RESTAURO 4/2019

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 4 2019

Lebendige Boten des Vergangenen Spolien als Brücke zwischen dem historischen Kontext eines Ortes und seiner Gegenwart

FORSCHUNG Johannes Vermeer übermalte Cupido nicht

BERUF Angehende Restauratoren lernen im thüringischen Altenburg

PRÄSIDENT Christoph Bazil leitet das Bundesdenkmalamt Österreich


INHALT

Weltkulturerbe: Bruno Tauts farbenfrohe Hufeisensiedlung in Berlin

Interdisziplinäre Denkmalpflegetagung „Klimazone Kirche“ der HAWK in Hildesheim im Januar 2019

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Das Bauwerk als primäre Quelle seiner Geschichte Aktuelle Themen der Bauforschung diskutieren die „Europäischen Bauforschertage“ auf der Salzburger Messe MONUMENTO 2020

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Vom Biberschwanzziegel bis zur hölzernen Füllungstür Baumarkt der ganz besonderen Art: In Kirchheim/Teck bei Stuttgart werden bis zu 500 Jahre alte Baumaterialien präsentiert

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Grüne Multi-Kraft vom Acker Warum Hanf in Zeiten der anstehenden Rohstoffwende der bessere Baustoff ist

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Auf der Suche nach den Farben der Moderne 2019 feiert das Bauhaus sein 100-jähriges Bestehen. Anlass genug, mit ausgewählten Bauten das Thema Farbe in den Blick zu nehmen

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Glas schützt Glas am Kölner Dom Historische Glasmalereien leiden unter Wind und Wetter. Eine neue entspiegelte Außenschutzverglasung bewahrt gefährdete Fenster

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Lebendige Boten des Vergangenen Kann ein Architekt mit historischen Materialien zukunftweisend bauen? Spolien sind hier ein probates Mittel

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Denkmalpflegerische Meisterleistung Gutshof Murjahn: Das neue DAW-Tagungszentrum in der Pfalz vereint Tradition und Moderne

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Was tun bei Feuchtigkeit und Salzen in denkmalgeschützten Gebäuden? Das Mauerwerk alter Gebäude beinhaltet häufig Feuchtigkeit und darin gelöste Salze. Diese schädigen auf lange Sicht das Bauwerk

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Der erste Blick gilt dem Dach Stephan Biebl, Experte für Holzschäden, arbeitet sich vom Speicher bis zum Keller durch, wenn er ein Gebäude begutachtet

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Raum für historischen Charakter Eine Altbauvilla in Hamburg benötigte eine energetische Sanierung. Der zuständige Architekten griff auf ein neues Dämmstoffsystem zurück

KLIMA Das „Altenburger Praxisjahr für Kulturgut- und Denkmalrestaurierung“

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Zur Behebung der Klimaprobleme in Kirchen. Die Ausstattung im Fokus Tagungsbericht zur interdisziplinären Denkmalpflegetagung „Klimazone Kirche“ der HAWK in Hildesheim (Januar 2019)

BERUF 52

Vorbereitung auf den schönsten Beruf der Welt Das „Altenburger Praxisjahr für Kulturgut- und Denkmalrestaurierung“ gibt jedes Jahr vier Praktikanten erste Einblicke in den Beruf

PAPIER 56 Der einmalige Bestand von rund 120 Skizzenbüchern im Frankfurter Städel Museum wird restauriert

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Schmaler Grat zwischen Spur und Schaden Gespräch mit Städel-Restauratorin Anna Motz über den einmaligen Bestand an Skizzenbüchern 4/2019

Fotos (v. o. n. u.): © Keimfarben, Diedorf; privat; Uwe Strömsdorfer; Graphische Sammlung, Städel Museum Frankfurt

TITELTHEMA: BAUEN IM BESTAND


RUBRIKEN 6

KUNSTSTÜCK Sensation in Dresden: Johannes Vermeer übermalte Cupido nicht

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BLICKPUNKT Das Institut für Konservierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien wurde mit einem UNESCO-Lehrstuhl ausgezeichnet Dr. Christoph Bazil wird neuer Präsident des Bundesdenkmalamts (BDA) in Wien

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BERUF Die Bildungsministerin will dem Meister seinen Meistertitel nehmen

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TERMINE Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT Friederike Schulz, Diplom-Dekorationsmalerin aus Hamburg

Das Besondere hervorheben! Pigmente und Materialien für imposante Meisterwerke …

Titelmotiv Spolien sind, wie das Berliner Büro Jordi & Keller zeigt, ein probates Mittel, um die Geschichte eines Ortes aufleben zu lassen und neue Bauwerke in den gewachsenen Kontext einer Stadt einzubinden (S. 26)

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Foto: Leon Kahane, Berlin

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KUNSTSTÜCK

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KUNSTSTÜCK

Fotos: © SKD, Foto: Wolfgang Kreische (1); © SKD, Foto: Klut / Estel (2)

