Restauro 02 2013

Page 1

Zeitschrift f체r Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

Pressbrokat: Feine Muster aus Gold die Restaurierung von ArchivMassen Entrestaurierung eines Steingef채SSes

Im Fokus: Kunst unD Kulturg체ter Reinigen www.restauro.de

2

M채rz 2013


Editorial

Fortschritt und Vergänglichkeit Es gibt Dinge, die kommen überraschend. Zum Beispiel der Wintereinbruch oder das plötzliche Lebensende einer CD-Rom. Aber so sicher wie sich der Wintereinbruch durch sinkende Temperaturen ankündigt, gibt es auch für das Lebensende einer CD untrügerische Zeichen. So äußerte sich neulich das Sterben einer meiner Daten-CDs durch ein lautes Rattern und ein schleifendes Geräusch. Nur mit Mühe konnte der Rechner die Daten noch öffnen. Zwei Wochen später schon ließen sich die Daten nicht mehr auslesen. Die Daten waren dahin. Eine frühzeitige Sicherung der CD wäre sinnvoll gewesen. Ist sie nicht schön, die digitale Welt? Ja, doch, und das trotz einiger Widrigkeiten. Aufsätze, Broschüren und dicke Bücher verschwinden auf dünnen CD-Scheiben, die scheinbar ganze Regalmeter überflüssig machen. Und wo selbst CDs oder DVDs noch zu viel Platz wegnehmen, da lassen sich die Datenberge auf Festplatten oder in Netzwerken ablegen. Das ist komfortabel und platzsparend. Auch wertvolle Schriftstücke profitieren von diesem Fortschritt. Durch Digitalisate werden einzigartige Handschriften für jeden Menschen zugänglich, ohne dass das Schriftstück selbst in die Hand genommen werden muss. Damit wird das Original geschont und zugleich die Forschung erleichtert. Die digitale Welt ist durchaus begrüßenswert. Brauchen wir also noch Erzeugnisse auf Papier? Unbedingt! Auch wenn Skeptiker schon vor Jahrzehnten den Tot der Zeitung voraussagten, leben noch heute auf Papier gebannte Informationen weiter. Berechtigterweise. Papier erfüllt unser haptisches Bedürfnis, Papier hat eine andere optische Qualität und Papier ist recht langlebig. Bücher aus Papier und Papyrus haben teils Jahrhunderte oder Jahrtausende überdauert. CD-Roms hingegen leben oft nur wenige Jahre, auch wenn man bei der Einführung der CD noch eine Lebensdauer von 50 bis 200 Jahren ansetzte. Und selbst Festplatten schaffen es im Schnitt nur auf eine Lebenszeit von zehn Jahren. Digitalisierung ist eben doch nicht nur Segen. Längst beschäftigen sich Restauratoren in technischen Museen damit, genügend Ersatzteile zu beschaffen, um auch in einigen Jahrzehnten noch zeigen zu können, wie beispielsweise die ersten Computer funktioniert haben. Dank der ständigen technischen Neuerungen, müssen Daten regelmäßig transferiert werden, um auch in wenigen Jahren noch abrufbar zu sein. Wir müssen uns also ständig darum sorgen, dass die digitalen Medien Schaden nehmen oder ihre Lesegeräte verschwinden. Ein aufwendiger Prozess, der gerade bei Datenmassen schnell unüberschaubar wird. Eines ist am Ende jedoch gewiss: Digitale Daten werden nie an das handschriftliche papierne Original heranreichen. Und Papier lässt sich – im Gegensatz zur CD-Rom – in der Regel auch in hundert Jahren noch problemlos lesen.

hochwer tige Pinsel Lang etablierte Kontakte zu führenden Pinselherstellern im fränkischen Raum und in Europa ermöglichen es uns, die größte Auswahl an hochwertigen Pinseln und Bürsten für nahezu jede Anwendungsanforderung bereitzuhalten. Profitieren Sie von unserem Know-how. www.deffner-johann.de

