Restauro 1/2018

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 1 2018

Prunk und Pracht in Salzburg Ein Blick in die neu gestalteten Fürstenzimmer MONUMENTO Vorschau auf die Salzburger Messe

BAUHAUS Ein Exemplar der Frankfurter Küche ist restauriert

FORSCHUNG Aktuelle Analysen zum Meister von Meßkirch


INHALT

TITELTHEMA: TECHNIK UND AUSSTATTUNG Kommentar von Dipl. Ing. (FH) Thomas Löther Funktionsgläser: Immer die richtige Wahl?

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Wandpaneele (Detail) im Damaskuszimmer

Susanne Lux Zu Gast bei Leonhard von Keutschach Roxana Naumann und Stefan Reuther Seide an der Wand Die Tapeten im Chinesischen Kabinett des Schlosses Wildenfels Dr. Uta Baier Vom Bretterhaufen zum Besuchermagneten Dr.-Ing. Kerstin Kracht Kulturgut auf dem Trampolin Wie Konzerte und Museumsbesucher Vitrinen zum Schwingen bringen

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Dr. Ute Strimmer Ewiges Eis, Trockenheit und Hitze

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Friederike Voigt Ein theatralischer Traum wird wahr

Fotos (v. o. n. u.): © Museum für Völkerkunde Dresden, Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Anke Scharrahs; Staatsgalerie Stuttgart; Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, 2017 / Anja Jahn

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DER MEISTER VON MESSKIRCH

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Dr. Uta Baier Der große Unbekannte malte auf billigem Tannenholz

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Dr. Ute Strimmer Katholische Pracht in der Reformationszeit

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Ausschnitt des Wildensteiner Altars, 1536

Dr. Uta Baier „Eisengallustine ist die einzige eindeutige kunsttechnologische Bestätigung für einen Werkstattbetrieb“

HOLZ

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Ein Modell der Frankfurter Küche von 1929

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Dr. Ute Strimmer Aus Frankfurt kam die Revolution in die Küche

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Maike Burk Kathmandus verlorene Seele

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Dr. Ute Strimmer Ein Christuskind für Frankfurt

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MESSE-SPEZIAL 38

PREVIEW ZUR MONUMENTO IN SALZBURG

RUBRIKEN 6

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Europäisches Kulturerbejahr 2018 VDR IPM-Tagung in Salzburg Brandenburg Halle Exponatec

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BERUF

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QUALITÄTSSCHMIEDE

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FIRMEN & PRODUKTE

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BUCHBESPRECHUNG

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TERMINE Ausstellung Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT

Titelmotiv Die Festung Hohensalzburg stammt aus dem 11. Jahrhundert und birgt in ihrem Inneren eines der bedeutendsten Denkmäler spätgotischer Profanarchitektur: die geheimnisvollen Fürstenzimmer des sogenannten Hohen Stocks. Lesen Sie mehr auf Seite 14.

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TECHNIK UND AUSSTATTUNG

Zu Gast bei Leonhard von Keutschach Die Festung Hohensalzburg stammt aus dem 11. Jahrhundert und birgt in ihrem Inneren eines der bedeutendsten Denkmäler spätgotischer Profanarchitektur: die geheimnisvollen Fürstenzimmer des sogenannten Hohen Stocks. Jetzt erhielten sie eine neue museale Präsentation. Baukunst consult übernahm das Projekt. RESTAURO sprach mit der Geschäftsführin Mag. Ingrid Rathner.

1 Eines der Highlights der Salzburger Festung ist das im frühen 16. Jahrhundert ausgebaute Fürstenzimmer im Hohen Stock 2 Aufsicht: Lage der Prunkräume des Erzbischofs Leonhard von Keutschach (1495–1519)

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Sie thront über Salzburg und ist das Wahrzeichen der Stadt: die Festung Hohensalzburg. Rund eine Million Besucher besichtigen jährlich die Burg und ihre kostbar ausgestatteten Fürstenzimmer. Dabei handelt es sich um die Prunkräume Erzbischof Leonhard von Keutschachs (1495–1519) im Hohen Stock, um 1500 entstanden und ein einzigartiges Ensemble spätgotischer Innenraumgestaltung. Die Restaurierung der wandgebundenen Ausstattung begann im Sommer 2017 und wird von der Salzburger Burgen und Schlösserbetriebsführung mit eigenem Personal durchgeführt. Bislang restauriert wurden die Räume des Rainer-Regimentsmuseums – sie erhielten eine neue museale Präsentation durch „Mag. Hans Kropshofer transpublic“. Der Generalplanung der