Sensationelle Entdeckung in Dresden Die Übermalung eines ,Bild im Bild‘ auf dem „Brieflesenden Mädchen am offenen Fenster“ stammt nicht von Johannes Vermeer Wenn sich Wissenschaft und Technik ergänzen, kommt es – nicht selten – zu sensationellen Erkenntnissen. Eine solche stellten am 7. Mai 2019 die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vor. Denn sie konnten mit Hilfe gezielter Farbprobenuntersuchungen nachweisen, dass Johannes Vermeers (1632–1675) „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ (1657/59) anders aussah, als es seit Jahrhunderten gezeigt wird. Zumindest im Bereich der Wand hinter der jungen Frau. Dort befindet sich ein Wandgemälde mit einem nackten Cupido. Das weiß die Vermeer-Forschung bereits seit einer Röntgenaufnahme des Gemäldes von 1979. Doch seitdem nahm die Wissenschaft auch an, dass Vermeer selbst das „Bild im Bild“ übermalt hat. Nun wurde diese Übermalung aufgrund der neuen Untersuchungsergebnisse neu bewertet und es steht fest: Cupido gehört zum Bild, denn Vermeer hat ihn nicht übermalt. Das Verdecken des Hintergrundbildes geschah „mindestens mehrere Jahrzehnte nach Entstehung des Gemäldes und deutlich nach Vermeers Tod“, wie die Kunstsammlungen jetzt mitteilen. Von den nur etwa 36 Gemälden Vermeers besitzen die Dresdener Sammlungen zwei. Das Gemälde „Bei der Kupplerin“ (1556) wurde 2002 bis 2004 restauriert. Eine Ausstellung präsentiert bis Mitte Juni den Zustand des Bildes nach Abnahme der stark vergilbten Firnissschichten und nach Abnahme eines Teils der Hintergrundübermalung. Diese Zwischenzustandspräsentation soll den Besuchern die Möglichkeit geben, das beliebte, doch durch die aufwendige Restaurierung längere Zeit nicht ausgestellte Bild, betrachten zu können. Denn die Abnahme der Hintergrundübermalung durch Christoph Schölzel, Restaurator der Gemäldegalerie Alte Meister, wird noch mindestens ein Jahr dauern. Schölzel arbeitet unter hoher Mikroskopvergrößerung mit dem Skalpell, weil er nur so vorhandene Reste einer Firnisschicht unter der Übermalung erhalten kann. Die Wissenschaftler der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nehmen an, dass es sich dabei „um die letzte noch existierende originale Firnisschicht Vermeers“ handelt. Die Restaurierung begann 2017. Kooperationspartner ist das Labor für Archäometrie der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Außerdem wird das Projekt von einer internationalen Expertenkomission begleitet und beraten. Die Experten 4/2019

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kommen aus Amsterdam, Kopenhagen, Washington, Wien und Dresden. Den aktuellen Zustand des Bildes beschreibt Restaurator Christoph Schölzel so: „Hat schon die Abnahme des stark gealterten Firnisses das uns gewohnte Erscheinungsbild des ‚Brieflesenden Mädchens‘ grundlegend verändert, so stellt die Entfernung der Übermalung über dem Hintergrundbild eine völlig neue Realität in dem Bild her. Plötzlich fügt sich das Dresdner Gemälde zwanglos in die anderen verschränkten Kompositionen des Meisters ein und die kühle, subtile Farbigkeit mit den bisweilen pastos eingesetzten Farbtupfen rückt es zeitlich noch näher zur berühmten ,Milchmagd' in Amsterdam.“

1 Johannes Vermeer, Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster, um 1657/1659, aktueller Zwischenzustand der Restaurierung zum 7. Mai 2019, Öl/Lwd.; Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 2 Vorzustand des Gemäldes (Abb. 1)

ABSTRACT Sensational discovery in Dresden The overpainting of a 'picture within a picture' on the 'letter-reading girl at the open window' is not by Johannes Vermeer.

Uta Baier 7


BAUEN IM BESTAND

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Glas schützt Glas am Kölner Dom

ABSTRACT Glass protects glass at Cologne Cathedral Historical glass paintings are works of art that suffer particularly from wind and weather. A new anti-reflective exterior protective glazing protects the colour windows of Cologne Cathedral from such and other stresses. Thanks to a tailor-made optical interference coating, it also minimises reflections and offers an unaltered view even from an unfavourable viewing angle.

