Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
RESTAURO 2/2015
Geraubte Kunst: ISIS & Co als HErausforderung restauratorenKritiker Michael Hofbauer im Porträt Drei Papierobjekte – Drei ERhaltungswege
Steinkonservierung: Konflikt zwischen Machbarkeit und reiner Lehre www.restauro.de
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März 2015
Inhalt
TitelThema: Steinkonservierung
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Kommentar von Gabriele Grassegger: Wie wissenschaftlich darf Steinkonservierung sein?
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Björn Seewald Ein Bewertungsschlüssel zum Erfolg Die Entwicklung eines Leitfadens für Naturstein-Monitoring
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Sarah Hutt, Gerhard Eisele und Martin Krause Ultraschalltransmissionsanalyse am Cottaer Sandstein Erste messtechnische Tastversuche
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Marek Barański Ziegel vor Wandmalerei Die Rettung eines Wandgemäldes durch die Sicherung des Untergrundes
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Boris Frohberg Rezension: „Natursteinbauwerke. Untersuchen – Bewerten – Instandsetzen“
Eine Wandmalerei wurde gerettet
raubkunst
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Anke Preußer Die Rolle der Restauratoren bei der Provenienzforschung Neue Erkenntnisse aus der Kunsthalle Bremen
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„Die Opferbiografien müssen anerkannt werden“ Ein Interview mit Monika Grütters, der neuen Kulturstaatsministerin
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Heike Schlasse Tagungsbericht: Dramatische Verluste von historischem Erbe
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Alexandra Nyseth Wie kann man Raubkunst ausstellen?
Ehemals jüdischer Besitz
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Ein Blick auf Rembrandts Zeichnungen
Fotos: (v. o. n. u.) M. Barański; Martin Luther/Dirk Fellenberg; Britta Grigull
besondere papierobjekte: technik und erhalt Britta Grigull Rembrandts Zeichnungen in Berlin Eine Spurensuche auf Papier
56 „Der Blick hinter die Kulissen kommt sehr gut an“ Ein Interview mit Sandra Uhrig und Andreas Müller Uta Baier 58 Der Schatz unter den Klebezetteln
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rubriken 6
Kunststück
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Blickpunkt Hamburg: Ein ungewöhnliches Erhaltungskonzept für eine Kirche 1 Fotografien für die Ewigkeit? Holztafelanalyse: Eine Webseite zeigt neue Ergebnisse Arnau: Ein ungewöhnliches Erhaltungskonzept für eine Kirche 2
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Gefördert von
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Beruf
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FIRMEN UND PRODUKTE
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Porträt
Titelmotiv
Foto: Alte Pinakothek München
Die Alte Pinakothek ist eines der Gebäude, die im Rahmen der Entwicköung eines Leitfadens für Natursteinmonitoring untersucht und beobachtet worden sind. Die wichtigste Erkenntnis: Monitoring und frühe Sicherungsmaßnahmen sind ökonmischer und verträglicher für das Objekt.
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Titelthema: Steinkonservierung
Björn Seewald
Ein Bewertungsschlüssel zum Erfolg Die Entwicklung eines Leitfadens für Naturstein-Monitoring
Der „Leitfaden Naturstein-Monitoring“ ist das Ergebnis einer zweijährigen Projektarbeit zur Thematik der Nachkontrolle von Konservierungsmaßnahmen an Denkmälern aus Naturstein, welche durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert wurde. 1
Abstract “Evaluation key to success? The development of a guideline to monitor natural stone This is the outcome of a two-year project sponsored by the German Federal Environmental Foundation for the inspection and check-up of conservation measures completed on natural stone monuments. Among other things, methods and criteria were developed to monitor weathering and conservation in the long term. The article presents the most important findings.
