RESTAURO 06/2017

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 6 2017

Die Rückkehr der Najade Jetzt sind die Restaurierungen im Park von Sanssouci abgeschlossen IMPULS Was die Berliner Tagung FORWARD brachte

FORSCHUNG Ist das zoologische Präparat ein Objekt der Restaurierung?

EINHEIT Der Rahmen gehört zum Kunstwerk


INHALT

TITELTHEMA: STEINRESTAURIERUNG Kommentar von Dipl.-Rest. Boris Frohberg Für bessere Zusammenarbeit und Unterstützung

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Porträtschau in der Münchner Glyptothek

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Ute Strimmer Münchner Charakterköpfe

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Susanne Brunnenmeier Steinhandwerk erhält fränkische Kultur

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Boris Frohberg Vom dünnen Schutzfilm bis zur starken Verkrustung

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Gerald Ziegenbalg Viel feiner als Gesteinsstaub

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Kristina Presser In Köln kann das Wintersemester jetzt kommen

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Elisabeth Heider Aufgelassene Steinbrüche als Materialquelle

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Uta Baier Die Rückkehr der Najade

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Elisabeth Heider Nicht nur von Pfeilen verletzt

PRÄPARATOREN UND RESTAURATOREN

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Harriet Langewellpott Das zoologische Präparat als Objekt der Restaurierung? Neueste Forschungen aus der Objektrestaurierung Martin Troxler Kampf den Bioziden Schädlingsproblematik im Ausstellungsbereich Naturhistorischer Museen Fotos (v. o. n. u.): RESTAURO; H. Langewellpott 2016; Munch Museum, Oslo

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Uta Baier „Ein Präparat kann durchaus ein Kulturgut sein“

Präpariertes Jungtier eines Großen Ameisenbären

RAHMEN

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Paul-Bernhard Eipper Der Rahmen ist Bestandteil des Kunstwerks Zur Bedeutung originaler Zierrahmen Ute Strimmer Munch liebte es einfach, weiß und rund

Edvard Munchs Gemälde „Die Pubertät“ (Detail)

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RUBRIKEN 6 8 8 8 9 10

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Rettung des Zittauer Epitaphienschatzes Enorme Summen erzielt Die Exponatec setzt 2017 Impulse für die Branche Zauberwörter für erfolgreiches Arbeiten: Flexiblität, Teamfähigkeit, Interesse, Engagement Depotbauten im Fokus

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BERUF

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QUALITÄTSSCHMIEDE

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FIRMEN & PRODUKTE

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TERMINE Ausstellung Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT

Titelmotiv Anfang August stellte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die Skulptur der Najade in der Brunnennische der sogenannte Futtermauer im Sizilianischen Garten in Potsdam auf. Damit fanden die Restaurierungsarbeiten an dieser Stelle im Park von Sanssouci ihren vorläufigen Abschluss. Lesen Sie mehr ab Seite 30.

In Anlehnung an alchemistische Rezepte der Hochrenaissance stellen wir eine neue Grundierung vor. Seit der Spätgotik gibt es braungebeizte holzsichtige Skulpturen, Deckenschnitzereien und die braungebeizten Geigen der Cremoneser Meister.

Foto: Peter-Michael Bauers

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STEINRESTAURIERUNG

Münchner Charakterköpfe 1.000 Jahre griechisches und römisches Porträt von 500 v. Chr. bis 500 n. Chr. präsentiert die Glyptothek in München aktuell anhand ihres reichen Sammlungsbestands sowie hochkarätiger Leihgaben. RESTAURO sprach mit Direktor Florian S. Knauß und den beiden Steinrestauratoren Alfons Neubauer und Olaf Herzog über die aufwendigen Vorarbeiten für die Sonderschau: Zahlreiche Skultpuren wurden aus dem Depot geholt, bei einigen sogar die in den 1960er-Jahren abgenommenen barocken und klassizistischen Marmorergänzungen wieder angebracht.

1 Ein eingespieltes Team: Direktor Dr. Florian S. Knauß (links) und die beiden Steinrestauratoren Alfons Neubauer (Mitte) und Olaf Herzog (rechts)

ABSTRACT Striking Heads From Munich RESTAURO spoke with director Florian S. Knauß and stone restorers Alfons Neubauer and Olaf Herzog of the Glyptothek in Munich. Numerous statues are being retrieved from the depot. In some cases, even the baroque and neo-classic marble extensions removed in the 1960s where reattached.

