Zeitschrift f체r konservierung und Restaurierung
NO 1 2016
Holz Neue Ans채tze f체r ein altes Material Aktuell Studie: Denkmalschutz ist der Gesellschaft wichtig
Modern Erhalt einer Lichtskulptur im Centre Pompidou
Historisch Arch채ologische Funde: Grabungen im Sudan
Inhalt
TitelThema: Holz in der Denkmalpflege
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Kommentar von Mag. phil. Helge Bartsch Ein Plädoyer für authentische Holzobjekte
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Stephan Biebl Der Echte Hausschwamm Diagnose und Bewertung aus Sicht des Holzschutzsachverständigen
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Jörg Büchner Ein neues Dach gegen Vandalismus Wie die Ausstellungssituation Restaurierungskonzepte beeinflusst
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Christine Kowalski Konstruktion, Furniere und Lack – eine restauratorische Herausforderung in Haindling
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Gerdi Maierbacher-Legl „Eine gelungene Gegenüberstellung von tatsächlicher Praxis und authentischen Zitaten“
Problematik Holzschwammbefall
Erhalt moderner Kunst
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Lichtskulpturen erhalten
Astrid Lorenzen Es werde Licht „Denkifuku. Elektrisches Kleid“ von Atsuko Tanaka, 1956/1999
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Dawn Leach Miami Marine Stadium: Zwei oder drei Leben Eine restauratorische Gratwanderung zwischen Graffiti-Kunst und Bausubstanz
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Katharina Haider Komplexe Geometrie Klebung einer Stereolithographie aus dem schnell gilbenden Epoxid-Acrylat
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Thijs Janssen, Diederik Kits Nieuwenkamp Acrylic Afternoons Experimente mit Paraloid B72 zur Restaurierung von Resopal
Fotos (v. o. n. u.): Stephan Biebl; Droits réservés/Centrepompidou, MNAM-CCI, Dist.RMN-Grand Palais/Georges Meguerditchian; Naga-Projekt
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Archäologische Funde
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Archäologische Funde im Sudan
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Dietrich Wildung Am Südtor zur antiken Welt
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„Humpelnd in den blutigen Kampf“ Ein Interview mit Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt
Heike Schlasse Kulturgut in Gefahr
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rubriken 6
Kunststück
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Blickpunkt Studie: Wert von Denkmalen in der Gesellschaft Podiumsdiskussionen in Köln und Salzburg Magdeburger Reiter Nepal nach der Katastrophe Im Gespräch mit der UNESCO-Generalsekretärin
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Gefördert VON
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Beruf
70 Termine 70 Ausstellung 72 Veranstaltungen 72 Impressum 73 Vorschau 74
Porträt
Titelmotiv
Foto: Jörg Büchner
Das Titelmotiv zeigt eine Sänfte aus den Spiegelsälen des Stadtschlosses Fulda. Sie gehörte vermutlich im 18. Jahrhundert der Freiherrin Maria Eva Antoinette von Boineburg. Durch Wasserschäden, Anobienbefall und Vandalismus war die Sänfte stark beschädigt. Die Schadensphänomene und die Materialkombinationen stehen stellvertretend für das Titelthema »Holz in der Denkmalpflege«. Die in den Beiträgen beschriebenen Herangehensweisen zeigen neue Lösungsansätze für den Substanzerhalt.
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Holz in der Denkmalpflege
Jörg Büchner
Ein neues Dach gegen Vandalismus Wie die Ausstellungssituation Restaurierungskonzepte beeinflusst
Kunst und Kulturgüter, welche nicht – wie Objekte im Museum – „stets hinter Glas“ stehen, sind oft unschönen Einwirkungen ausgesetzt, die auch großen Schaden verursachen können. Die Sänfte aus den Spiegelsälen des Stadtschlosses Fulda ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Ausstellungssituation auf ein Restaurierungskonzept auswirken kann.
