Restauro 8/2018

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ZEITSCHRIFT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

NO 8 2018

Kunstförderung in Berlin Drei Schlüsselwerke der Renaissance sind jetzt wieder öffentlich zugänglich BAUKUNST Die neuesten Forschungen zu Backstein

RAUBFUND Über die Herkunft der Himmelsscheibe von Nebra

ARCHIVGUT Digitalisierungsprojekt der Hansestadt Lüneburg


INHALT

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Uta Baier M.A. Dreifache Wiederauferstehung Mehrere renaissance-zeitliche Madonnendarstellungen in Berlin bearbeitet

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Uta Baier M.A. Ross und Reiter neu beleuchtet Rezension des neuen Grundlagenwerks zum Magdeburger Reiter

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Dipl.-Rest. Boris Frohberg Über die Epitaphe der Familie von Behr im Vorpommerschen Semlow Ein Bericht zur derzeitigen Werkrestaurierung von Gotländer Sandstein

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Mag. Julia Amann Schadensprozesse im Außenbereich Das Wiener Pilotprojekt zu gefassten Holzskulpturen unter Bewitterung

Statue des Magdeburger Reiters

ARCHÄOLOGISCHES KULTURGUT

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Nicole Schmidt In Berlin ist jetzt das Ausweichquartier für den Pergamonaltar eröffnet Interview mit Prof. Dr. Felix Pirson, Grabungsleiter in Pergamon

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Uta Baier M.A. Geheimnisvoller Raubfund Ein SPIEGEL-Bestseller über die Himmelsscheibe von Nebra

Die Himmelsscheibe von Nebra

SOFTWARE

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Blick in das Stadtarchiv Lüneburg

Thomas Stürmer M.A. Faszinierende Einblicke in Lüneburgs Wirtschafts-, Sozial-, Militär- und Politikgeschichte Bislang unerforschte Archivalien warten auf ihre Erschließung

GEMÄLDE

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Restauratorin Kerstin Krainer mit Graff-Porträt

Uta Baier M.A. Malte Anton Graff der Ehefrau eines Kammerherren falsche Perlenohrringe? Forschungsergebnisse zum restaurierten Porträt der Henriette von Carlowitz

HOLZ

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Zerbrochener Krummer Zink

Katja Hiller Krummer Zink, gerade Stäbchen Wie ein hölzernes Blasinstrument wieder ausstellungsfähig wurde

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Fotos (v. o. n. u.): Gabriele Köster/Verlag Schnell & Steiner GmbH; Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt / Juraj Lipták; © Stadtarchiv Lüneburg; Uta Baier; © Rijksmuseum

TITELTHEMA: SKULPTUREN


INHALT

RUBRIKEN 6 8 8 10 10 11 12

KUNSTSTÜCK

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BLICKPUNKT Konservierung zweier Maître-Leherb-Plastiken Rückkehr des Räuberrads vor die Berliner Volksbühne Neue Kulturerbe-Messe CULTURA SUISSE in Bern Tagung zur Schädlingsbekämpfung in München Ergebnisse zu den restaurierten Nibelungensälen in der Münchner Residenz Internationaler Kongress zur Backsteinbaukunst

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BERUF

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FIRMEN & PRODUKTE

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BUCHBESPRECHUNG: Die Wiener Literaturzeitschrift „Wespennest“

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TERMINE Ausstellung: „Radiophonic Spaces“ in Basel Veranstaltungen Impressum Vorschau

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PORTRÄT: Dr. Christiane Schillig, Geschäftsführerin des Verbandes der Restauratoren in Bonn

Kremer Pigmente Rezeptbuch

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst

Titelmotiv Passend zur Weihnachtszeit haben wir für das Cover dieser Ausgabe eine der wesentlichen und am häufigsten zitierten Darstellungen aus dem christlichen Bildkanon gewählt: Muttergottes mit dem Kind. Der hier abgebildete Ausschnitt gehört zu einem Carrara-Marmorrelief von Antonio Rossellino, Florentiner Architekt und Bildhauer des 15. Jahrhunderts. Gemeinsam mit zwei weiteren renaissance-zeitlichen Madonnenbildnissen, alle drei stammen aus der Berliner Skulpturensammlung, wurde das Marmorrelief nun dank finanzieller Unterstützung der Bank Merrill Lynch aufwendig restauriert, rekonstruiert und kunsthistorisch untersucht – mit eindrucksvollen Ergebnissen.