Restaurierung der Fürstenzimmer des Hohen Stockes und der Räumlichkeiten des Rainer Regimentsmuseums widmete sich im Auftrag des Landes Salzburg, Salzburger Burgen und Schlösser Betriebsführung die Baukunst consult, bestehend aus Mag. Ingrid Rathner, DI Clemens Standl, DI Thomas Graf und Johannes JägerWaldau. Sie wurde 2013 beauftragt. Dabei übernahm das Unternehmen neben dem Projektmanagement und der denkmalpflegerischen Projektsteuerung auch die historische Objektforschung, restauratorische Befunduntersuchung sowie Erstellung des Restaurierungskonzepts. Daneben erstellte die Baukunst consult ein Vermittlungskonzept und übernahm die Ausstellungsgestaltung sowie örtliche Bauaufsicht. 1/2018

Alle Fotos: Baukunst consult, Salzburg

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KOMM

ENTAR Löther

as ) Thom g. (FH In l. ip D

ist seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen Anhalt e.V. (IDK)

Funktionsgläser: Immer die richtige Wahl?

Die letzten vorhergehenden konservatorischen Maßnahmen wurden in den Fürstenzimmern Mitte des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Ingrid Rathner, Geschäftsführerin der Baukunst consult, erinnert sich: „Die Räume waren bis in die 1980erJahre des 20. Jahrhunderts ohne jegliche Absperrung oder Objektsicherung frei zugänglich. Das brachte erheblichen Schäden an der Ausstattung mit sich.“ Durch den unkontrollierten Sonnenlichteintrag sei es vor allem im Bereich der Bibliotheksvertäfelung zu erheblichen photochemischen Schäden an der originalen Farbfassung gekommen. „Zudem erwiesen sich die bei den letzten Restaurierungen durchgeführten Maßnahmen als problematisch. Insgesamt sind sämtliche Objektteile stark verschmutzt und eine große Anzahl von 1/2018

An vielen Denkmälern und Museen ist derzeit zu beobachten, dass bei Baumaßnahmen, an denen die Fenster aufgearbeitet bzw. erneuert werden, auch dem Thema eines verbesserten Lichtschutzes eine wichtige Rolle zugedacht wird. Diese Verbesserung wird immer häufiger konstruktiv direkt in die Glasebene gelegt, entweder durch Folien oder durch spezielle Gläser mit einem fest verbundenen Lichtschutzsystem auf der Glasscheibe. Reduziert werden – je nach Anforderung – definierte Anteile der UV- und / oder IR-Strahlung des Sonnenlichtes. Aus architektonischer Sicht stellen diese Funktionsgläser eine Möglichkeit dar, einen gewissen Lichtschutzfaktor zu gewährleisten und trotzdem auf weitere Lichtschutzsysteme wie Rollos, Jalousien oder Vorhänge zu verzichten. Der Besucher kann wieder ungehindert ins Freie schauen oder auch von außen die Raumstrukturen erahnen. Für Planer und Nutzer klingt dies sehr verlockend: Eine Kommunikation zwischen Museumsraum und Außenwelt und trotzdem ein Schutz vor schädigenden Lichtbestandteilen. Ist dies wirklich so? Verschiedene Untersuchungen in Objekten mit solchen Funktionsgläsern zeigen auf, dass ein gewisser Anteil schädigender Lichtbestandteile trotzdem noch vorhanden ist. Textile Teststreifen zeigen nach einem Jahr Messdauer eine deutliche Entfärbung. Auch die erfassten Messwerte zeigen oft eine UV-Reduzierung von „nur“ 90– 99%. Sind dies tolerierbare Werte bzw. was sind akzeptable UV- und IR-Werte, die durch Fenster in einen Raum gelangen dürfen? Oder sollte man nicht doch bei der Planung auf die bewährten Lichtschutzsysteme zurückgreifen? Und sind die veränderten Fassadenansichten durch die teilweise dunkleren Glasscheiben tolerierbar? Viele offene Fragen für Planer und Restauratoren. 15


DER MEISTER VON MESSKIRCH

Der große Unbekannte malte auf billigem Tannenholz Erstmals wurden die Stuttgarter Werke des Meisters von Meßkirch systematisch kunsttechnisch untersucht und ausgestellt.

