Restauro 5/2019

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 5 2019

ZUKUNFT WISSENSCHAFT

Meisterhaus von Kandinsky und Klee wiedereröffnet Restauratoren rekonstruierten mehr als 100 Farben pigmentgenau NEUE SERIE Ein Blick hinter die Kulissen von Restaurierungszentren

SCHENKUNG Das Haus Bastian ging an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz

ZWISCHENSTAND Forschungsprojekt zu Möbeln von Jean-Pierre Latz in Dresden


INHALT

Transformation der Vergangenheit: Mediterrane Töne im schwedischen Nationalmuseum (Stockholm)

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Die Vergangenheit in die Gegenwart bringen Im Oktober 2018 wurde das schwedische Nationalmuseum nach fünfjähriger Sanierung mit einem neuen Konzept wiedereröffnet

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Über das Zentrum des Stille-Nacht-Gedenkens Die Entstehungsgeschichte des berühmten Weihnachtsliedes Stille Nacht wird jetzt im neuen Stille-Nacht-Museum in Oberndorf (Salzburg) erlebbar

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Besuch in einem Gemälde Pigmentgenau rekonstruiert: Die Wüstenrot-Stiftung hat das Meisterhaus Klee/Kandinsky in Dessau erforscht und saniert

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Prunkstücke sind die berühmten Friedberger Uhren Seit mehr als 130 Jahren beheimatet das Wittelsbacher Schloss im schwäbischen Friedberg ein Museum. Drei Jahre lang wurde es saniert und Mitte Mai 2019 wiedereröffnet. Mit im Team: Restaurator Johannes Baur

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Wie die Römer einst am Limes lebten Das Limes Museum Aalen ist seit Mai 2019 wiedereröffnet: Die Neugestaltung stammt vom Stuttgarter Szenografie-Experten Atelier Brückner

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Der Museumsneubau im Denkmal Mit der Betrachtung von Neubauten im Denkmal hat sich Diplom-Restaurator Boris Frohberg auseinandergesetzt. Eine Analyse

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Glamour und Wirklichkeit des Krieges Das Militärhistorische Museum in Dresden polarisiert mit seiner drastischen Geste, die Denkmalschützern einige Sorgen bereitete

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Leuchtendes Schaudepot Vor 50 Jahren geplant – jetzt eröffnet: Die Kunsthalle Rostock zeigt nun auch im Depot seine Sammlung

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Niederösterreichs neues Architektur-Juwel Krems hat mit der Landesgalerie Niederösterreich ein neues Wahrzeichen. Wettbewerbsvorgabe war: kein natürliches Licht im Ausstellungsbereich

Forschung und Restaurierung am einzigartigen Dresdener Möbelbestand des Ebenisten Jean-Pierre Latz

SANIERUNG 44 Das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum (WRZ) der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

Historischer Bestand in trockenen Tüchern Bei Sanierungsvorhaben stößt man im Mauerwerk häufig nicht nur auf Feuchtigkeit, sondern auch auf darin gelöste Salze. Welche technischen und wirtschaftlichen Vorteile haben Feuchteregulierungsputze?

FORSCHUNG 48

„Das Gehäuse mit Schildkröte und Messing eingelegt“ Zwischenstand nach acht Jahren: Der einzigartige Dresdener Möbelbestand aus der Werkstatt von Jean-Pierre Latz wird erforscht, restauriert und am Ende ausgestellt

SERIE RESTAURIERUNGSZENTREN – TEIL 1 54 Das Haus Bastian an der Museumsinsel Berlin wurde der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben

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Das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum (WRZ) der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Potsdam Seit ein Teil der Ateliers mit anderen Abteilungen der Stiftung vereint sind, gibt es mehr Zusammenarbeit, sagt Chefrestauratorin Kathrin Lange 5/2019

Fotos (v. o. n. u.): Courtesy Anna Danielsson / Nationalmuseum, Schweden; © Kunstgewerbemuseum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Frank Dornacher; Daniel Lindner, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2018; Joana Pratschke

TITELTHEMA: MUSEUMSNEU- UND UMBAU


MUSEUM 58

Großzügige Schenkung Das Haus Bastian an der Museumsinsel Berlin wurde der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben

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Das Lederalphabet Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach hat einen multimedialen Projektraum bekommen

RUBRIKEN 6

KUNSTSTÜCK Der Zürcher Pavillon Le Corbusier gibt sich nach zweijähriger Sanierung frischer denn je

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BLICKPUNKT Review: Nanokalk in der Putz-, Wandmalerei- und Steinkonservierung stand Mitte April 2019 im Zentrum eines Workshops der Fachgruppe Steinkonservierung und Wandmalerei & Architekturoberflächen im Verband der Restauratoren (VDR)

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BERUF Es ist vorerst entschieden: Der akademisch ausgebildete Steinrestaurator ist kein Handwerker

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TERMINE Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT Diplom-Restaurator Dietmar Linke, Spezialist für die Erforschung und Restaurierung von Gummi- und Kunststoffen

Foto: Walter Gropius, © VG Bild-Bonn, 2019; Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung 2019

Titelmotiv Pigmentgenau rekonstruiert: Die Wüstenrot-Stiftung hat das Meisterhaus Klee/Kandinsky in Dessau erforscht und saniert. Entstanden sind Räume in originalen Klee- und Kandinsky-Farben (siehe Seite 18ff.)