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Mit Fenstern aus sieben Jahrhunderten besitzt das Weltkulturerbe Kölner Dom einen der größten Bestände historischer Glasgemälde überhaupt. Die ältesten darunter stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert, darunter der lückenlos erhaltene Königszyklus im Chorobergaden, der den Chorraum wie eine gläserne Hülle umgibt (Abb.1). Solch gläserne Kunstwerke erfüllen nicht nur inhaltliche und dekorative Aufgaben. Als Fenster müssen sie zugleich den Lichteinfall in einen Innenraum gewähren, diesen nach außen abschließen und vor Wind und Regen schützen. Was das bedeutet, zeigt der allgemein schlechte Zustand historischer Farbverglasungen. Das gilt auch für die Fenster des Kölner Domes. Bei deren

Wiedereinbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde deutlich, dass sie eine kontinuierliche Wartung und Instandsetzung benötigen würden. Dafür wurde 1953 die Glasrestaurierungswerkstatt der Dombauhütte als dauerhafte Institution eingerichtet, in der zur Zeit zehn Glasmalereirestauratoren, Glasmaler und Kunstglaser arbeiten. Vom Werden und Vergehen: Glasgemälde sind stets gefährdet Bei der Konservierung und Restaurierung von Glasmalereien gilt es, deren Herstellung sowie deren Beanspruchung und die damit verbundenen Schadensprozesse zu verstehen. Ein traditionell gefertigtes Glasgemälde besteht hauptsächlich aus 4/2019

Foto: © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln, Foto: Matz und Schenk

Historische Glasmalereien sind Kunstwerke, die unter Wind und Wetter besonders leiden. Eine neue entspiegelte Außenschutzverglasung bewahrt gefährdete Fenster des Kölner Domes nicht nur vor solchen und anderen Beanspruchungen. Dank einer maßgeschneiderten interferenzoptischen Beschichtung minimiert sie zudem Reflexionen und bietet eine unverfälschte Sicht auch aus ungünstigem Betrachtungswinkel


Foto: © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln, Foto: Glaswerkstatt

BAUEN IM BESTAND Glas, dessen Bemalung und Blei. Farbige Gläser werden einzeln nach Schablonen in Form geschnitten, mit einer dunklen Glasmalfarbe (Schwarzlot) bemalt und im Ofen gebrannt. Dann werden sie mit schmalen Bleiruten eingefasst, die miteinander verlötet und zu einer figürlichen oder ornamentalen Komposition verbunden werden. Dabei ist die Größe einer einzelnen Scheibe aus Stabilitätsgründen begrenzt, sodass sich die Farbverglasung eines Fensters aus mehreren einzelnen Segmenten zusammensetzt. Die Restaurierung solcher Objekte, vor allem die Reinigung geschädigter Oberflächen mit fragiler Bemalung, ist heikel. Es sind nicht nur Staub und Schmutz zu entfernen, sondern gegebenenfalls auch Korrosionsprodukte, gealterte Klebstoffe und andere Konservierungsmaterialien, Mörtel- und Kittreste oder mikrobielle Beläge. Ein Reinigungskonzept setzt eine sorgfältige Objektuntersuchung voraus, in der Regel unterstützt von naturwissenschaftlichen Analysen. Festzuhalten ist: Glasmalereien sind substanziell dauerhaft gefährdet. Dies beginnt bei den Glasoberflächen, die empfindlich auf Wasser und wässrige Lösungen reagieren. Das gilt selbst für modernes Glas, weit mehr jedoch für mittelalterliche Gläser. Deren hoher Kalzium- und Kaliumgehalt setzt zwar die Glasschmelztemperatur herunter, vermindert aber auch die Härte und Witterungsbeständigkeit. Beschleunigt wird dies durch aggressive Schadstoffe aus der Umgebungsluft, vor allem Schwefeldioxid. Als Folge entstehen Ablagerungen, die mittelalterliche Gläser trüben oder gar völlig verdunkeln können (Abb. 2). Auch die Bemalung eines Fensters bleibt davon nicht verschont. Zwar befindet sie sich hauptsächlich auf der Innenseite und ist der Bewitterung deshalb nicht unmittelbar ausgesetzt, jedoch greift Kondenswasser die Malfarben, lineare Konturen sowie modellierende Lasuren und Überzüge, an. Diese zersetzen sich zunehmend und fallen schließlich ab. So kann die künstlerische Aussage eines Fensters gänzlich verloren gehen, selbst bei neuzeitlichen Glasmalereien.

