Restauro 05/17

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 5 2017

Museum als Smart Place Perfekte Lösungen für die Kunst INITIATIVE Was bringt uns das Europäische Jahr des Kulturerbes 2018?

FINANZIERUNG Crowdfunding ist jetzt auch im Kulturbetrieb angekommen

MARIA THERESIA Wiener Restaurierungsprojekte anlässlich des 300. Geburtstags der Habsburg-Herrscherin


INHALT

TITELTHEMA: BLICK HINTER DIE KULISSEN

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Das Einganstor zur Cadolzburg in Franken

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Lisanne Kreie Das Spätmittelalter mit allen Sinnen erleben Über den musealen Ausbau der Cadolzburg in Franken

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Uta Baier „Zugunsten anderer Aufgaben wird immer weniger restauriert und konserviert“

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Ute Strimmer Potsdams neuer Kunstpalast

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Ute Strimmer Zwei neue Zentren für preußische Geschichte

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Kristina Presser Der Herr der Uhren

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Friederike Voigt Bayerns Geschichte bekommt ein Haus

Fotos (v. o. n. u.): RESTAURO; Österreichische Nationalbibliothek; Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H./Moritz Krehon, Sammlung Bundesmobilienverwaltung

Kommentar von Gina Grond Spezialisierte Allrounder gefragt

CROWDFUNDING

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Carolin Werthmann Über die Möglichkeiten und Grenzen von Restaurierungen mittels Crowdfunding

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Sabrina Bee und Birgit Speta Die Erbhuldigung Maria Theresias Restaurierung im Rahmen eines Crowdfunding-Projekts

Einband der Erbhuldigung Maria Theresias

MARIA THERESIA

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Lacktafel aus Schloß Schönbrunn

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Dr. Elfriede Iby Von Ostasien nach Österreich Die Restaurierung der sogenannten Chinesischen Kabinette im Corps de Logis des Schlosses Schönbrunn Ute Strimmer Über die Kunstleidenschaft einer Monarchin

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RUBRIKEN 6

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Untersuchung des Altars vom Schloss Tirol Röntgenfluoreszenzspektroskopie Burg Trausnitz: Erste Tapisserien kehren zurück Baukulturwerkstätten starten in Mainz Arbeiten in den Domitilla-Katakomben Was bringt das Europäische Kulturerbejahr 2018? Forschungsprojekt mit Fokus auf Farben Futuro-Haus vor der Pinakothek der Moderne

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BERUF: Wenn Restauratoren unabdingbar werden

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QUALITÄTSSCHMIEDE

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REFERENZ

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FIRMEN & PRODUKTE

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TERMINE Ausstellung Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT

Titelmotiv

Foto: © Museum Barberini/Stefan Müller, Berlin

Seit Januar 2017 ist das neugegründete Museum Barberini in Potsdam des Kunstmäzens Hasso Plattner eröffnet. Die Ausstattung des Museums entspricht den neuesten Hightech-Standards. RESTAURO sprach darüber mit Registrar Anne Barz und Restauratorin Felicitas Klein. Erfahren Sie mehr ab Seite 24.

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BLICK HINTER DIE KULISSEN

Lisanne Kreie

Das Spätmittelalter mit allen Sinnen erleben Über den musealen Ausbau der Cadolzburg in Franken

Eine der mächtigsten Burganlagen Bayerns zeigt jetzt auf rund 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine Zeitreise ins Mittelalter. Vor der Eröffnung gab es viel zu tun. RESTAURO besuchte die Diplom-Restauratorin Inga Pelludat und die promovierte Kunsthistorikerin Uta Piereth vor Ort.

Stolz steht sie da: die mächtige Cadolzburg in Franken

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ABSTRACT Expereincing The Late Middle Ages With All Your Senses One of the mightiest strongholds of Bavaria now offers a journey through time on about 1,500 square metres of exhibition space. There was much to do before the opening. RESTAURO visited graduate restorer Inga Pelludat und art historian Uta Piereth (PhD) on-site.