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Zu diesem Zweck haben sich im Jahr 2008 Fachleute aus dem Bereich der Steinkonservierung im Projekt „Steindenkmäler im Einfluss anthropogener Umweltverschmutzung – Entwicklung von Methoden und Kriterien zur Langzeitkontrolle von Verwitterung und Konservierung“ (kurz: „Naturstein-Monitoring“) zusammengefunden. In drei Regionalgruppen wurden folgende Schwerpunkte bearbeitet: •E rarbeitung eines Kanons geeigneter Untersuchungsmethoden zur Wirksamkeitskontrolle von Konservierungsmaßnahmen •Ü berprüfung der Praxistauglichkeit dieser Methoden anhand gut dokumentierter Bauwerke • Beurteilung verschiedener Konservierungsmethoden und -verfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit
•Ö konomische Aspekte einer kontinuierlichen Pflege und Wartung (Snethlage 2011, S. 13 ff.) Ziel der Projektarbeit war, zukunftsweisende Erhaltungsstrategien für Natursteindenkmäler aufzuzeigen. Ausgehend von der Überzeugung, dass Monitoring zu deren Erhalt beiträgt, liegt der Schwerpunkt der in den Leitfaden aufgenommenen Untersuchungsmethoden auf zerstörungsfreien oder zumindest zerstörungsarmen Methoden. Da periodische Großmaßnahmen an Denkmälern häufig mit einem großen Verlust an Originalsubstanz einhergehen, wird die kontinuierliche Wartung und Pflege von Baudenkmälern einschließlich des Monitorings von Verwitterung und Konservierung aus denkmalpflegerischer Sicht als zukunftsweisend angesehen. 2/2015
Foto: flyingrabbits
1 Außenansicht der Alten Pinakothek München.
Steinkonservierung Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Methodik sowie ausgewählte Ergebnisse der Projektarbeit. Zudem werden Ergebnisse zu bestimmten Themenbereichen, die im Leitfaden mittlerweile publiziert wurden, in Teilen ergänzt. Methodenkanon – wodurch bestimmt? Es wurden solche Untersuchungsmethoden ausgewählt, die auf einfache Art und Weise, möglichst zerstörungsarm und ohne großen technischen Aufwand anwendbar sind. Da es im Zuge von Langzeitkontrollen mit großer Wahrscheinlichkeit zu personellen Wechseln während der Durchführungsphase kommt, muss gewährleistet sein, dass die Untersuchungen unabhängig vom Personal nachvollziehbar, evaluierbar und reproduzierbar sind. Voraussetzung hierfür ist die Standardisierung von Methoden und die Dokumentation. Beides gelang sowohl im Vorfeld als auch während der eigentlichen Projektarbeit durch intensiven Austausch zwischen den Kooperationspartnern. Untersuchte Bauwerke Für die Projektarbeit kamen ausschließlich gut dokumentierte Bauwerke aus dem gesamten Bundesgebiet in Frage. Auf diese Weise ist zweierlei gewährleistet: erstens eine sinnvolle Nachkontrolle von früheren Konservierungsmaßnahmen auf der Grundlage einer aussagekräftigen Dokumentation, zweitens die Aufnahme eines breiten Spektrums an denkmalrelevanten Natursteinen sowie eines Querschnitts der gängigen Restaurierungs- und Konservierungsmethoden in die Untersuchungen (Snethlage 2011, S. 14 f.). Bis auf die Stadtstaaten und die Flächenländer Saarland und Mecklenburg-Vorpommern waren alle Bundesländer mit Untersuchungsobjekten vertreten. Dabei war die sogenannte Löwengrube – ein Ensemble romanischer Granitbildquader mit Löwendarstellungen – des Schleswiger Doms das nördlichste, das Salemer Münster am Bodensee das südlichste der untersuchten Bauwerke. Aufgrund ihrer großen Bedeutung als historisches Baumaterial gehörten die meisten der untersuchten Naturwerksteine zu den Sandsteinen. Beurteilung der Wirksamkeit Im Rahmen der Projektarbeit fand erstmals eine breit angelegte, systematische Auswertung von bereits durchgeführten Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen statt. Die an einer großen Anzahl von Bauwerken durchgeführten Untersuchungen lassen statistisch gesicherte Aussagen über die Wirkungsdauer bestimmter Maßnahmen zu, insbesondere hinsichtlich von Festigungs- und Hydrophobierungsmaßnahmen (Snethlage 2011, S. 205). 2/2015
Komm
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rie r. Gab Prof. D
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Seit 25 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema "Denkmalerhalt". Seit 2009 ist sie Professorin an der HFT-Stuttgart für Bauchemie und Baustoffkunde, Fakultät B.
