Re2:17 leseprobe

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 2 2017

Tatort Kulturgut Schädlingen jetzt mit schonenden Methoden auf der Spur ERKANNT Studie zeigt Relevanz der Restaurierung

ENTWICKELT Pergamentangussverfahren aus Dresden

ERFAHREN Über den Einsatz von Faksimiles und Reproduktionen


INHALT

TITELTHEMA: SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG Kommentar von Julia Dummer IPM in gemeinsamer Sache

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Papierfischchen auf einem Verpackungschip

Bill Landsberger und Pascal Querner Neuer Materialschädling in der Kulturlandschaft Papierfischchen breiten sich in Museen und Depots aus Lorenc Glozheni Ikonen retten Holzschädlingsbefall im neuen Nationalmuseum in Korce bringt Experten aus Albanien, Frankreich und Österreich zusammen

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Friederike Voigt Schlupfwespen im Einsatz

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Ute Strimmer Die letzte Ruhestätte der Hohenzollern

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Boris Frohberg Interview: Umweltfreundlich Schimmel entfernen

BUCHKONSERVIERUNG UND PAPIERRESTAURIERUNG 30

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Chinesische Export-Tapeten im MAK in Wien

Beate Murr Chinesische Export-Tapeten bezeugen prunkvolles Hofleben unter Maria Theresia Ein ungewöhnlich minimalinvasives Konservierungskonzept aus Wien Rebekka Schulz und Lars Spreer Herausforderung: Fehlstellenergänzung an Pergament Eine Entwicklung aus der Praxis

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Ute Strimmer Schutzumschläge für Weimar

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Ute Strimmer Fragile Noten gesichert

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Digitalisierung eines Originals

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Fotos (v. o. n. u.): Bill Landsberger; MAK/Beate Murr; Recom Art

ORIGINAL UND REPRODUKTION Ursula Schädler-Saub Bewahren von Kulturdenkmalen als gesellschaftliche Aufgabe Anmerkungen zur Restaurierungsethik heute – zweiter Teil Maria Bortfeldt Faksimilieren, um zu erhalten Zum Einsatz von Faksimiles und Reproduktionen in Ausstellungen sowie zur Erhaltung von Farbfotografien Uta Baier Interview: Aus Reproduktionen lernen

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RUBRIKEN 6

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Masterprojekt zu Mario Merz Kompaktwissen Papierrestaurierung Leserbrief Ausstellungen im Reformationsjahr Computertomografie der Jupitersäule Sofortmaßnahmen für antike Stätte von Nimrud Übernahme des Restaurierungskolloquiums Restaurierungsarbeiten in Museen

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BERUF

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FIRMEN & PRODUKTE

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TERMINE Ausstellung Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT

Titelmotiv An einem Einzelobjekt in einer Kirche im süddeutschen Raum konnte der Gemeine Nagekäfer (Anobium punctatum), im Volksmund auch „kleiner Holzwurm“, festgestellt werden. Viele seiner Fraßgänge durchziehen die Holzskulptur und haben zu einem massiven Schaden geführt.

Foto: Stephan Biebl

*Diese tiefe, rot-braunviolette Erdfarbe stammt aus dem Westen von Island. Rund um den Vulkan Snaefellsjoekull gibt es eine außergewöhnliche Vielzahl an Mineralien.

www.kremer-pigmente.com

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SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG UND MIKROBIELLER BEFALL

Bill Landsberger und Pascal Querner

Neuer Materialschädling in der Kulturlandschaft Papierfischchen breiten sich in Museen und Depots aus

Lebendes Papierfischchen auf einem Verpackungschip aus Maismehl

Seit einigen wenigen Jahren treten Papierfischchen (Ctenolepisma longicaudata), eine verwandte Art der besser bekannten Silberfischchen (Lepisma saccharina), in Museen in Deutschland und Österreich regelmäßig auf. Ihr vermehrtes Erscheinen führt zur Entstehung immer weiterer Schäden an Papierobjekten, Fotografien oder Grafiken. Seidenpapier oder Pergamin-Papier kann ihnen als Nahrung dienen. Im Beitrag werden die Biologie des Schädlings, seine Erkennungsmerkmale, das Verschleppen mit Verpackungsmaterialien und Bekämpfungsmethoden wie Reinigung, Diatomeenerde und neue Fallen beschrieben.

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New species of pest in cultural institutions For some years, cases of gray silverfish, a related species of the well-known silverfish, have been occuring frequently in museums. Their increased appearance leads to further damage to paper objects, photographs and graphics. The article describes the biology of these vermin, their identifying features, spreading via packaging materials, and methods of pest control such as cleaning, diatomaceous earth, and new insect traps.