InformationIRAN® Heritage Das Schutzglas Amiran® Heritage protect erfüllt die Anforderungen eines Verbundsicherheitsglases der Klasse P1A nach EN 356 (Durchwurfhemmung) und trägt damit zum Vandalismusschutz bei. Die dahinterliegenden Originalverglasungen werden vor UV-Strahlung geschützt (Transmissionsgrad τ_uv< 0,1 % von 300 nm bis 380 nm). Die im Tauchprozess aufgebrachten Sol-Gel-Beschichtungen sind sogenannte Hardcoatings, deren Beständigkeit gegen mechanische und chemische Einflüsse in diversen Tests nachgewiesen wurde (Abriebfestigkeit, Haftfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Klimabeständigkeit).

die umgebende Laibung des Steinwerks gehören zum unverwechselbaren Außeneindruck. Eine Außenschutzverglasung ist daher immer ein Kompromiss. Doch ist ihr Einbau die einzig wirksame Maßnahme, um historische Glasmalereien zu erhalten und vor weiteren substanziellen Verlusten zu bewahren. Auch die Wirksamkeit einer aufwändigen Restaurierung und die Lebensdauer eingesetzter Materialien wie etwa Klebstoffen werden verlängert. Zudem schützt die Verglasung vor mechanischen Beanspruchungen durch Windlasten, Schall- und Druckwellen bei Konzerten, Vandalismus oder auch Feuerwerkskörpern. Nicht zuletzt bedarf auch die Haltekonstruktion eines Fensters des Schutzes. Dies gilt zum Beispiel für die Chorobergadenfenster des Kölner Domes, die mit der mittelalterlichen, handgeschmiedeten Standeisenkonstruktion noch über eine authentische Befestigung für die Bleiverglasungen verfügen. Um für solche Zwecke Schutzgläser anbringen zu können, ist der Aufbau einer Unterkonstruktion nötig. Dazu wurde im Falle der Chorobergadenfenster 2003 ein System mit Klammer- und Spreiztechnik eingesetzt, das kein Anbohren von umgebenden

1 Köln, Dom, Königsfenster im Chorobergaden, um 1300 2 Köln, Dom, mittelalterliches gelbes Glasstück mit dichtem Belag von Korrosionsprodukten auf der Außenseite. Auflicht (links) und Durchlicht (rechts)

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Die Außenschutzverglasung – ein notwendiger Eingriff Die wichtigste Schutzmaßnahme für historische Glasmalereien ist daher eine Außenschutzverglasung. Sie wird anstelle der Originalfenster in die Laibungsnut eingebaut und übernimmt fortan die bautechnische Aufgabe als Klimascheide. Das Glasgemälde wird mit einigen Zentimetern Abstand innenseitig so vor die Schutzverglasung montiert, dass die notwendige Luftzirkulation stets gewährleistet ist. Dies bedeutet einen herben Eingriff in die Gestaltung gerade von gotischen Bauten wie dem Kölner Dom, denn die Bleiverglasung, die gliedernde Eisenkonstruktion der Fensteröffnung und 4/2019

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BAUEN IM BESTAND

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BAUEN IM BESTAND

Lebendige Boten des Vergangenen

Fotos: Leon Kahane, Berlin (1); Fotomontage: Marc Jordi, Fotografie: Stefan J. Müller, Berlin (2); Skizzen: Marc Jordi, Fotografie: Stefan J. Müller, Berlin (3)

Kann ein Architekt mit historischen Materialien zukunftweisend bauen? Spolien sind, wie das Berliner Büro Jordi & Keller zeigt, ein probates Mittel, um die Geschichte eines Ortes aufleben zu lassen und neue Bauwerke in den gewachsenen Kontext einer Stadt einzubinden. In der Gegenwartsarchitektur wächst aktuell das Interesse am Spolieren

„Die Stadt gibt’s nicht mehr. Wir können das Theater jetzt lassen.“ Rem Koolhaas ist um klare Ansagen nicht verlegen. Entsprechend drastisch formuliert der Star-Architekt seine Konsequenzen: „Fuck Context.“ Dem gegenüber steht das tiefe Unbehagen vieler Menschen, die in den Städten wohnen und arbeiten. Ein Unbehagen an kontextloser Architektur, die dem Ort übergestülpt zu sein scheint. Mag es sich auch nicht an der Handschrift ausgewiesener Baumeister entzünden, so doch an einem Übermaß nutzungsoptimierter, geschichtsund gesichtsloser Investorenarchitektur. Das scheint auch Frank Gehry so zu sehen, wie Koolhaas ein Weltstar seines Berufsstandes. Für ihn sind 98 Prozent all dessen, was gebaut wird, „saublöde Gebäude“. Es gebe „kein Gefühl für Design, keinen Respekt vor der Menschheit oder vor irgendetwas anderem“, klagt er. Das Leiden an der Beliebigkeit nährt eine Sehnsucht nach Identität und menschlichem Maß. Doch für eine menschenwürdigere Stadt braucht es Architekten, die es sich leisten, sich zurückzunehmen. Aus Respekt vor dem Ort und seiner Geschichte. Architekten wie zum Beispiel Marc Jordi und Susanne Keller, die sich „mehr visuelle Dichte, Sinngehalt und menschliche Ausdruckskraft beim Bauen“ wünschen. Sie suchen den Kontext der Stadt und würdigen ihn. Ihre Disziplin verstehen sie als „Mutter der Künste“. Ein Architekt dürfe nicht als Alleinunterhalter wirken: „Stattdessen ist es seine Aufgabe, auch den anderen am Bau beteiligten Handwerkskünsten – im Interesse der Gesamtaufführung – einen Platz auf der Bühne einzuräumen.“ Und so verhilft das Berliner Architektenpaar bei seinen Projekten auch den Handwerkskünsten zur Geltung. Jordi & Keller haben ein zeitgemäß geschichtsbewusstes Verständnis von Baukunst entwickelt. Deshalb verwenden sie gezielt auch Baumaterialen vergangener Epochen. Mit den Spolien, die sie in einen Neubau einarbeiten, schlagen sie eine Brücke zwischen dem historischen Kontext eines Ortes und seiner Gegenwart. Damit erweisen die Architekten einer langen Tradition Reverenz, denn Spolien wurden bereits in der Antike verwendet: So stammen etwa die Tondi am römischen Konstantinsbogen aus der Zeit Kaiser Hadrians, während antike Medusenköpfe die Pfeiler der justinianischen Zisterne in Istanbul tragen. Und auch die mittelalterlichen Architekten „recycelten“ Bauteile oder Fragmente 4/2019

