ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG
NO 5 2016
Kleine Schädlinge, großer Schaden Wie Museen sich besser schützen
Neue Bindung Zarte Fasern VDR und RiH gemeinsam für Papier: Erkenntnisse zu Kulturgut Kupferfraß und Kaschierungen
Bedeutende Gewänder Wenn Kleider zu Ikonen werden
INHALT
TITELTHEMA: SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG Kommentar von Guntram Turkowski, M.A. Warum eine Thermokammer?
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Stephan Biebl Stickstoffkammern in Museen Funktionsweise und Bedingungen von stationären Entwesungsanlagen von Deutschland bis Italien Matthias Schöller und Sabine Prozell Eine neue Webseite zur interaktiven Bestimmung von Schädlingen Yngve Magnusson Die neue EN 16790 Eine Norm für die Anwendung des Integrierten Schädlingsmanagements
Mobiles Zelt zur Stickstoffbegasung
PAPIERRESTAURIERUNG
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Japanpapierstreifen sichern Bauakten
Andreas Volkmar Imitiationslust mit Papier Beispiele der Restaurierung und Rekonstruktion einer spätbarocken Innenausstattung aus „Ludwigsluster Carton“ Patrick Sturm und Ariane Beute „Rettung historischer Bauakten“ Ein Projekt des Stadtarchivs Karlsruhe Jana Moczarski Mit Antioxidantien gegen Kupferfraß Behandlung von zwei geschädigten Handschriften aus der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz
VOM MODE- ZUM KUNSTOBJEKT
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„Nürnberger Gold“ in Kaisergewändern
Tanja Kohwagner-Nikolai, Sibylle Ruß, Ursula Drewello Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung Technologische, naturwissenschaftliche und kunsthistorische Untersuchungen der Bamberger Kaisergewänder Wolfgang Glüber und Catherine Depierraz Delikate Wämser Zur Konservierung und Ausstellung von bürgerlichen Kostümoberteilen des 17. Jahrhunderts
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Fotos (v. o. n. u.): Assanierungsgesellschaft Michael Singer/Miriam Singer; Stadt Karlsruhe Buchbinderei/Ariane Beute; Ursula Drewello
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RUBRIKEN 6
KUNSTSTÜCK
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BLICKPUNKT VDR und RiH gemeinsam für Kulturgüterschutz Syrien: Wie geht es weiter? Digitale Kooperation Rijksmuseum und Getty Trust 25 Jahre E.C.C.O. Nepal – Hilfe zum Wiederaufbau Kölner Stadtarchiv sieben Jahre nach dem Einsturz Museumsumzug ins Humboldt-Forum Berlin
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GEFÖRDERT VON
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BERUF
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FIRMEN & PRODUKTE
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TERMINE Ausstellung Veranstaltungen Impressum Vorschau
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PORTRÄT
Titelmotiv Insbesondere heterogen zusammengesetzte Museumsbestände hölzerner oder textiler Objekte sind von Schädlingsbefall betroffen. Dabei ist die korrekte Artbestimmung von Bedeutung, um die richtige Bekämpfungsmethode anzuwenden. Helfen kann dabei der Blick durch ein Binokular oder eine neu entwickelte Webseite, die einen interaktiven Zugang zu speziellen Bestimmungsschlüsseln schafft. Bewusst werden die Insekten auf einigen Fotos so dargestellt, wie sie beim Monitoring angetroffen werden, denn der Eindruck ist hier häufig ein anderer als beim lebenden Insekt.
Foto: Matthias Schöller
* Ultramarin natur.
www.kremer-pigmente.com
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SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG
Stephan Biebl
Stickstoffkammern in Museen Funktionsweise und Bedingungen von stationären Entwesungsanlagen von Deutschland bis Italien
Installierte Stickstoffkammer im Depot des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt
ABSTRACT Nitrogen chambers in museums A great number of collections of folkloristic, textile and natural history objects – many of which under a constant threat from museum vermin – could be relieved from a conservational point of view by installing in-house nitrogen chambers. However, high investment costs as well as expensive maintenance make nitrogen chambers viable only for large inventories of wooden and textile exhibits or for museums with frequent inter-museum loans that increase the risk of vermin invasions. This report shows which conditions should be met to motivate the purchase and which features and functions a modern chamber should have.