1 Die Sänfte vor der Restaurierung: Hier ist das eingefallene Dach besonders gut sichtbar.
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2 Monogramm von Maria Eva Antoinette von Boineburg zu Lengsfeld mit Krone, hier unter UV-Licht 3 Die Wappen von Boineburg und von Zobel: im oberen Bereich Hinterklebung des säurefreien Archivkartons
Abstract A new roof to counter vandalism A sedan from the historic premises of the Fulda Stadtschloss (town castle of Fulda) had been seriously damaged and was exposed to the potential risk of further damage, thereby endangering the opportunity of exhibiting it. The badly spoiled roof had repeatedly suffered damages and staining and there were glass panes missing. To encounter the danger of further damage, conservation measures were carried out, additions made and by briefing the staff, the situation prevailing in exhibiting the item could be better monitored.
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Holz in der Denkmalpflege Das Stadtschloss Fulda
Die durchzuführenden Maßnahmen in den historischen Räumen und der Zustand der Sänfte im Jahr 2014 veranlasste das Vonderau Museum Fulda, welches auch für die Ausstattungen des Fuldaer Stadtschlosses zuständig ist, das Atelier für Restaurierungen zu beauftragen. Es sollten mögliche Restaurierungskonzepte ausgearbeitet werden, um die Sänfte weiterhin in den historischen Räumen ausstellen zu können. Das Mobiliar war vermutlich im Besitz der Freiherrin Maria Eva Antoinette von Boineburg. Sie wurde 1707 als eine Zobel von Giebelstadt geboren und vermählte sich im Januar 1730 mit Philipp Christoph von Boineburg zu Lengsfeld, einem kurmainzischen Kammerherrn und Oberamtmann in Amöneburg. Bevor die Sänfte in den 1960er Jahren der Stadt Fulda übergeben wurde, war sie im Besitz der Familie von Görtz aus Schlitz. Wie diese zuvor in den Besitz der Familie gelangte, ist nicht bekannt. Barocke Schiebefenster Der kunstvoll gearbeitete Tragstuhl (Abb. 1) ist vom Grundriss her rechteckig und in Rahmen und Füllungsbauweise gefertigt. Er steht auf Kufen, welche an den Enden volutenförmig eingedreht sind. Über den Kufen sind auf allen vier Seiten bemalte Füllungen mit floralen Motiven als Umrandung zu finden. Auf der Vorderseite, die zudem als Tür ausgebildet ist, finden sich außerdem ein Monogramm mit den Initialien von Maria Eva Antoinette von Boineburg zu Lengsfeld sowie eine Krone darüber (Abb. 2). Die Rückseite zeigt mittig zwei Wappen. Links ist das Hoheitszeichen der Familie von Boineburg zu erkennen, rechts das Wappenbild der Familie von Zobel zu Giebelstadt (Abb. 3). Über den Füllungen befindet sich vorne, links und rechts je ein Schiebefenster. Das vordere lässt sich nach unten verschieben, die beiden anderen nach hinten. Die Rahmen um die Fenster und um die Füllungen sind zunächst mit einer gelben Hohlkehle, dann mit einem Halbrundprofil – das wie der anschließende Bereich mit einer dunklen Farbe gestaltet ist – verziert. Neben den Seitenfenstern ist ein aus Leder und Rundkopfziernägeln gearbeiteter Abschnitt zu sehen. Ebenso auf der Rückseite. Den oberen Abschluss bildet ein nach oben gewölbtes Dach aus Leder, welches am Rand mit Rundkopfziernägeln befestigt ist. Ein jeweils größerer Nagel ist in den Ecken der Überspannung angebracht. Der Innenbereich ist an der Tür und 1/2016
Von Johann Dientzenhofer zwischen 1706 und 1714 zu einer barocken Vierflügelanlage mit Ehrenhof umgebaut, war das Fuldaer Stadtschloss Residenz der städtischen Fürstäbte und Fürstbischöfe. Als historische Räume sind der Marmorsaal, der barocke Festsaal und die Wohnräume der Fürstäbte mit dem Spiegelkabinett zu besichtigen. Neben dem weitgehend originalen Zustand der Räume sind Porzellan aus der fürstbischöflichen Porzellan- und Fayencen-Manufaktur Fulda ausgestellt. In den übrigen Räumen ist heute die Verwaltung der Stadt Fulda untergebracht.