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KUNSTSTÜCK

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KUNSTSTÜCK

Fotos: Pavillon Le Corbusier, 2019, Zürich, © ZHdK (1, 2, 3); © Georg Aerni (4)

Wer hat Angst vor Rot, Gelb, Grün? Der Zürcher Pavillon Le Corbusier gibt sich nach zweijähriger Sanierung frischer denn je Die über 90-jährige Erbauerin Heidi Weber lebt heute in Dubai. Eigentlich könnte die Innenarchitektin, Mäzenin und Kunstsammlerin stolz darauf sein, wie das einst von ihr in Auftrag gegebene, inzwischen denkmalgeschützte Schmuckstück in Sichtweite des Zürichsees, von den Architekten Arthur Rüegg und Silvio Schmed für 5,4 Millionen Franken wieder in Stand gesetzt wurde. Immerhin war sich der in der Schweiz geborene Le Corbusier selbst bewusst, dass der Bau nicht nur wegen des bürgerlich gediegenen Villen-Umfelds aus dem Rahmen fallen würde. „Dieses Haus wird das kühnste, das ich je gebaut habe“, schrieb der Wahlfranzose in einem Brief von 1961. Dem Visionär schwebte nichts weniger vor als ein Demonstrationsobjekt für sein Maßsystem „Modulor“, das sich entlang von mathematischen Ordnungsprinzipien am Maß des Menschen orientieren sollte und allgemeingültige Vorgaben für Raumhöhe, Fensterbreite oder Treppenabsatztiefe vorsah. Ganz so streng fiel das Ergebnis nicht aus, zumal der vielseitige Architekt offenbar gleichzeitig gerade auch von der Schiffsarchitektur beeinflusst war, was sich an der ovalen Form der Metalltüren manifestiert. Ungewöhnlich auch das leichte Stahlgerüst unter einem gefalteten Stahlschirm, oder der Block aus Sichtbeton mit einer verwinkelten Rampe. Bemerkenswert zu guter Letzt, dass Le Corbusier mit vorgefertigten Teilen arbeitete, eine Art zu bauen, die spätestens in den Siebzigern die Architektur beherrschte. Auch wenn er die Fertigstellung im Jahr 1967 nicht mehr erlebte, unterschrieb er die Baupläne noch persönlich. Statt allgemeiner Zufriedenheit überschattet nun die Wiedereröffnung des letzten Baus des Meisters ein Rechtstreit mit der Stadt Zürich, seit 2014 offizielle Besitzerin. Der Konflikt begann kurz nachdem die Stadt 1963 Land für die Errichtung des als Museum geplanten Hauses für fünfzig Jahre zur Verfügung stellte. Heidi Weber fühlte sich nicht ausreichend unterstützt. Le Corbusiers einziger Bau aus Glas und Stahl erwies sich kostspieliger als ursprünglich gedacht. Auch der von ihr kuratierte Betrieb der Galerie, die Möbel, Kunst und Fotos im Ambiente eines Gesamtkunstwerks zeigte, musste gestemmt werden. Obwohl die Auseinandersetzungen nie beigelegt wurden, inzwischen geht es auch um den veränderten Namen und die Ausrichtung als begehbare Touristenattraktion statt eines Forschungszentrums, wie es sich Weber und Le Corbusier gewünscht hätten, übernahmen Stadt, Kanton und Bund die 5/2019

Kosten der Sanierung. Die Generalüberholung war bitter nötig, denn nicht nur die Bodenleuchten, die nachts den Bau sichtbar machten, standen unter Wasser. Die gesamte Fassade war undicht, sowohl die Betonteile als auch die Glas- und Emailpaneelen, die mit Neoprendichtungen in ein Gerüst aus Stahlrahmen eingefügt worden sind. Rost breitete sich ebenfalls aus, vor allem in der Einbauküche aus Metall, was mit der nur gelegentlich anspringenden Heizung zu tun hatte. Die Haustechnik funktionierte nicht mehr, Fluchttüren waren nicht vorhanden und an den Dachsegeln hatte sich PCB festgesetzt. Da mussten Experten ans Werk. Das ArchitektenTeam hatte schon mehrfach ähnliche Restaurierungen übernommen. Der emeritierte Architekturprofessor Rüegg gilt als Kenner von Le Corbusiers Werk und Theorien. Er war als Student auch bei der Eröffnung des Pavillons von 1967 anwesend. Schmed ist bekannt dafür, akribisch nach Original-Baustoffen zu suchen und schon mal unkonventionelle Lösungen zu finden. Auf sein Konto geht etwa der neue Gummi-Boden, den er bei einem niederländischen Anbieter für Tierhaltung als Ersatz für den inzwischen nicht mehr produzierten Pirelli-Boden gefunden hatte. Wegen des Einbaus einer Fußbodenheizung aus Kunststoff im Kellergeschoss wurden 500 Steinplatten entfernt, nummeriert und wieder an exakt den gleichen Platz zurückgebracht – natürlich mit einem per Hand in die Fugen gefüllten Sand. Ein Luftentfeuchter sorgt jetzt zudem für ein Klima, das die Planung von Ausstellungen erlaubt. In den oberen Stockwerken gestaltete sich das gleiche Unterfangen schwieriger. Hier wären Eingriffe in den Bau notwendig gewesen, energieeffiziente Glasfronten hätten den optischen Eindruck zerstört, weswegen die roten Metallheizkörper vor den bodentiefen Fenstern weiterhin nur als Deko taugen. Für die Wintermonate soll der Pavillon deshalb geschlossen bleiben. Als Betreiber fungiert fortan das Züricher Museum für Gestaltung, das auch einige Möbel-Exponate beigesteuert hat, so etwa einen LC2-Sessel, den zu benutzen ausdrücklich erwünscht ist. Dass keine Originale mehr vorhanden sind, liegt daran, dass Heidi Weber alle Einrichtungsprototypen mitgenommen hat. Die Architekten mussten auf Fotos zurückgreifen, um den ursprünglichen Zustand herzustellen. Und tatsächlich, was neu und was alt ist an diesem Meilenstein in Le Corbusiers Spätwerk, lässt sich nicht erkennen. Alexandra Wach