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KUNSTSTÜCK

„Stille Nacht, heilige Nacht“ Vor 200 Jahren erklang das berühmte Weihnachtslied zum ersten Mal 1 Für die Schau im Salzburg Museum steuerte das Linzer Ars Electronica Futurelab medienkünstlerische Installationen bei: Hier der berühmte Autograph von Joseph Mohr aus den frühen 1820er-Jahren 2 Mit den Händen singen: In einem Video setzt ein Chor den Text von „Stille Nacht, heilige Nacht“ in Gebärdensprache um

Dass das bekannteste Weihnachtslied der Welt eine österreichische Erfindung ist, wissen außerhalb der Alpenrepublik nur wenige. Millionen Menschen weltweit singen „Stille Nacht, heilige Nacht“ in christlich geprägten Kulturkreisen jedes Jahr. 2018 feiert das berühmte Lied sein 200-jähriges Jubiläum: Erstmals erklang es 1818, und zwar in der Christmette der kleinen Kirche St. Nikolaus in Oberndorf bei Salzburg. Die Musik komponierte Franz Xaver Gruber, Lehrer und Aushilfsorganist der Kirche. Den Text dazu hatte Kaplan Joseph Mohr schon zwei Jahre zuvor geschrieben. Dass das Lied in das Land hinausgetragen wurde, ist dem Zillertaler Orgelbaumeister und Handwerker Karl Mauracher zu verdanken. Denn dieser besuchte Oberndorf mehrere Male, um dort die Orgel zu überholen, und bekam eine Kopie des Weihnachtslieds mit nach Hause. Dort gehörte es bald zum Repertoire der Tiroler Nationalsänger, die das Jodeln weltweit bekannt machten, im Windsor Palast ein- und ausgingen und im Amerika des 19. Jahrhunderts nachweislich die Musikgeschichte beeinflussten. Mit den Tiroler Sängergesellschaften trat

so „Stille Nacht, heilige Nacht“ schließlich seinen Siegeszug in Deutschland über Leipzig und Berlin um die ganze Welt an. Zur 200-Jahr-Feier des österreichischen Exportschlagers – seit fünf Jahren ist es immaterielles UNESCO-Kulturerbe – findet aktuell eine große dezentrale Landesausstellung statt (bis 3. Februar 2019). In sieben Salzburger Gemeinden sowie an je einem Schauplatz in Oberösterreich (HochburgAch) und Tirol (Fügen im Zillertal) – ehemalige Wirkungsstätten, Wohn- oder Geburtsorte von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr – erfährt man Wissenswertes über das Lied und seine Schöpfer. Die Standorte sind durch gemeinsames Ticketing verbunden, koordiniert wurde das Projekt durch die neu gegründete „Stille Nacht“-Gesellschaft unter ihrem Geschäftsführer Paul Estrela. Das Salzburg Museum – in der Landeshauptstadt wurde der Geistliche Joseph Mohr geboren, absolvierte dort Schulzeit und Studium und erhielt seine Priesterweihe – gratuliert mit der Sonderausstellung „Stille Nacht 200 – Geschichte. Botschaft. Gegenwart“. Gemäß den sechs Liedstrophen ist die

