ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG
NO 1 2019
Zu Besuch auf Mount Stewart Wie der National Trust den ehemaligen Aristokraten-Stammsitz restaurierte BAUHAUS Die Ideenschmiede feiert 100-jähriges Jubiläum
KULTURMARKETING Denkmalpflege als Werbebotschaft?
STAHLROSS Historische Fahrräder liegen im Trend
INHALT
TITELTHEMA: CULTURAL HERITAGE
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Hängung für die Ausstellung in München
Marmorne Schildträger von Tullio Lombardo
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Restaurierung als Werbebotschaft Ein Essay über die Vor- und Nachteile von Kulturmarketing von Diplom-Restaurator Boris Frohberg
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Zu Gast bei der Marquise von Londonderry Kuratorin Frances Bailey vom National Trust gibt Einblicke in die Sanierung und Restaurierung des Anwesens Mount Stewart in Nordirland
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Von Kunst und Macht Vorgeschmack auf die Schau über Florentiner Renaissance-Malerei in der Alten Pinakothek in München
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Welterbe zieht Besucher an Im April 2018 hat das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth nach sechsjähriger Restaurierung wiedereröffnet. Zeit für eine Bilanz
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Die Restaurierung der beiden Schildträger von Tullio Lombardo in der Berliner Skulpturensammlung Chefrestaurator Paul Hofmann, Restaurator Daniel Sandles und Kurator Dr. Neville Rowley vom Berliner Bode-Museum berichten
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Anfassen erlaubt! Die Haptothek in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek vermittelt die Geschichte der Buchkultur
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Verpackung und Versand mit Kunstverstand Hausbesuch bei dem Kölner Kunstlogistiker Hasenkamp
Haptothek, Niedersächsische Landesbibliothek
TECHNISCHES KULTURGUT
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Im Alter kommen die Falten Bewertung der Materialveränderungen am „Rosinenbomber“ im Deutschen Technikmuseum in Berlin
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Fahrrad-Restaurierung Was es bei der Restaurierung von historischen Fahrrädern zu beachten gibt, erklärt Diplom-Restaurator Martin Möbus
Herrenrad „Panzer“ um 1908
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Fotos (v. o. n. u.): Nicole Schmidt; SMB-SBM, A. Voigt, 2015; Maike Kandziora, GWLB; Martin Möbus
Kommentar von Bernd Jäger, Geschäftsführer bei JaKo Baudenkmalpflege (Rot an der Rot) Bilanz zum Europäischen Jahr des Kulturerbes 2018: Was müssen wir tun, um das Kulturerbe nachhaltig zu erhalten?
INHALT
RUBRIKEN 6
KUNSTSTÜCK: 100 Jahre Bauhaus
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BLICKPUNKT Restaurierung von Jean Tinguelys „Méta-Harmonie II“
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BERUF FIRMEN & PRODUKTE
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BUCHBESPRECHUNG: die Lüderssche MittagsSonnenuhr an der Stiftskirche zu Bützow
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TERMINE Ausstellung: „Die Spitzen der Gesellschaft“, Textilmuseum St. Gallen Veranstaltungen Impressum Vorschau
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WIR LIEFERN Cadmiumgelb #21030
PORTRÄT: Dr. Ing. Kerstin Kracht, Gründerin von Dr. Kracht Vibrationsmanagement
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Titelmotiv Der imposante Treppenaufgang mit einem Gemälde von George Stubbs (1724–1806), einer der bedeutendsten europäischen Maler von Tieren und insbesondere von Pferden, ist Teil des Mount Stewart Estate. Das in Nordirland gelegene Herrenhaus der Aristokraten-Familie Stewart gehört seit 1957 dem National Trust, dem britischen Denkmalschutzfonds. Vier Jahre wurde das Anwesen für rund sieben Millionen Pfund restauriert und saniert und kann jetzt wieder besichtigt werden.