Liebe Leser, Archivalien und Digitalisate begleiten uns durch dieses Heft. Im Interview (S. 14) sprechen wir über den Kölner Archiveinsturz und Massenrestaurierungen, in einem Fachbeitrag zeigen Petra Weigel und Christian Kreienbrink eine elektostatische Reinigungsmethode (S. 39) und in einem Kommentar geht Almuth Corbach auf das Menschenrecht auf Informationen ein (S. 66). Einen bereits angekündigten Beitrag zur Papierreinigung im Weichstrahlverfahren mussten wir aus Termingründen leider verschieben. Dieser folgt im nächsten Heft. Nun jedoch wünsche ich Ihnen erst einmal viel Vernügen beim Lesen dieser Ausgabe! Ihre Mühläckerstraße 13 D-97520 Röthlein Tel: +49 9723 9350-0

p.brozio@restauro.de 2/2013

3


Inhalt 18

Pressbrokat herstellen

restauro aktuell  3

44 Entrestaurierung

Editorial

Blickpunkt  6 Neues EU-Projekt zur Energieeffizienz von historischen Stadtquartieren  6 Klimaveränderungen bei der Verkleinerung von Kirchenräumen  7 Ionen gegen Staub  8 Deutscher Preis für Denkmalschutz 2013 ausgeschrieben  8 Neues Tiefdepot in Nürnberg  8 Besorgnis um Bauten für Kultur und Bildung  8 Kurz und Bündig  9 Tipps und Kniffe: Entstauben mit einem Mini-Blasebalg 10 Eine Ära der Pioniere: Drei Persönlich­ keiten gehen in den Ruhestand

Einblicke 12 Erhaltung einer Lehrmittelsammlung Nachgefragt 14 »Es gibt einen Mangel an Papierrestauratoren«. Interview über die Restaurierung von Archivmassen in Köln Historische Techniken 18 Pressbrokat. Reproduktion einer plastischen Verziertechnik des Mittelalters 56 Lesezeichen 60

Firmen und Produkte

Kommentar 66 Vom Menschenrecht auf Information

restauro Im Fokus Manfred Koller 23 Schmutz, Patina und Alterswert Ein historischer Exkurs und Begriffsdefinitionen Manfred Koller 27 Reinheit und Kunst Die Reinigung in der Konservierung und ihre Vorgeschichte Georg Schmid und Thomas Wieck 35 Eis und Eisen Die Reinigung der eisernen Zuganker der Trinkhalle Baden-Baden

51 Untersuchung mit Nahinfrarot

Petra Weigel und Christian Keienbrink 39 Papierreinigung mit Elektrostatik Entstaubung, Reinigung und Neuordnung der Kartensammlung Perthes

restauro Themen Mandy Rohde und Dirk Lichtblau 44 Papier mit Nahinfrarot zerstörungsfrei untersuchen Das System SurveNIR Sebastian Röhl und Klaus Finneiser 49 Ein altägyptisches Vorratsgefäß aus Abydos Geschichte und Restaurierung

restauro rubriken 62 Termine 65 Vorschau 4

65 Stellenanzeigen 66 Impressum 2/2013


Inhalt 22

Über die Kunst, Oberflächen zu reinigen

Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

PRessbRokat: Feine MusteR aus GolD Die RestauRieRunG von aRchivMassen entRestauRieRunG eines steinGeFässes

Titelbild Flügelaltar von Michael ­Pacher aus dem Jahr 1481: Reinigungsprobe von 1975. Foto/© M. Koller

Im Fokus: kunst unD kulturgüter reInIgen www.restauro.de

2

März 2013

Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

Fu-Nori SHOFU JIN NORI Paste SHOFU JIN NORI Pulver Magnesiumhydroxidcarbonat Oxalsäure Natriumborhydrid Di-Ammoniumhydrogencitrat Ammoniumcitrat dreibasisch Klucel® E Pergamentleim

Produkte für die Papierrestaurierung

Zeitschrift für Restaurierung,

www.kremer-pigmente.de

Denkmalpflege und Museumstechnik 119. Jahrgang

2/2013

Für die Zukunft gestalten.

5


Nachgefragt

Foto: BF Köln

Am 3. März 2009 stürtzte das Kölner Stadtarchiv samt zweier benachbarter Wohngebäude zusammen. Als Grund gilt eine Baugrube unmittelbar vor dem Archivgebäude, die vermutlich mangelhaft abgedichtet war. Zwei Personen starben, rund 90 Prozent des Archivguts wurden verschüttet.