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KOMM

ENTAR

.A. rond M Gina G

Gina Grond ist Restauratorin an der Kustodie im Kunsthistorischen Seminar der Universität Jena

Spezialisierte Allrounder sind gefragt Die häufig sehr heterogenen Sammlungsbestände bedürfen gut durchdachter Planungen von Depots und Werkstätten. Räumliche und finanzielle Einschränkungen erschweren jedoch meist die Umsetzung. Es stellt sich die Frage, welche Kenntnisse und Skills nötig sind, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine fachgerechte Einrichtung für ein breites Materialspektrum bestmöglich umzusetzen. Restauratoren sind dabei meist nicht nur innerhalb der eigenen Spezialisierung gefragt, sondern müssen in der Lage sein, fehlende Schnittstellen in der Sammlungspflege und Depotverwaltung auszufüllen. Wer frühzeitig den Blick über den Tellerrand gewagt hat und auf Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen Materialien zurückblicken kann, dem fällt auch das Einrichten einer Werkstatt und eines Depots leichter.

Foto: RESTAURO

Erfreulicherweise wird bereits in der Berufsausbildung Wert auf Einblicke in andere Fachbereiche gelegt. Die Herangehensweise fällt jedoch überwiegend zu theoretisch aus, um den hohen Sammlungsanforderungen gerecht zu werden. Sicherlich wäre das verstärkte Einbinden von fachübergreifenden Projektarbeiten in die ohnehin straffen Lehrpläne ebenso schwierig wie notwendig. Entlohnt wird es jedoch durch die Entwicklung stärkerer Restauratoren-Netzwerke und ein frühzeitiges Voneinander-Lernen. Das Eintreten in den Dialog und der Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene sowie interdisziplinäres Arbeiten komplettieren den Fachexperten schlussendlich zum spezialisierten Allrounder.

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CROWDFUNDING

Über die Möglichkeiten und Grenzen von Restaurierungen mittels Crowdfunding Wo die öffentlichen Gelder fehlen, um Ausstellungen zu organisieren, Kunstwerke anzukaufen oder zu restaurieren, unterstützen private Initiativen. Eine weitere Möglichkeit ist Crowdfunding. Damit konnte bereits der Pariser Pantheon restauriert werden. Mittlerweile ist der Trend auch im deutschsprachigen Kulturbetrieb angekommen.

Was wäre eine Ausstellung zum 50-jährigen Jubiläum der Mondlandung von Apollo 11 ohne den originalen Raumanzug von Neil Armstrong? In der für 2019 geplanten Sonderschau im Smithsonian National Air and Space Museum in Washington D.C. würde vermutlich eine große Lücke klaffen, wenn es nicht Tausende von Menschen gegeben hätte, die für die Restaurierung des Raumanzugs spendeten. 500.000 Dollar wurden 2015 in einer Crowdfunding-Kampagne mit dem Titel „Reboot the Suit“ als Ziel angesetzt – und innerhalb kurzer Zeit erreicht. Durch dieses Engagement können derzeit die kostspieligen Materialanalysen und Konservierungsmaßnahmen realisiert werden.

1 Geöffneter Altar mit der Kopie des Heiligen Antonius von Hieronymus Bosch, vor der Restaurierung

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Von Amerika nach Europa Das Smithsonian Institut, Amerikas größter Bildungs-, Forschungs- und Museumskomplex, ist nicht die einzige Einrichtung, die Crowdfunding

erfolgreich für die Restaurierungsvorhaben ihrer Museen einsetzt. Inzwischen gibt es weltweit Kampagnen, die zeigen, dass diese alternative Form der Finanzierung funktionieren kann. Obwohl der Begriff aus dem Amerikanischen übernommen wurde, ist das Modell längst kein amerikanisches Phänomen mehr. Zwar ließ sich der Trend vor dem Jahr 2010 überwiegend in den USA beobachten, doch stieß die Idee, mit wenig Aufwand für den Einzelnen größere Geldsummen aus einer Masse Beteiligter zusammenzutragen, zunehmend auf Interesse in Europa. 2013 bat etwa das Centre des Monuments Nationaux die Bevölkerung um finanzielle Unterstützung. Der Dom des Pariser Pantheon sollte restauriert werden. 5.000 Euro, eine kleine Summe angesichts der Gesamtkosten von 19 Millionen Euro, galt es mittels Crowdfunding einzuspielen. Am Ende der Kampagne waren es 68.565 Euro. Den Rest übernahm 5/2017