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1–2 Pavillon Le Corbusier samt Dachterrasse 3 Treppenaufgang im Pavillon Le Corbusier 4 Die Küchenecke

Die Eröffnungsausstellung „Mon univers“ (bis 17. November 2019) verteilt sich über alle Stockwerke und widmet sich der Sammelleidenschaft des Schweizer Jahrhundertarchitekten: Zeitlebens verfolgte Le Corbusier die Vision einer Synthese der Künste und führte in seinen Assemblagen Objekte und Trouvaillen aus Kunst, Industrie, Folklore und Natur zusammen, www.pavillon-le-corbusier.ch 7


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Die Vergangenheit in die Gegenwart bringen

Foto: Fotos: © Bruno Ehrs (1); Courtesy Nationalmuseum, Schweden (2)

Unter dem Motto „Nationalmuseum in a New Light“ wurde im Oktober 2018 das schwedische Nationalmuseum nach fünfjähriger Sanierung mit einem neuen Konzept wiedereröffnet. Nicht nur das Gebäude ist zahlreichen Metamorphosen unterzogen worden. Auch die Präsentation der Sammlung hat man auf den Prüfstand gestellt

Vor der Sanierung des Altbaus waren es 1.700 Objekte, die der Besucher geordnet nach Nationalitäten und „Schulen“ zu Gesicht bekam. Jetzt sind es über 5.000 Kunstwerke und Designstücke vom 16. Jahrhundert bis heute, die es in einem dicht behängten Parcours zu besichtigen gilt – immer noch nur acht Prozent der Gesamtkollektion, aber dafür in einem Ambiente, das den kostbaren Kulturschätzen fast die Show stiehlt. Projektleiterin Helena Kaberg wollte sich überholter Museumskonventionen entledigen. Und das hat sie auf ganzer Linie geschafft. „Eines der Ziele war es“, so Kaberg, „die Qualitäten des Gebäudes wieder erlebbar zu machen. Wir haben den ursprünglichen Raumplan wiederhergestellt. Dafür mussten wir den südlichen Hof von den Einbauten befreien und wiedereröffnen. Die gesamte Haustechnik und Sicherheit wurden neu, möglichst unsichtbar, installiert. Büros, Werkstätten, Konservierungsstudios und Lager sind entfernt worden. Dank der gewonnenen Fläche können jetzt mehr Objekte gezeigt und fast doppelt so viele Besucher wie zuvor empfangen werden.“ Ein zeitgemäßes Belüftungssystem erlaubt es, die Exponate trotz unterschiedlicher Pflegebedürfnisse gemeinsam zu zeigen. Wegen der über 300 freigelegten Fenster, ausgestattet mit lichtfilternden Scheiben, kann der Besucher wählen, ob er auf die Kunst schauen möchte oder hinaus auf die das Museum umgebende Stadt. Die Urbanität bleibt präsent und doch auch weit genug entfernt, um den Kunstgenuss nicht zu stören. Unzählige Computersimulationen der Belichtungsverhältnisse waren nötig, um die Intensität des Tageslichtes und den nötigen Blendschutz berücksichtigen zu können. Sie mussten auf die künstliche Beleuchtung abgestimmt werden, bevor geeignete Materialien, etwa energiesparende LED-Lampen, gewählt werden konnten. Die Flure erstrahlen dank des neuen Lichtsystems aus kontrolliert ausgeleuchteten und intimeren Räumen auf allen Etagen in mediterran angehauchten Tönen, kanariengelb, tiefrot, rosa und violett. Man könnte diese Farbexperimente für gewagt halten. Sie gehen aber bereits auf das Konto von Friedrich August Stüler zurück, dem deutschen Architekten des 1866 eröffneten Prunkbaus, wie überhaupt seine Intentionen respektvoll zur Geltung kommen, natürlich mit dem Willen zur leisen Transformation der Vergangenheit in die Jetztzeit. Zurück an den Anfang also? Nicht ganz. Ob Stüler 5/2019