»Es gibt einen Mangel an Papierrestauratoren« Interview über die Restaurierung der Archivmassen des eingestürzten Kölner Stadtarchivs Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 schockierte Menschen weit über die Grenzen des Stadt- und Bundesgebiets hinaus. Er hatte gravierende Folgen für die Wissenschaft, denn unwiederbringliche kulturelle Werte schienen verloren. 30 Regalkilometer versackten damals unter Schuttbergen und im Grundwasser. Erstaunlicherweise konnte ein Großteil dieser Archivalien geborgen werden. Heute warten jedoch noch viele dieser Dokumente auf ihre Konservierung und Restaurierung. Und es fehlen Restauratoren, die diese Mammutaufgabe übernehmen. RESTAURO sprach mit Prof. Dr. Robert Fuchs von der Fachhochschule Köln und Dr. Stefan Lafaire von der Stiftung Stadtgedächtnis über die Herausforderung, große Mengen von Archivgut zu erhalten.

RESTAURO: Wie erlebten Sie damals den ­Einsturz des Kölner Stadtarchivs? Stefan Lafaire: Ich sah die Bilder im Fernsehen an meinem Arbeitsplatz bei der Bank und überlegte im ersten Moment, ob es der 1. April oder eine kontrollierte Sprengung eines alten Gebäudes sei, da mir eine solche Katastrophe undenkbar war. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung, dass der Einsturz des Historischen Archivs später etwas mit meinem eigenen Leben zu tun haben würde. Robert Fuchs: Ich war damals gerade auf einer Tagung in Bamberg, als mich Bettina SchmidCzaia, die Leiterin des Archivs, anrief. Ehrlich gesagt war meine erste Reaktion »Das glaub ich ­Ihnen nicht« und ich legte relativ unfreundlich wieder auf. Dann bin ich aber doch stutzig gewor14

den, denn ich bekam noch andere Anrufe. Im Hotel, im Fernsehen, habe ich das Geschehen dann in seiner ganzen Tragweite erfasst. Mit dem nächstmöglichen Zug fuhr ich nach Köln zurück. Meinen Vortrag, den ich eigentlich am nächsten Tag halten sollte, übernahm meine Kollegin. Das Institut für Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut der Fachhochschule war am Standort Köln als »Erste-HilfePartner« zum Glück sofort verfügbar. Wie sah Ihre Unterstützung aus? Fuchs: Einen Tag haben wir erst einmal gebraucht, bis wir jemanden vom Archiv erreicht ­haben. Es war ja alles abgesperrt, man kam an nichts heran, und die Telefone haben natürlich auch nicht funktioniert. Zunächst haben wir mög2/2013


Techniken Margareta Hauser und Jakob Thalmayr

Pressbrokat Reproduktion einer plastischen Verziertechnik des Mittelalters

Im Spätmittelalter erfreute sich diese Technik besonderer Beliebtheit: Pressbrokat. Charakteristisch für diese Verziertechnik sind die Musterungen auf fein schraffiertem Hintergrund. Die Herstellung, die wir nachfolgend beschreiben, ist aufwendig, doch am Ende wartet ein glänzendes Ergebnis.

Foto/© Städtische Meisterschule für das Vergolderhandwerk München/Thalmayr

1

1+2 Pressbrokat entsteht in einem ­Model. Ausgangsbasis für das ­Model ist eine kreidegrundierte Holzplatte, in die das Muster eingraviert wird. Am besten überträgt man das Muster mit einer Pause auf den Kreidegrund. 2 Foto/© Städtische Meisterschule für das Vergolderhandwerk München/Thalmayr

