Restauro 01 2011

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Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger

PRÜFVERFAHREN FÜR DIE BAUDENKMALPFLEGE GUMMIKONSERVIERUNG INHIBIEREN ODER ENTSALZEN? BRAUCHT ES HONORARRICHTLINIEN? WEISSE SCHLEIER AUF HOLZTAFELGEMÄLDEN »FARBE« IM KONTEXT CALCIUMSEIFENBILDUNG AUF NASSLEDER FORSCHUNGSPROJEKT GIACOMETTI HOLBEINS »GRAUE PASSION« UNTER DER LUPE

www.restauro.de

1 Januar/Februar 2011


INHALT 24

Holbein restauriert

RESTAURO AKTUELL 3

Editorial

Foto/© Sven Schönauer/Staatsgalerie Stuttgart

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Unnötige Ergänzungen?

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Blickpunkt Giacomettis Gipsskulpturen erforscht Italien: zwischen Einsturz und Ergänzung Kunsthändler-Archiv: Galerie Heinemann online Montagsvorträge des BLfD IIC-Projekt »Lingua« Das Gedächtnis aufgefrischt. Dekontaminierung des Historischen Archivs der FH Köln Erwin Emmerling wird »Hochschullehrer des Jahres« Köln erhält die Vielfalt von Melaten Wandmalereien in freier Bewitterung RESTAURO gratuliert

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Unterwegs »Antiaging für Kulturgut mit Elastomeranteilen« ÖRV-Tagung »Farbe« Kirchenmalertagung »Kalk – Bindemittel in der Restaurierung« »Das grüne Museum« Nachgefragt »Benötigen wir Honorarrichtlinien?« – Statements von Restauratoren »Restaurierungsberatung ist ein sozialer Aushandlungsprozess«, Interview mit Kornelius Götz Rezensionen Ronald Clark: Gartenreiseführer »Verfemt, verirrt – gehandelt, gesammelt«. Literatur über Kunst im Nationalsozialismus Erfahrungsbericht Digitale Kartierung in restauratorischer Praxis

Foto: afp

RESTAURO THEMEN

Foto/© Michael Ganzelewski

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Stephanie Dietz, Henning Autzen und Karolina Soppa Die Graue Passion von Hans Holbein d. Ä. Geschichte, Restaurierung und Dokumentation

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Andreas Hasenstab und Katja Frühwald Zerstörungsfreie Prüfung in der Baudenkmalpflege Teil 1: Theoretische Grundlagen

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Gabriele Zink Die Konservierung von archäologischem Nassleder Das Problem der Calciumseifenbildung und ihre Beseitigung

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Astrid Wührl und Katharina Deimel Die Restaurierung der Wondreber Totentanztafeln Zur Problematik von Weißschleiern und verfärbten Retuschen auf Tafelmalereien

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Walter Pannike Inhibieren oder entsalzen? Die Inhibierung als Alternative zur Entsalzung am Beispiel frühmittelalterlicher silbertauschierter Gürtelbeschläge aus Eisen und einer eisernen Lanzenspitze mit Messingtauschierungen

Gummi konservieren

RESTAURO RUBRIKEN 64 64

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Autoren Termine

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Stellenanzeigen Impressum

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INHALT Calciumseifenbildung

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Silbertauschiertes Eisen

Foto: W. Pannike

Foto/© Gabriele Maria Zink

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Titelbild Holbein d. Ä., Graue Passion. Die unterschiedlichen Erhaltungszustände der Strahlenkränze. Details aus den Scans, aufgenommen von Sven Schönauer, RECOM Art.

Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

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Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger 117. Jahrgang

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Für die Zukunft gestalten.

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UNTERWEGS Antiaging für Kulturgut mit Elastomeranteilen

Der zweite Workshop »Wieder Ärger mit dem Gummi« fand im Oktober 2010 in den Räumen des Studiengangs Konservierung und Restaurierung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin statt. Diese zweitägige Veranstaltung galt der Vermittlung der bis dahin erzielten Ergebnisse anhand von Vorträgen und praktischen Übungen.