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„Da die Münchner Glyptothek eine Porträtsammlung von eindrucksvoller Größe und herausragender Qualität besitzt, lag eine Ausstellung zum Bildnis in der Antike nahe,“erklärt Dr. Florian S. Knauß, Direktor der Münchner Institution. „Wir haben sie ,Charakterköpfe’ genannt. Heute verbindet man mit einem Porträt in erster Linie das Gesicht, doch im Altertum konnte das Bild eines Menschen erst vergleichsweise spät auf seinen Kopf reduziert werden. Für die Griechen gehörte zum Bildnis eines Menschen selbstverständlich der Körper dazu, der wichtige Aussagen über die dargestellte Person enthielt. Doch diese oft lebensgroßen, manchmal kolossalen Statuen sind kaum einmal erhalten, schon gar nicht die in der Regel bronzenen Originale. So wird der Besucher

der Ausstellung vor allem Büsten und Einsatzköpfen aus Marmor begegnen. Sie lassen die viri illustres, die Feldherrn und Philosophen, Dichter und Redner, die viele noch aus den antiken Texten kennen, lebendig werden.“ Dr. Christian Gliwitzky, stellvertretender Leiter der Glyptohek, konzipierte und kuratierte die Schau, für die 40 Köpfe aus dem Depot geholt wurden. Jetzt ist der reiche Schatz des Museums, ergänzt um 30 hochkarätige Leihgaben aus großen archäologischen Sammlungen der Welt und aus Privatbesitz, bis Mitte Januar 2018 zu sehen. Die Schau ermöglicht nun einen Rundgang durch 1.000 Jahre Porträtgeschichte. Die Planung für die Ausstellung lief drei Jahre. Gut die Hälfte davon beschäftigten sich die Steinrestauratoren Alfons Neubauer und Olaf Herzog 6/2017

Foto: RESTAURO

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rg ENTAR KOMM or Boris Frohbe

urat -Resta Diplom

mit den Vorarbeiten. „Der Alexandersaal ist für die Sonderschau ganz neu eingerichtet worden“, erzählt Alfons Neubauer. „Der Kraftakt für die Ausstellung war groß. Wir haben jedes Stück bewegt. Die Großskulpturen und Reliefs sind aktuell nicht zu sehen“, fügt Olaf Herzog hinzu. „Von 140 Porträts hat nur eines seinen Platz behalten“, ergänzt Direktor Florian Knauß. Es wurden aber nicht nur neue Porträt-Gruppen gebildet, sondern bei einigen Objekten sogar die in den 1960er-Jahren abgenommenen barocken und klassizistischen Marmorergänzungen wieder angebracht. „Bis ins späte 18., sogar bis ins frühe 19. Jahrhundert war man noch der Auffassung, dass das Ergänzen von Skulpturen eine Verbesserung darstellt“, erklärt Glyptotheks-Chef Florian S. Knauß. „Seit Winkelmann ist man dann zur Überzeugung gelangt, dass man die originale Substanz präsentieren und nichts hinzufügen sollte. Die Ergänzungen schufen in der Vergangenheit prominente Bildhauer. In München haben wir dann den Sonderfall, dass König Ludwig I. 1811/12 noch darauf bestand, die gerade erworbenen Aegineten zu ergänzen. Aus diesem Grund haben wir hier in München noch vergleichsweise späte Rekonstruktionen an den Objekten. Die ganz starke Gegenbewegung kam dann nach dem Zweiten Weltkrieg, als man massiv entrestauriert hat. Damals nahm man alle Ergänzungen ab, und das gilt nicht nur für Stein, sondern auch für Keramik. Heute sind wir der Auffassung, dass dieses radikale Entrestaurieren auch nicht der Königsweg ist. Zum Teil haben wir es jetzt ein wenig rückgängig gemacht. Denn es verkennt natürlich, dass der Museumsbesucher kein Archäologe ist, der sich alles ergänzen kann, sondern Sehhilfen braucht. Eine einheitliche Linie dazu gibt es nicht. Aber wir sind der Meinung, dass eine moderate Ergänzung hilfreich ist. Die Restaurierung sehen wir heute auch als einen eigenen wichtigen Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte an.“ Die historischen Ergänzungen fanden die Restauratoren tatsächlich noch vielfach im Depot. „Der große Wert ist, dass fast alle Ergänzungen, die in den 1960er-Jahren abgenommen wurden, nicht beseitegeschafft wurden, sondern aufgehoben worden sind“, freut sich Alfons Neubauer. „Das ist ein ganz großer Schatz, mit dem man entsprechende Zustände wieder herstellen kann. Bei 6/2017

Der Schwerpunkt des in Berlin lebenden Restaurators liegt auf der Restaurierung von Stein.