Fotos: (1–3) KWFM / Bertram Lorenz

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CROWDFUNDING

die staatliche Kulturförderung. Wenn öffentliche Gelder für die Erhaltung und Bewahrung des Kulturerbes gekürzt werden, müssen Institutionen sich anderweitig orientieren, um gewünschte Projekte zu finanzieren. Crowdfunding ist dabei eine von vielen Methoden und inzwischen auch im deutschsprachigen Kulturbetrieb bekannt. Mit Crowdfunding restaurieren Hierzulande nutzt die Bayerische Schlösserverwaltung Crowdfunding als Ergänzung: Aktuell werden drei Modelle der Wagner-Opern-Bühnenbilder von Ludwig II. mithilfe privater Spenden restauriert. Den Aufruf zur Unterstützung der jeweils aktuellen Projekte liest man auf der Webseite, im monatlich erscheinenden Newsletter und in den Pressemitteilungen. „Der Großteil der Finanzierung ist bereits durch den Etat der Schlösserverwaltung gesichert“, erklärt Claudia Albrecht, zuständig für die Spendeneinnahmen und Öffentlichkeitsarbeit. Der Freistaat Bayern trägt die Erhaltungskosten der Schlösser, und viele andere Arbeiten werden über Eintrittsgelder finanziert. Doch diese reichen für gewisse Konservierungsmaßnahmen oft nicht aus. „Der Unterhalt der historischen Anlagen ist außerordentlich aufwendig und kostspielig“, sagt Claudia Albrecht. „Die Spenden dienen dazu, mehr Kunstwerke zu restaurieren, als wir aus eigenen Mitteln schaffen könnten.“

Was bedeutet Crowdfunding? Nach Definition des Oxford Dictionary wird unter Crowdfunding das Vorgehen verstanden, ein Projekt oder Objekt mit kleineren Geldbeträgen von einer größeren Anzahl von Menschen zu finanzieren. Meist geschieht diese Form der Finanzierung über das Internet. Zumindest bietet das Internet Plattformen, um Projekte zu lancieren, multimedial zu bewerben und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu generieren. Bekannte Plattformen für Crowdfunding-Kampagnen sind zum Beispiel startnext.de, wemakeit.ch, kickstarter.com oder indiegogo.com.

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2 Entwurf der Rahmenprofile nach historischem Vorbild 3 Altar mit fertiger Rahmung, die durch Crowdfunding finanziert werden konnte

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MARIA THERESIA

Dr. Elfriede Iby

Von Ostasien nach Österreich Die Restaurierung der sogenannten Chinesischen Kabinette im Corps de Logis des Schlosses Schönbrunn

Die Restaurierung der beiden sogenannten Chinesischen Kabinette im Schloß Schönbrunn sollte aufgrund der besonders kostbar eingeschätzten Ausstattung mit ostasiatischen Lacktafeln und Porzellanen von einem Forschungsprojekt begleitet und in bewährter Weise als eine Kooperation zwischen der Universität der Angewandten Kunst, Institut für Konservierung und Restaurierung (IKR) und der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. (SKB) umgesetzt werden.

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ABSTRACT From East Asia To Austria The restoration of both so-called Chinese Cabinets at Castle Schönbrunn was accompanied by a research project because of their precious interior consisting of East Asian lacquer panels and porcelain. The project was a cooperation between the well-proven partners of the Institute of Conservation (IKR) and the Schloß Schönbrunn Kulturund Betriebsges.m.b.H. (SKB).