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Viele Sammlungen naturhistorischer, volkskundlicher oder textiler Objekte – einer ständigen Gefahr durch Befall von Museumsschädlingen ausgesetzt – würde eine hauseigene Stickstoffkammer aus konservatorischer Sicht entlasten. Doch aufgrund hoher Investitions- und Wartungskosten rechnet sich eine stationäre Kammer in der Regel nur bei großen Beständen an Holz- und Textilexponaten oder häufigem Leihverkehr mit einer erhöhten Einschleppungsgefahr. Dieser Bericht soll einen Überblick zu den Voraussetzungen für Anschaffung und Betrieb sowie Ausstattung und Funktionen einer modernen Stickstoffkammer geben.
Technische Entwicklungen Als ursprünglichste Form können gasdichte Stahlkammern (Abb. 2) gesehen werden, die nach Verwendung und Verbot von giftigen Gasen wie Ethylenoxid oder Methylbromid für die Anwendung von Stickstoff umfunktioniert wurden. Da der Bau von gasdichten Begasungskammer mit technischer Ausstattung früher bereits sehr aufwändig war – „eine Ethylenoxid-Kammer kostete 1984 ungefähr 1,4 Mio. DM“1 – entschieden sich einzelne Museen aus Kostengründen für den Eigenbau von Kammern. Diese wurden entweder aus Baumaterialien wie Holz mit gasdichter Folie bzw. Stahlblech (Wald 1998) oder als gemauerter Raum, verkleidet mit Aluminiumplatten, umgesetzt. So sind dem Verfasser einzelne Kammern aus Freilichtmuseen oder Zentraldepots bekannt, die bei Bedarf von externen Dienstleistern mit mobiler
Gasversorgung und Technik betrieben werden können. Grundsätzlich kann in der Praxis zwischen Kammern aus Aluminiumblechen oder gasdichten Klimazellen unterschieden werden. In Einzelfällen wurden auch Kammern mit gemischter Funktion gebaut, die beispielsweise feuchtegeregelte Warmluft mit Sauerstoffentzug kombinieren. Planungsgrundlagen und Kosten Zur Ermittlung von Planungsgrundlagen können in einem ersten Schritt Informationen von Herstellern oder auch praktische Erfahrungswerte von anderen Museen, die eine Stickstoffkammer betreiben, herangezogen werden. Im zweiten Schritt erstellen erfahrene Depotplaner oder freie Ingenieurbüros mit 1
Mitteilung von der Restauratorin Gertrude Blasum vom Mu-
seum Völkerkunde Hamburg, Mai 2016.
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SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG
Foto: Stephan Biebl
einschlägiger Erfahrung Raumpläne oder eine Liste technischer Anforderungen, wenn es um den Vergleich von unterschiedlichen Kammern und Technologien geht. Speziell bei öffentlichen Ausschreibungen ist zudem eine detaillierte Leistungsbeschreibung von Bedeutung, um spätere Probleme beim Bau und Betrieb einer Stickstoffkammer zu vermeiden. Die Grundfläche und Höhe einer Kammer ist meist ein Kompromiss zwischen den größten Objekten aus der Sammlung und den Kosten für die Anschaffung und Nutzung. Will man eine reine und unreine Zone schaffen, kann die räumliche Trennung über zwei Türen an der Kammer sinnvoll sein. Dies bedingt eine Anlieferungszone mit genügend Raum für die unreinen Objekte und einem an die Kammer anschließenden Bereich für die behandelten Objekte, der bereits innerhalb eines Depots oder Museums liegen kann. Auf eine ausreichende Dimensionierung der Bodenbelastung (kg/m2) ist zu achten, wenn schwere Objekte und Transportkisten bewegt werden müssen. So kann beispielsweise ein Elektrohubwagen mit Eigengewicht und voller Auslastung eine Punktlast von circa zwei Tonnen erzeugen. Letztendlich muss bei der Planung auch beachtet werden, dass eine oder zwei Personen für die technische Betreuung zuständig sind und bei Überschneidungen von Arbeiten, wie Ausstellungsauf- oder Abbau, der Kammerbetrieb gewährleistet bleibt. Aufgrund der unterschiedlichen Parameter für Volumen, Material und Technikausstattung können die Anschaffungskosten je nach Hersteller für eine „schlüsselfertige“ Kammer mit technischer Stickstofferzeugung zwischen 20.000 bis 100.000 Euro liegen. Von einigen Herstellern werden Standardkammern mit festen Abmaßen und einheitlicher Technik angeboten, die bei abweichenden Anforderungen und Sonderausstattung zusätzliche Kosten verursachen. Technische Ausstattung Die grundlegende Voraussetzung für jede Anwendung von sauerstoffarmer Atmosphäre ist ein gasdichtes Volumen (Kammer, Zelt), eine Inertgasquelle (Flasche, Generator), ein Sauerstoffmessgerät (Sensorik) und die Befeuchtung der Atmosphäre (Maekawa/Elert 2003). Abweichende Ausstattungen können Schiebe-, Falt- oder Anschlagtüren sein oder die kostengünstigere Variante mit einer dicht schließenden Platte mit Verschraubung. Bei den Dichtungen ist auf die Vermeidung von Lösemitteln zu achten, um die Schadstoffemission zu vermeiden, die unter Umständen auch Sauerstoffsensoren schädigen kann. Ein gasdichtes Fenster in der Türe erleichtert eine mögliche Kontrolle des Innenraums und kann als Einstiegsluke mit Notöffnung dienen. Weitere Bauteile für den notwendigen Druckausgleich sind eine Dampfausgleichslunge oder Überdruck- und Unterdrucksicherung, um 5/2016
ENTAR KOMM kowski, M.A.