den Seiten im unteren Bereich mit Leder verkleidet. Darüber schließt sich eine Gestaltung mit blauem Stoff und umrahmender Zierborte an. Die Sitzfläche ist mit einem Kissen im gleichen Material gepolstert. An den Seiten sind je zwei Vorrichtungen für Trageholme aus Eisen angebracht. Ein Riegel aus Eisen verschließt die Tür. Große Schäden – aber auch viel Originales Nachdem die Sänfte in der Werkstatt genauer untersucht werden konnte, zeigte sich ein desolater Zustand. Durch einen wahrscheinlichen früheren
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Erhalt moderner Kunst
Astrid Lorenzen
Es werde Licht „Denkifuku. Elektrisches Kleid“ von Atsuko Tanaka, 1956/1999
Das Denkifuku von Atsuko Tanaka ist eine der Lichtskulpturen des Centre Pompidou in Paris. Die Technologie, die dieses Werk zum Leuchten bringt, hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt und steht kurz davor, durch eine energiesparendere Version ersetzt zu werden. Die hier vorgestellte Problematik ist ein Beispiel der Recherche und Restaurierungsarbeit im Musée National d’Art Moderne et Centre de Création Industrielle (MNAM-CCI) des Centre Pompidou. Dort wird versucht, der Entwicklung dieser technisch betriebenen Kunstwerke vorzugreifen – um Ersatzlösungen zu erarbeiten, bevor notwendige technische Ersatzteile nicht mehr im Handel erhältlich sind.
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Abstract Electric Dress One of the exhibits on display at the Centre Pompidou in Paris is the Denkifuku (Electric Dress) of Atsuko Tanaka that is composed of electrical wiring and hundreds of coloured neon light bulbs. The technology that lights up this work of art has advanced over the past decades and is about to be replaced by an energy-saving version. The difficulties introduced here constitute an example of the research and restoration work at the Musée National d’Art Moderne et Centre de Création Industrielle of the Centre Pompidou. Focus is on trying to foresee further development of the technology involved and to work out possible solutions before the technical spare parts are no longer obtainable.
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Zur Ästhetik von Tanakas Entwürfen Atsuko Tanaka (1932–2005) war eine der bekanntesten Künstlerinnen der japanischen Avantgardebewegung Gutai, die in den 1950er und 1960er Jahren aktiv war. Seit 1955 kreierte sie Kunstwerke in Form von Kostümen. 1956 stellte sie das Denkifuku aus über hundert farbigen, leuchtenden und blinkenden Glühlampen her. Tanaka trug dieses schwere Szenekostüm 1956 bei der zweiten Gutai-Austellung in der Ohara Kaihan Hall in Tokyo sowie 1957 während der
von Gutai organisierten Aufführung in der Sankai Hall in Osaka und schließlich in Tokyos Sankai Hall. Während der Vorführung, welche wie ein Happening ablief, legte sie nach und nach die übereinander liegenden Kostüme ab. Die Inszenierung endete mit dem Heraustreten der Künstlerin aus dem Dunkeln im leuchtenden und blinkenden Kleid. Ihr Körper wurde in dem Kleidungsstück Teil der Performance. Das Kostüm war so schwer (50 Kilogramm), dass sie es, nur an einem Kabel hängend, tragen konnte. Atsuko Tanaka war während der 1/2016
Fotos: (1/2) Droits réservés/Centrepompidou, MNAM-CCI, Dist.RMN-Grand Palais/Georges Meguerditchian
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Erhalt moderner Kunst