Beim Pressbrokat handelt es sich um eine Applikationstechnik, bei der mit Hilfe eines Models ein flaches Relief hergestellt wird, das anschließend auf einer Rahmenleiste oder Figurenoberfläche aufgebracht wird. Der Reiz und die Besonderheit des Pressbrokates liegt darin, das ausgewählte Motiv unendlich oft in exakt gleicher Qualität und Feinheit reproduzieren zu können. Die Brokatstofflichkeit lässt sich hierbei täuschend echt imitieren. Keine noch so exakt ausgeführte Gravur oder Verziertechnik erreicht diese Gleichmäßigkeit. Diese Technik ist aber sehr aufwendig, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass sie seit der Renaissance kaum mehr zur Ausführung kam. Die Arbeitsschritte Der Pressbrokat wird in drei Arbeitsschritten ausgeführt: Feine Muster in Gold Ursprünglich zur Imitation schwerer Goldbrokatstoffe oder Brokatseidenstoffe geschaffen, hatte die Pressbrokattechnik ihre Blütezeit vom frühen 15. Jahrhundert bis zum 16. Jahrhundert. Sie kam an Figurenfassungen zum Einsatz, z. B. als Gewandborte oder zur Textilimitation, aber auch an Rahmenleisten oder für Hintergrundverzierungen. 18

1. Anfertigen des Models 2. Herstellung der Prägefolien 3. Verarbeitung am Objekt Diese Arbeitsschritte sind nachfolgend beschrieben. Diese Vorgehensweise stellt allerdings nur eine Möglichkeit unter vielen Techniken dar, die in der historischen Literatur (z. B. in Cennino Cenninis Il 2/2013


Foto/© Forschungsbibliothek Gotha

Im Fokus: Oberflächen reinigen Krusten, Stäube, Schimmelsporen – diese und andere Ablagerungen bedecken die Oberflächen zahlreicher Kunstwerke und Kulturgüter. Sie beeinträchtigen häufig nicht nur das Erscheinungsbild der kostbaren Güter, teilweise verursachen sie auch Schäden an den Oberflächen und müssen daher möglichst schonend entfernt werden. In unserem Fokus greifen wir dieses wichtige Aufgabengebiet des Restaurators auf. Zunächst nimmt uns Manfred Koller mit auf eine spannende Zeitreise. Im Anschluss stellen mehrere Autoren neue Entwicklungen und Verfahren für die Praxis vor, darunter das Trockeneisverfahren, das unlängst für die Reinigung von Metalloberflächen zum Einsatz kam und ein neues, innovatives Verfahren für die Papierrestaurierung. 22

2/2013


Im Fokus Manfred Koller

Patina, Alterswert und Schmutz Ein historischer Exkurs und Begriffsdefinitionen

Jeder Epoche war das Phänomen der »Patina« bekannt. Und doch zog jedes Zeitalter daraus seine eigenen Schlüsse für die Behandlung von Gemälden und Skulpturen. Ein Überblick.1

1

Foto/© Kunsthalle Hamburg

Zur Definition von Patina Schon in der griechischen und römischen Antike spielten Reinigung und Patinierung eine Rolle für die Ästhetik von Gemälden (Atramentum-Firnis des Apelles2) und von Statuen aus Bronze.3 Der »Patina«-Begriff ist erstmals im Barock nachzuweisen.4 In der italienischen Renaissance kennt Vasari nur die schwärzliche Verfärbung, die der rötliche Bronzeguss mit der Zeit bekommt, der aber auch mit Öl oder Firnis nachgeholfen wird und ähnlich für grünliche Färbung mit Essig.5 Die ersten Definitionen von Reinigung und Patina bei Kunstwerken gibt Filippo Baldinucci 1681 in dem von ihm verfassten Wörterbuch zur damals in der Toskana gültigen Künstlersprache.6 Reinigung (»pulire«) bedeutet demnach die Entfernung von Schmutz und Flecken, aber auch das Glänzen/ Polieren (vor allem bei Marmor und Metallen). Patina (»patena«) nennt er dagegen »eine gewisse universelle Dunkelheit, welche die Zeit auf den Bildern erscheinen lässt und sie damit manchmal begünstigt« (»favorisce« – soll heißen: sie besser erscheinen lässt als der Realität zukäme). Diese Bemerkung Baldinuccis reflektiert schon den Standpunkt der in der Barockepoche einfluss­ reichen Antiquare und Kenner, wie ihn William ­Hogarths bekannter Stich »Time smokes a picture« 1761 ironisch verspottet. (Abb. 1) Nach diesen im 17. und 18. und teilweise bis ins 20. Jahrhundert verbreiteten Vorstellungen kommt der ­Patina Beweiskraft für Originalität und glaubhaftes Alter zu sowie Bedeutung für die Preisbildung dieser Werke im Kunsthandel (was bis in die Gegenwart nachwirkt). Auf Hogarths selbst vermarkteter