Das Material Gummi hielt im Laufe des 19. Jahrhunderts Einzug in Produkte des täglichen Lebens und der Industrie. Diese Produkte aus Gummi, meist Kompositobjekte mit Gummibestandteilen, finden sich daher heute in den Sammlungen der Museen als historische Zeugnisse der Industrie- und Alltagskultur. Als zu konservierendes und zu restaurierendes Material stellt Gummi Restauratoren immer häufiger vor schwerwiegende Probleme. Besonders die Zersetzungsprozesse und somit der Verfall des Werkstoffes führen zu teilweise gravierendem Materialverlust der zu erhaltenden Objekte.

Das Ziel Das Ziel des Projekts besteht darin, Methoden für die Restaurierung und die Konservierung von Objekten mit Elastomeranteilen zu erproben und weiterzuentwickeln. Hierzu ist eine genaue analytische Kenntnis der vorhandenen Materialien und ihrer Zersetzungsprozesse notwendig. Auf dieser Grundlage können dann Restaurierungs- und Konservierungskonzepte zur präventiven und praktischen Restaurierung entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Die Ergebnisse des Projekts sollen zudem allen Interessierten zugänglich gemacht werden.

1 Einführung in die Praxis

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Die Workshops Das Projekt beinhaltet drei Workshops mit verschiedenen Schwerpunkten. Der erste Workshop »Immer Ärger mit dem Gummi« fand bereits im Juni 2009 im Deutschen Bergbau-Museum Bochum statt. Hier wurde den Teilnehmern eine Einführung in die Thematik des Materials »Gummi« gegeben. Die Vorträge beschäftigten sich unter anderem mit der geschichtlichen Entwicklung des Werkstoffs und dessen Herstellungsprozess. Besonders wurde aber auf das Alterungsverhalten und die damit verbundenen Zersetzungsmechanismen und typischen Schadensbilder eingegangen. Darüber hinaus wurden das Projekt und die eingebundenen Objekte der verschiedenen Projektpartner vorgestellt. Der Workshop schloss mit einer sehr regen Teilnehmerdiskussion.

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Foto/© Dr.Michael Ganzelewski

Das Projekt Auf Grund dieser Problematik wurde 2008 das Projekt »Antiaging für Kulturgut mit Elastomeranteilen« ins Leben gerufen. Mehrere Projektpartner arbeiten seither Hand in Hand. Das Kernteam des Projektes bilden das Deutsche Bergbau Museum Bochum als Projektträger, das Filmmuseum Potsdam, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sowie das Restaurierungsatelier Dietmar Linke, ebenfalls aus Berlin. Darüber hinaus sind weitere Projektpartner eingebunden, die verschiedene Objekte aus ihren Sammlungen zur Verfügung stellen.

»Wieder Ärger mit dem Gummi« – Ein Erfahrungsbericht Am ersten Tag des Workshops wurden hierzu zahlreiche sehr interessante Vorträge gehalten. Diese beschäftigten sich einerseits mit den naturwissenschaftlichen Methoden und deren Möglichkeiten, der Analyse von Gummimaterialien und deren Alterungszustand. Andererseits wurde die praktische Umsetzung von Restaurierungsund Konservierungsmaßnahmen vorgestellt. Unter anderem ging der Diplom-Restaurator Dietmar

Linke in seinem Vortrag »Konservierung und Restaurierung – Methoden, Maßnahmen an schon bearbeiteten Objekten« hierzu sehr detailliert und anschaulich auf seine Arbeit und die bereits erzielten Ergebnisse ein. Auch die Themen Präventive Konservierung, Präsentation und Lagerung von Elastomerobjekten wurden im Rahmen dieser Vorträge von den Diplom-Restauratoren Maxi Tafelski und Steffen Seidel (DBM) sehr anschaulich dargestellt. Die Vorstellung zweier BachelorArbeiten der HTW Berlin zu den Themen Gum-