Guntr
r am Tu
ist Bereichsleiter im Zentralmagazin Hesterberg und Fachgebietsverantwortlicher der Sammlungen des Landesmuseums für Volkskunde in SchleswigHolstein.
Warum eine Thermokammer? Am liebsten hätte man ja beides: Eine Stickstoffkammer und eine Thermokammer. Dennoch: Als vor rund drei Jahren die Planungen zum Bau eines neuen Zentralmagazins für die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf begannen, war schnell klar, dass das Budget bestenfalls für eine der beiden Varianten reichen würde. Nach Abstimmung mit unseren Restauratoren fiel die Entscheidung zu Gunsten der Thermokammer. Angesichts sehr großer und heterogener Bestände – Möbel, Architekturteile, Kutschen und volkskundliche (hölzerne) Gerätschaften aller Art – benötigten wir eine Behandlungsmethode, mit der wir einen entsprechenden Mengendurchsatz erzielen konnten. Viele der genannten Objekte weisen einen akuten Schädlingsbefall auf, bei anderen besteht zumindest ein entsprechender Verdacht. Ergo sollten alle Sammlungsgegenstände eine thermische Behandlung durchlaufen, bevor sie im Magazin eingelagert werden. Bei dem zwei bis drei Tage dauernden Prozess werden die Objekte unter Zufuhr von Wasserdampf in einem kontrollierten Vorgehen erhitzt, bis tierische Eiweiße gerinnen und Schadinsekten, Larven oder Eier absterben. Durch die Größe der Kammer (5,8 m Länge, 2,7 m Breite, 3,5 m Höhe) sind wir in der Lage, auch große Stücke zu behandeln – etwa Kutschen oder Dreschmaschinen. Die ersten 15 Durchläufe haben wir hinter uns, die Ergebnisse überzeugen.
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PAPIERRESTAURIERUNG
Andreas Volkmar
Imitiationslust mit Papier Beispiele der Restaurierung und Rekonstruktion einer spätbarocken Innenausstattung aus „Ludwigsluster Carton“
1992 erfolgte die Beauftragung zur Restaurierung eines spätbarocken Spiegelrahmens mit Papierelementen wie Zierbekrönung, Ornamente und Kreuzbänder im Schloss Ludwigslust. Dessen Bekrönung und Verzierungen bestehen im Wesentlichen aus Papierkasché. 2014 und 2015 wurden die aufwändigen Ausstattungen aus dem „Ludwigsluster Carton“ im Schloss und der Hofkirche in Ludwigslust erfolgreich restauriert. Im Folgenden werden die Materialtechnik sowie die Erhaltungsmaßnahmen vorgestellt.