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vollends mit der Frischzellenkur zufrieden gewesen wäre, darf man bezweifeln. Denn Kaberg ging es gerade auch darum, die exklusive Aura des nationalen Aushängeschilds zu demokratisieren – mit mobilen Zwischenwänden, die schnelle Raumveränderungen erlauben, der Durchmischung von Hochkunst und Handwerk entlang einer das Alltagsleben integrierenden, chronologischen Zeitachse und der Berücksichtigung von genderspezifischen oder sozialgeschichtlichen Kontexten. Das entspricht ganz den Fragestellungen unserer Zeit. Und doch ist jetzt auch der Geist einer vergangenen Epoche zu spüren, als das schwedische Königshaus die staatliche Kunstsammlung reichlich gefüllt sah und sie in ein nationales Wahrzeichen überführen wollte. Eigentlich war Stüler mit dem Bau des Neuen Museums in Berlin gerade ausreichend ausgelastet. Der Schinkel-Schüler befand sich auf dem besten Weg, der Stadt seinen Stempel aufzudrücken, denn bekanntlich blieb es nicht bei diesem einen Auftrag. Beflügelt von der Erfolgswelle im eigenen Land, übernahm er 1847 die Verantwortung für ein weiteres Museum im kalten schwedischen Norden. Der vorgesehene Standort unmittelbar am Norrström, gleich gegenüber vom königlichen Palast, war eine klare Ansage an das nationale Selbstbewusstsein. Stüler schwebte nichts weniger vor als ein üppig dekoriertes Gesamtkunstwerk. Von außen ein venezianischer Renaissance-Palazzo, stimmten die Innenräume, die man über eine imposante Treppe erreichte, mit penibel durchdachten Farbabstimmungen auf

1 Nach fünfjähriger Sanierung öffnete das schwedische Nationalmuseum (Abb. Detail Fassade) – das größte Kunst- und Designmuseum des Landes – im Oktober 2018 wieder seine Türen. Es zeigt vorwiegend Malereien, Skulpturen, Grafiken, Miniaturen, Zeichnungen und Kunsthandwerk aus dem 16. Jahrhundert bis heute, darunter bekannte Werke von Rembrandt, Manet und Cranach 2 Blick auf die gesamte Südfassade

ABSTRACT Bringing the past into the present Under the motto "National Museum in a New Light", the Swedish National Museum was reopened in October 2018 with a new concept after five years of renovation. Not only the building has undergone numerous metamorphoses. The presentation of the collection has also been put to the test.

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Besuch in einem Gemälde Pigmentgenau rekonstruiert: Die Wüstenrot-Stiftung hat das Meisterhaus Klee/Kandinsky in Dessau erforscht und saniert. Entstanden sind Räume in originalen Klee- und Kandinsky-Farben

Während Berlin bereits im Januar begann, den 100. Geburtstag des Bauhauses zu feiern, und Weimar sein neues Bauhaus-Museum im April eröffnete, dauert es bis zur Museumsneubaueröffnung in Dessau noch bis Anfang September. Immerhin hat das Meisterhaus Klee/Kandinsky im April seine Bauplanen verloren und ist nach zweijähriger Erforschung und Instandsetzung wieder geöffnet. „Mit der Wiedereröffnung wird es kein Haus für Ausstellungen mehr sein, sondern das Denkmal selbst ist zum wichtigsten Ausstellungsstück geworden“, sagt Professor Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot-Stiftung. Die Stiftung verantwortete Forschung sowie Instandsetzung und finanzierte das gesamte Projekt mit 1,5 Millionen Euro. Zur Herangehensweise ist Philip Kurz eine Ergänzung sehr wichtig: „Durch die Instandsetzung sollte weder ein ‚utopischer Originalzustand‘ geschaffen, noch die Geschichtlichkeit des Denkmals oder seine Alterungsspuren negiert werden.“ Für das Dessauer Meisterhaus ist es nicht die erste Sanierung. Doch die früheren Maßnahmen sind nicht ausreichend gut dokumentiert worden, stellte Thomas Knappheide, der mit der Projektsteuerung der aktuellen Sanierung beauftragt war, fest. Es gab Wissenslücken – zum Beispiel über die farbige Ausgestaltung des Doppelhauses. Fest steht, dass Walter Gropius die Meisterhäuser entwarf und sie 1926, nach nur einem Jahr Bauzeit, bezugsfertig und außen einheitlich weiß gestrichen übergeben konnte. Fest steht auch, dass Paul Klee und Wassily Kandinsky die Einrichtung und deren Farben selbst bestimmten. Sie lebten mit ihren Familien zwischen 1926 und 1933 dauerhaft in „ihrer“ Meisterhaushälfte und zogen erst aus, nachdem das Bauhaus durch die Nazis geschlossen worden war. Nach dem Auszug der Künstler verfügten die Nazis einen Umbau der Häuser, damit deren „wesensfremde Bauart aus dem Stadtbild verschwindet“. Dazu wurden die großen, charakteristischen, geschossübergreifenden Fenster ausgebaut, die Wände bis auf kleine Fensteröffnungen geschlossen. Die Innenräume bekamen eine einheitliche Farbe. Dann zogen Mitarbeiter der Junkers-Werke ein. 1945 wurde Dessau bombardiert und zu 90 Prozent zerstört. Das Doppelhaus Klee/ Kandinsky blieb zwar unversehrt, doch auch in der DDR wurde es bewohnt und immer weiter verändert. Die Zentralheizungen wurden durch Öfen ersetzt, für die Schornsteine gemauert werden mussten. Das strahlende Weiß der Fassaden wich grauem Spritzputz. Der ursprüngliche Charakter der 5/2019