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KUNSTSTÜCK

Schau in sechs Themenbereiche unterteilt: Präsentiert werden die musikalischen Qualitäten des Liedes und seine Verbreitung, die Biografien der Schöpfer und die politische Instrumentalisierung. Für die Schau steuerte das Ars Electronica Futurelab, der künstlerisch-wissenschaftliche Thinktank des Linzer Digital-Festivals Ars Electronica, medienkünstlerische Installationen bei. Prof. Dr. Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museums, freut sich über die Zusammenarbeit. „Uns war bei dieser Kooperation sehr wichtig, wie man heute mit dem Thema umgeht. Wie können Medien die Erfahrbarkeit dieses Liedes im Rahmen der Landesausstellung erweitern?“ Chefkurator Mag. Peter Husty fügt hinzu: „Wir wollten ,Stille Nacht, heilige Nacht' nicht nur mit den Objekten, vom Autographen bis zu den Kitschobjekten zeigen, sondern darüber hinaus verschiedene Medieninstallationen integrieren. Den Auftakt unserer Ausstellung bildet der Adventskalender, allerdings kein herkömmlicher, mit Türchen, die man öffnet, sondern ein Kalender, der die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden herunterzählt, wie lange es noch bis Weihnachten ist.“ In

der nächsten Installation begegnet man dem Autographen von Joseph Mohr aus den frühen 1820erJahren. „Dort geht es um die Dekonstruktion des Notenblattes“, erläutert Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer, Projektleiter am Ars Electronica Futurelab. „Hier wird versucht, den Autograph in seine Bestandteile zu zerlegen und so erfahrbar zu machen. Im ersten Bereich wird auf die melodische Struktur bzw. auf die Motive eingegangen, die im Lied zu finden sind. Der Zweite wurde mit Prof. Dr. Thomas Hochradner (Universität Mozarteum Salzburg) umgesetzt und referiert über die einzelnen Bereiche des Liedes: ,In welcher Dur ist es geschrieben? Warum Gitarre? Wo sind bestimme Teile, die sich über die Zeit verändert haben oder unterschiedlich vermittelt wurden?' Der dritte Bereich transkribiert einerseits die Originalschrift des Autographen, also auf Deutsch, und andererseits wird das Lied auf Englisch übersetzt.“ Ein weiterer Eyecatcher ist die Umsetzung des Textes in Gebärdenspräche in einem schwarz-weißen Videoclip. Ute Strimmer

Fotos: (1,2) RESTAURO

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BLICKPUNKT

Sagenhafte Unternehmung Die Nibelungensäle im Königsbau der Residenz München wurden mehrere Jahre umfassend restauriert. Auf der Abschlusstagung Ende Oktober stellten die Beteiligten ihre gewonnenen Erkenntnisse vor. Der Zeitpunkt der Fertigstellung hätte dabei nicht besser getroffen werden können

Fünf als Enfilade angeordnete Räume erzählen mit reichen Wand- und Gewölbemalereien die heldenhaft-schöne wie tragische Geschichte der Nibelungen. Der Königsbau der Residenz München ist berühmt für diesen Bilderzyklus, mit 12

dem König Ludwig I. 1828 Julius Schnorr von Carolsfeld beauftragte. Erst 1867 wurde er vollendet. Die Räume mit rund 1.830 Quadratmetern hochwertig gestalteten Oberflächen entstanden unter der Leitung von Leo von Klenze. Das

mittelalterliche Sagenepos beginnt im Saal der Helden, führt durch den Saal der Hochzeit, den Saal des Verrats, den Saal der Rache und endet im Saal der Klage. Insgesamt 95 szenische Malereien zieren rund 514 Quadratmeter. Doch ihr Erhalt

war stark gefährdet. In einem Mammutprojekt konservierte und restaurierte die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen mit dem Staatlichen Bauamt München 1 und einem interdisziplinären Team aus Architekten, 8/2018