Grafik (er war auch ein Pionier für das Urheberrecht) spielt am oberen Rand eine griechische Inschrift auf intellektuelle Kontroversen seiner Zeit an über den Vorrang des antiquarischen vor dem künstlerischen Wert ebenso wie der sarkastische Kommentar zur zerbrochen am Boden liegenden Figur: »Wie Statuen zu Wertobjekten zerfallen« (»As Statues moulder into Worth. P.W.«).7 Hogarth hatte Grund, den Umgang mit alten Kunstwerken im damaligen England zu verspotten.8 Formverluste antiker Skulpturen durch den »Zahn der Zeit« (bildhaft dargestellt 1638 in Gestalt des Zeitgottes Chronos9) wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert

Dieser zweiteilige Beitrag ist eine überarbeitete Neufassung des Artikels zu

1 Die Zeit »patiniert« ein Gemälde. Kupferstich von William Hogarth 1761 (Hamburg, Kunsthalle, Inv.Nr. 21166).

Filippo Baldinucci, Vocabulario Toscano dell’Arte del Disegno. Firenze 1681 (re-

1

6

»Surface Conservation and Cleaning«, in: The Getty Conservation Institute News-

print Firenze 1985), S. 129, 119. – Baldinucci schrieb 1686 auch die erste Ge-

letter, vol.15, number 3, 2000, S. 5–9.

schichte der druckgrafischen Techniken (Kupferstich und Radierung).

Thomas Brachert, Zum Atramentum-Firnis des Apelles, in: Restauro 1/1994,

Joseph Burke, Colin Caldwell, Hogarth. The Complete Engravings. London o. J.,

2

7

S. 50–51, 292.

Kat. 250.

Patrick Reuterswærd, Studien zur Polychromie der Plastik. Griechenland und

Mansfield Kirby Talley jr., Miscreants and Hotentots: Restorers and Restoration

3

8

Rom, Stockholm 1960, S. 107ff, 130ff, 144f.

Attitudes and Practices in Seventeenth and Eighteenth Century England, in: Chris-

4

tine Sitwell, Sarah Staniforth: Studies in the History of Painting Restoration (Sym-

»Schüssel« oder »Pfanne« und wurde bei den katholischen Vasa Sacra auf die »Pa-

posium London 1996). London 1998, S. 27–42.

Im Lateinischen (»patina«) und Griechischen (»patáne«) bedeutet das Wort

tene« übertragen. Möglicherweise stand also doch die Metallpatina von Gefäßen

9

und nicht die Gemäldepatina für den neuzeitlichen Patinabegriff Pate (entgegen

Autenrieth (Hg.), Denkmalpflege heute. Akten des Berner Denkmalpflegekongres-

Thomas Brachert, Patina, München 1985, S. 11).

ses Oktober 1993, Bern 1996, S. 241–256, Abb. 1 (Titelkupfer von Francois Perri-

Manfred Koller, Das Denkmal »im neuen Glanz«, in: Volker Hoffmann, Hans Peter

5

er, Segmenta nobilium signorum et statuarum … Urbis aeternae rruinis erepta …,

1550, ²1568, Introduzione: della Scultura, cap. IV.

Paris 1638).

Giorgio Vasari, Le Vite de‘ piu Eccellenti Pittori, Scultori e Architetti, Firenze

2/2013

23


Im Fokus Georg Schmid und Thomas Wieck

Eis und Eisen Die Reinigung der eisernen Zuganker der Trinkhalle Baden-Baden im Trockeneisstrahlverfahren

Bei der Oberflächenreinigung von gusseisernen Elementen steht der Schutz der Schmiede-, Walzbzw. Gusshäute als natürlicher Korrosionsinhibitor im Vordergrund. Dies traf auch auf die Zuganker der Trinkhalle Baden-Baden zu. Die intensive restauratorische Voruntersuchung für die anstehenden Konservierungsarbeiten bot die Möglichkeit, ein schonendes Verfahren zur Reinigung zu testen: das Trockeneisverfahren.