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UNTERWEGS

Foto/© Dr.Michael Ganzelewski

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mierhaltung und der ästhetischen Problematik der Restaurierung von Elastomeren rundeten die Vortragsreihe ab. Der zweite Tag stand im Zeichen der praktischen Anwendung. Nach einer Vorführung der am Vortag vorgestellten Analysemethoden in den Räumlichkeiten der HTW Berlin begann der spannendste Teil des Workshops. Die im Rahmen des Projektes besprochenen konservatorischen und restauratorischen Methoden wurden nun von allen Teilnehmern praktisch umgesetzt.

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2 Zwei Teilnehmerinnen des Workshops bei der Rückformung eines Gummiobjektes

Neben der Reinigung mit verschiedenen Methoden und Materialien wurden verschiedene Möglichkeiten der Festigung, Klebung und Kittung besprochen und durchgeführt. Hierfür standen den Teilnehmern verschiedene kleinere Gummiobjekte und Restaurierungsmaterialien zur Auswahl. Anhand von verformten und teils verklebten Gummiobjekten konnten die Teilnehmer außerdem selbst eine Rückformung vornehmen. Zusätzlich durfte jeder Teilnehmer am Ende des Workshops eine Verpackung zur sauerstoffarmen Lagerung herstellen und mit nach Hause nehmen. Dieser zweite Workshop des Projektes Antiaging für Kulturgut mit Elastomeranteilen begeisterte die Teilnehmer vor allem durch die Verbindung des theoretisch vermittelten Wissens mit der praktischen Anwendung. Dies gelang besonders durch die begrenzte Teilnehmeranzahl verbunden mit dem großen Engagement der Veranstalter. An dieser Stelle möchten wir uns daher herzlich bei allen Beteiligten und natürlich den Organisatoren für die sehr schöne und gut organisierte Veranstaltung bedanken. Gespannt erwarten wir den dritten Teil des Projektes, welcher voraussichtlich im November 2011 stattfinden soll. Petra de Faber-Kaltwasser und Ina Wohlfahrt-Sauermann

Info Interessierte können sich auch auf der Homepage des Projektes informieren. http://www.dbm-research.org/kur

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THEMEN 9

9 Holbein d. Ä., Graue Passion, Gefangennahme Christi. Der Referenzbereich für die grauen Gewänder. Detail aus dem Scan, aufgenommen von Sven Schönauer, RECOM Art. 10 Holbein d. Ä., Graue Passion, Die Handwaschung des Pilatus. Der Referenzbereich für die beigefarbenen Gewänder. Detail aus dem Scan, aufgenommen von Sven Schönauer, RECOM Art.

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che Transparenz hinsichtlich der vorgenommenen Arbeitsschritte. Das Restaurierungsergebnis kann jederzeit mit dem gescanten Vorzustand detailgenau verglichen werden und ist somit zurückverfolgbar. Vor dem Hintergrund der zerstörerischen Eingriffe der Vergangenheit sollten alle restauratorischen Maßnahmen auf ein Minimum begrenzt werden und dem Anspruch auf größtmögliche Reversibilität genügen. Aufgrund des begrenzten Zeitraumes musste davon abgesehen werden, alle Bildbereiche zu bearbeiten. Die Bearbeitung der blauen Hintergründe genauso wie die der Grasflächen sollte hintangestellt werden, da gerade bei den großflächigen Übermalungen nicht genau absehbar war, wie viel vom Original darunter zum Vorschein kommen und in welchem Erhaltungszustand sich dieses befinden würde. Lediglich die Bindemittelkrepierung auf der Auferstehungstafel sollte reduziert und die unregelmäßigen Farbigkeiten der Geißelung und Kreuzabnahme beruhigt werden. Die meisten Maßnahmen zielten darauf ab, die auffälligsten Störungen in Form von Übermalungen, Verputzungen und Malschichtfehlstellen in den Figuren zu beseitigen sowie die unterschiedlichen Vergilbungen der Firnisse auszugleichen. Konservierende Maßnahmen wie die Befestigung lockerer Malschichtschollen waren nur in sehr geringem Umfang nötig. Mit Ausnahme der Tafel Kreuzabnahme Christi, die einen sehr dünnen und nicht vergilbten Firnis

