer zu werden. Er besuchte einen dreimonatigen Kurs am FCTV (Ausbildungszentrum für Fleischverarbeitung) in Beaumarchés (Gers), um verschiedene Schleiftechniken zu erlernen und sich über die unterschiedlichen Varianten der Schneidengeometrie, Klingenformen, Schleifsteine und -maschinen zu informieren. Die Idee, das alte Metier des Scherenschleifers neu zu beleben, hatte er in einem Londoner Taxi. Er arbeitet für Profiköche ebenso wie für Privatkunden. Nach Terminabsprache besucht Marius seine Kunden vor Ort und schleift dort alle Arten von Messern, Scheren und Klingen. Die Arbeiten werden sofort in seinem altertümlichen „London Cab“ ausgeführt. Mithilfe seines Vaters hat Marius den hinteren Teil des Taxis in eine mobile Schleifwerkstatt mit Strom- und Wasserversorgung umgebaut, sodass er überall parken und arbeiten kann. Marius bedient inzwischen 587 verschiedene Kunden, darunter Restaurants, Metzgereien, Fischgeschäfte und viele andere Betriebe, die mit Schneidwaren arbeiten. Im Zusammenhang mit diesem Buchprojekt hatte die Fotografin Emanuela Cino die Idee, die verschiedenen Facetten von Marius’ Arbeit vorzustellen. Über das Buch verteilt werden Menschen und Betriebe, die mit Marius zusammenarbeiten, kurz vorgestelllt. Darunter Restaurants wie das LaTarte, Les Amis des Messina und Les Fous de l’île oder La Boucherie moderne und La poissonnerie de Monge.
15
Marius zählt auch einige Größen der französischen Gastronomieszene zu seinen Kunden wie Thierry Marx, der uns freundlicherweise empfing und sich die Zeit nahm, das Vorwort zu schreiben.
Marius tummelt sich heute in den Straßen von Paris und im Umland. Am 15. Juni 2016 hat er ein zweites Taxi in Betrieb genommen. Seit September bietet ein weiteres Taxi einen speziellen Service für Gravuren an. Und weil Marius nur so vor Ideen sprüht, werden wir in der Zukunft bestimmt noch weitere Innovationen von ihm erwarten können. DER SCHNITT – EIN WICHTIGER UND BEDEUTUNGSVOLLER BEWEGUNGSABLAUF DER KOCHKUNST
Wir haben Marius vor zwei Jahren auf einer Fachmesse kennengelernt. Er präsentierte dort den Beruf des Messerschleifers, die verschiedenen Techniken des Schleifens und natürlich sein Konzept einer mobilen Werkstatt. Wir tauschten uns intensiv über seinen früheren Beruf des Kochs und sein neues Metier aus. Danach haben wir oft bei dem einen oder anderen leckeren Essen über verschiedene Projekte diskutiert. Und dabei kam uns spontan die Idee, das Wissen um Messer und Schneidetechniken weiterzugeben.
Um gut zu kochen, braucht man gutes Werkzeug und vor allem gute Messer. Für das Schneiden, Tranchieren oder Zerkleinern gibt es Messer, die hinsichtlich Form und Klinge speziell dafür entwickelt wurden. Natürlich sind solche Messer nicht ganz billig. Die Vielfalt an Messern ist gewaltig, und jedes erfüllt eine oder mehrere bestimmte Funktionen in der Küche. Oft erweist sich die Wahl des richtigen Werkzeugs als nicht so einfach: Koch-, Fleisch- oder Filiermesser? So kam uns die Idee, mit Marius ein Messerbuch zu machen. Wir wollten dabei die Wahl des zu den jeweiligen Zutaten passenden Messers und der entsprechenden Schneidetechnik in den Vordergrund stellen.
Wir haben die Messer entsprechend der Hauptzutaten – Fisch, Fleisch, Gemüse sowie Backwaren, Käse und Obst – in Gruppen zusammengefasst und uns einfache Rezepte ausgedacht, die die wichtigsten Schnitttechniken vorstellen. Fisch filetieren, Carpaccio schneiden, parieren, entbeinen, Brunoise schneiden – all das lernen Sie kennen!
17
BEVOR ES ANS KOCHEN GEHT
Im Glossar können Sie überprüfen, ob Sie alle benötigten Messer haben und sich Anregungen für den Kauf holen. Sie finden Hinweise zur Pflege der Messer, zum Schärfen und Wetzen – wichtig für ein langes Leben und eine lang anhaltende Schärfe der wertvollen Klingen. Sie werden sehr schnell verstehen, dass ein stumpfes Messer gefährlich ist und beim Kochen viel Zeit und Energie kostet.
So gerüstet können Sie ans Kochen gehen. Zu jedem Rezept finden Sie ein Piktogramm mit den Messern, die für die Zubereitung benötigt werden. Die verschiedenen Schnittvarianten werden detailliert Schritt für Schritt erklärt, damit Sie sie gut umsetzen können. Mélanie Martin
19
20
ÜBERBLICK
VORWORT ................................................... 5 EINLEITUNG ................................................ 15 FISCH ......................................................... 32 FLEISCH ..................................................... 74 GEMÜSE ................................................... 116 BACKWAREN, KÄSE UND OBST ................. 152 DIE TECHNIKEN .........................................184 INHALT .....................................................188
21
22
23
DAS MESSER : ANATOMIE
DIE SCHNEIDE: Sie bildet die Verlängerung der beiden Flächen der Klinge. Die Schneide wird durch das Schleifen geformt. Der Winkel der Schneide muss über die gesamte Länge des Messers gleich sein. Am Rand der Schneide befindet sich die Schneidekante.