1

1 Baden-Baden besitzt, wie viele andere Kurorte auch, eine sogenannte Trinkhalle oder Brunnenhalle. Dort schenkten Brunnenmädchen das Heilwasser für die im 19. Jahrhundert sehr beliebte Trinkkur aus. Die Baden-Badener Trinkhalle liegt neben dem Kurhaus am nördlichen Ende des Kurparks.

Foto/© Alfred Kärcher

Foto/© Alfred Kärcher

Die Trinkhalle in Baden-Baden Die Baden-Badener Trinkhalle (Abb. 1) gehört zu den schönsten Trinkhallen Europas. Von 1839 bis 1842 auf Anregung der Badeärzte Dr. August Georg Kramer und Dr. Anton Guggert errichtet, kommt in ihr noch heute das ca. 50 ° heiße Thermalwasser vom Florentinerberg, der Friedrichsquelle und der Nürtinger Heinrichsquelle für Trinkkuren zum Ausschank, an der sich seither zahlreiche Kurgäste erfreuen. Hatte ihr Architekt Heinrich Hübsch (1795–1863) 2 die Halle noch als Beispiel eines »Neuen Baustils« in Wiederbelebung »altitalienischer« Arkadengänge verstanden, erwies sich dieser Baustil jedoch wegen der aufkommenden Eisenkonstruktionen schon bald als obsolet und wurde nicht weiter verfolgt. Die Trinkhalle stellt somit ein sehr singuläres Objekt einer offenen Wandelhalle dar, die in der nachfolgenden Zeit keine Nachahmung fand. Die Halle befindet sich am nördlichen Ende des Kurparks von Baden-Baden und besteht neben dem Brunnenraum aus einer langgestreckten, nach Osten offenen Wandelhalle mit insgesamt 19 Achsen. Die mittleren drei Achsen des symmetrischen Baus springen als Risalit mit Tympanonfeld nach vorne. Das eigentliche Brunnenhaus liegt in gleicher Breite auf der Westseite der Halle. Besonderes Interesse darf man auf die Gewölbeausformung (Abb. 2) legen. Diese lässt sich auf eine Gewölbekonstruktion zurückführen, die der Architekt Felix Francois D’Espie (1708–1792) 1754 erischen Weise, die sehr genau dem in der Wanals »ziegelsteinernes Dach« beschreibt und das delhalle vorliegenden Gewölbeaufbau entspricht. Gebäude besonders brandsicher machen sollte, Es ist ein zweischaliges Ziegelgewölbe, dessen denn es kamen ausschließlich nicht brennbare Besonderheit in flach aufgelegten, meist auf Stoß Materialien zum Einsatz. Der Kunsthistorikerin Silgesetzten Ziegelplatten besteht, deren Lagen fuke Walther zufolge hat Hübsch diese Form der genversetzt zueinander liegen. Der Raum zwiFlachgewölbe schon zuvor mehrmals in Bauten schen beiden Ziegellagen ist mit Kalkputz1 verfüllt, verwendet. Doch ist das Dach der Trinkhalle in Baden-Baden nicht flach. Die Halle ist über der Geder den Befunden zufolge als zähfließende Masse wölbezone noch mit einem Holzdachstuhl mit aufgetragen wurde und in die Fugen eindringen Schieferdeckung versehen. konnte. Die gesamte Gewölbestärke beträgt ca. 12 cm, wobei die Ziegelstärke der beiden Lagen Die Gewölbekonstruktion jeweils ca. 4,3 cm beträgt und die Putzlage dazwiAuf 40 Seiten beschreibt D’Espie die Ziegelkonstschen ca. 3,4 cm. An den Randzonen kann sich die ruktion des Gewölbes in einer etwas marktschreiStärke auf ca. 6 cm reduzieren, da dort die einge2/2013

2 Zur Trinkkur gehörte auch das »Promenieren«. Deswegen ist die Baden-Badener Trinkhalle als »Wandelhalle« entworfen: In der Säulenhalle ging man, auch bei schlechtem Wetter im Trockenen, auf und ab. Das Flachgewölbe der Halle ist aus Ziegeln gemauert und durch gusseiserne Zuganker stabilisiert.