besaß, sollten bei den übrigen Tafeln besonders auffällige Vergilbungen partiell soweit reduziert werden, bis der Vergilbungsgrad die Farbigkeit der Malerei nicht mehr störend beeinflusst. In Abhängigkeit von der Firnisstärke und der Oberflächenbeschaffenheit der Farbschicht wurde die Firnisreduzierung entweder mit einem Skalpell unter dem Mikroskop oder einem mit Lösemittel benetzten Watteroller respektive Mikrofaservlies umgesetzt.20 Wenn in einzelnen Bereichen ein vergilbter Firnis fehlte, so auch nach der Abnahme von Übermalungen, sollte versucht werden, diesen mit der Retusche zu imitieren. Übermalungen und verfärbte Retuschen wurden nur dann abgenommen, wenn die Abnahme ohne Gefahr für die Originalsubstanz möglich war, ansonsten wurden sie mit der Retusche an die Umgebung angeglichen. Die meisten Übermalungen und verfärbten Retuschen ließen sich unter dem Stereomikroskop mittels Skalpell, Watteroller und Isopropanol beziehungsweise Ethanol (auch als Gel) abnehmen.21 Unter den verfärbten Retuschen und Übermalungen lagen meistens Fehlstellen oder Kittungen, aber auch intakte originale Malschicht. Die krepierte Übermalung des Hintergrundes der Auferstehung konnte unter dem Stereomikroskop mit Isopropanol entfernt werden. Zum Vorschein kam ein Hintergrund, der trotz alter Verputzungsschäden der originalen Farbigkeit wahrscheinlich am nächsten kommt.

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THEMEN 11

Foto: Stephanie Dietz

Die Retusche stellte die umfassendste Maßnahme dar. Aufgrund der zahlreichen Lösemittelbehandlungen und der dadurch entstandenen Schäden in der Vergangenheit sollte ein Material verwendet werden, das sich in seiner Zusammensetzung und somit seiner Löslichkeit deutlich vom originalen unterscheidet. Unter diesen Voraussetzungen und wegen der passenden Materialeigenschaften bot sich eine Aquarellretusche an, was sich in Proberetuschen an exemplarischen Stellen bestätigte.22 Die retuschierten Bereiche sollten aus der Nähe von der originalen Malerei optisch differenzierbar sein, was aufgrund ihres Umfangs und der Tatsache, dass sie vielerorts auf verputzten Bereichen aufgebracht wurden, eine grundlegende Anforderung an die Retusche darstellte. Daher wurde die Retusche in gepünktelter Struktur ausgeführt. Sie lässt sich bei genauer Betrachtung klar von der originalen Malerei unterscheiden. Neben Malschichtfehlstellen wurden auch verputzte Lasuren und partiell gravierende Unterschiede der Firnisvergilbung durch die Retusche geschlossen und beruhigt. Die retuschierten Bereiche wurden mit einem Dammarfirnis (gelöst in Balsamterpentinöl, im Verhältnis 1:8) überzogen. Eine besondere Herausforderung bei der farblichen Schließung der beschädigten Bereiche war der Umgang mit den Strahlenkränzen auf der Geißelung und der Kreuzabnahme (Abb. 12). Das Fehlen der Vergoldung hat die Wirkung der Figuren und die gesamte Komposition immens beeinflusst. Deshalb wurde eine Rekonstruktion der vergoldeten Strahlenkränze auf beiden Tafeln angestrebt. Die digitalisierten historischen Aufnahmen aus dem Rheinischen Bildarchiv bildeten wegen ihrer hohen Auflösung dafür eine sehr gute Vorlage.23 Mithilfe der Scans, die einen Maßstab von 1:1 besitzen, wurde digital eine Schablone hergestellt und auf