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Fotos: (1, 2) Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H./Alexander Eugen Koller

MARIA THERESIA

Zur Ausstattungsgeschichte der Ostasienkabinette Spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts existierte am Wiener Hof, ähnlich wie an vielen europäischen Fürstenhöfen, eine ansehnliche Sammlung von ostasiatischen Objekten, die nun auch Eingang in einzelne Raumausstattungen fanden. Maria Theresia zeigte eine persönliche Vorliebe für „Indianisches“ (Objekte aus Ostasien), die in exquisiten Raumensembles in verschiedenen habsburgischen Residenzen ihren Platz fanden. So wurden auch in Schönbrunn, der bevorzugten Sommerresidenz Maria Theresias, zwischen 1753 und 1760 die „Chinesischen Kabinette“ angelegt und vermutlich durch den Hofarchitekten Nikolaus Pacassi ausgestattet. (Abb. 1) Bei diesen Kabinetten handelt es sich um Raumensembles, bei denen in die gefassten Holzvertäfelungen ostasiatische Lacktafeln eingelassen sind und in denen sich auf ebenfalls gefassten Konsolen zahlreiche Keramikobjekte, vor allem Porzellanobjekte, befinden (Abb. 2). In den vergangenen Jahren widmete sich die kunsthistorische Forschung der Qualität wie auch der Funktion und Exklusivität der beiden Chinesischen Kabinette im architektonischen Kontext, zumal sie im Zentrum des Corps de Logis als Annexräume der Kleinen Galerie des Schlosses situiert sind. Dabei galt es, die weitgehend privat genutzten Kabinette als Spiel- und Besprechungsräume zu kontextualisieren und zu beurteilen.1 Die Kabinette weisen heute einen Bestand von 242 Porzellanen und zehn Lackfläschchen auf, in der Mehrzahl Objekte chinesischer und japanischer Provenienz wie auch europäische Chinoiserien. Die Erforschung der einzelnen Objekte hat gezeigt, dass es sich hier um einen gewachsenen Bestand unterschiedlicher Datierung und Provenienz handelt. Im Verlauf der cirka 250-jährigen Nutzung durch den habsburgischen Hof kam es bedingt durch Verluste (laut einem Inventar von 1803 waren ursprünglich 303 vorhanden) und durch die Neuintegration von (Ersatz-) Objekten zu Änderungen in der Aufstellungssystematik.

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Die Restaurierung der Raumschale Im Vorfeld der geplanten Restaurierung der beiden Kabinette wurden an der Fassung der Holzvertäfelung entsprechende Untersuchungen durchgeführt, um den Schichtaufbau und möglicherweise damit verbundene ältere Fassungen feststellen zu können. Die punktweise an verschiedenen Stellen durchgeführten Untersuchungen von Isabella Kaml ergaben, dass auf einer polychromen Erstfassung bis zu fünf weitere Weißfassungen in verschiedenen Techniken vorhanden sind (Abb. 3). Auf der ersten polychromen Fassung liegt eine elfenbeinfärbige Weißfassung, bei der es sich im Rundkabinett um eine Polierweißfassung, im Ovalkabinett dagegen um eine in Öltechnik ausgeführte handelt. Nun galt es, auf Basis dieser Erkenntnisse festzulegen, welche Fassung der Holzvertäfelung als Restaurierziel zu definieren ist. Eine polychrome Fassung ist im Rundkabinett durch eine Bildquelle aus der Mitte des 19. Jahrhunderts belegt (Abb. 4), die eine farbige Differenzierung zwischen den Nullflächen (hell-

1 Chinesisches Ovalkabinett des Schlosses Schönbrunn 2 Chinesisches Rundkabinett des Schlosses Schönbrunn, Detail mit Spiegel und Konsolobjekten

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Schönbrunn als Residenzschloß Maria Theresias. Zur Raumdisposition der kaiserlichen Appartements und der Repräsenta-

tionsräume. Beitrag im Tagungsband anlässlich der Ausstellung „Friederisiko“ Potsdam 2012. Online-Publikation auf www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich_friderizianisch

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