35


Im Fokus Petra Weigel und Christian Kreienbrink

Papierreinigung mit Elektrostatik Entstaubung, Reinigung und Neuordnung der Kartensammlung Perthes

Die schonende und risikoarme Oberflächenreinigung planer Papierobjekte gehört zu den anspruchsvollen Aufgaben der Papierkonservierung. Die Herausforderung ist umso größer, wenn es sich dabei, wie im Fall der Kartensammlung Perthes, um 185 000 Einzelblätter handelt, die sich aus verschiedenen Materialien, Formaten, Papiersorten, Beschreibstoffen und druckgraphischen Techniken zusammensetzen.

1b

Fotos: Forschungsbibliothek Gotha, 2008

1a

Sammlung mit komplexen Schadensbildern 2003 erwarb der Freistaat Thüringen die historischen Sammlungen des Gothaer Kartenverlages Justus Perthes. Teil dieser kulturgeschichtlich hochrangigen Überlieferung ist eine Kartensammlung mit rund 185 000 Einzelblättern. Sie war das zentrale Arbeitsinstrument des 1785 gegründeten Verlages, der vor allem durch die Herausgabe von Atlanten und Karten zu Weltgeltung gelangte. Mit kartographischen Veröffentlichungen wie »Stielers Handatlas« und »Petermanns Geographische Mitteilungen« bestimmte der Verlag die letzte Phase des Entdeckungszeitalters, in der die außereuropäischen Kontinente und die Polgebiete erforscht wurden. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war der Perthes Verlag einer der marktbeherrschenden Protagonisten der Verbreitung geographischen Wissens. Von der rund 225jährigen Verlagsgeschichte sind bis heute umfängliche Zeugnisse erhalten geblieben. Neben der Kartensammlung umfassen diese die Verlagsproduktion, eine Fachbibliothek und das Verlagsarchiv. Die Sammlung Perthes wird seit 2003 von der zur Universität Erfurt gehörenden Forschungsbibliothek Gotha betreut. Bei der Übernahme der Bestände im Jahr 2003 befand sich die gesamte Sammlung und insbesondere die Kartensammlung in einem Stadium ­fortschreitender Schädigung. (Abb. 1) Da mehrere 2/2013

Faktoren zusammenspielten, erwies sich das Schadensbild der Sammlung als äußerst komplex. Die Kartenblätter waren unabhängig von ihrem Format in offenen, ursprünglich für 50 Blätter berechneten Mappen untergebracht. Infolge des Anwachsens der Sammlung waren diese Mappen jedoch durchschnittlich um das Vierfache überbelegt. Die Lagerung in den offenen Mappen hatte zu erheblichen mechanischen Schädigungen geführt. Zudem bildete sich eine Schmutzschicht auf den Blättern, die große Probleme mit sich brachte. Die Untersuchung der chemisch-physikalischen Zusammensetzung der Schmutzschicht ergab, dass es sich dabei um Staub mit Partikelgrößen unter 1µ handelte, der als lungengängiger Feinstaub zu klassifizieren war. Vermutlich handelt es sich um Staub, der infolge des Abschleifens der im Verlag für den Kartendruck verwendeten Kalksteinplatten entstand. Ein Hantieren mit den Karten barg demzufolge erhebliche Gesundheitsrisiken in sich. Außerdem würde dabei der locker aufliegende Staub in die Papierfasern eingerieben und die Schmutzschicht verfestigt. Neben diesen gravierenden, eine Nutzung ausschließenden Schadensbildern war die nach dem Regionalprinzip aufgebaute historische Kartensystematik gestört. Dieser mangelhafte Ordnungszustand war auf den stetigen Zugriff der Kartographen, aber auch auf die Umsortierungsversuche nach 1945 zurückzuführen.

1 a+b Die kulturgeschichtlich bedeutende Kartensammlung Perthes (1b) enthält rund 185 000 Einzelblätter. Bei Übernahme der Sammlung in die Forschungsbibliothek Gotha lagerten durchschnittlich 200 Karten in einer Mappe. (1a) Gedacht waren diese Mappen jedoch für maximal 50 Blätter. Hierdurch litten besonders die Ränder der Karten.

39


Themen Sebastian Röhl und Klaus Finneiser

Ein altägyptisches Vorratsgefäß aus Abydos Geschichte und Restaurierung

Archäologische Fundstücke haben oft eine bewegte Historie hinter sich. Doch nicht nur ihre Herkunft, Verwendung und ihre Entdeckung durch die Archäologen ist eine Geschichte wert. Auch die Art und Weise ihrer Restaurierung verrät oft unerwartete Details. Ein Vorratsgefäß aus Abydos gab beispielsweise Einblick in die Arbeitsweise der Restauratoren vor rund 50 Jahren.