von Reliefs, Skulpturen, Friesen oder Kapitellen. Die Kapelle Papst Sixtus’ IV. im Petersdom beispielsweise ruht auf antiken Säulen aus den Diokletiansthermen. In der Gegenwartsarchitektur wächst das Interesse am Spolieren. Dieses Phänomen erklärt der Schweizer Kunsthistoriker Hans-Rudolf Meier mit einem neuen Interesse am Ort und am Ornament,

1 Stadthausfassade Caroline-vonHumboldt-Weg 18, Berlin-Friedrichswerder, Fassade: Winzer Natursteine, Bad Lausick, Schmuckgeländer: Kunstschmiede Frank Schönemann, Reppichau 2 Fassadenausschnitt mit Verortung der Spolien der ehemaligen Reichsbank 2 3 Höhenentwicklung der Hausfassaden in den jeweiligen Stilen des Frühbarock, Spätbarock und Klassizismus

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ABSTRACT Living messengers of the past Can an architect build with historical materials in a forward-looking way? Spolia, as the Berlin office Jordi & Keller shows, are an effective means to revive the history of a place and to integrate new buildings into the grown context of a city. Interest in polishing is currently growing in contemporary architecture.

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KLIMA

Zur Behebung der Klimaprobleme in Kirchen. Die Ausstattung im Fokus Tagungsbericht zur interdisziplinären Denkmalpflegetagung „Klimazone Kirche“ der HAWK in Hildesheim im Januar 2019

Die HAWK war für dieses Thema zwischen Bauphysik und Konservierung/ Restaurierung ein idealer Veranstalter, arbeiten an der Hochschule doch beide Fächer in einer Fakultät eng zusammen. Außerdem umfassen die HAWK-Restaurierungsstudiengänge als einzige in Europa gleich zwei HolzRestaurierungsstudienrichtungen, nämlich „Gefasste Holzobjekte und Gemälde“ und „Möbel und Holzobjekte“, sowie eine ordentliche Professur und ein Labor für Mikrobiologie, die an einigen der vorgestellten Projekte maßgeblich beteiligt waren. Außerdem hat sich die Fakultät schon durch verschiedene Tagungen als guter Branchentreffpunkt für die Denkmalpflege profiliert.1 Das Thema ist topaktuell

Die Aula der HAWK in Hildesheim war mit über 200 Tagungsgästen ausgebucht

Vom 16. bis 18. Januar 2019 veranstaltete das Hornemann Institut und die Fakultät Bauen und Erhalten der HAWK in Kooperation mit dem Verband der Restauratoren die interdisziplinäre Tagung "Klimazone Kirche. Präventive Konservierung der Ausstattung“, zu der über 200 Fachleute aus Restaurierung, Denkmalpflege, Architektur, Ingenieurwesen und Bauphysik anreisten. Viele arbeiten für kirchliche Bauämter, die sich seit Jahren im Balanceakt zwischen Kirchennutzung, energieeffizientem Heizen und Erhalt der kulturhistorisch bedeutenden Ausstattung befinden. Sie hoffen auf verstärkte Forschungsinitiativen, die praktische Lösungen für die besondere Situation der Kirchen und ihrer Ausstattung herausarbeiten, denn häufig werden Schäden von mehreren Ursachen hervorgerufen, die sich zum Teil gegenseitig bedingen oder sogar verstärken.