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PAPIERRESTAURIERUNG
Historie Die Anfänge der Verarbeitung von Papier oder papierähnlichem Material sind seit der Antike nachweisbar. Aus der Pharaonenzeit ist die Verarbeitung von Schilf – Papyruspflanzen – bekannt. Seit im Jahr 105 n. Chr. der chinesische Hofbeamte Ts'ai Lun das Papier aus hadernhaltigen Pflanzen erfunden hatte, wusste man es auf vielfältige Weise herzustellen und zu bearbeiten. Seit dem 15. Jahrhundert war die Verarbeitung einer Masse als Papiermaché in Europa bekannt. Im 16. Jahrhundert wurden serienweise religiöse Andachtsbildchen und Fastnachtsrequisiten daraus gefertigt. Einen Höhepunkt erfuhr Papiermaché im 18. Jahrhundert als Werkstoff mit Lackmalerei. Friedrich der Große liebte Schnupftabak und die französischen Tabakdosen aus Papiermaché so sehr, dass er 1767 in Berlin eine eigene Manufaktur für Galanteriewaren, wie es sie bereits in Braunschweig und Petersberg gab, gründete. Auch in der Architektur fand es als Raumdekor wie Zierleisten, Kapitelle, Deckenschmuck, Girlanden und Wandleuchter Verwendung. Durch kunstvolle, dekorative Fassungen konnten kostbare und selten vorkommende Materialien imitiert werden. Das nicht wasserresistive Ausgangsmaterial ließ jedoch einen dauerhaften Gebrauch nur witterungsgeschützt im Innenraum zu. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden Papiermachéerzeugnisse besonderes Interesse. In handwerklichen Kleinunternehmen wurden Puppen, Toilettenartikel und Ähnliches hergestellt. Manufakturen produzierten Architekturschmuck und Materialimitationen, anatomische Modelle, Gebrauchsgegenstände von Toilettenartikeln bis Spielzeug – vor allem Puppen im Kunsthandwerk. Auch Experimente im Außenbereich und praktische Anwendungen fanden statt (Nuget 1781/2000, Eyßvogel 1756). Die Entwicklung, Herstellung und der Bedarf nach derartigen Erzeugnissen führten schon bald zu einer Art vorindustrieller Produktion. 5/2016
Schloss Ludwigslust: Im sogenannten Goldenen Saal wurden die Festons an den Türen und Architekturschmuck aus Papierkasché restauriert.
ABSTRACT The joy of imitation with paper In 1992, restoration of a late baroque mirror frame with paper elements such as decorative crest, ornaments and ribbon patterns began. Said decorations mainly consist of formed paper (Papier-mâché). In 2014 and 2015, the elaborate interiors made of “Ludwigsluster Carton” in the Ludwigslust Palace and the court church were successfully restored and conserved.
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PAPIERRESTAURIERUNG
Patrick Sturm und Ariane Beute
„Rettung historischer Bauakten“ Ein Projekt des Stadtarchivs Karlsruhe
Die bedeutende historische Bauaktenüberlieferung der Stadt Karlsruhe befindet sich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand. Der nach archivischen Ansprüchen dauerhafte Erhalt ist nur mit dem Einsatz umfassender konservatorischer Maßnahmen möglich. Hier steht vor allem das stark gefährdete Planmaterial im Fokus.
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Restaurierter Plan, Stadtarchiv Karlsruhe, Inv. Nr. 8/BOA P93
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Die Stadt Karlsruhe besitzt eine wertvolle Bauaktenüberlieferung, die im 19. Jahrhundert einsetzt. Das Stadtarchiv hat die historischen Bauakten bis 1945 in Gänze als archivwürdig bewertet, woran sich der Anspruch einer dauerhaften Aufbewahrung der papiergebundenen Originale knüpft. Diesem Ziel steht der schlechte Erhaltungszustand der Bauakten entgegen. Ohne eine konservatorische Behandlung würde dieser wichtige Teil des kulturellen Erbes der Stadt die Zukunft nicht überdauern. Nachdem seit 2011
wiederholt ausgewählte Baupläne restauriert wurden, gelang es Anfang 2014 nach einer Anschubfinanzierung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts, das Projekt „Rettung historischer Bauakten“ zu initiieren. Die Einrichtung einer Projektstruktur mit zwei Facharchivaren 2015 ermöglichte die konsequente Bearbeitung der rund 16.500 betroffenen Objekte. Hierbei handelt es sich um den Archivbestand 1/BOA sowie die älteren Aktenhefte bis 1945 aus der laufenden Registratur 5/2016
PAPIERRESTAURIERUNG
Die Karlsruher Bauakten
Fotos: Stadtarchiv Karlsruhe/Dr. Patrick Sturm