2/2013

1

Foto/© Sebastian Röhl

Ein Gefäß aus Ägypten In den Jahren 1894–1898 legte der französische Ägyptologe Émile Amélineau in Abydos einen Friedhof frei,1 auf dem die Könige aus der Frühzeit Ägyptens bestattet waren.2 Mehrere der dort gefundenen Objekte gelangten in seine Privatsammlung, die im Jahre 1904 in Paris verkauft wurde. Zu den Käufern zählte auch die Ägyptische Sammlung der Berliner Königlichen Museen, die Vorgängerin des heutigen Ägyptischen Museums und der Papyrussammlung der Staatliche Museen zu Berlin. Unter diesen Stücken befand sich auch das im Folgenden beschriebene Steingefäß. (Abb. 1) Es ist 102 cm hoch und hat eine Gefäßtiefe von 91 cm. Der größte Durchmesser beträgt 29,5 cm, während die Öffnung einen Durchmesser von 10,5 cm hat. Die Füllmenge beträgt ca. 25 Liter. Als Material wurde Kalzit-Alabaster verwendet. Leider ist lediglich bekannt, dass das Objekt in Abydos gefunden wurde. Eine genaue Lokalisierung hat Amélineau weder in seiner Publikation3 noch in anderen Unterlagen angegeben. Daher ist es nicht möglich, zu klären, aus welchem königlichen Grab das Stück stammt. Das Steingefäß ist in seiner Form und Bearbeitung typisch für die Zeit der 1. und 2. Dynastie.4 Das hohe und schmale Behältnis ist meisterhaft gearbeitet und zeugt von handwerklichem Können und künstlerischer Perfektion. Die geschmackvolle und elegante Formgebung sowie die zum Teil nur 1,3 cm dicke Wandstärke belegen dies eindrucksvoll. Ungeachtet des Fundortes ist dies ein weiterer Beweis, dass das Gefäß im königlichen Auftrag hergestellt wurde, denn nur die besten Handwerker des Landes arbeiteten für den Herrscher. Da im Gefäßinneren noch Reste der ursprünglichen Befüllung zu finden waren, nahm Prof. J. Grüß 1929 eine mikroskopische Untersuchung des Inhaltes vor. Dabei stellte sich heraus »daß der Krug bald Wein (Weinhefe), bald Bier (Stärke, Winlockhefe, Emmerspuren) enthalten hat. Ferner fanden sich Flocken von einer qualmenden Fackel.«5 Diese Spuren belegen eindeutig, dass es sich um ein mehrfach benutztes Vorratsgefäß handelt. Ob es dabei sogar als Fackelhalter diente, bleibt jedoch bloße Spekulation.

Frühere Restaurierungen Es ist zu vermuten, dass das Vorratsgefäß in gebrochenem Zustand (zwei große Teile, zwei kleinere Fragmente, mehrere winzige Bruchstücke) am Fundort geborgen wurde. Über daran anschließende Restaurierungen existieren keine Aufzeichnungen. Die letzte Restaurierung geht wahrscheinlich auf die 1950er bis 1970er-Jahre zurück. Damals wurden alle Teile neu miteinander verklebt, wobei stellenweise recht unsauber gearbeitet wurde. Im Innern finden sich mehrere Laufspuren des Klebemittels. Durch zu hohen Druck beim Anpressen zerbrachen die winzigen Bruchstücke, so dass sie für die aktuell durchgeführte Restaurierung nicht mehr nutzbar waren.

1 Das Vorratsgefäß, hier vor der ­Restaurierung, stammt aus der ­Privatsammlung des Ägyptologen Émile Amélineau. Eigentlich war dieser Theologe, studierte jedoch von 1878 bis 1883 bei Gaston Maspero, dem damaligen Leiter der ägyptischen Altertumsbehörde in Paris, Ägyptologie und Koptisch. 1887 legte er sein Priesteramt nieder und widmete sich seit dem intensiv archäologischen Forschungen.

49


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.