Die große Resonanz auf die ausgebuchte Tagung in den Medien zeigt, wie aktuell das Thema nicht nur in der Praxis der kirchlichen Denkmalpflege ist: Denn neben dem Verlust von Bild- und Fassungsschichten, Trocknungsrissen und -fugen im Holz und der Verschmutzung der Objekte hat insbesondere Schimmelbefall an Kirchenausstattungen in jüngerer Zeit dramatisch zugenommen. Die Tagung widmete sich deshalb dem zentralen Thema der Wechselbeziehungen zwischen Raumklima und hölzerner Ausstattung in Sakralräumen. Denn sie betrifft das Problem in besonderem Maße: Ihre bauphysikalischen Gegebenheiten und raumklimatischen Beanspruchungen unterscheiden sich bekanntermaßen erheblich von solchen in permanent genutzten historischen Gebäuden, wie z. B. Museen. Deshalb sind Forschungen zur Erhaltung von hölzernem Inventar, das in anders genutzten historischen Gebäuden aufbewahrt wird, nur sehr bedingt übertragbar.2

1

Eine Liste der bisherigen Tagungen auf: www.hornemann-institut.de/german/Tagungen.php.

2

Stellvertretend für die vergleichsweise rege Forschung rund ums Museumsklima sei hier nur auf die 2010 gestartete Vor-

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ABSTRACT To remedy the climate problems in churches. Focus on equipment Conference Report on the Interdisciplinary Conference on the Preservation of Monuments "Church Climate Zone" of the HAWK in Hildesheim in January 2019.

Eine der jüngsten Publikationen, die das Thema als eine der größten Herausforderungen der Forschung bezeichnet: Bylund

Melin, Charlotta: Wooden objects in historic buildings. Effects of dynamic relative humidity and temperature, Göteborg 2017 (=Gothenburg Studies in Conservation 43), online: http://hdl.handle.net/2077/54179. 4

* Richtlinien für die Beheizung und Lüftung von Kirchen und Kapellen (Stand 26.11.2013), in: Energiekosten senken – Kirch-

liche Kunstgüter erhalten, s. Anm. 14. * Vorsorge, Pflege, Wartung. Empfehlungen zur Instandhaltung von Baudenkmälern und ihrer Ausstattung für Denkmaleigentümer, Verwalter, Hausmeister, Kirchenvorsteher, Kirchenpfleger, Küster und Mesner. Ein Arbeitspapier der Arbeitsgruppe Restaurierung und Materialkunde der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, bearb. von Michael Kühlenthal, neubearb. von Christine Kelm und der Arbeitsgruppe Restaurierung und Materialkunde, 2016 (=Berichte zur

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Foto: HAWK (Barbara Hentschel), 2019

tragsreihe „Das grüne Museum – Effizienz und Nachhaltigkeit in Museen“ der Forschungsallianz Kulturerbe hingewiesen.


KLIMA

Zudem zwingen steigende Energiekosten und Personalmangel viele Gemeinden zur Reduzierung bis hin zur Abschaltung der Beheizung der Kirchen, manchmal verbunden mit der Auslagerung der Gottesdienste in sog. Winterkirchen, was mancherorts zu ungünstigen Lüftungsverhalten in den Kirchen führt und langfristig auch zu Schädigungen an der Ausstattung. Der Lösungsweg vergangener Zeiten, die nicht fest verankerte Ausstattung bei unzureichenden raumklimatischen Bedingungen zur Schadensprävention aus der Kirche zu bringen, stellt keine reelle Handlungsoption mehr dar, denn viele Kirchendepots sind klimatisch ebenfalls nicht geeignet oder leiden durch die zunehmenden Kirchenschließungen schon jetzt unter akuter Platznot. Eine solche Translozierung der oftmals auch in besonderem Maße identitätsstiftenden Innenausstattung liefe in der Regel auch den Interessen der Gemeinden zuwider, gäbe sie schlimmstenfalls langfristig der Vergessenheit anheim. Zudem ist sie mit heutiger denkmalpflegerischer Ethik nicht mehr zu vereinbaren. Die Forschung muss intensiviert werden Es gibt überraschenderweise bislang keine Fachpublikation mit einer Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands zur präventiven Konservierung von Kirchenausstattung, sondern weitgehend nur Einzeldokumente.3 Seit einigen Jahren werden jedoch zahlreiche Bemühungen unternommen, Standards zu entwickeln, und zwar auf regionaler4, bundesweiter5 und auf EU-Ebene6. Wenn Kirchen im Fokus von Studien oder Tagungen zur Auswirkung des Raumklimas standen, ging es dabei bislang vor allem um das Bauwerk