Siedlung, das „weiße Leuchten“ der Außenwände im Grünen, das der polnische Dichter Tadeusz Peiper 1927 bejubelt hatte, war für Jahrzehnte ausgelöscht – aber nie vergessen. 1974 stellte die DDR das knapp einen Kilometer entfernte Bauhausgebäude unter Denkmalschutz und restaurierte es. Bis zur ersten Sanierung des Klee/Kandinsky-Meisterhauses dauerte es noch mehr als zwanzig Jahre. 1999/2000 wurden die originalen Fensterfronten wiederhergestellt, Ein- und Anbauten entfernt, die Fassade weiß gestrichen und die Räume als Ausstellungsflächen hergerichtet. Für einen optimalen Rundgang entstand ein Durchbruch zwischen den ursprünglich getrennten Haushälften. Außerdem wurden ausstellungstypische Beleuchtungssysteme an den Decken angebracht und in den ehemaligen Bädern Klimaanlagen eingebaut. Besonders diese Eingriffe und Veränderungen entsprachen der heutigen Vorstellung vom Umgang mit einem Denkmal, das Teil des UNESCOWelterbes ist, nicht. Die aktuellen Forschungen im Auftrag der Wüstenrot-Stiftung gingen jedoch weit über die Bestandsaufnahme jüngerer Veränderungen hinaus. Sie ermöglichten jetzt sogar eine Wiederherstellung der ursprünglichen Farbfassung der Innenräume. Denn die Untersuchungen ergaben, dass die Farben der Bauhausmeister unter dem einheitlichen Anstrich nach 1933, der mehrfach überstrichen wurde, erhalten sind. Das ist einmalig, denn in keinem der anderen Meisterhäuser ist die ursprüngliche Farbfassung in diesem Umfang vorhanden. Deshalb empfahl der verantwortliche Restaurator Peter Schöne aus Halle die Wiederherstellung der Farben. „Dies meint eine farb- und materialgetreue Gestaltung der Wand- und Deckenflächen sowie der historischen Ausbauteile auf Grundlage restauratorischer Befunde, naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und restauratorischer Bewertung der Anstrichstoffe“, so Schöne. Eine Wiederherstellung dieses farblichen Zustandes bedeutet natürlich, spätere Zeitschichten zu überfassen. „Wir haben lange über jedes Detail diskutiert und oft auch gerungen“, sagt Philip Kurz. Dazu gehörte auch die Diskussion über Fragen wie: Muss der vorgefundene Zustand von 2017 konserviert werden, um die gesamte Geschichte des Hauses abzubilden? Sollen die nicht mehr vorhandenen Ausstattungen der Bäder wiederhergestellt werden? Muss der Wanddurchbruch von 1999 bleiben? Und wenn er zugemauert wird, muss dann darauf hingewiesen werden? Letztendlich sei die

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1 Meisterhaus Kandinsky/Klee, April 2019, Haus Klee – Treppenhaus 2 Meisterhaus Kandinsky/Klee, April 2019, Hausansicht Südosten

ABSTRACT Visit to a Kandinsky painting Pigment accurately reconstructed: The Wüstenrot Foundation has researched and conserved the Klee/ Kandinsky Master House in Dessau. The result: rooms in original Klee and Kandinsky colours.

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Wie die Römer einst am Limes lebten Das Limes Museum Aalen, ein Zweigmuseum des Archäologischen Landesmuseums, ist seit Ende Mai 2019 nach rund zweieinhalbjähriger Umbauzeit wiedereröffnet: Die Neugestaltung übernahmen die Szenografie-Experten des Stuttgarter Atelier Brückner

1 1 Limesmuseum Aalen. Obergeschoss: 164 Kilometer Limes

ABSTRACT How Romans once lived on the Limes The Limes Museum Aalen, a branch museum of the National Archaeological Museum is reopened at the end of May 2019 after a two-and-ahalf-year conversion period: The redesign was carried out by the scenography experts of the Stuttgart Atelier Brückner.

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Es ist das größte Römermuseum Deutschlands: Das Limesmuseum Aalen, eine Zweigstelle des Archäologischen Landesmuseums. Nach rund zweieinhalbjähriger Schließung öffnete es Ende Mai 2019 wieder seine Tore. Das Limesmuseum befindet sich an der Stelle, wo die Römer ein Reiterkastell unterhielten. Von etwa 160 bis 260 n. Chr. war hier die Ala II Flavia, eine Elitetruppe des römischen Imperiums, stationiert: 1.000 Reitersoldaten samt Pferden waren dort untergebracht. „Das Museum ist von großer Bedeutung für Europa und das Studium der Geschichte des Kontinents,“ erklärt Leiter Dr. Martin Kemkes. Es liegt am 550 Kilometer langen Obergermanisch-Raetischen Limes, seit 2005 UNESCO-Welterbe. „Hier wird der Limes als Grenze zwischen der Weltmacht Rom und den Germanen beziehungsweise Kelten erlebbar, aber zugleich als eine Verbindungslinie zwischen ihnen.“ Denn Rom wollte sich mit den Befestigungsanlagen, Wachtürmen und Kastellen zwar schützen, aber durchaus nicht abschotten. Die bauliche Sanierung übernahm das Büro Egger und Kolb. Die Stuttgarter Architekten brachten das Haus auf den neuesten Stand der Technik und bescherten dem Museum