BLICKPUNKT

Foto: © Bayerische Schlösserverwaltung

Blick in die restaurierten Nibelungensäle, hier der Saal der Rache

Kunsthistorikern, Restauratoren und Naturwissenschaftlern zwischen 2013 und 2018 die Nibelungensäle. Eine abschließende Fachtagung stellte Ende Oktober die vielen Erkenntnisse vor, die Experten und Wissenschaftler bei der Maßnahme gewinnen konnten – aber auch die Vorgehensweise zur künftigen Erhaltung des prachtvollen Malereischatzes. Teils massive Durchfeuchtungen, Salzausblühungen, Gipssinterausbildungen, Schäden 8/2018

durch frühere Maßnahmen, stark schwankende Klimawerte und Verschmutzungen: Verfolgt man die Vorträge der an dem Restaurierungsprojekt beteiligten Experten, glaubt man kaum, dass die Nibelungensäle heute wieder ansehnlich und zugänglich sind. 2013 waren sie das nicht. Wie Stephan Wolf, seit 2015 als Werkstattleiter im Restaurierungszentrum der Bayerischen Schlösserverwaltung zuständig für den Fachbereich Wandmalerei und architekturgebundene polychrome Fassung, Stuckund Steinrestaurierung sowie baugebundenes Metall, zusammenfasste, nahm die Restaurierungsgeschichte mit den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges 1944 ihren Anfang. Die damals entstandenen Schäden, nicht zuletzt durch die Massen an Löschwasser, versuchte man ab 1949 durch Instandsetzungsarbeiten zu beheben. Doch das jahrelang nasse Mauerwerk führte zu einer hohen Schadsalzbelastung – vorrangig Magnesiumsulfat durch die im 19. Jahrhundert für den Münchner Raum typische Verwendung von dolomithaltigem Kalk als Baumaterial. Auch unsachgemäß ausgeführte Alt-Ergänzungen belasteten bis vor Kurzem die Wandund Deckenmalereien. So war es das Ziel der Erhaltungsmaßnahme, die Räume zu reinigen und zu pflegen, Schäden zu beheben und das Gesamterscheinungsbild zu verbessern. Dabei sollten die Alt-Restaurierungen und -Reparaturen der schöpferischen Denkmalpflege des Wiederaufbaus nach 1945 als integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerkes erhalten bleiben

und respektiert werden. Vor allem aber galt es, alles zu dokumentieren und Informationen zu den Werktechniken des 19. Jahrhunderts sowie zu Alterungs- und Schadensphänomenen zu sichern. Wie stark Letztere (vor allem die Ausblühung von Schadsalzen) zum Beispiel mit den problematischen Klimaverhältnissen in den Sälen korrelieren, schilderte Diplom-Restauratorin Christine Pieper. Je eine Winter- und Sommermessung der Luftströmung sowie eine langfristige stationäre Messung des Raumklimas bzw. der Temperatur und Luftfeuchte zeigten, dass es keine typischen außenklimabedingten Schwankungen in den Sälen gibt. Zudem hängen die Schadenshorizonte mit den unruhigen Luftebenen zusammen. Daher entwickelte man ein Klimakonzept. So sollte künftig die relative Luftfeuchte zwischen 50 und 60 % und die Raumtemperatur zwischen 18 und 19 °C liegen. Klimatruhen, die die Säle temperieren und befeuchten, wurden installiert, ebenso wie eine permanente Anlage zur Klimaüberwachung; Geräte zeigen den Zeitpunkt zur kontrollierten Lüftung an. Eine essenzielle Einschränkung ist, dass die Nibelungensäle jetzt nur noch museal genutzt werden und keine Veranstaltungen mehr darin stattfinden. Denn nur durch ein stabiles Raumklima können die Schadsalzausblühungen gemindert und der Erfolg der jetzt abgeschlossenen Restaurierungsmaßnahmen möglichst lange erhalten werden, wie DiplomRestauratorin Victoria Jung erklärte. Denn das Risiko der Ausblühungen besteht bis