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Foto: National Trust/Elaine Hill
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CULTURAL HERITAGE
Restaurierung als Werbebotschaft Kulturmarketing ist inzwischen ein unerlässlicher Pfeiler in der öffentlichkeitswirksamen Vermittlung von Denkmalpflege und steigert das dringende Bewusstsein für unsere Kulturgüter. Auch die Restaurierung wird zunehmend Teil dieser globalen Vermarktung. Doch die gestiegene Aufmerksamkeit birgt auch Probleme
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1 Ansicht eines teilrekonstruierten Tempels in Side, Türkei
ABSTRACT Conservation As An Advertising Message Nowadays, cultural marketing is very important in the effective public communication of monument preservation and increases the urgent awareness of our cultural assets. Conservation is also increasingly becoming part of this global marketing. But the increased attention also brings problems.
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Die globale Vermarktung macht nicht vor Kulturdenkmälern halt, sie befördert diese in zunehmendem Maße. Hierzu dient auch das UNESCOLabel für besondere Sehenswürdigkeiten als Qualitätssiegel für ein Alleinstellungsmerkmal weltweit. Was will man da noch entgegensetzen? Eventuell das Europäische Kulturerbejahr 2018 und den Tag des offenen Denkmals – die wohl größte Kulturveranstaltung Deutschlands – unter dem Motto „Entdecken, was uns verbindet“. Die Präsenz von Denkmalpflege und Restaurierung in den Medien ist stetig gestiegen und trägt zur Vermarktung in zuvor ungekannter Dimension bei. Restaurierung dient als Werbebotschaft und schafft Arbeitsplätze. Die Nutzung als
Projektionsfläche für unterschiedliche ideologische Strömungen, die bis zum Missbrauch durch Fanatiker reichen, darf hier nicht verschwiegen werden. Gerade die Denkmale sind inhaltlich beladen und als nationale Symbole geschaffen. Somit bieten sie eine besondere Ausganssituation und Angriffsfläche. Es bleibt die Mahnung vor ideologischer Kriegführung, gerade durch die Unterschutzstellung. Hierbei sollte die Rolle der UNESCO in diesem Prozess auch kritisch betrachtet werden. Die Restaurierung und der Wiederaufbau von Bauwerken folgt dem allgemeinen Trend und wird in zunehmendem Maße inszeniert. Die intensive Nutzung von Baudenkmalen spricht das medial interessierte Publikum an. Huldigen wir hier aber einer grenzenlosen Vermarktungsstrategie? Die Aufmerksamkeitssteigerung dient durchaus der Strukturförderung, Einnahmen können teils in die Bauwerke oder Museen zurückfließen, denn beides bedingt sich. Kann die Vermarktung als Motor für die Finanzierung der Erhaltungsmaßnahmen angesehen werden? Diverse Altstadt-, Burg-, Schloss- und Kirchenfeste laden Tausende, wenn nicht gleich Zehntausende ein, dem Kommerz sei Dank, alles platt zu trampeln. Die Vereinbarkeit von Festivalnutzung und Denkmalpflege hat ihre Grenzen. Zum einen dienen Jubiläen, Festivals, Ausstellungen als Grundlage für die notwendige Co-Finanzierung. Dem Ideenreichtum bei der Mittelbeschaffung sind anscheinend keine Grenzen gesetzt. Es können die Baudenkmale breiteren Besucherschichten zugänglich gemacht werden und auch ungeahnte Perspektiven eröffnen. Die Legendenbildung aus der Vergangenheit des Objektes heraus zu entwickeln und damit die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit zu steigern, kann zielführend sein. Dagegen ist der Slogan „Weltkulturerbeautobahn“ (im Zusammenhang mit der „Adelung“ des Naumburger Domes in Sachsen-Anhalt), zur Steigerung der touristischen Nachfrage geplant, durchaus irreführend. Dennoch ist eine Autobahn noch nicht zum weltweiten Kulturerbe erklärt worden. Es bleibt die Frage nach dem Nutzen-SchadensAbgleich einer solchen Vermarktung der Sehenswürdigkeiten. Jede extensive Nutzung birgt ihre Probleme für die Restauratoren, wir wissen, dass es Grenzen gibt für den Stress, dem die Originale ausgesetzt werden können. Nicht nur die Ver1/2019