viel Licht und Platz. Ein großzügiges Foyer mit Museumsshop und Cafeteria empfängt jetzt die Besucher. Von hier aus startet man auf das Freigelände mit den Überresten des römischen Kastells oder direkt in den Ausstellungsbereich. Die neue, inhaltlich konzipierte Gestaltung stammt vom international bekannten Atelier Brückner. Ein Schwerpunkt der Stuttgarter Szenografie-Experten liegt auf archäologischen Museen: Sie prägten bereits das LWL-Museum für Archäologie (Herne), das LVR-Römermuseum in Xanten, das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz und die Dauerausstellung „Archäologie Schweiz“ im Landesmuseum Zürich. Ausgangspunkt ihrer Gestaltung sind immer die zu vermittelnden Inhalte. Daraus entwickeln die Stuttgarter Gestalter narrative Raumbilder und Raumchoreografien, in denen sich die Exponate entfalten können. Die einzelnen Raumkompositionen des neuen Limesmuseums schuf Projektleiterin Alexandra Vassilakou mit ihrem Team in engem Austausch mit den Kuratoren. Grafik, Licht und zeitgemäße Medien spielen hier eine tragende Rolle. Die Ausstellung macht den 164 Kilometer langen Limes-Abschnitt 5/2019


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Foto: Fotos: Marcus Sies (1, 2), Atelier Brückner, Stuttgart

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im heutigen Baden-Württemberg auf zwei Ebenen anschaulich und begreifbar: Im abgedunkelt inszenierten Erdgeschoss tauchen die Besucher ein in die Lebenswelt der Römer und Germanen am Limes vor 1.800 Jahren. Sieben Soldaten und Zivilisten, die tatsächlich im römischen Aalen gelebt haben, lernt man kennen. Sie führen lebensgroß – die umlaufenden Illustrationen zeichnete der Reutlinger Kommunikationsdesigner Burkard Pfeifroth – durch die Schau und beginnen zu erzählen, sobald man vor sie tritt. Eine Lichtschranke macht das digitale Storytelling möglich. Die antiken Personen sind real und aus antiken Inschriften bekannt, wie zum Beispiel Präfekt Marcus Ulpius Dignus – er befehligte das Lager in Aalen – oder Ärztin Claudia Messorina. Dazu vermitteln große Panoramabilder, wie es auf einer Lagerstraße zuging oder wie Soldaten auf einem der Türme Wache schoben. Die 1500 ausgestellten Originale, darunter Keramikgefäße zum Kochen, Schlüssel aus Bronze und Eisen oder die Fragmente von Paraderüstungen aus Welzheim, Ruit und Aalen, beginnen erst in diesem Kontext richtig zu sprechen. Im lichtdurchfluteten Obergeschoss geht es dann um die Erforschung der 5/2019

ehemaligen Grenzlinie und wie sie sich heute präsentiert. Umlaufenden Panoramawände zeigen raumhoch eine zusammenhängende Übersicht der 14 antiken Limes-Orte in Baden-Württemberg. Die baulichen Befunde wurden eigens fotografiert. Die Funde dazu werden ebenfalls vorgestellt. Medienstationen bieten hier vertiefende Informationen an: So kann man zum Beispiel beim Ort Rainau-Dalkingen mit den ausgestellten antiken Eichenpfosten der Limes-Palisade mehr über die Methode der Dendrochronologie zu erfahren. Ein großer Medientisch zeigt in einem Geländemodell die Limes-Linie in Baden-Württemberg mit einem interaktiven Blick auf deren ehemalige Funktion als Signalkette und den Forschungsmethoden Luftbild und Laserscan. Abschließend blickt die Ausstellung auf Grenzen und Grenzbauten der Gegenwart wie der jüngeren Vergangenheit: Was bedeuten Grenzen für uns und in unserer Zeit?

2 Limesmuseum Aalen. Erdgeschoss: Im Kastelldorf

Dr. Ute Strimmer Ein Porträt über das Atelier Brückner lesen Sie in der Ausgabe 7/2019. 29


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Glamour und Wirklichkeit des Krieges Das Militärhistorische Museum in Dresden polarisiert mit seiner drastischen Geste, die Denkmalschützern einige Sorgen bereitete. Zugleich aber überrascht das Museum mit seiner Botschaft