Für bessere Zusammenarbeit und Unterstützung Steinrestaurierung ist kein leichtes Unterfangen, steinhart aber ist der Naturstein selten, gelegentlich ist er der Stein des Anstoßes. Der Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und der Wirtschaftlichkeit ist ein Balanceakt. Die durchaus berechtigten Anforderungen der Denkmalämter an die Qualität der Restaurierungsdokumentationen sind im Wettbewerb leider kaum bezahlbar. Daran sind wir aber auch selbst schuld, wenn wir die Leistung nicht kostendeckend anbieten, um uns eine Chance auf die Auftragsvergabe zu bewahren, und nicht das Kulturdenkmal. Es beschäftigt uns auch der knappe Kulturetat, gespart wird, koste es, was es wolle, meistens zu Lasten des Denkmals. Der Konkurrenzkampf wirkt zudem kontraproduktiv. Viele denkmalpflegerische Prozesse können nicht katalogisiert werden, nicht in DIN-Normen gepresst werden. Manche Leistungen sind überhaupt nicht beschreibbar und sollen doch ausgeschrieben werden, da stehen einem die Haare zu Berge, oder man bekommt zu allem Überdruss gleich graue. In der Fachpresse ist schon mal die Rede von Sanierung, Renovierung oder Restaurierung, alles kunterbunt durchgemischt. Die Rekonstruktion kann als Wiederherstellung eines verlorenen Zustands bezeichnet werden, aber hierzulande nicht als Restaurierung, wobei wir beim selben Wortstamm sind. Dies macht die feinen Unterschiede in diesem Fachgebiet aus, hier kommt es auf das Feingefühl an wie in der alltäglichen Umsetzung der Berufsaufgaben. Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung sind ein gangbarer Weg. Den Stein der Weisen werden wir nicht finden, aber bessere Lösungen zur Erhaltung unserer Denkmale und Denkmäler. æ Den ausführlichen Artikel von Dipl.-Rest. Boris Frohberg lesen Sie in Kürze auf www.restauro.de.

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PRÄPARATOREN UND RESTAURATOREN

Harriet Langewellpott

Das zoologische Präparat als Objekt der Restaurierung? Neueste Forschungen aus der Objekrestaurierung

Zoologische Präparate bieten aus materialtechnischer Sicht viele Überschneidungspunkte zu der Arbeitswelt eines Objektrestaurators. Obwohl Präparate auch museale Objekte sind, werden sie selten als Objekte der akademischen Restaurierung wahrgenommen. Ein Beitrag über eine scheinbar verlorene Verbindung zwischen Präparator und Restaurator.

1 Röntgenbildüberlagerte Seitenansicht des Ameisenbären

Normalerweise kommt man einem toten Tier nicht gerne näher, aber die kunstvollen Präparate in Naturkundemuseen sind einfach faszinierend. Während es in Amerika oder England Studiengänge zur Konservierung von naturhistorischen bzw. naturkundlichen Sammlungen gibt, ist das zoologische Präparat im deutschsprachigen Raum nicht als Objekt der Restaurierung bekannt. Dabei gibt es neben der materiellen auch eine historische Überschneidung der Präparatoren und Restauratoren. In den 1950ern kämpften die Arbeitsgemeinschaft der Restauratoren (AdR) und der Verband

deutscher Präparatoren (VDP) eine Zeit lang Seite an Seite für faire tarifliche Entlohnung und geregelte Ausbildungen (Wihr 1996). Kurzzeitig schlossen sich die Restauratoren den Präparatoren und ihrer Publikationsplattform an und veröffentlichten von 1958 bis in die 1960er ebenfalls in der Fachzeitschrift „Der Präparator“. Das Interesse an der Arbeit des jeweils anderen Berufsfelds ist erhalten geblieben, das tiefere Verständnis der Techniken und Herangehensweisen scheint jedoch größtenteils verloren. Dabei sitzen vornehmlich in Landesmuseen oder ethnologischen