Aufführung nicht nur dem Gewicht und der Hitze der glühenden Lampen ausgesetzt, sondern auch der Gefahr eines Elektroschocks. Denkifuku wird als ein Werk interpretiert, in dem die Künstlerin Kunstwerk, Körper, Technologie und ästhetischen Ausdruck assimiliert. Das originale elektrische Kleid ist leider nicht erhalten. Das Kleid im Sammlungsbesitz Das Elektrische Kleid der Sammlung des MNAMCCI Centre Pompidou ist eine neuere Version des Kleids, die nach den Anweisungen der Künstlerin 1999 für die Gutai-Ausstellung im Jeu de Paume in Paris hergestellt wurde. Denkifuku, aus seinem Orginalkontext isoliert, ist somit eine elektrische Skulptur geworden. Die Künstlerin war bei der Herstellung des Kleids leider nicht anwesend und konnte nicht überprüfen, ob ihre Anweisungen genau ausgeführt wurden. Sie ließ 2005 verschiedene Änderungen vornehmen. Die Glühbirnen wurden bemalt. Da das Kleid nicht blinkte, wurden vom Hersteller fünf Blinkrelais mit Verzögerungsschaltung eingebaut, die sich unter der Trägerkonstruktion befinden. Das skulpturale Kostüm (Abb. 1, 2) setzt sich aus einer Metallstruktur, aus Filzpolsterungen, schwarzen und weißen Elektrokabeln, Klebeband und 183 bemalten klassischen Glühlampen
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(40 Watt, 86 in Kolbenform und 97 in Röhrenform) zusammen. Sechs verschiedene Farben sowie das Weiß der matten Glühlampen stellen die Farbpalette dar. Die Fassungen der Glühbirnen sind direkt an den weißen dünnen Elektrokabeln befestigt. Die Röhren sind mit ihren Fassungen entweder direkt mit Draht an der Metallstruktur des Kleids befestigt oder untereinander. Durch die Öffnung an der Rückseite kann eine Person in das Elektrische Kleid steigen. Durch einen weiteren Einlass an der Vorderseite sieht man den Kopf. Das zylinderförmige Denkifuku wiegt etwa 80 Kilogramm. Während der Ausstellung hängt es an einem Kabel und wird für die Lagerung in einem Transportrahmen verwahrt. Das Kleid wurde mit einem kompletten Set von Austauschglühlampen geliefert. Restauratorische Herausforderungen Seit seiner Aufnahme in die Pariser Sammlung im Jahre 2006 stellte das Elektrische Kleid die Restauratoren und Kuratoren vor zahlreiche Probleme. Die auf die Leuchtkörper aufgesprühte Farbe blätterte durch die starke Hitzeentwicklung der Glühlampen beim Erleuchten des Kleids ab. Die weißen Elektrokabel wurden stellenweise durch die Überhitzung brüchig. Das Kleid funktionierte nur mit großen Schwierigkeiten und brauchte beinahe
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1/2 Das Elektrische Kleid nach der Restaurierung im Lichtwechsel 3 Zerbrochene und durch Hitze beschädigte Halterung der röhrenförmigen Glühlampen
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Archäologische funde
Dietrich Wildung
Am Südtor zur antiken Welt
Seit 1995 arbeitet im Sudan ein deutsches Team von Archäologen und Restauratoren an der Freilegung einer antiken Stadt des Königreichs von Meroë (300 v. Chr.–350 n. Chr.). Das unberührte Stadtareal inmitten der Wüste bietet optimale Voraussetzungen für die archäologische Forschung und für die Erschließung einer antiken Stätte. Daraus folgt ein Restaurierungskonzept, das auf Rekonstruktion verzichtet und ganz auf die Wahrung der Authentizität setzt.
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Inmitten der Wüste Wer nach zweistündiger Fahrt von Khartum nach Norden die Fernstraße bei einem Schild „Musawwarat Naga 32 km“ verlässt und nach rechts auf eine Sandpiste abbiegt, taucht in eine andere Welt ein. Die karge Steppe nimmt ihn auf; gelegentlich kreuzt ein Nomade mit seinen 60
Tieren die Piste. Schließlich erscheint am südlichen Horizont wie eine Fata Morgana unter dem Absturz eines Tafelbergs die Silhouette von Säulen und Ruinen. Nach der Durchquerung von zahlreichen Schutthügeln und Mauerresten endet die holprige Fahrt unter einer Gruppe von Schirmakazien. Lebhaftes Treiben herrscht hier. 1/2016
Archäologische funde Vom frühen Morgen bis in den Nachmittag kommen aus der Wüste die Nomaden mit ihren Herden zu einer Wasserstelle. Aus 70 Metern Tiefe ziehen sie in Ledersäcken das Grundwasser hoch, das nach einem seit Generationen eingespielten System verteilt wird – eine biblische Szene. Aufgrund seiner Lage 30 Kilometer östlich des Niltals ist Naga lange unentdeckt geblieben. Im Jahr 1822 sind die Franzosen L. M. A. Linant de Bellefonds und F. Cailliaud die ersten Europäer, die Naga besuchen – trotz der Warnung vor den dort hausenden Löwen. Cailliaud veröffentlicht 1825 in seinem mehrbändigen Werk „Voyage à Méroé et au Fleuve Blanc“ eindrucksvolle Ansichten der antiken Stadt und Pläne ihrer Ruinen. Diese Publikation dient dem jungen preußischen Forscher Richard Lepsius zur Vorbereitung seiner von Friedrich Wilhelm IV. finanzierten Expedition, die ihn von 1842 bis 1845 von Alexandria nilaufwärts bis Sennar südlich von Khartum führt. Mehr noch als die 1500 antiken Objekte, ein Geschenk Mohammed Alis an Preußen, ist eine umfangreiche Dokumentation aller besuchten antiken Stätten das wichtigste Ergebnis dieser wissenschaftlichen Expedition. Lepsius‘ „Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien“, unter deren 890 Großfolio-Tafeln die antiken Stätten des Sudan einen breiten Raum einnehmen, hätten das auslösende Moment für die archäologische Erforschung des Sudan werden können. Die sudanesische Unabhängigkeitsbewegung der „Mahdija“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielt jedoch europäische Forscher davon ab, im Sudan zu arbeiten. Während britische und amerikanische Grabungen in Kerma, Kawa, Gebel Barkal und Meroë seit 1904 einen ersten Schritt zur Entdeckung des antiken Sudan taten, blieb Naga aufgrund der logistischen Probleme einer Grabung weitab vom Niltal unberührt. Als das Ägyptische Museum Berlin, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1995 von der National Corporation for Antiquities and Museums die Grabungskonzession für Naga erhielt, fand das Grabungsteam den Ort so vor, wie er von der preußischen Expedition im Februar 1844 dokumentiert worden war. Das Naga-Projekt wurde 2013 vom Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München übernommen; derzeit wird es vom Qatar Sudan Archaeological Project finanziert. Zu den Restaurierungsarbeiten leistet das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes einen wesentlichen Beitrag. Kulturbrücke Naga wurde um 200 v. Chr. als eine königliche Pfalz gegründet, in der die meroitischen Könige die staatliche Autoritätgegenüber der nomadischen Bevölkerung durch Tempel und Paläste ma1/2016
nifestierten. Als südlichste Stadt des meroitischen Reichs war Naga an der Karawanenstraße vom Zusammenfluss des Weißen und Blauen Nils beim heutigen Khartum nach Meroë und weiter nach Norden, nach Ägypten, das südliche Tor, das von Afrika in die Welt der Antike führte. Die Architektur von Naga, von der vier Tempel noch heute das Stadtbild prägen, ist ein direktes Zeugnis dieser Funktion als Kulturbrücke zwischen Süden und Norden. Der über der Stadt aufragende, von 1995 bis 2005 freigelegte Amun-Tempel erinnert den Besucher mit der Allee von zwölf Widderstatuen
1 Amun-Tempel in Naga, Wiedererrichtung der Säulen des Hypostyls 2 Amun-Tempel in Naga, Widderallee nach Abschluss der Restaurierung 3 Löwentempel in Naga
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an den ägyptischen Amun-Tempel in Karnak (Abb. 2). Auch die nach der Grabung wieder begehbare Raumfolge vom Hypostyl mit seinen wiedererrichteten Säulen bis ins Sanktuar und der hinter dem Tempel entdeckte „Gegentempel“ fügen sich ganz in die Struktur pharaonischer Tempelbauten. Der unterhalb des Amun-Tempels liegende, nahezu vollständig erhaltene Löwentempel, dem löwengestaltigen meroitischen Gott Apedemak geweiht, besitzt hinter dem ägyptisch anmutenden doppeltürmigen Pylon nur einen einzigen Raum (Abb. 3). Dieser „Einraum-Tempel“ ist eine typisch meroitische, in Ägypten unbekannte Architekturform.
Abstract At the southern gate to antiquity A German team of archaeologists and restorers have been working since 1995 in the Republic of the Sudan to bare an antique city of the kingdom of Meroe (300 B.C. – 350 A.D.). The untouched city area in the heart of the desert provides an optimal setting for archaeological research and the development of an ancient site. A restoration concept is generated that dispenses with reconstruction and sets its priority on maintaining authenticity.
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