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1 Meister von Meßkirch, Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, um 1535/38, 66,7 x 92,8 cm, Mitteltafel des ehemaligen Hochaltars von St. Martin in Meßkirch. Meßkirch, Pfarrkirche St. Martin

Die Staatsgalerie Stuttgart besitzt einen seltenen Schatz: die Mitteltafel des Wildensteiner Altars mit den doppelseitig bemalten Drehflügeln, zwei Standflügeln und sechs Tafeln mit Heiligenfiguren – Cyprianus, Cornelius, Dionysius, Kunigunde, Andreas und Benedikt. Ihr Schöpfer ist der Meister von Meßkirch, ein unidentifizierter Künstler der frühen Neuzeit, dessen Werk in der ganzen Welt verstreut ist. 2014 wurden der Altar und eine Heiligentafel aus dem Besitz der Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen angekauft. Jetzt wird diese bedeutende Erweiterung des eigenen Bestands in der „Großen Landesausstellung Baden Württemberg 2017“ erstmals vorgestellt. Sie setzt damit einen katholischen Schlusspunkt des evangelisch geprägten Reformationsjahres. Denn auch wenn der Meister von Meßkirch zwischen 1515 und 1540 in der Umgebung von Sigmaringen wirkte, blieb sein Schaffen doch gänzlich unbeeinflusst von Luthers Reformation und Cranachs neuen Bildern. Das festzustellen ist angesichts seines Werkes, zu dem vor allem private Andachtsbilder, Porträts sowie der Wildensteiner Altar, der Falkensteiner Altar und die Altarausstattung der Kirche von Meßkirch gehören, nicht allzu schwer. Doch bleibt bei einem nicht identifizierten Künstler mit einem Notnamen immer eine gewisse Unsicherheit. Kuratorin Elsbeth Wiemann stellt trotzdem deutlich klar, was sie von den verschiedenen Spekulationen über einen identifizierbaren Künstler hinter dem Notnamen des „Meisters von Meßkirch“ hält: Sie hätte „es sehr begrüßt, wenn sich mit dem Maler, dem unsere Ausstellung gewidmet ist, ein dokumentarisch abgesicherter Name in Verbindung bringen ließe. Nach unserer Beurteilung der Quellenlage existiert jedoch kein Nachweis, um den Künstler aus seiner Anonymität zu lösen und mit einer historisch verbürgten Person zu identifizieren.“ Zumindest eine Eingrenzung kann die Kunsthistorikerin machen: 42

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Fotos: © Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i. Br., Bildarchiv, Aufnahme Michael Eckmann

DER MEISTER VON MESSKIRCH

„Bestimmend ist der Eindruck des Exquisiten und Kostbaren, ein Stilmittel, das seinem gesamten Lebenswerk eigen ist und entscheidend zu dessen Unverwechselbarkeit beiträgt.“ Unverwechselbares haben auch die beiden Restauratorinnen Lydia Schmidt und Eva Tasch in ihren eineinhalbjährigen Untersuchungen der elf Stuttgarter Tafeln feststellen können. „Der Meister von Meßkirch unterzeichnete vorzugsweise mit Eisengallustinte, die wir anhand von Querschliffen analysieren lassen konnten“ (siehe Interview). Es waren die ersten kunsttechnologischen Untersuchungen an Werken des Meisters von Meßkirch. Sie ergaben außerdem, dass die Stuttgarter Tafeln aus nicht sehr qualitätvollem Tannenholz bestehen. Zur Steigerung der Qualität wurden sie mit tierischen Sehnen verstärkt. Deshalb vermuten die Restauratorinnen, dass der Maler entweder mit einem nicht besonders versierten Schreiner zusammenarbeitete und/oder sich kein besseres Holz leisten konnte. Vielleicht sind auch beide Überlegungen richtig, doch „es sind Vermutungen“, sagen die Restauratorinnen, die auf weitere Forschungen hoffen. Denn ihre Ergebnisse beim Sichtbarmachen der Unterzeichnungen deuten darauf hin, dass es Entwurfszeichnungen gegeben haben muss. „Die mit großer Sicherheit ausgeführten Unterzeichnungslinien mit nur wenigen Konzeptänderungen sprechen gegen die Entwicklung der Komposition auf dem Malgrund“, schreiben Lydia Schmidt und Eva Tasch in ihrem Bericht. Außerdem fanden sie bei der Untersuchung mittels Infrarotreflektographie Pauspunkte und schwarze Pigmentrückstände, die auf Kohleunterzeichnungen oder Rückstände vom Durchgriffeln schließen lassen. Und Ritzzeichnungen. „Die haarfeine Ritzzeichnung ist ein besonderes Merkmal, das seine Handschrift ausmacht“, sagen Schmidt und Tasch. Daneben konnten sie „Stechzirkelschläge zur Markierung vergoldeter Nimben“ nachweisen. 1/2018