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PRÄPARATOREN UND RESTAURATOREN

Gegenüberstellung des „Lebens“ eines Objekts und eines Präparats Wachsen, Sammeln der Materialien Museen mit naturkundlichen Aspekten Restauratoren und Präparatoren manchmal sogar Tür an Tür. Die materialspezifischen Überschneidungspunkte mit Präparaten sind evident. Darüber hinaus kommen an historischen Präparaten kulturhistorische Aspekte zum Tragen, denen auf besondere Weise Rechnung getragen werden muss. Bisher sind die Hersteller der Präparate auch die, welche sie später bearbeiten, restaurieren oder renovieren. Anlass einer Bearbeitung ist oft eine Ausstellung. Dafür wird gereinigt, ergänzt und stabilisiert. Anatomisch inkorrekte

Künstler/(Kunst-)Handwerker fertigt Objekt Benutzung des Objekts

(evtl. Besitzerwechsel) Ende des Gebrauchs (Beschädigt, Hort, Verlust) Unbekannte Lagerung (Erdreich, Schatzkammer, „Dachboden“) Auffindung Bearbeitung durch Geisteswissenschaftler und Restaurator

Präparate werden angepasst, indem Partien neu gefasst und manchmal die künstlichen Körper sogar völlig ausgetauscht werden. Die tabellarische Illustration des „Lebens“ eines Präparats lässt bewusst offen, durch wen die Bearbeitung erfolgen kann. Hier soll nicht das tradierte Recht zur Bearbeitung durch den Präparator infrage gestellt werden, allerdings könnte hier ein Restaurator hinzugezogen und eingebunden werden. Materialien und Pestizide Philipp Leopold Martin und Friedrich Kerz hinterließen teils mehrere Schriften über die Präparation von Säugetieren, Reptilien und Amphibien (Martin 1880, Kerz 1912). Aus diesen Quellenschriften lassen sich die Materialpalette und die Versuche zur Konservierung der Häute um 1900 im deutschen Raum nachvoll6/2017

Leben eines Tieres Präparator fertigt Präparat Ausstellung im Museum oder privat (evtl. Verleih) Ende der Ausstellung (Schaden, Austausch) Depot

Wiederentdeckung Bearbeitung durch ...?

ABSTRACT Taxidermy Mounts As Restoring Objects Seen from the point of material technology, taxidermy mounts have much in common with the working area of object restorers. Although these mounts are museum objects too, they are rarely perceived as objects of academical restoration. An article on the seemingly lost connection between taxidermist and restorer.

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RAHMEN

Paul-Bernhard Eipper

Der Rahmen ist Bestandteil des Kunstwerks Zur Bedeutung originaler Zierrahmen

Der Zierrahmen dient nicht nur zur optischen Einfassung des Gemäldes und dem gleichzeitigen Schutz seiner Kanten. Neben der Halterung für die Aufhängung und die Bleche für die Fixierung des Gemäldes finden sich auf ihm oft wichtige Angaben, wie rückseitige Beschriftungen, Stempel und Aufkleber für den Provenienzforscher. Darüber hinaus aber ist ein originaler Zierrahmen als unveräußerbarer Bestandteil des Kunstwerks anzusehen.