Klingenspitze
DIE SCHNEIDEKANTE (GRAT): Dies ist der eigentlich schneidende Teil eines Messers. Er ist mit bloßem Auge nicht zu sehen und sehr empfindlich: Die Kante kann sich verformen, ausbrechen oder verbiegen. Durch den Gebrauch des Messers nutzt sich dieser Grat ab. Er muss durch das Wetzen mit einem Wetzstahl immer wieder aufgefrischt werden. Dieser Grat bestimmt letztlich die Schnittleistung eines Messers.
Klingenblatt
Schneidekante (Grat)
DER KROPF: Der Kropf wird auch Handschutz genannt und schützt die Hand beim Führen des Messers.
Schneide
DIE NIETEN: Mit diesen Hohlnieten sind die beiden Griffschalen am Erl und damit an der Klinge befestigt.
Kropf
Nieten
Griff
24
25
SCHLEIFEN
DAS SCHLEIFEN Damit ein Messer gut schneidet, muss man ihm zur optimalen Schneidefähigkeit verhelfen. Sobald ein Wetzen des Messers nicht mehr ausreicht, muss es geschliffen werden. Bei diesem Schritt bringt man unter Einsatz spezieller Werkzeuge die Schneide wieder in ihre optimale Form und verpasst ihr einen präzisen Abzug.
DIE VIER SCHRITTE BEIM SCHLEIFEN Die Schneide in Form bringen: Dazu wird auf der
Die Klinge polieren: In diesem Schritt werden Ril-
gesamten Länge der Schneide eine dünne Schicht
len und Kratzer entfernt, die durch den Gebrauch
Metall abgetragen, bis sich ein Grat bildet. Das
oder beim Formen der Schneide entstanden sind.
Ziel ist ein über die gesamte Klingenlänge kons-
Das Polieren verringert den Reibungswiderstand
tanter, mittig ausgerichteter Schneidewinkel.
der Klinge beim Kontakt mit dem Schneidegut.
Das Entgraten: Hierbei wird der Grat entfernt,
Das Ausrichten der Schneidekante: Dieser letzte
der sich beim In-Form-bringen der Schneide
Schritt beim Schleifen erfolgt mit dem Wetzstahl.
gebildet hat. Der Grat sitzt als dünner Metallaufwurf direkt auf der Schneidekante vorn an der Schneide. Wird er entfernt, wird die eigentliche Schneidekante sichtbar.
26
Danach wird das Messer gereinigt; nun ist es gebrauchsfertig.
DIE WERKZEUGE VON MARIUS 1
Mit dem grauen Trockenschleifstein (800er-
Körnung) wird eine beschädigte Messerklinge
4
wird die Schneide präzise ausgerichtet.
mit Ausbrüchen wieder in ihre ursprüngliche 5
Form gebracht. 2
Mit dem weißen Trockenschleifstein (sehr
tet und geformt.
1
4
Mit der Stoffscheibe und Polierpaste wird die
Messerklinge poliert.
feine 1200er-Körnung) wird die Schneide bearbei-
3
Mit der Baumwollscheibe und Schleifpaste
6
Mit der Lederscheibe erhält die Schneide ihren
letzten Schliff, damit sie rasiermesserscharf ist.
Mit dem Nassschleifstein entfernt man den Grat.
2
5
3
6
27
WETZEN
DAS WETZEN Damit ein Messer gut schneidet und diese Fähigkeit auch möglichst lange behält, muss man es entsprechend pflegen. Hierzu ist das Wetzen wichtig. Mit dem Wetzen möchte man die durch das Schleifen geschaffene Schneidekante und den Schneidewinkel möglichst lange erhalten. Bei diesem Vorgang wird die Schneidekante wieder mittig zur Schneide ausgerichtet. Wetzen sollte man regelmäßig und häufig, um die Schneidefähigkeit des Messers möglichst lange zu bewahren.
Zum Wetzen verwendet man einen Wetzstahl. Messer und Wetzstahl müssen sauber sein. Der Wetzstahl besteht aus einem hartverchromten Stahlstab und einem Griff. Die Spitze ist magnetisiert, um die beim Wetzen abgelösten Metallpartikel festzuhalten. Der Stab kann Riefen (Züge) haben, wenn man die Schneide damit bearbeiten will, oder poliert sein, wenn nur die Schneidekante aufgerichtet werden soll.
DIE BEWEGUNGEN BEIM WETZEN Den Wetzstahl in die eine, das Messer in die
über die gesamte Länge des Wetzstahls. Bei sehr
andere Hand nehmen. Das Messer befindet sich
großen Messern wird die gesamte Klinge in einer
über dem Wetzstahl.
bogenförmigen Bewegung über den Stahl gezo-
1
2
Das Messer so kippen, dass der Winkel zwi-
schen der Klinge und dem Wetzstahl den Winkel der Schneide verlängert. Je nach Messerart variiert der Winkel zwischen 15° und 30°. 3
Die Messerklinge wird rechtwinklig zum
Wetzstahl gehalten. Dann führt man das Messer, beim Griffansatz beginnend, bis zur Spitze
28
gen. Während der Wetzbewegung einen leichten Druck auf die Klinge ausüben, um die Schneidekante zu bearbeiten. Anschließend das Messer unterhalb am Wetzstahl ansetzen, um die andere Klingenseite zu bearbeiten. Den Vorgang 6- bis 8-mal wiederholen – so lange, bis die Schneidekante schön glatt ist.
2
3
1
29