und die wandfeste Kirchenausstattung, also z. B. um Stein, Wandmalerei, Böden und Glas.7 Wegen dieses Forschungsdesiderats und der aktuellen konservatorischen Probleme konzentrierte sich die Tagung konsequent auf die präventive Konservierung der nicht fest eingebauten, weitgehend hölzernen Innenausstattung, also vor allem auf Altaraufsätze, Kanzeln, Skulpturen, Gemälde und Orgeln, die auf klimatische Veränderungen besonders empfindlich und verschieden reagieren. Beachtet werden muss dabei, dass Kirchenheizungen häufig nicht gleichmäßig im Raum verteilt sind und durch ungleichmäßige Konvektion die Wärme- und Feuchteverteilung im Raum sehr unterschiedlich ist, und zudem Kunstwerke häufig keinem homogenen Raumklima unterliegen, sondern – zum Beispiel in Ecken oder an Außenwänden – besondere Mikroklimata zu berücksichtigen sind, und ihre verschiedenen Materialien unterschiedlich altern. Dabei dürfen die Auswirkungen des Innen– und Außenklimas auf den Baukörper und auf die wandfeste Ausstattung nicht aus dem Blick geraten, denn dabei handelt sich ja um große Flächen, die durch ihr eigenes Absorptionsverhalten den wichtigen Faktor der Raumfeuchte mitbestimmen. Die Behebung der klimatisch bedingten Schäden, wie z. B. der Verlust von Bild- und Fassungsschichten, mikrobieller Befall, Wirkung bauschädlicher Salze oder Verschmutzung, standen indes nicht im Fokus dieser Tagung. Wissenstransfer in die Praxis als Ziel Ziel der Tagung war es, den aktuellen Stand des Wissens über die bauphysikalischen Prozesse fachübergreifend und praxisorientiert zu vermitteln

Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland 10), kostenfrei online: www.vdl-denkmalpflege.de/fileadmin/dateien/Berichte/Arbeitsheft_10_Vorsorge_Pflege_Wartung_WEB.pdf. 5

Klima und Klimastabilität in historischen Bauwerken, WTA Merkblatt 6-12-11/D, hg. von Wissenschaftlich-Technische Ar-

beitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. -WTA-, Referat 6 Bauphysik/Bauchemie, München 2012. Weitere WTA-Merkblätter sind in Vorbereitung. 6

* Erhaltung des kulturellen Erbes – Festlegungen für Temperatur und relative Luftfeuchte zur Begrenzung klimabedingter

mechanischer Beschädigungen an organischen hygroskopischen Materialien; Deutsche Fassung EN 15757:2010-12 * Erhaltung des kulturellen Erbes – Raumklima, Teil 1: Leitfäden für die Beheizung von Andachtsstätten; Deutsche Fassung EN 157591:2011; Teil 2: Lüftung für den Schutz von Gebäuden und Sammlungen des kulturellen Erbes; Deutsche Fassung EN 15759-2:2018 7

Z. B. UNESCO-Weltkulturerbe Reichenau. Die Wandmalereien in der Kirche St. Georg: Interdisziplinarität als Schlüssel zu ei-

ner nachhaltigen Denkmalpflege. Tagungsband des DBU-Abschlusskolloquiums 22.-24. März 2017, hg. von Dörthe Jakobs und Harald Garrecht, Stuttgart 2017.

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BERUF

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Vorbereitung auf den schönsten Beruf der Welt Das „Altenburger Praxisjahr für Kulturgut- und Denkmalrestaurierung“ gibt jedes Jahr vier Praktikanten erste Einblicke in den Beruf

ABSTRACT Preparation for the most beautiful profession in the world The "Altenburger Praxisjahr für Kulturgut- und Denkmalrestaurierung" (Altenburg Practice Year for Cultural Property and Monument Restoration) is held every year four trainees first insights into their profession.

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Erfahrungen hatten sie nicht, aber den unbedingten Willen, ein Vor-Praktikumsjahr im thüringischen Altenburg möglich zu machen. Seit drei Jahren gibt es nun das „Altenburger Praxisjahr für Kulturgut- und Denkmalrestaurierung“, organisiert von den drei Restauratoren Arnulf Dähne, Johannes Schaefer und Oliver Tietze. Als vierter Partner wurde das Residenzschloss Altenburg mit seinem Schloßmuseum gewonnen. Eine solche Stelle in einer städtischen Institution zu schaffen war im Vorfeld die größte Hürde, erinnert sich Arnulf Dähne. Doch es gelang: Die jährlich vier Praktikanten sind jeder bei einem der Projektpartner zu den gleichen Konditionen angestellt, bekommen ein wenig Geld und arbeiten einzeln und auch alle gemeinsam.