KOMM
ENTAR
Jäger Bernd
Geschäftsführer bei JaKo Baudenkmalpflege. Als Repräsentant des Unternehmens ist er seit 2012 ehrenamtlich als Präsident der Bundesvereinigung „Restaurator im Handwerk e.V.“ und im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz tätig
Bilanz zum Europäischen Jahr des Kulturerbes 2018: Was müssen wir tun, um das Kulturerbe nachhaltig zu erhalten? Was hat das Europäische Jahr des Kulturerbes für uns in Deutschland gebracht? Sind die Erwartungen, die die Macher bzw. die wir als Teil des Kulturerbes in das Jahr gesetzt haben, erfüllt worden? Diese, aber auch andere Fragen stellen wir uns natürlich zu Recht im Rückblick auf das Kulturerbejahr 2018, welches unter dem Motto „Sharing Heritage“ stand. Was schade war, ist sicherlich die Tatsache, dass dieses Jahr in der öffentlichen Wahrnehmung bzw. in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nicht oder nur temporär bzw. geringfügig angekommen ist. Dies liegt natürlich zum einen daran, dass die finanzielle Ausstattung wahrscheinlich zu gering war, um eine flächendeckende Wahrnehmung zu erreichen. Jedoch tritt dadurch auch meines Erachtens ein „hausgemachtes“ Problem an die Oberfläche. In dem „Markt“ Kulturerbe/Denkmalpflege gibt es aus Sicht der Gesellschaft keine Homogenität. Es gibt dort verschiedene „Spieler“, die seit Jahrzehnten nicht an einem Strang ziehen, sondern opportunistisch versuchen, die jeweils anderen „Spieler“ zu degradieren bzw. bloßzustellen. Sollte es uns allen gemeinsam gelingen, diese Wahrnehmung dahingehend zu verändern, dass die Gesellschaft wahrnimmt, dass es zwar völlig unterschiedliche „Spieler“
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gibt, die sich mit dem Kulturerbe beschäftigen, dass aber alle an einem Strang – zum Wohle des großen Ganzen, nämlich unseres Kulturerbes – ziehen, dann kommen dort plötzlich Emotionen wie Leidenschaft und Herzblut zum Ausdruck, die unsere Gesellschaft nachhaltig beeinflussen und beeindrucken werden. Positiv und nachhaltig für dieses Jahr war sicherlich, dass das bisher eher passive Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) sich zu einer aktiven Anlaufstelle für alle Gruppierungen, die sich mit dem Thema Erhalt des kulturellen Erbes beschäftigen, etabliert und gewandelt hat. Ebenfalls ist es dem DNK, allen voran seinem Leiter Herrn Dr. Koch zu verdanken, dass die Etablierung des Themas in der politischen Wahrnehmung stark verbessert wurde. Das Kulturerbejahr 2018 wird nachhaltig dann ein Erfolg, wenn wir alle gemeinsam, zusammen mit dem aktiven Ankerpunkt DNK, versuchen, die Begeisterung und die Leidenschaft, die in unserem Kulturerbe steckt, in die Öffentlichkeit zu transportieren. Wenn wir weiterhin diverse „Kriegsschauplätze“ transportieren, dann spricht in fünf Jahren niemand mehr von dieser beeindruckenden Chance für unser kulturelles Erbe aus dem Jahre 2018.
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Zu Gast bei der Marquise von Londonderry Der National Trust ist eine Art Volksbewegung, die heute vier Millionen Mitglieder hat. Frances Bailey ist Kuratorin bei der englischen Denkmal-Treuhandschaft und leitete das Mammut-Projekt der Sanierung und Restaurierung des irischen Anwesens Mount Stewart
ABSTRACT Visiting The Marquise Of Londonderry The National Trust today has four million members. Frances Bailey is curator of the English Monument Trust and led the mammoth project of restoration and conservation of Mount Stewart estate.