Der Meister von Meßkirch gilt besonders wegen seiner zahlreichen Vergoldungen noch sehr der Gotik zugewandt. Die kunsttechnologischen Untersuchungen haben deutliche Unterschiede zwischen größeren und kleineren vergoldeten Flächen ergeben. Die größeren sind glanzvergoldet, die kleineren, besonders einzelne Gegenstände, mattvergoldet. So schaffte es der Künstler, verschiedene Goldtöne gegeneinander abzusetzen. Doch damit nicht genug: Die Blattmetalle wurden graviert und mit Lasurmalerei zusätzlich verziert. „Diese miniaturhafte Verzierungstechnik ist von herausragender Qualität und Feinteiligkeit und kann als besonderes Merkmal der untersuchten Tafeln und darüber hinaus als Charakteristikum der Malerei des Meisters von Meßkirch angesehen werden“, heißt es abschließend im Bericht der Restauratorinnen.

2 Detail der Mitteltafel (Abb. 1)

ABSTRACT The Mysteriuous Inconnu Painted On Cheap Fir Wood For the first time, the Stuttgart works by the Master of Meßkirch are systematically and scientifically examined and displayed. The Staatsgalerie Stuttgart dedicates the first extensive monographic exhibition to the Master of Meßkirch, an important German painter of the early modern era. Nowadays, the majority of his works is spread across museums and private collections all over Europe and the USA. But little is known about the artist – not even his name. Eva Tasch and Lydia Schmidt have looked into the works of the painter and have made astonishing findings.

Uta Baier

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HOLZ

Aus Frankfurt kam die Revolution in die Küche

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1 Präsentation der „Frankfurter Küche“ im Museum Angewandte Kunst, 2017

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Sie gilt als Prototyp der Einbauküche: die „Frankfurter Küche“. Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) – sie war übrigens die erste Österreicherin mit abgeschlossenem Architekturstudium – hatte die revolutionäre Küche im Jahr 1926 entworfen. Ein sehr gut erhaltenes Beispiel davon ist jetzt nach zweijähriger Restaurierung dauerhaft im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen. „Das bedeutende Exemplar stammt von einer 93-jährigen Frau, die

vor zwei Jahren verstorben ist“, erzählt Christian Dressen, der Diplom-Restaurator des Museums. „Die Hinterbliebenen hatten uns kontaktiert, weil sie die Küche abgeben wollten. Wir machten dann einen Termin vor Ort.“ Die Holzküche – 1929 wurde sie hergestellt – stammt aus der Siedlung „Bornheimer Hang“. Sie ist, wie sich allerdings erst später herausstellte, auch heute noch im Besitz der ABG Frankfurt Holding, der größten Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Frankfurt. „Die Küche, die wir präsentieren ist ein großer Glücksgriff, weil kaum etwas an ihr verändert worden ist“, freut sich Restaurator Christian Dressen. „Das Exemplar ist sehr gut gepflegt worden, selbst der Spülenunterschrank ist noch erhalten, was sehr selten ist. Bis auf den Wasserhahn ist die Küche noch komplett im Originalzustand. Die Hängeschränke mit Schiebetüren, die Spüle und auch die typischen Schütten aus Aluminium, die Schubfächer für lose Vorräte wie Zucker oder Mehl sind noch original erhalten genauso wie die Fliesen, Türklinken und Türrahmen. Sogar das alte, gusseiserne Spülbecken – weiß emailliert – ist noch vorhanden.“ Christian Dressen übernahm den Ausbau selbst. „Das Besondere war, dass wir neben den reinen Küchenmodulen auch die Architekturteile ausbauen konnten, d. h. Boden- und Wandfliesen, Türblätter und Zargen sowie die Heizung.“ Allerdings gab es einen straffen Zeitplan. „Ich hatte nur acht Tage Zeit, da die Wohnung schnell saniert werden sollte“, erinnert sich der Restaurator. „Die sogenannte Frankfurter Küche entstand im Rahmen des Bauprogramms ‚Das Neue Frankfurt‘ für mehrere Wohnsiedlungen mit über 12.000 Sozialwohnungen“, führt Christian Dressen weiter aus. Zum ersten Mal wurde hier der Stauraum schon beim Bau der Wohnungen in die Wände integriert. „Ursprünglich wurden etwa 10.000 dieser Einbauküchen in Serie produziert, doch mittlerweile sind nur noch sehr wenige erhalten“, erklärt Christian Dressen. „Die meisten Teile dazu lieferten Firmen aus dem Rhein-MainGebiet.“ Den Bau der Schütten ließ sich die Frankfurter Firma Haarer, die später nach Hanau übersiedelte, sogar patentieren. Von dem Städteplaner Ernst May, der zu den wichtigsten Reformarchitekten der Weimarer Republik gehörte, wurde Margarete Schütte-Lihotzky in die Abteilung Typisierung des städtischen 1/2018