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nem Schabefraß an der Oberfläche von Papier oder Grafiken, bei einem starken Befall auch zu Löchern. Dies ist bereits durch Fälle aus England, den Niederlanden, Österreich und Deutschland bestätigt. Biologie der Papierfischchen Die hauptsächlich nachtaktiven Tiere kommen in Mitteleuropa nur in Gebäuden, meist an dunklen Orten, vor. Tagsüber sind sie manchmal an Wänden zu sehen, werden aber meist für „normale“ Silberfischchen gehalten. Papierfischchen kommen bereits in einigen Museen und Gebäuden vor, bleiben dort aber oft unentdeckt, da sie sich in Spalten verstecken oder zumindest als Papierfischchen unerkannt bleiben. Nur durch den Einsatz von Monitoring-Klebefallen 2/2017

Foto: Bill Landsberger

ABSTRACT

Die Papierfischchen leben wie Silberfischchen in Spalten entlang der Wände, hinter Objekten und in anderen dunklen Ecken. Sie unterscheiden sich zum einen in ihrer deutlich größeren Körperlänge zu den Silberfischchen, zum anderen sind sie im Vergleich zu ihren Verwandten nicht an ein feuchtes Innenraumklima gebunden. Daraus resultiert ein hohes Schadenspotenzial, da auch bei geregeltem Depotklima Archivalien oder Kunstwerke aus Papier zerfressen werden. Dieser Umstand wird Restauratoren und Konservatoren in der Zukunft im Bereich der Schädlingsprävention und dem Integrated Pestmanagement (IPM) noch weiter beschäftigen. Erste Museen in Europa melden Schäden an Objekten: Wie bei den Silberfischchen kommt es zu ei-


sind die Tiere auffällig geworden, und ihre Verbreitung und Häufigkeit konnte nachgewiesen werden. Man findet sie auch hinter Objekten und Bildern, die an der Wand lehnen oder hängen, hinter denen sich die Tiere bei Licht zurückziehen können. In Depots mit schwimmendem Betonboden, also Estrichen mit Dämmschicht, besteht oft ein bis zu zwei Zentimeter breiter Spalt entlang der Wände, in dessen Schutz sich die Tiere verbergen. Silberfischchen benötigen ein feuchtes Klima mit einer Luftfeuchtigkeit von etwa 70 Prozent und mehr. Die Papierfischchen hingegen bevorzugen ein „normales“ Wohnraumklima in Wohnungen und Museen. Optimal für die Entwicklung von Papierfischchen sind Temperaturen von über 20 Grad Celsius sowie eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent, wärmer und trockener als es für Silberfischchen bestmöglich ist. In den letzten Jahren wiesen Beobachtungen zunehmend darauf hin, dass in moderneren Gebäuden von Museen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden Papierfischchen die häufigere und dominantere Art sind als die Silberfischchen. Dies hängt vermutlich mit der Zentralheizung in Wohnungen und Gebäuden und der damit gleichmäßigen Wärmeverteilung in den Räumen zusammen. Häufig sind aber mikroklimatische Abweichungen mit Stellen erhöhter Feuchtigkeit oder Temperatur dafür entscheidend, dass geeignete Lebensbedingungen herrschen. Genaue Präferenzen der Tiere und andere Forschungsergebnisse fehlen aber noch. Die Larven entwickeln sich innerhalb von drei Jahren. Imagines, geschlechtsreife Tiere, leben noch zwei bis drei weitere Jahre, mit einer Vermehrungsrate von rund 50 Eiern pro Jahr. Papierfischchen gelten als Material- und Hygieneschädlinge. Als Nahrung dienen ihnen stärke- und zuckerhaltige Materialien und Stoffe wie Mehl, Grieß oder Haferflocken. Die Tiere können aber auch Zellulose verwerten und schädigen Materialien wie Papier, Seidenpapier, Pergamin, Karton oder Tapeten (im Streiflicht sind die abgeschabten Oberflächen und kleinen unregelmäßigen Löcher gut zu erkennen). Dabei zerfressen sie das Material Schicht um Schicht und degradieren dünnere Lagen bis zum Lochfraß. In Wohnungen fressen sie auch Staub, Haare und Hautschuppen des Menschen. Im Fall von Museumsobjekten verursachen Papierfischchen an dickeren Gegenständen wie zum Beispiel Bucheinbänden Schabefraß. An dünnem Seidenpapier, Tapeten oder Papier kann dagegen Lochfraß auftreten. Der Schaden an Museumsobjekten hat in den letzten Jahren stark zugenommen, obwohl Papierfischchen erst seit weniger als zehn Jahren zum Beispiel in Deutschland auffallen. Erkennungsmerkmale und verwandte Arten Das Papierfischchen hat einen abgeplatteten Körper mit grauen Schuppen und am Körperende drei 2/2017