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Über sieben Millionen Pfund kostete die Sanierung und Restaurierung des Mount Stewart Estate. Das herrliche Anwesen, ehemaliger Stammsitz der bekannten Aristokraten-Familie Stewart, liegt auf der 25 Kilometer von Belfast gelegenen nordirischen Halbinsel Ards und ist seit 1957 in der Hand des „National Trust for Places of Historic interest or national Beauty“ – kurz National Trust –, deren Präsident übrigens Prinz Charles ist. Vier Jahre arbeitete der britische Denkmalschutzfonds daran, den ehemaligen Adelssitz wieder in den prächtigen Zustand zu versetzen, den er zu seinen Hochzeiten in den 1920/30erJahren besaß. Jetzt ist das prachtvolle Anwesen
– Kandidat für das UNESCO-Welterbe – wieder für das Publikum geöffnet. Das außerordentlich aufwendige Projekt leitete Frances Bailey. Seit über 35 Jahren ist sie als Kuratorin für die gemeinnützige Organisation tätig, die heute beachtliche vier Millionen Mitglieder zählt und bereits seit 1895 existiert. Weil damals im innovativen Großbritannien aufgrund der frühen Industrialisierung sowohl Landstriche als auch Bauwerke von historischer Bedeutung Platz für modernere Gebäude machten mussten, gründeten Sozialarbeiterin Octavia Hill, Rechtsanwalt Sir Robert Hunter und Pfarrer Hardwick Rawnsley die Vereinigung zum Schutz gefährdeter Regionen und Bauten, 1/2019
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Fotos: National Trust/Elaine Hill (1–2)
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weiß Frances Bailey. Mittlerweile ist der National Trust der größte Landbesitzer in Großbritannien. Mehr als 21.000 Hektar Land und 800 Kilometer Küstenlinie gehören der Stiftung. „Das Prinzip des Denkmalschutzfonds setzte sich schnell durch, weil er den Eigentümern schützenswerter Gebäude bis heute ein attraktives Bündnis anbietet“, erklärt Frances Bailey. „Oftmals sind diese aus finanziellen Gründen dazu gezwungen, ihre teils hektargroßen Anwesen zu verkaufen.“ Der National Trust räumt den Eigentümern nach der Übernahme ein Wohnrecht auf Lebenszeit ein, öffnet die Anwesen aber bis auf einen privaten Teil für die Öffentlichkeit und finanziert so den 1/2019
Unterhalt durch Eintritte sowie Mitgliedsbeiträge. Rund 62.000 Freiwillige und 5.300 Angestellte kümmern sich um die über 500 historischen Gebäude und Schlösser, Dutzende von Kirchen, über 50 Pubs, ganze Dörfer und weite Teile der wichtigsten Nationalparks sowie prominente Häuser wie etwa von Lord Winston Churchill, Agatha Christie, Bernard Shaw und den BeatlesFrontmännern John Lennon und Paul McCartney. „Meine Aufgabe ist es, eine Vision für das jeweilige Objekt zu entwickeln und in Bezug auf die Historie des Hauses und seine architektonische Entwicklung, die Dekoration und die Sammlung zu beraten. Hier arbeite ich eng mit Architek-
1 Die Eingangshalle auf Mount Stewart mit gereinigten Marmorsäulen, restaurierter Balustrade und wiederaufgestellten Skulpturen 2 Blick in den Frühstückssalon
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TECHNISCHES KULTURGUT 1
Foto: Xxxxxxxxxx
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TECHNISCHES KULTURGUT
Im Alter kommen die Falten
Foto: © STDB/Foto: C. Kirchner (1)
Die „Rosinenbomber“ stehen sinnbildlich für Hilfe und Solidarität – für die Rettung West-Berlins durch die USA und Großbritannien, später auch Frankreich und Kanada in den Jahren 1948/49. Über 320 Tage lang versorgten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges Teile der deutschen Hauptstadt aus der Luft. Eines der Flugzeuge schwebt heute über dem Neubau des Deutschen Technikmuseums in Berlin. Doch die Hängung mit Stahlseilen hinterlässt Spuren – und Restauratoren beschäftigen sich mit den Materialveränderungen