heute, wenngleich durch die Behandlung mit Kompressen die Salze schon deutlich reduziert werden konnten. Eine weitere Herausforderung lag in der materialübergreifenden Bearbeitung. Denn neben den Wandmalereien litten auch Stuck, Vergoldungen, Naturstein und Farbfassungen unter den Schäden und Abnutzungen vergangener Jahrzehnte. Die Malereien selbst sowie der Putz mussten teils ergänzt, gesichert, gereinigt werden, schädigende oder schadhafte Altretuschen wurden abgenommen und erneuert. All diese Aufgaben und wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, wie komplex die Restaurierung der Nibelungensäle war und ist und, dass sie nur in Teamwork zu bewältigen war. Das erwähnte auch Bernd Schreiber, Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung, anerkennend in seiner Einführungsrede und war sichtlich begeistert von dem Ergebnis. Insgesamt beliefen sich die Kosten auf ca. 3,8 Mio. Euro. Ein besserer Zeitpunkt für die Fertigstellung der Restaurierung hätte dabei nicht getroffen werden können. Denn 2018 feiert die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen ihr 100-jähriges Jubiläum. Am 20. November 1918 wurde sie als erste Schlösserverwaltung Deutschlands gegründet und sorgt seitdem dafür, dass im Freistaat einzigartige Bauwerke, Parklandschaften und Seen erhalten, erforscht, gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Kristina Presser 13


SKULPTUREN

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Dreifache Wiederauferstehung

ABSTRACT Triple rebirth Several Renaissance-era depictions of Madonnas from the Sculpture Collection and the Museum für Byzantinische Kunst of the Staatliche Museen zu Berlin have now been lavishly restored. Previously their condition in some cases was even too fragile for an exhibition.

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Gleich drei abgeschlossene Restaurierungsprojekte der vergangenen zwei Jahre wurden jetzt im Berliner Bodemuseum vorgestellt. Denn durch die Unterstützung der Bank of America Merrill Lynch konnten die in Darstellung, Material, Geschichte und Erhaltungszustand sehr unterschiedlichen Muttergottesdarstellungen der Renaissance erforscht und restauriert werden. Sie kehren damit nach jahrzehntelanger Abwesenheit in das Museum und das Gedächtnis der Besucher und der Forscher zurück. Zumindest zwei von ihnen, die so schwer beschädigt waren, dass sie nur im Depot aufbewahrt werden konnten. Ihre Restaurierung kommt somit einer Neuentdeckung für die Museumsbesucher und die Forschung gleich. Es sind das Marmorrelief „Muttergottes mit Kind“ von Antonio Rossellino (1427/28–1479) aus dem Jahr 1460 und eine „Muttergottes mit Kind und zwei Engeln“, die

wohl um das Jahr 1430 entstand und wahrscheinlich von Luca della Robbia (1400–1482) geschaffen wurde. Allein die „Thronende Muttergottes mit Kind“ von Michel Erhart (1449/45–1522), die auf 1480 datiert wird, war trotz ihrer beschädigten Oberfläche Teil der Museumsausstellung. Doch die zerkratzte und mit einem gräulichen Schleier überzogene Oberfläche der kleinen, etwa 39 Zentimeter hohen, allansichtigen Lindenholz-Figurengruppe beeinträchtigte die Nahansicht, wie Paul Hofmann, Leiter der Restaurierung der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst, bei der Vorstellung der abgeschlossenen Projekte erklärte. Nach der Reduzierung der Lasurschicht und nach umfangreichen, kleinteiligen Retuschen ist die Oberflächenansicht nun ruhiger, nichts Ungewolltes, Zusätzliches lenkt von der innigen Szene zwischen Mutter und Kind ab. 8/2018

Fotos: (1, 2) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / A. Voigt

Mehrere renaissance-zeitliche Madonnendarstellungen der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin konnten nun aufwendig restauriert werden. Zuvor war ihr Zustand teils sogar zu fragil für eine Ausstellung