Transparentfolie ausgedruckt. Die Strahlen wurden ausgeschnitten und konnten nach genauem Auflegen der Folie auf die Tafel mit dem Pinsel und Aquarellfarbmaterial nachgezogen werden. Die Retusche der Vergoldung erfolgte dann in verschiedenen Farbschichten (Abb. 13) Resumée Die Restaurierung hat die Lesbarkeit der Grauen Passion um ein Vielfaches gesteigert (Abb. 14). Die aufgrund von Übermalungen, Retuschen und Beschädigungen der Malschicht entstandene Unruhe konnte weitestgehend durch Abnahme des verfärbten Materials und eine umfangreiche Retusche beseitigt werden. Unterschiedliche Vergilbungen der Firnisse wurden nur partiell ausgeglichen. Leider war es in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich, die durch frühere Maßnahmen verursachten Unterschiede aller Tafeln vollständig zu nivellieren. Die Vorzustände wurden anhand von hochaufgelösten Scans und die Restaurierungs-

12 Holbein d. Ä., Graue Passion, Kreuzabnahme Christi. Vor der Retusche. Detail aus dem Scan, aufgenommen von Sven Schönauer, RECOM Art. 13 Holbein d. Ä., Graue Passion, Kreuzabnahme Christi. Nach der Retusche.

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Foto: Volker Naumann

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11 Screenshot der Kartierung der Gefangennahme Christi in Photoshop.

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THEMEN Gabriele Zink

Die Konservierung von archäologischem Nassleder Das Problem der Calciumseifenbildung und ihre Beseitigung

Die Konservierung von archäologischem Nassleder mit Neutralfett SSS bzw. QL kann zur Bildung weißer Beläge führen. Derartige mineralische Seifen können sich jedoch auch bereits während der archäologischen Bodenlagerung bilden. An mehreren Objekten einer römischen Grabung aus Trier werden die verschiedenen Ursachen und die möglichen Reinigungsmethoden diskutiert. Die Autorin absolvierte nach einer Goldschmiedelehre ein zweieinhalbjähriges Vorpraktikum, um anschließend Restaurierung

1 Eine römische Schuhsohle der Grabung Dieburg mit weißen Belägen während der Konservierung mit Neutralfett QL.

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Problemstellung Die Konservierung von archäologischem Nassleder mit Neutralfett SSS bzw. dessen Nachfolgertyp Neutralfett QL der Firma Schill & Seilacher führte bereits mehrfach zur Bildung weißer Beläge auf den so getränkten Ledern. Sie sind von puderiger bis wachsig-fettiger Konsistenz und ihre Farbigkeit reicht von Weiß bis Gelb. Erste Erwähnung fand dieses Phänomen bereits durch MONTEMBAULT1 und SCHMITZER2 auf dem »6th International Restorer Seminar« in Veszprém 1987. Ähnliche Beobachtungen meldeten in den folgenden Jahren die Kollegen aus Bremen und Höxter. Bei der Bearbeitung römerzeitlicher Nasslederfunde aus Dieburg (Abb. 1) durch die Autorin bildeten sich diese Beläge ebenso wie bei Lederfunden, die im Rheinischen Landesmuseums Trier bearbeitet worden waren. Bei den in diesem Artikel bearbeiteten Objekten – Teile von Schuhen und Zuschnittsreste – handelt es sich um römerzeitliche Nasslederfunde dieser 1994 durchgeführten Ausgrabung Walramsneu-

von archäologischem Kulturgut an der HTW Berlin zu studieren. Sie bearbeitete während ihrer Praktika in den verschiedenen Museen Deutschlands und des europäischen Auslands die verschiedenen Materialgruppen, konzentrierte sich jedoch von Beginn an auf die archäologischen, organischen Materialien. Nach ihrem Diplom arbeitete sie für zwei Jahre am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Seit 2005 ist sie bei der Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf für die Restaurierung/Konservierung archäologischer Textil- und Lederfunde verantwortlich.