Wer kennt ihn nicht – den „Rosinenbomber“, der über dem Neubau des Deutschen Technikmuseums in Berlin schwebt und stets an die Berliner Luftbrücke im Jahr 1948/49 erinnert? Doch wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass das Flugzeug vom Typ C-47 „Skytrain“ hoch über Berlin thront? Tasso Krewel, ehemaliger technischer Mitarbeiter des Deutschen Technikmuseums und bis heute zu Fragen der Hängung von Flugzeugen beratend für das Haus tätig, erzählt dazu die folgende Anekdote: „Es war eine dieser Besprechungen – abends in einem Restaurant. Die Architekten des Neubaus, Ulrich Wolff und Helge Pitz, stellten die Frage: ‚Was könnte die Aufmerksamkeit auf das Museumsgebäude lenken?‘ Prof. Günter Gottmann, Gründungsdirektor des Museums, antwortete spontan: ‚Ein Flugzeug auf dem Dach.‘ Die beiden Architekten waren begeistert von dieser Idee. Erste Entwürfe wurden auf einer Serviette skizziert. Diejenige mit einem Flugzeug an einem Kragarm über der Terrasse des Neubaus, gefiel am besten.“ So war die Idee des Wahrzeichens des Deutschen Technikmuseums geboren. Im Jahr 1999 nahm die Douglas C-47 B „Skytrain“, über der Terrasse schwebend, ihren Platz als Wahrzeichen des Deutschen Technikmuseums ein. Doch so anmutig wie die Douglas C-47 B „Skytrain“ anzusehen ist, hinterlässt die spektakuläre Hängung an Stahlseilen ihre Spuren. An der Au1/2019
ßenhaut des „Rosinenbombers“ aus Aluminium sind Falten und Knicke entstanden. Nun stellen sich dem Deutschen Technikmuseum – insbesondere den Restauratoren – die Fragen nach der Ursache der Faltenbildung und der Bewertung dieser Materialveränderungen. Wie sich im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Deutschen Technikmuseum und der Technischen Universität Berlin im Jahre 2014/15 herausgestellt hat, ist die Beantwortung dieser Fragen nicht so einfach. Berechnungsmodelle müssen aufgebaut werden, um die verschiedenen auftretenden Lastfälle zu untersuchen – genau wie in der Entwicklung von Flugzeugen. So ist doch deutlich, dass diese Art der Lagerung der C-47 ursprünglich nicht vorgesehen war. Bevor aber Berechnungsmodelle entwickelt werden können, muss die Geometrie des „Rosinenbombers“ mit einem CAD-Programm (computer-aided design) erstellt werden. Dies war kein Leichtes, berichtet Stephan Gesell. Er hat sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit dem Thema „Modellierung des ‚Rosinenbombers‘ (C-47 ‚Skytrain‘) des Deutschen Technikmuseums im Hinblick auf die Faltenbildung an Rumpf und Flügeln“ im Jahr 2015 am Fachgebiet Mechatronische Maschinendynamik der TU Berlin mit diesem Thema auseinandergesetzt. Weiter berichtet Herr Gesell: „Um die Schädigung des Flugzeugs aus mechanischer Sicht beurteilen zu können, ist es wichtig, verschiedenste
1 „Rosinenbomber“ über dem Neubau des Deutschen Technikmuseums in Berlin
ABSTRACT With Age, Wrinkles Appear The "raisin bombers" symbolize help and solidarity - for the rescue of West Berlin by the USA and Great Britain, later also France and Canada in the years 1948/49. For more than 320 days, the victorious powers of the Second World War supplied parts of the German capital from the air. Today, one of the planes floats above the new building of the German Museum of Technology in Berlin. But the hanging with steel ropes leaves traces – and restorers are concerned with the material changes.
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TECHNISCHES KULTURGUT
Fahrrad-Restaurierung Mit dem Trend zu Vintage- und Retrobikes steigt auch die Zahl der Enthusiasten, die sich der Restaurierung von historischen Rädern verschrieben haben. Was gilt es dabei zu beachten?
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ABSTRACT Bicycle Restoration With the trend towards vintage and retro bikes, the number of enthusiasts dedicated to the restoration of historic bikes is also increasing. What do you need to keep in mind?