SKULPTUREN

Foto: (3) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst

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Einen spannungsvollen Kontrast zum oberen Figurenteil bilden die wild bewegten Gewandfalten von Marias Kleid. Nach der Restaurierung könne man wieder von einem elegischen, melancholischen Kunstwerk sprechen, sagte Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Bank of America Merrill Lynch, die alle drei Restaurierungen finanziell unterstützte, fördert international Ausstellungen und Restaurierungen. Der internationale Ansatz spiegele den „multikulturellen Hintergrund der weltweit mehr als 200.000 Mitarbeiter der Bank“, heißt es in der Kunstförder-Erklärung der Bank. Nach eigenen Angaben hat sie seit 2010 in 30 verschiedenen Ländern 120 Restaurierungsprojekte gefördert. In Deutschland war das 2010 ein beidseitig bemaltes Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner 8/2018

aus der Sammlung des Städelmuseums in Frankfurt – „Wald“, verso „Akt im Atelier“ von 1910. 2013 konnte die „Apokalyptische Landschaft“ (1915) von Ludwig Meidner aus der Neuen Nationalgalerie in Berlin restauriert werden, 2014 dann die Altartafel „Der Schächer zur Linken Christi“ des Meisters von Flémalle, das ebenfalls dem Städelmuseum gehört und etwa um 1430 entstand. 2018 endete die jüngste, mehrjährige Berliner Förderung der drei Berliner Renaissancekunstwerke. Die Bank unterstützte die Museen mit einem „hohen fünfstelligen Betrag“, sagt Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und in Personalunion Direktor von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung. Mit allen drei Restaurierungen wollte das Museum erreichen, dass die ästhetische Einheit der Kunstwerke wieder wahrgenommen werden

1 Das restaurierte Terrakottarelief „Muttergottes mit Kind und zwei Engeln“ von Luca della Robbia, um 1430/40 2 Michel Erharts „Thronende Muttergottes mit Kind“, um 1480 aus Lindenholz gefertigt; Zustand nach der Restaurierung 3 Das Marmorrelief „Muttergottes mit Kind“ von Antonio Rossellino (um 1460) – restauriert, mit rekonstruiertem Rahmen

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SKULPTUREN

Ross und Reiter neu beleuchtet Das Wissen über den Erhaltungszustand des Magdeburger Reiters ist jetzt in einem Sammelband dokumentiert: ein Grundlagenwerk zur Skulptur des 13. Jahrhunderts

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1 Restaurator bei der Fotodokumentation des Skulpturenensembles im Jahr 2014

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Der Magdeburger Reiter ist der Urvater aller (nachantiken) deutschen Reiterstandbilder. Denn er ist das erste freistehende mittelalterliche Reiterdenkmal nördlich der Alpen. Entstanden zwischen 1235/40 und 1250, ist er etwas jünger als der Bamberger Reiter, der um 1225 entstand. Doch der Bamberger wurde weder freistehend geplant noch realisiert. Das Magdeburger Reiterstandbild ist eng mit der Stadtgeschichte verbunden. Unter einem aufgeständerten tabernakelartigen Baldachin wurde zweifellos Otto der Große (912–973) dargestellt, unter dessen Herrschaft Magdeburg zu

einer europäischen Metropole wurde. Seit 1950 befindet sich das Reiterstandbild samt Begleiterinnen – einer Schild- und einer Lanzenträgerin – im heutigen Kulturhistorischen Museum. Denn nach jahrhundertelanger Aufstellung vor dem Magdeburger Rathaus musste es aus konservatorischen Überlegungen und Gründen umziehen. Allzu sehr hatten Pferd und Reiter – obwohl vergoldet – unter den Witterungseinflüssen gelitten. An seiner Stelle steht nun eine vergoldete Kopie. Seit 2001 haben die Originale aus konservatorischer Sicht geradezu perfekte Bedingungen bekommen. Sie zogen aus dem Eingangsbereich 8/2018