Foto: (1) Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, 2017 / Anja Jahn

Zwei Jahre lang wurde sie restauriert, jetzt ist sie im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt dauerhauft zu bewundern: ein Exemplar der sogenannten Frankfurter Küche. Über die „Mutter“ der Einbauküchen, die in den 1930er-Jahren das Kochen revolutionierte, sprach RESTAURO mit dem Diplom-Restaurator Christian Dressen (FH).


Fotos: (2–4) Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, 2017 / Anja Jahn

HOLZ

Hochbauamtes berufen und arbeitete dort an der Optimierung der Arbeitsvorgänge in der Küche. Die Frankfurter Küche wurde nach den Prinzipien und der Struktur einer Mitropa-Speisewagenküche als reine Arbeitsküche auf etwa zehn Quadratmeter Bodenfläche entwickelt. Mit der Stoppuhr und auf der Grundlage von Aufzeichnungen der Griff- und Schrittwege einer Hausfrau analysierte Margarete Schütte-Lihotzky die Arbeitsabläufe in der Küche wissenschaftlich. Denn schließlich sollte auf wenig Raum alles ganz schnell griffbereit sein. Küchen bestanden in Deutschland bis in die 1920erJahre traditionell aus Einzelmöbeln. Die serielle Herstellung der einzelnen Elemente, der Aufbewahrungsschütten, der Glas-Schiebetüren oder der Metallgriffe, sollte die Kosten senken. Aber auch die Hygiene in der Küche war ein großes Thema. Die Holz-Unterschränke stellte man daher auf verkleidete Betonsockel, damit sich unter ihnen kein Schmutz sammeln und man den Boden leicht reinigen konnte. Die Schränke baute Magarete Schütte-Lihotzky zur bestmöglichen Ausnutzung des vorhandenen Platzes teilweise bis unter die Decke. Das Bügelbrett war praktischerweise von der Wand zum Arbeiten herunterklappbar, Kochtöpfe und ihre Deckel brachte man in einem durchlüfteten Schrank unter, damit sie gut trocknen konnten. Aus ökonomischen Gründen hatten die Schränke übrigens keine Rückwände – denn diese waren ja nicht sichtbar. Gut dreißig verschiedene Varianten der Frankfurter Küche gab es insgesamt, ursprünglich waren die Schütten unten im Schrank angeordnet, wie etwa das Beispiel aus dem Museum of Modern Art in New York zeigt. Doch weil Kinder sie herausziehen konnten, wurden sie beim weiterentwickelten Typ im Frankfurter Museum Angewandte Kunst nach oben gelegt. „Vor der Restaurierung kam die Küche in unseren Quarantäne-Raum, um sicherzustellen, dass sie nicht von Schädlingen befallen ist“, erzählt Christian Dressen. Anschließend wurde sie dann in die Werkstatt überführt. Jedes Element bearbeitete der 43-Jährige in seiner Werkstatt und reinigte es behutsam – vom Hängeschrank mit Schiebetüren über die Beschläge bis zu den Wandfliesen und dem Fußboden aus Solnhofener Kalkstein. Er verzichtete dabei auf großflächige Retuschen und stellte stattdessen die letzte 1/2018

2 ABSTRACT The Kitchen Revolution Came From Frankfurt After two years of restoration, it can be admired at the Museum Angewandte Kunst in Frankfurt: the socalled Frankfurt Kitchen. RESTAURO spoke to graduate conservator Christian Dressen (FH) about the “mother” of built-in kitchens that revolutionised cooking in the 1930s.

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Originallackierung durch Freilegung und Säuberung wieder her. Die Spuren des Gebrauchs blieben dabei bewusst sichtbar. Im Original war die Küche einmal hellgrau. An einigen Stellen ist die Farbe jetzt noch zu sehen. Denn es hätte noch viele Jahre gebraucht, um sie komplett freizulegen. „Wir haben mit den Kuratoren drei verschiedene Restaurierungsoptionen besprochen“, führt Christian Dressen aus. „Die Freilegung – sie hätte sämtliche Zeitpläne gesprengt – die Möglichkeit

2 Detail Abb. 1: Zweite Anordnung der Schütten 3 Detail Abb. 1: Schiebetüren 4 Detail Abb. 1: Selbst das Türblatt und die Beschläge sind original erhalten

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