„Es war immer unser Interesse, uns um den Berufsnachwuchs zu kümmern“, sagt Arnulf Dähne, Mitinhaber der Altenburger Restauratorengemeinschaft „pons asini“ und präzisiert: „Es ging darum, eine qualitätvolle Ausbildung anbieten zu können – auch mit dem Wissen, was uns selbst am Anfang des Studiums fehlte.“ Außerdem sei es interessant und wichtig, Kontakt zu den Studenten und Absolventen zu halten, um selbst am Puls der Zeit zu bleiben. Die Altenburger geben in ihrem Praktikumsjahr einen fächerübergreifender Einblick in die vielen Möglichkeiten und Fachrichtungen des Berufs. Das ist durch die gemeinsame Projektverantwortung unterschiedlicher Restauratoren gut möglich. Der promovierte Restaurator Arnulf Dähne 4/2019


BERUF hat sich in seiner Restauratorengemeinschaft auf Wandmalerei, Architekturoberflächen und Baudenkmalpflege spezialisiert, Johannes Schaefer auf Gemälde, Tafelbilder, Holzskulpturen und Ausstattungen, Oliver Tietze auf Gemälde, Skulpturen, Raumausstattungen, Ethnologische Objekte, Modelle aus Pappe. Dazu kommt das Fachwissen aus dem Altenburger Schloß- und Spielkartenmuseum, in dem es neben kunsthandwerklichen Objekten Möbel- und Raumaustattungen als Restaurierungsobjekte gibt. Ein fächerübergreifender Einblick sei innerhalb des einen Praktikumsjahres trotzdem nicht einfach zu vermitteln, denn die Praktikanten müssten sich nach den ersten Monaten bereits für ein Studium bewerben. Deshalb stehen die ersten Monate ganz im Zeichen der Studienvorbereitung. Dabei stellen Dähne, seine Kollegen und die Praktikanten immer wieder fest, dass nicht nur jede Hochschule eine andere Ausrichtung, sondern auch andere Zugangsbedingungen hat. Außerdem werde von den Bewerbern erwartet, dass sie sich bereits auf eine bestimmte Fachrichtung bewerben. Arnulf Dähne erscheint eine solche Festlegung zu früh, zumal er Vor-Praktikanten erlebt, die meist sehr wenig über den Beruf des Restaurators wissen. Trotzdem müssen die Bewerbungsvorbereitungen die ersten Monate in Altenburg bestimmen: Es gibt Zeichenkurse im Studio Bildende Kunst des Lindenau-Museums, Einblicke in die verschiedenen Ateliers, Theorietage und gleich zu Anfang auch die „Bekanntschaft mit dem Praktikumsobjekt“. Das stammt immer aus den Sammlungen des Altenburger Schlosses und wird komplett von den Praktikanten bearbeitet. 2018 waren es Relieftafeln aus der Schlosskirche, dieses Jahr sind es neobarocke Konsoltische aus dem Schlossinterieur. Museumsleiter Uwe Strömsdörfer, selbst Restaurator, ist sehr glücklich, dass Objekte aus seinem Museum restauriert werden, für die es in seinem Etat kein Budget gibt. Außerdem sollen die Praktikanten eine Vorstellung bekommen, wie sie arbeiten wollen: „angestellt oder frei, drinnen oder draußen, im Museum mit seinen speziellen Anforderungen und Verpflichtungen oder im selbstregierten Chaos der Freiberufler“, sagt Arnulf Dähne. Und es sei wichtig zu vermitteln, wie viel Naturwissenschaft, Material- und Kunstwissenschaft zum Beruf des Restaurators gehören. All das wüßten die meisten Praktikanten nicht. Dähne wählt gemeinsam mit seinen Kollegen aus jährlich 25 Bewerbern vier Praktikanten aus. Die Bewerber kommen aus Deutschland und der ganzen Welt. Selbst Auslandsdeutsche aus Mexiko und den USA haben sich schon beworben. Klappt es nach dem Praktikum nicht sofort mit dem Studium, kümmern sich die Altenburger weiter. „Man ist eben nicht nur Praktikumsvater“, 4/2019

sagt Arnulf Dähne. Uwe Strömsdörfer träumt sogar vom Angebot einer WG für die Praktikanten. An Ideen mangelt es den Altenburger Restauratoren nicht, doch die funktionieren nur, so lange es verpflichtende Vor-Praktika gibt. Hören die Hochschulen damit auf, wie mancherorts überlegt wird, könnten die Altenburger Restauratoren das Angebot nicht mehr finanzieren. Denn dann müssten sie anstelle der Praktikumsvergütung Mindestlohn zahlen. Arnulf Dähne ist von der Nützlichkeit eines VorPraktikums absolut überzeugt. Er selbst hat drei Jahre vor dem Studium bei Restauratoren gearbeitet. „Es ist nicht nur so, dass sich viele Abiturienten vor dem Studium nicht gut vorbereitet fühlen. Auch nach dem Studium fühlen sich viele Absolventen ungenügend auf den Beruf vorbereitet. „Hier bei uns in Thüringen zeigt sich das daran, dass es in den vergangenen zehn Jahren keine

1 Praktikantin Sarah Ott arbeitet in der Agneskirche in Altenburg (2018) 2 Praktikantinnen im Schloß Leuben

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