KOMM

ENTAR in

ra to r estau er R l. ip D Dumm Julia

ist Textil- und Lederrestauratorin bei der Museumslandschaft Hessen Kassel

IPM in gemeinsamer Sache IPM oder Biozid? Diese Frage stellt sich heute nicht mehr! Seit den 1980er-Jahren hat sich die Umsetzung des Integrated Pest Management bzw. die ganzheitliche Schädlingskontrolle in Museen mehr oder weniger etabliert. Dies betrifft gleichermaßen Depots wie auch Ausstellungsbereiche. Einschlägige Fachliteratur und IPMKurse ermöglichen jedem Interessierten einen fundierten Einstieg in die Arbeitsabläufe. Entscheidend für den Erfolg des Verfahrens ist, dass die Arbeit kontinuierlich und mit Sorgfalt und Konsequenz durchgeführt wird. Natürlich macht das Arbeit, und sie ist auch nicht spektakulär, solange sich keine Vorkommnisse ereignen. Bei der Anwendung dieses sensiblen Systems muss uns klar sein, dass immer wieder individuell in der jeweiligen Situation nachgedacht und reagiert werden muss. Das Standardverfahren greift so lange, bis der Sonderfall eintritt – wie beispielsweise Resistenzen beim Befall mit Kleidermotten an einem Filzanzug von Joseph Beuys in einer offenen Präsentation, trotz bzw. bei einem Nützlingseinsatz, wie jüngst in unserem Museum geschehen. In einem solchen Fall muss das System in Zusammenarbeit mit spezialisierten Biologen situativer ausgearbeitet werden. Gibt es Optimierungsmöglichkeiten beim Ausbringen der Nützlinge oder haben diese auf eventuell vorhandene Biozidrückstände im Filz stärker reagiert als die Motten? Der Sache wird auf den Grund gegangen. Wir sollten bereit sein, immer weiter dazuzulernen! IPM macht Arbeit und kann nur zum Erfolg führen, wenn innerhalb der Institution das Verfahren akzeptiert und in Zusammenarbeit umgesetzt wird! Die Schwierigkeiten, die uns die Biozidrückstände in unserem Kunst- und Kulturgut bereiten, sind mittlerweile ein gut angedachtes Thema. 15


BUCHKONSERVIERUNG UND PAPIERRESTAURIERUNG

Rebekka Schulz und Lars Spreer

Herausforderung: Fehlstellenergänzung an Pergament Eine Entwicklung aus der Praxis

Pergamentrestaurierung bildet einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt in der Restaurierungswerkstatt der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Dort entwickelten die Restauratoren ein Pergamentangussverfahren für schwerstgeschädigte Pergamenthandschriften. Eine Voraussetzung dafür war die Inbetriebnahme einer in deutschlandweit einmaligen, begehbaren Klimakammer.

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ABSTRACT Voids in parchment The restoration of parchment is one of the key activities of the conservation department of the Saxon State and University Library Dresden (SLUB). Local conservators have developed a technique of restoring severely damaged parchment manuscripts by filling large losses with a parchment and paper fiber suspension – creating a reconstituted parchment. This was made possible by the commissioning of a walk-in climate chamber which is unique in Germany.

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Historischer Hintergrund Die Handschriftensammlung der Restaurierungswerkstatt der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) umfasst Manuskripte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Im Zweiten Weltkrieg lagerten in Dresden viele Schätze der ehemaligen Kurfürstlichen Bibliothek im Tiefkeller des Japanischen Palais. Durch die Bombardierungen im Jahr 1945 bildeten sich Risse im Fundament und Lösch- oder Grundwasser drangen ein. Zahlreiche wertvolle Handschriften durchnässten, was erst Tage später bemerkt werden konnte. Eine notdürftige Lufttrocknung an Auslagerungsorten verhinderte nicht, dass massiver mikrobieller Befall einsetzte und schließlich zu den heute unverändert sichtbaren Schadensbildern führte.