Das neue Kriegsmuseum der Deutschen Bundeswehr ist eigentlich ein Anti-Kriegsmuseum und wird deshalb wissenschaftlich neutral als „historisches“ Museum bezeichnet. Schon die Architektur irritiert gewaltig und hat von Anbeginn die Dresdner entzweit. Denn die Pläne hat der amerikanische Architekt Daniel Libeskind gezeichnet, und der ist nicht dafür bekannt, gefällige Wohlgestalt zu liefern. Vorgefundene Strukturen sind ihm stets Anlass zur Gegenreaktion. Zu tun hatte er es mit einem schlossartigen Gebäude auf einer Anhöhe über der Albertstadt. Als Arsenal 1873–77 nach Plänen der sächsischen Militärbauverwaltung erbaut, war es schon 1897 als Waffendepot obsolet und beherbergte fortan die Königliche Arsenal-Sammlung, die 1914 in das Königlich-Sächsische Armeemuseum einging. Ab 1938 betrieb es die Wehrmacht als Heeresmuseum,1972 firmierte es als Armeemuseum der DDR. Ab 1994 erarbeitete man für das Militärhistorische Museum als Leitmuseum im Museums- und Sammlungsverbund der Bundeswehr eine neue Konzeption. Als Daniel Libeskind sich den neoklassizistischen Repräsentationsbau vorknöpfte, war von ihm keine sanfte Renovierung des an sich intakten Gebäudes zu erwarten. Im Gegenteil. Wie wenn er das Modell mit einem Handkantenschlag in zwei Teile zerschlagen hätte, fährt heute ein Keil brutal und unvermittelt durch das ansonsten sorgsam restaurierte Gebäude. Die Botschaft ist unmissverständlich und doch vieldeutig: Blitzkrieg, Zerstörung, Verstörung. Anders als beim Dresdner Hygienemuseum, wo Coop Himmelb(l)au eine unmotivierte gläserne Zäsur durch den Altbau schnitten, hat Libeskinds architektonische Barbarei symbolische Bedeutung und hat mit dem Inhalt und Auftrag des Gebäudes zu tun. Aber Libeskind wäre nicht Libeskind, hätte er nicht zusätzlichen Symbolismus zu bieten. Der Keil zeigt in Richtung auf das Stadion in der Weststadt und reflektiert die Form des fächerförmigen Bombenteppichs, der, von dort ausgehend, im Februar 1945 die Dresdner Innenstadt in Schutt und Asche legte. Der Blick auf das zerstörte und wieder aufgebaute Dresden von der Höhe des Keils aus ist denn auch die erste Station des Rundgangs und lässt schon erahnen, dass es in diesem Haus nicht um eine Verherrlichung des Militärwesens, um Heldenverehrung und um ein Hochamt der Kriegstechnik geht. 5/2019

Natürlich fährt der stählerne Blitz nicht durch den Mittelrisalit mit dem Triumphbogenmotiv und den monumentalen gekuppelten Säulen, auch nicht durch die Seitenrisalite des schlossähnlichen Dreiflügelbaus. Dennoch mussten die Denkmalschützer einiges an Originalsubstanz preisgeben. Während im Erdgeschoss die Struktur der Gewölbehallen weitgehend geschont wurde, ist in den oberen Geschossen des Keils Libeskinds Raumaufteilung zum Tragen gekommen. Das neue architektonische Element mit seinen schrägen Wänden und geneigten Böden gab Anlass, die von Gorch Pieken und seinem Team kuratierte Ausstellung grundsätzlich in zwei unterschiedliche Abteilungen zu gliedern. In den Etagen des Altbaus sind Kriegshandwerk und Kriegsgeschehen chronologisch auf verhältnismäßig konventionelle Weise präsentiert, während im Keil ein „Themenparcours“ epochenübergreifende Fragen behandelt. Es gibt vertikale Themenräume, haushohe Betonschächte, wie man sie als „Voids“ von Libeskinds Jüdischem Museum in Berlin kennt. Hier steht zum Beispiel Hitlers „Wunderwaffe“, die V2-Rakete, hängt ein veritabler Alouette-Hubschrauber kopfüber an der Wand, ist ein Geschosshagel aus verschiedensten Granaten, Bomben und Raketen inszeniert, der auf den Besucher zu stürzen droht. Zu den Themen gehört ein „Catwalk“ mit Tieren, die für militärische Zwecke missbraucht worden sind, vom Kriegselefanten bis zum Minenhund, eine Abteilung Militär und Mode, ein Kabinett mit medizinischen Präparaten von (meistenteils tödlichen) Kriegsverletzungen oder eine Sammlung „Krieg und Spiele“, die zum Beispiel ein Puppenhaus mit abgedunkelten Fenstern zeigt. Die Verherrlichung des Militärs ist vielleicht auch andernorts einer nüchternen, historiografischen Dokumentation von Militaria gewichen, doch Dresden geht einen Schritt weiter, beleuchtet das Kriegshandwerk aus der Perspektive der Opfer, erzählt eine Kulturgeschichte der Gewalt und der Zerstörung. Die Sicht der Dinge hat sich gewandelt, gerade in Deutschland, das gelernt hat, seine unrühmliche kriegerische Vergangenheit kritisch zu verarbeiten. Die dem Militär von alters her zu eigene Ideologie der Stärke ist der Gewaltvermeidung gewichen. Die

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1 –2 Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM): Für den spätklassizistischen Altbau hat der der amerikanische Museumsspezialist Daniel Libeskind einen vierstöckigen, asymmetrischen Keil aus Stahl und Glas entworfen

Ausstellungsgestaltung Büro HG Merz, Berlin Holzer Kobler Architekturen GmbH, Zürich Lichtplanung Delux AG (Habegger AG), Zürich Lumenwerk, Basel

ABSTRACT Glamour and Reality of War The Military History Museum in Dresden is polarizing with its drastic gesture, which has caused some concern to preservationists. At the same time, however, the museum surprises with its message.