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RAHMEN

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Seit der Gotik ist allgemein anerkannt, dass die Rahmung zum Bild gehört und auch auf dieses abgestimmt ist. So käme bei gotischen Bildtafeln heute niemand auf die Idee, den Rahmen von der Tafel zu trennen. Bei Leinwandgemälden verhält es sich in der Praxis aber leider oft gegenteilig. Hier wird der Rahmen – zeitbedingten Moden gehorchend – durchaus leichtsinnig geopfert, weil als modisches Accessoire begriffen. Oft haben Künstler um die Falztiefe des Zierrahmens gewusst und diesen Teil nicht bemalt, beispielsweise um einer Verklebung der Malschicht im Kantenbereich mit dem Zierrahmen vorzubeugen oder einfach auch um teures Farbmaterial zu sparen. Viele Maler malten jedoch ihre Bilder nachweislich im Rahmen fertig, weil sie bemüht waren, beide Komponenten aufeinander abzustimmen. Einen schriftlichen Beleg zu dieser Praxis liefert uns folgende Tagebucheintragung von Rudolf Schick (1840–1887) aus dem Jahr 1866: „[Arnold] Böcklin [1827–1901] hat heute seinen Goldrahmen zum Petrarka erhalten und dadurch einen frischen Blick für sein Bild bekommen. Jetzt erst konnte er die Sachen, die gegen den Rand stehen, mit Sicherheit stimmen, und konnte links unten große Wurzeln herausgehen lassen, was er vorher nicht gewagt hätte“ (von Tschudi 1898, S. 175). Deshalb stellen auch in diesen Fällen Rahmen und Gemälde eine Einheit dar und dürfen nicht getrennt werden. Berühmte Künstler wie Vincent van Gogh, Franz von Stuck, Edvard Munch oder Friedensreich Hundertwasser (Abb. 9) gestalteten ihre Zierrahmen passend zum Bild und legten großen Wert darauf, dass die Rahmung als Bestandteil des Gemäldes anzusehen ist und nicht veräußerbar ist. Auch heute weniger bekannte Maler, darunter Paul Schad-Rossa (1862–1916) haben bei ihren Gemälden den Zierrahmen stets mitbedacht: Gemälde Eden, um 1900, aus mehreren horizontalen Holzteilen zusammengesetzter Tafel (Abb. 3–4), mit vertikalen Einschubleisten. Beim stark plastischen Zierrahmen finden wir hier eine farbige Fassung (Farbund Bronzepigmente, ölgebunden, Wachspolitur) 6/2017

auf graviertem, ornamentiertem Kreidegrund (Kreide, totgebrannter Gips, Zinkweiß) auf aus mehreren Teilen zusammengesetzten Holzrahmen, mit teilweise geschnitzten Ornamenten. Rahmen und Bild sind zeitgleich entstanden, der Titel des Bildes findet sich graviert oben in der Mitte des oberen Zierrahmen-Architravs (Danzer/Pakesch 2014, S. 130 f.). Eine Trennung der Bildtafel vom Rahmen wäre nicht denkbar, weil sie der Vernichtung eines Teils des Gemäldes gleichkäme. Wenn aber Einrahmer aus lukrativen Gründen schadhaft gewordene oder vom Eigentümer als unpassend empfundene Zierrahmen austauschen möchten, sollte dieses Ansinnen unterbleiben. Es droht nicht nur ein Wertverlust, sondern auch eine Zerstörung der Einheit Rahmen und Gemälde, was die Authentizität der vom Künstler intendierten Gesamteinheit mindert. Im Falle schadhaft gewordener Zierrahmen ist ein Restaurator gefragt und nicht der Einrahmer. Der vom Zierrahmenfalz verdeckte Bereich liefert viele Hinweise auf das Gemälde: Unbemalte Randbereiche des Gemäldes zeigen, dass der Maler zumindest um die Falztiefe des Rahmens wusste oder dass er das Gemälde im Rahmen angefertigt oder fertiggemalt hat, weshalb der Rand unbemalt blieb. Wurde in Eile gerahmt, kam es zu Verklebungen von Rahmen und Malkanten des Gemäldes. Im Falz hat sich die ursprüngliche Farbigkeit besser erhalten, wie auf der dem Licht ausgesetzten Bildfläche. Der Falzbereich belegt auch im gerahmten Zustand ausgeführte Firnisaufträge,

1 Carl O’Lynch of Town, Herbstlandschaft , Um 1900, Pastell/Papier, 56 x 89 cm, Neue Galerie Graz, UMJ, Foto: UMJ 2 August Deusser (1870–1942), expressionistischer Maler, sitzt in seinem Monheimer Atelier vor dem Gemälde Viadukt (Hügellandschaft mit Viadukt) um 1911, DBZ 296/ WVD 100 im Zierrahmen. Am Boden Selbstbildnis um 1911, DBZ 11/ WVD 99. Das Foto nahm ein anonymer Fotograf auf

ABSTRACT The Frame Is Part Of The Artwork Ornamental frames are not only the edges of a painting. In addition to hanging mounts and panel sheets to fixate the painting, often numerous important details can be found here, such as rear inscriptions, stamps, and labels for the provenance researcher. The frame is also to be seen as an inseparable part of the artwork.

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