straße in Trier. Die Leder gelangten in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. als Abfälle in den wassergesättigten Schlamm des sog. Sug-Moores und hatten sich dort unter Luftabschluss gut erhalten. Nach ihrer Bergung wurden sie mechanisch mit Wasser und Pinsel und anschließend in Bädern mit Na2EDTA-Lösung bzw. verdünnter Zitronensäure, beides gelöst in demineralisiertem Wasser, gereinigt. Nach dem Spülen mit Leitungswasser erfolgte die stufenweise Entwässerung in SpiritusWasser-Gemischen, denen zur Konservierung der Leder am Ende Neutralfett QL zugesetzt worden war. Nach einer langsamen Lufttrocknung unter Folie waren die Leder hart, unflexibel und mit verschiedenfarbigen, außergewöhnlich dicken Belägen bedeckt. Die Bildung der Beläge hatte nicht nur oberflächlich, sondern im ganzen Leder stattgefunden. Auf der Fleischseite hatten sich die Beläge direkt auf der Lederoberfläche in fast ausschließlich unstrukturierter, puderiger Gestalt gebildet. Auf der Narbenseite hatten sich dagegen zuerst eine Schicht aus Fett und darauf die Beläge gebildet. Die Farbe der Beläge war sowohl Weiß, Rot als auch Blau und ihre Gestalt variierte zwischen kugelig, kristallinnadelig und amorph-puderig. (Abb. 2-6)

Foto/© Gabriele Maria Zink

Analysen Die unterschiedlichen Beläge und das eingesetzte Neutralfett QL wurden mittels Röntgenfluoreszenzanalyse RFA, Infrarotspektroskopie IR und Gaschromatografie GC analysiert. Es zeigte sich, dass es sich bei allen Belägen um Calciumseifen handelt. Seifen sind Salze der höheren Fettsäuren und einiger anderer, hier nicht weiter erwähnten Säuren. Salze wiederum sind Substanzen, die in wässriger Lösung in positiv geladene Metallionen und nega-

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THEMEN 3

tiv geladene Säurerestionen dissoziieren. Die Umkehrreaktion ist die Neutralisation, bei der eine Säure mittels Base neutralisiert wird und das entsprechende Salz und Wasser entstehen. Entsprechend dieser Erklärung setzen sich auch Calciumseifen aus Metallkationen und Säurerestanionen zusammen. Stammen die bei der Seifenbildung beteiligten Metalle aus der ersten Hauptgruppe des Periodensystems – Natrium und Kalium –, so entstehen die sog. Waschseifen, die in Wasser gut löslich und waschaktiv sind. Handelt es sich jedoch um Metalle der zweiten Hauptgruppe des Periodensystems – Calcium und Magnesium, die sog. Wasserhärtebildner –, so entstehen die unlöslichen, schmierigen, nicht schäumenden und nicht reinigenden Kalkoder Mineralseifen. Die Seifenprodukte aller anderen Metalle werden als Metallseifen bezeichnet und werden hier nicht weiter behandelt. Eine Ausnahme zu den an der Seifenbildung beteiligten Metallionen stellen die Ammoniumionen NH4+ dar, da diese die Position der Metallionen einnehmen können. Sie bilden – wie die Alkalimetalle Natrium und Kalium – waschaktive und wasserlösliche Seifen. Als sogenannte Ammoniumseifen reagieren sie wie die Alkaliseifen (Natron- und Kaliseifen) sehr empfindlich auf die Erdalkalimetalle Calcium und Magnesium und bilden die bereits beschriebenen Kalkseifen. Diese Ausnahme ist hier von Wichtigkeit, da es sich bei Neutralfett SSS bzw. Neutralfett QL nicht um Fette, sondern um derartige Ammoniumseifen handelt. Sie setzen sich aus Ammoniumionen NH4+ und vorwiegend Ölsäure C17H33COOH mit Beimengungen einiger anderer Fettsäuren zusammen. Die Vermutung, das in den Ledern enthaltene Calcium hätte mit den Fettsäuren des Konservierungsmittels Neutralfett QL reagiert und die Bildung von Calciumseifen zur Folge gehabt, konnte für die Funde aus Trier nicht bestätigt werden. Wäre Neutralfett QL der Auslöser, so müssten die Fettsäurenanteile der gebildeten Calciumseifen der Zusammensetzung des Neutralfetts QL entsprechen. Die Analysen mittels Gaschromatografie erbrachten jedoch ein anderes Bild (Tab. 1).