des städtischen Bauordnungsamts. Letztere werden aufgrund ihrer aktiven Nutzung und des damit verbundenen Risikos einer Beschädigung vorrangig behandelt. Bei planmäßigem Verlauf wird das Projekt voraussichtlich 2024 abgeschlossen. Schadensbilder Die Lagerung ohne Klimaregulierung, Licht- und Staubschutz, Unachtsamkeiten beim Ausheben und Reponieren sowie fortwährend unsachgemäße Formen der Nutzung haben zu Verschmutzungen der Bauakten und mechanischen Schäden unterschiedlicher Art und Stärke geführt. Überhaupt erhöht die für gewöhnlich lange Aufbewahrungsdauer von Bauakten in der Registratur das Risiko von Beschädigungen und des Verlusts (Back 2013, S. 47, Gehringer 2015, S. 307). Besonders starke Schäden weist wie in ähnlichen Fällen das Planmaterial auf (Janssens 2006, S. 203– 205) (Abb. 1). Bei den Plänen handelt es sich vorwiegend um Transparentpapiere mit Handzeichnungen und Kolorierungen, Diazotypien (Lichtpausen) und Cyanotypien (Blaupausen) in den verschiedensten Formaten. Die Schadensbilder umfassen starke Verschmutzungen, Risse, Knicke, Stauchungen, vollflächige Kaschierungen auf diversen Untergründen sowie poröses und stark abgebautes Material. Besonders an den Faltstellen ist das Trägermaterial geschwächt und reißt oder bricht infolge häufiger Nutzung, das heißt, durch Auf- und Zufalten, auseinander. Hinzu kommen vorangegangene Reparaturen und Ausbesserungen. Die hierzu verwendeten Klebestreifen wie zum Beispiel transparente Klebestreifen, Maler-Krepp, Paketklebeband, Spiegelklebeband, Papierstreifen sorgen für Spannungen im Papier (Abb. 2). Meistens wurde das Original nur partiell verstärkt, was dazu führte, dass das ursprüngliche Material den ausgebesserten Flächen an Stabilität unterlegen war. Infolgedessen entstehen dort Schwachstellen, an denen das Originalpapier bricht. Der weiterhin aktive Klebstoff wandert durch das Objekt und führt zu Verklebungen von übereinanderliegenden Planteilen. Zudem schädigen Substanzen wie Weichmacher und Lösemittel das Original. Ein 5/2016
Bauakten zählen zu den wichtigsten Beständen in Kommunalarchiven. Neben den Bauanträgen sind die illustrativen Pläne und Risse zentrale Informationsträger. Die bedeutende Karlsruher Bauaktenüberlieferung setzt in den 1860er Jahren ein und ist bis heute ohne wesentliche Verluste erhalten. Die Bauakten dienen besonders für alle Fragestellungen zur Architektur-, Bau- und Kunstgeschichte als ausgezeichnete Quellengrundlage mit einzigartigem Material zur Stadtentwicklung, dem architektonischen Bild der Stadt und dem Wirken von Architekten.
weiteres konservatorisches Problem bereitet das stark säurehaltige Trägermaterial. Dabei handelt es sich um ein industriell gefertigtes Papier aus der zweiten Hälfte des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Die Papiere färben sich bräunlich, werden mit der Zeit spröde und immer brüchiger, bis sie zerfallen. Der Oberflächen-pH-Wert der Karlsruher Bauakten liegt etwa bei vier, sodass Säureschäden unterschiedlicher Grade festzustellen sind. Erhaltungsmaßnahmen Das Stadtarchiv Karlsruhe begegnet den Schadensbildern mit verschiedenen konservatorischen Maßnahmen, die auch künftigen Schädigungen vorbeugen sollen. Hierzu zählen Papierentsäuerung, Digitalisierung, Planrestaurierung und schließlich eine fachlich angemessene Lagerung. Im Sommer 2015 erfolgte die Aussonderung und Überführung von circa 8.500 Aktenheften vom Bauordnungsamt in das Stadtarchiv. Dort wurden die Unterlagen in den Bauaktenbestand 1/BOA eingepflegt. Die Erschließung durch das Archivsystem „Augias“ optimierte die Recherchemöglichkeiten und war die Grundlage für eine Auftragsvergabe an Dienstleister zur Entsäuerung und Digitalisierung. Dabei kontrollierten die Bearbeiter die Pläne in den Akten auf Beschädigungen. Wenn möglich besserten sie diese direkt mit säurefreien Papier-Klebestreifen aus. Bei schweren Schäden mussten die Pläne vereinzelt und unabhängig von der weiteren Behandlung der Bauakten restauriert werden (Abb. 3). Dem Papierzerfall infolge des hohen Säuregehalts im Papier wurde mit einer Entsäuerung begegnet. Angesichts der großen Zahl mit einer Oberrandheftung geschnürten Bauakten
ABSTRACT Rescue of historical construction records The famous Karlsruhe construction records are in an extremely bad state of preservation. Especially the material of the building plans shows severe damage. A major project has been started by the Karlsruhe city archives to preserve the originals of these important sources about the city's history. The key point is the restoration of the material of the plans. A special technique is used by the conservator of the municipal bookbindery to handle the vast amount of damaged building plans.
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