Die SLUB besitzt rund 150 schwer und schwerstgeschädigte Pergamenthandschriften. Darunter befinden sich auch Objekte, die zum Weltdokumentenerbe gehören. Hervorgerufen durch die Wirkung des Wassers, ist an zahlreichen Stellen ein hydrolytischer Abbau, Verhornung und Transparenz des Pergaments sichtbar. Insgesamt handelt es sich um ein sehr komplexes und schwierig zu bearbeitendes Schadensbild, das durch Formatverwerfung, Verblockungen, Fragmentierungen, Substanzverluste und auslaufende sowie verblasste Tinten und Farbmittel gekennzeichnet ist (Abb. 1). Diese Pergamenthandschriften galten bisher überwiegend als nicht restaurierbar. Bis in die 1990er-Jahre wurden weniger geschädigte Objekte mit der klassischen Ansetzmethode ähnlich der „Intarsientechnik“ bearbeitet. 2/2017


BUCHKONSERVIERUNG UND PAPIERRESTAURIERUNG

Diese Methode erfordert zur Verklebung einen stabilen, äqualen Überlappungsbereich, der jedoch weder an den versprödeten und höchst fragilen Fehlstellenkanten vorhanden ist, noch geschaffen werden kann. Die Konsequenz wäre der Verlust von Originalsubstanz und im Schriftbereich von Information. Somit ist dies für die schwerstgeschädigten Objekte nicht übertragbar. Ziel der Restaurierung Aus diesem Grund wurde die Anfaserung der Fehlstellen am Objekt favorisiert. Der Vorteil ist eine differenzierte und exakte Fehlstellenergänzung unter Erhaltung der gesamten noch vorhandenen Originalsubstanz. Im Vorfeld fanden eine umfangreiche Literaturrecherche, eine Marktanalyse und der Gedankenaustausch mit Fachkollegen statt. Viele Erfahrungen flossen in die Überlegungen ein. Allein die Bestandteile der verwendeten Rezepturen unterscheiden sich in der Zusammensetzung der Faserstoffe, Lösemittel, Bindemittel sowie Suspensionsvermittler. Die Hauptbestandteile sind dabei Papierfasern und gemahlenes Pergament oder „Hide Powder“. Bewusst sollten auf emittierende und andere Inhaltsstoffe verzichten werden, und erklärtes Ziel war es, die Zubereitung der Suspension einfach und effizient zu gestalten. Eine weitere Herausforderung bestand in der Ergänzung großer Fehlstellen bis zur nahezu vollständigen Blattbildung, die nach dem Trockenprozess kaum Verwerfungen und Spannungen aufweisen dürfen. Die Suspension sollte unter Berücksichtigung der konservatorischen-restauratorischen Aspekte auf materialverwandten Bestandteilen basieren und reproduzierbar herzustellen sein. Herstellung der Fasersuspension Am Anfang stand eine umfangreiche Versuchsreihe, in der unter anderem Bestandteile wie gemahlenes Pergament, Kollagenpasten bzw. 2/2017

Kollagenpulver mit Hadernpapier, destilliertes Wasser, Ethanol, Isopropanol und verschiedenen Bindemitteln in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen angesetzt wurden. Mit den immer wieder leicht abgewandelten Rezepturen wurden Musterflächen angefasert und bewertet. In weiteren Versuchsreihen wurde das gemahlene durch geschliffenes Pergament ersetzt. Der Fasersuspension wurden keine weiteren Zusätze beigemischt. Die Grundrezeptur besteht jetzt aus folgenden Bestandteilen: 3,5 g geschliffenes Pergamentpulver und 1 g Hadernpapier in 300 ml destilliertem Wasser. Dabei ist die Komponente Wasser je nach Ausgangslage variabel zu betrachten. Das Anfaserergebnis ist sehr homogen und entspricht in seinen makroskopischen und haptischen Eigenschaften einem adäquaten Ergänzungsmaterial – einem rekonstituierten Pergament (Abb. 2, 5). Der geringe zeitliche Aufwand für die Herstellung der Fasersuspension und ihre einfache Verarbeitung sind hervorzuheben.