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Neutralfett QL besteht zu annähernd 70 % aus Ölsäure. Sein Anteil an gesättigten Fettsäuren beträgt nur 10 %. Die Calciumseifenbeläge und die darunter gebildete Fettschicht bestehen aber zu ungefähr ähnlichen Anteilen aus Palmitin-, Stearin- und Ölsäure. Der Anteil gesättigter Fettsäuren liegt hier bei ungefähr 60 %. Interpretation der Analyseergebnisse Die Fettsäuren, die an der Bildung der Calciumseifenbeläge beteiligt waren, stammen also von einem Fett, das zum Zeitpunkt der Ausgrabung bereits im Leder gewesen sein muss. Dieses »antike« Fett ist zudem bereits teilweise abgebaut. Natürliche Fettsäuren liegen fast ausschließlich ciskonfiguriert vor. Die Anwesenheit trans-isomerer Fettsäuren ist ein Indiz für den Abbau eines Fettes. Der Anteil trans-konfigurierter Ölsäure (Elaidinsäure C 18:1 trans n-9) lässt somit auf den abgebauten Zustand des Fettes schließen. Der Umstand einer Calciumseifenbildung ist ein weiteres Indiz für den abgebauten Zustand des »antiken« Fettes. Fettveränderungen finden vor allem in den Esterbindungen und den ungesättigten Systemen statt. Die Bildung von Calciumseifen, also die Reaktion zwischen Calciumionen und den freien Fettsäuren des »antiken« Fetts, setzt solch eine Spaltung der ursprünglichen Triglyceridverbindungen voraus. Die den Fettabbau auslösenden Grundreaktionen sind die Hydrolyse, die Oxidation und die Polymerisation, wobei nur die Hydrolyse zur Spaltung von Fetten führt3. Die Hydrolyse kann unterschieden werden in die alkalischkatalysierte, die säurekatalysierte und die enzymatischkatalysierte Spaltung, die durch zelleigene oder fremde Enzyme, wie z. B. durch Mikroorganismen, ausgelöst werden kann. Somit liegt im Fall der Trierer Funde wahrscheinlich ein »antikes« Fett vor, welches durch eine enzymatischkatalysierte Hydrolyse bereits zum Teil abgebaut worden ist. Neben der fettchemischen Erklärung sprechen weiterhin die Farbigkeit der Beläge4 und die Fundumstände für diese Interpretation: Die Leder kamen als Abfälle ins Moor, wo es

Foto/© Gabriele Maria Zink

Foto/© Gabriele Maria Zink

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2 Narbenseite des Objekt C nach der Konservierung. 3 Detailaufnahme von Objekt C mit deutlich erkennbarem Schichtaufbau: die Narbenseite des Leders schwarz, der gelbliche Fettfilm und darüber der weiße, amorphpuderige Belag. Bildausschnitt ca. 2,8 mm.

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