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Fahrräder im weitesten Sinn gibt es seit 200 Jahren, in heute bekannter Form seit 1890. Im Mittelpunkt der folgenden Abhandlung stehen Räder des Zeitraumes von 1900–1960. Historische Fahrräder faszinieren durch viele Details, die sich im Laufe der Jahrzehnte veränderten. Große Hersteller ließen neben dem Steuerkopfschild und Rahmenschriftzügen Sättel, Werkzeugtaschen und Griffe mit dem eigenen Firmenlogo versehen. Auch Kettenblätter wurden von jedem Hersteller individuell gestaltet und können mithilfe von historischen Katalogen identifiziert werden. Kataloge der einzelnen Fahr-
radhersteller sind daher bei Sammlern begehrt und bieten auch einen guten Überblick über das seinerzeit erhältliche Zubehör. Historische Ausfahrten sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden; bei sogenannten Tweed-Rides präsentieren sich die besonders stilvoll gekleideten Radler gerne mit historischen Fahrrädern. Vorgehensweisen bei Restaurierungen Vor der Restaurierung sollte genau festgelegt werden, welches Ziel verfolgt werden soll: Fahrbereit, museale Präsentation oder dokumentari1/2019
TECHNISCHES KULTURGUT
sche Erhaltung besonderer Merkmale. Erhaltungszustand, Vollständigkeit, Seltenheit oder der eventuell überlieferte Herkunftskontext spielen dabei eine Rolle.
mit Tannin-Rostumwandlung schwärzt, um sich dem ehemaligen Erscheinungsbild zu nähern. Danach ist eine Konservierung mit Wachs oder trocknenden Ölen nötig. Anderenfalls kann man auch eine vollständige Rekonstruktion der Oberflächen mit allen Zierlinien und Beschriftungen erwägen. Oft aber befindet sich der Zustand irgendwo dazwischen: Teile der ursprünglichen Oberfläche sind durch mechanische Beschädigungen verlustig gegangen und von Korrosion befallen. Die Lackierung und ihr Zierlinienschema sowie Schriftzüge sind noch erkennbar, aber beeinträchtigt. Hier können Teilergänzungen vorgenommen werden: Rostige Stellen können auch hier mit Tannin geschwärzt und konserviert werden, oder der Lack wird partiell ergänzt: Mit dem Feinstrahlgerät wird der Rost entfernt, grundiert und mit passendem Lack lackiert; evtl. müs-
Das gut erhaltene Rad Das Ideal des Sammlers ist das möglichst unveränderte, wenig verschlissene, gepflegte Rad in gutem Zustand. Bei der Aufarbeitung stehen die behutsame Reinigung und Konservierung der Oberflächen sowie die technische Pflege im Vordergrund. Lackoberflächen werden mit Lackpflegemitteln aufpoliert, blanke Teile mit Metallpolituren. Der Auftrag einer Wachsschicht verstärkt den Glanz und schützt vor atmosphärischen Einflüssen. Einzelne kleine Fehlstellen werden mechanisch entrostet, retuschiert oder nur konserviert. Lederteile werden mit Vaseline eingerieben.
1 Martin Möbus bei einer historischen Ausfahrt in Köln im Gespräch mit einer Teilnehmerin 2 Interessante Rahmengestaltung an einem Rennrad („Multiplex“) um 1928. Leider fehlt das Steuerkopfschild 3 Rennrad „Multiplex“ ca. 1928 mit Holzfelgen und originalen Schlauchreifen im Fundzustand
Fotos: ©Mike Gürgens 2018 (1); Martin Möbus (2–3)
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Das schlecht erhaltene Rad Die meisten Fahrräder wurden mit zunehmendem Alter weniger gepflegt und allmählich dem Verfall preisgegeben. Jahrelang nicht gefahren, in feuchten Kellern oder Schuppen abgestellt, manchmal diverser Teile beraubt, findet man sie dann stark verrostet. Bei vollständigem Verlust der ursprünglichen Oberflächen kann man entscheiden, ob man alles so lässt und konserviert, alles blank abbürstet, also mechanisch entrostet und nur konserviert, oder ehemals schwarz lackierte Teile (Rahmen, Gabel) 1/2019
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sen Rostnarben mit Spachtelmasse ausgefüllt und verschliffen werden. Zierlinien und Schriftzüge werden ergänzt. Viele Räder wurden auch neu angestrichen. Mit Skalpell und kurz einwirkenden Lösemittelkompressen kann der alte Lack wieder freigelegt werden. Dabei darf die Farbe nur angelöst werden, um eventuell noch vorhandene Dekore nicht zu beschädigen. Mechanische Arbeiten Soll das Rad gefahren werden, empfiehlt sich die komplette Zerlegung in alle Einzelteile, ge55