Zu den Autoren Rebekka Schulz arbeitet als Restauratorin für Papier und Bucheinband in der Restaurierungswerkstatt der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Kontakt: rebekka.schulz@slub-dresden. de

Lars Spreer leitet das Referat Restaurierung/Buchbinderei in der SLUB. Kontakt: lars.spreer@slub-dresden.de

Materialanalyse Das Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen FILK (Freiberg) begleitete den Prozess und evaluierte ihn. Es erfolgten Untersuchungen

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1 Schwerstgeschädigte Pergamenthandschrift über „Julius Caesar“ in Latein, mit Marginalien von Pier Candido Decembrio (ital. Humanist), frühes 15. Jahrhundert 2 Lars Spreer bewertet das restaurierte Titelblatt der Handschrift „Julius Caesar“ (Abb.1)

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ORIGINAL UND REPRODUKTION

Maria Bortfeldt

Faksimilieren, um zu erhalten Zum Einsatz von Faksimiles und Reproduktionen in Ausstellungen sowie zur Erhaltung von Farbfotografien

Werden Faksimiles anstelle von Originalen in einer Ausstellung gezeigt, muss es hierzu gute Gründe geben. Schließlich begibt sich der Besucher grundsätzlich in ein Kunstmuseum, um Originale anzusehen. Die Berlinische Galerie setzt bereits seit einigen Jahren vereinzelt Faksimiles und Reproduktionen ein – ein Erfahrungsbericht. 1

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ORIGINAL UND REPRODUKTION

Foto: Kai-Annett Becker/ (v. l. n. r.) VG Bild-Kunst, Bonn 2017; Estate of Georg Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2017/The Heartfield Community of Heirs/VG Bild-Kunst, Bonn 2017; Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2017; VG Bild-Kunst, Bonn 2017/The Heartfield Community of Heirs/VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Zustandsdokumentation mittels spektraler Farbmesswerte

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Um die Farb- und Tonwerte von Farbfotografien zu bewahren, können diese in Form einer Referenz gesichert werden, idealerweise vor dem Auftreten von ersten Farbveränderungen. Als Referenz wird ein Digitalisat erstellt. Dieses kann die Farbwerte richtig darstellen, wenn auf dem Original mittels Spektralfotometer die Farbwerte (Lab-Werte) gemessen und mit der Scan-Datei abgeglichen werden. Der Referenz-Scan kann zur Dokumentation sowie als Grundlage für eine spätere Reproduktion verwendet werden und wurde von der Firma Recom Art Berlin entwickelt.

Die Gründe für den Verzicht des Originals sind vielfältig: Lichtempfindliche Arbeiten auf Papier, die in der Dauerausstellung der Berlinischen Galerie unverzichtbar sind, werden in begründeten Fällen durch ein Faksimile vertreten. Farbfotografien mit ersten Farbveränderungen wurden in Einzelfällen und auf Wunsch der Künstler in Ausstellungen durch eine farbkorrigierte Reproduktion ersetzt. Auch Sicherungskopien von Farbfotografien sind derzeit in der Testphase. Die Überlegungen lassen sich gut anhand der Dada-Sammlung der Berlinischen Galerie nachvollziehen. Diese besitzt die beiden Nachlässe von Hannah Höch und Raoul Hausmann und damit einen umfangreichen Fundus zur Berliner Dada-Bewegung. Das Profil des Museums ist unter anderem auf die Dada-Sammlung ausgerichtet. Über die Webpräsentation und den Museumsführer gibt es eine gewisse Erwartungshaltung der Besucher, diese Werke in der Ausstellung vorzufinden. Dada-Raum in der Berlinischen Galerie So wurde in den Jahren 2011 bis 2013 in der ständigen Ausstellung ein Raum den Dada-Werken gewidmet (Abb. 1). Im Jahr 2016 gab es anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der dadaistischen Bewegung eine weitere Ausstellung mit mehreren Stationen. Hinzu kommen zahlreiche Leihanfragen aus internationalen Ausstellungshäusern. Bei stark nachgefragten und lichtempfindlichen Arbeiten auf Papier werden anstelle des Originals auch Faksimiles im Leihverkehr eingesetzt. Grundsätzlich gilt, dass das Faksimile dabei weltweit nicht zeitgleich mit dem Original an unterschiedlichen Orten gezeigt werden soll. In der Dauerausstellung der Berlinischen Galerie wurde ein Dada-Raum präsentiert, der die DadaMesse in Berlin 1920 zum Thema hatte und diese

Ausstellungsansicht: Ständige Sammlung in der Berlinischen Galerie, Dada-Raum 2011

ABSTRACT Facsimiles in the Berlinische Galerie For some years now, the Berlinische Galerie has been using copies and facsimiles for various functions. There is a number of reasons for this: light sensitive works on paper that are essential for the permanent exhibition are replaced by facsimiles in justified cases. Colour photos that show first signs of colour shift have in some cases been replaced by colour-corrected reproductions on demand of the artists. Backup copies of colour photos are being tested, too.

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