SKULPTUREN

des Museums in die Nische eines kapellenartigen Ausstellungsraums. Die Aufstellung hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Das dreidimensionale Werk kann nicht mehr von allen Seiten betrachtet werden. Magdeburg, die im Zweiten Weltkrieg furchtbar zerstörte und in der DDR wenig attraktiv wiederaufgebaute Stadt, hat erst nach und nach ihren Stolz auf ihren bedeutenden Kaiser wiederentdeckt. Seit 2010 nennt sie sich Ottostadt Magdeburg (und schließt Otto von Guericke gleich mit ein), ab 2011 startete sie ein Forschungsprojekt zum Magdeburger Reiter, ab 2014 seine Restaurierung. 8/2018

Beiden war ein Symposium gewidmet, dessen Beiträge jetzt in Band drei der „Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg“ versammelt sind. Es ist ein prächtiges Buch geworden, das als Grundlagenwerk zum Magdeburger Reiter und zur gotischen Skulptur in Mitteldeutschland verstanden werden kann. Denn entgegen der weit verbreiteten (Un-)Sitte, Tagungsbeiträge beziehungslos und unbearbeitet in Tagungsbände zu überführen, wurden die Texte dieses Buches sorgfältig aufeinander abgestimmt und in eine gut lesbare Sprache gebracht. Am Anfang aber ist das Bild. Der Band beginnt mit mehr als 30 Seiten Bilddokumentation des Magdeburger Reiters und seiner beiden Begleiterinnen im Zustand von 2011 und nach der Restaurierung 2015. Sowie mit Grafiken, die den Aufbau, die Konstruktion, die verschiedenen Steinvarietäten der Skulpturengruppe deutlich machen. So eingestimmt und vorbereitet, folgt ein umfassender Text der drei Restauratoren Claudia Böttcher, Thomas Groll und Ulrike Wende zur Restaurierungsgeschichte, zu den Untersuchungen zur Farbfassung, zur Konstruktion und zu den Grundsätzen der aktuellen Restaurierung. Der Text ist auch deshalb so überzeugend, weil Böttcher, Groll und Wende die Erfahrungen aus ihrer jahrelangen Beschäftigung mit den zeitgleich entstandenen Figuren des Magdeburger Doms einfließen lassen können. So wäre ohne die Farb-Befunde an den Klugen und Törichten Jungfrauen aus dem Paradiesportal des Magdeburger Doms wesentlich weniger über die einst vorhandene Farbigkeit des Reiters zu sagen. Denn unter der mehrfach erneuerten Ölvergoldung des Reiters haben sich nur geringste Farbspuren erhalten. Letztendlich aber sind die Restauratoren sicher: „Der Magdeburger Reiter und seine Begleitfiguren trugen in ihrer Vergangenheit eine polychrome Fassung. Die naturwissenschaftlich untersuchten Pigmente entsprechen sowohl dem bekannten Farbkanon des 13. Jahrhunderts als auch den Vergleichsbeispielen aus der Magdeburger Werkstatt.“ Heute ist die Gruppe steinsichtig, wenn auch nicht steingleich, denn neben dem Originalsandstein gibt es Ergänzungen der beiden Restaurierungen Mitte des 19. Jahrhunderts und Mitte des 20. Jahrhunderts sowie Steine, die keiner der Restaurierungen zuzuordnen sind. Letztendlich sind bei Ross und Reiter noch 23 von 109 Einzelteilen

„Der Magdeburger Reiter. Bestandsaufnahme – Restaurierung – Forschung“, hrsg. von Gabriela Köster, Regensburg 2017, 49,95 Euro

ABSTRACT A New Look At Horse And Horseman The knowledge about the state of preservation of the Magdeburg rider is now available in a collected volume documents: a basic work on sculpture of the 13th century.

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