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Foto: Daniel Lindner, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2018

SERIE RESTAURIERUNGSZENTREN TEIL 1

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ZUKUNFT WISSENSCHAFT

Individuell geplante Restaurierungsateliers: Das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum (WRZ) der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Potsdam „Restauratorische und konservatorische Fragen treten durch die engere Zusammenarbeit viel stärker in den Fokus.“ Seit ein Teil der Ateliers mit anderen Abteilungen der Stiftung vereint sind, gibt es mehr Zusammenarbeit, sagt Chefrestauratorin Kathrin Lange

Zentrale Lage, ausreichend Platz, viel Ruhe und kurze Wege. Das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum (WRZ) der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist ein nagelneuer Standort für Ateliers, Büros, Labore und Archive in Potsdam. Richtfest war 2014. Eröffnung wurde 2017 gefeiert. In lockerer Bebauung sind nach den Entwürfen des Berliner Büros Staab Architekten fünf sandsteinfarbene Gebäude mit großen Fenstern entstanden. Die Lage auf dem Gelände des historischen Hans-Otto-Theaters ist perfekt, denn das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum liegt damit am südöstlichen Rand des Parks Sanssouci. Staab-Architekten beschreiben die Idee ihres Gebäudeensembles, das den denkmalgeschützten ehemaligen Theaterbau optisch einbezieht, so: „In Anlehnung an die historischen GartenbauStrukturen wurde das Motiv des Gewächshauses zu einer eigenständigen Figur transformiert. Die Verschiebung der parallel zum Altbau angeordneten Volumen erzeugt spannungsreiche Zwischenräume, die fließend in den nördlichen Gartenraum übergehen. Gestaffelte Höhen und Satteldächer vermitteln zwischen dem Park und den Bestandsbauten. Die Gewächshaus-Fassaden wurden nach Norden umgekehrt und für die Belichtung der Ateliers genutzt, während Lochfassaden die Büros nach Süden belichten. Der für das Quartier wichtige Altbau öffnet sich heute wieder mit dem Eingang des Zentrums und einer Kantine zur Nachbarschaft.“ Das neue Wissenschafts- und Restaurierungszentrum nimmt neben Büros der Kuratoren, neben der grafischen Sammlung und dem Archiv der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM), die Ateliers für Gemälde und Rahmenrestaurierung, für Textilien und für Papier auf. Dazu kommen Räume für die Präventive Restaurierung, für das naturwissenschaftliche Labor sowie für die Fotowerkstatt und für die zentralen Dienste der Abteilungen. Seit 1978 befanden sich diese Restaurierungsateliers im Hofdamenflügel des Neuen Palais’, das zwischen 1763 und 1769 gebaut worden war. Dort mussten sie aus denkmalpflegerischen Erwägungen ausziehen. So entstand im WRZ nun eine gewisse Zentralisierung, die jedoch nicht alle Werkstätten umfasst. Die Skulpturenrestaurierung hat 5/2019

ebenso einen eigenen Standort wie die Fachbereiche Holz, Metall und Glas/Keramik/Porzellan. Diese historisch gewachsene Aufspaltung der Restaurierungsateliers auf verschiedene Standorte stelle kein Problem dar, sondern entspreche den Anforderungen vor Ort, sagt Restauratorin Kathrin Lange, die die Chefin von annähernd 60 RestauratorInnen ist. Dazu kommen Ateliers im Restaurierungshof Neuer Garten und im Schloss Charlottenburg in Berlin. Das sei nicht nur historisch gewachsen, sondern hat sich über Jahrzehnte für die zuverlässige restauratorische Betreuung der Schlösser bewährt. Dass es ein Zentrum gibt und doch nicht alle Werkstätten zentral dort vereint sind, leuchtet bei der Größe der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ein. Trotzdem hat die Konzentration im Zentrum viele Vorteile. Nicht nur wegen kurzer Wege und einfacherer Absprachen. Da die Kustoden vor Ort sind, gebe es auch inhaltlich eine größere Nähe, sagt Kathrin Lange. Die Papierrestaurierung profitiert nach ihrer Ansicht am direktesten, denn sowohl die grafische Sammlung als auch das KPM-Archiv sind im Wissenschafts- und Restaurierungszentrum untergebracht. Die räumliche Nähe mache Transporte und eine intensive Kommunikation leichter, sagt Lange. Und schränkt ein: „Im Zeitalter der Kommunikation sollte letzteres aber auch sonst kein Problem sein.“ Die Nähe der Restauratoren, der Kuratoren, der Originale und der Verwaltungsbüros ist zwar ein Vorteil, das Entscheidende, das Besondere an den neuen Potsdamer Ateliers im WRZ ist jedoch ihre individuelle Gestaltung, die ganz nach den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet wurde. Denn der neue Standort, der 31,1 Millionen Euro kostete, wurde von Anfang an zusammen mit den Restauratoren, die dort später arbeiten würden, geplant. So konnten die individuellen Bedürfnisse der verschiedenen Restaurierungsabteilungen, die unterschiedlichen Anforderungen an die Werkstätten, die fachspezifischen Arbeitsabläufe schon beim Bau berücksichtigt werden. „Jeder Fachbereich hat aus den historisch gewachsenen Abläufen und Erfahrungen heraus seine Wünsche für beste Arbeitsabläufe in die Planung einbringen können“ sagt Lange.

Blick in das Atelier der Skulpturenrestaurierung auf dem Schirrhof der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

ABSTRACT Individually planned restoration studios: The Science and Restoration Centre (WRZ) of the Prussian Palaces and Gardens Foundation in Potsdam „Conservation issues are becoming much more important as a result of closer cooperation.“ Since some of the workshops have been merged with other departments of the Foundation, there has been more cooperation, says chief conservator Kathrin Lange.

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