Wie wissenschaftlich darf Steinkonservierung sein? Die Steinkonservierung mit Kieselsäureestern (KSE), als die am meisten befürwortete und umgesetzte Methode, ist nunmehr ca. 40 Jahre alt. Die sich in Poren bildenden amorphen Kieselsäure-Gele, die als sehr ähnlich zu den geologisch entstandenen Bindemitteln in Gesteinen anzusehen sind, wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, Grundlagenforschungen in zwei deutschlandweiten Großforschungsprojekten, vielen Laborversuchen und Baustellenanwendungen in der Regel als sehr gut geeignet nachgewiesen. Sie wurden an nahezu allen Gesteinen und Schadensbildern erprobt und ihre Anwendungsgrenzen sind weitgehend bekannt. Zusätzlich kam es durch Forschung und die Industrie in den letzten zehn Jahren zu modifizierten und optimierten Produkten für spezielle Fälle. Wir sollten alle dafür eintreten, dass diese sehr wichtige Applikation zum Standardfall für den Erhalt von Mauerwerken, Natursteinflächen sowie geschädigten mineralischen Oberflächen erklärt wird, da sie im Baubereich zur Akzeptanz bis hin zu neuen Regelungen (und sogar Normen wie bei der Betonsanierung) führen könnten. Es liegen auch mehrere Leitfäden zur Anwendung, Quantifizierung und Qualitätskontrolle vor, die hierzu dienen bzw. in der Praxis genutzt werden. Die Produkte sind in der Regel reaktionssicher und ausgereift und können, wenn keine hinderlichen Faktoren vorliegen, in den empfohlenen Mengen und Verfahren vom Praktiker – mit guten Erfolgen – eingesetzt werden. Nicht zu vernachlässigen sind aber weiterhin Voruntersuchungen auf den Materialschaden, die Bauwerksprobleme, auf den diese Produkte, wie oben erwähnt, abgestimmt werden müssen. Dies kann aber meines Erachtens im Regelfall ohne weitere Applikations- und Produktuntersuchungen im Labor erfolgen. Wichtig sind vorher baugerechte Testfelder, da die Praxis immer viele Überraschungen birgt. Weiterhin der wissenschaftlichen Untersuchung und Begleitung bedürfen: Wertvolle Ornamente, Skulpturen und Sondermaterialien oder schwerste Schadensbilder, die sich außerhalb des bewährten Einsatzes bewegen. 15
Raubkunst
Anke Preußer
Die Rolle der Restauratoren bei der Provenienzforschung Neue Erkenntnisse aus der Kunsthalle Bremen
Als Teilbereich der Geschichte und Kunstgeschichte beschäftigt sich die Provenienzforschung mit der Ermittlung der Herkunft von Kulturgütern aller Art und den damit verbundenen wechselnden Besitzverhältnissen. In den Museen liegt ein besonderer Fokus auf der Untersuchung der meist wertvollen Gemälde, deren historische Spuren vergleichsweise einfach zurückzuverfolgen sind, da es sich in der Regel um Unikate handelt.
Teich mit schilfbestandenem Ufer, Karl Peter Burnitz (1824–1886), Öl auf Leinwand, aufgezogen auf Pappe, Vermächtnis Helene und Arnold Blome 1948, Kunsthalle Bremen, Inv. Nr. 550-1948/19
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Provenienzforschung in der Kunsthalle Bremen Die Kunsthalle Bremen darf eine Reihe an Gemälden, Grafiken und Skulpturen zu ihrem Eigentum zählen, die durch drei Bremer Kunsthändler und Kunstsammler in den Besitz des Kunstvereins ge-
langten. Zwar wurden die Objekte vielfach erst nach dem Zweiten Weltkrieg geschenkt, vermacht oder verkauft, doch waren alle drei Sammler während des Nationalsozialismus aktiv und erwarben in dieser Zeit zahlreiche Werke. Dabei sind neben dem Gesamt2/2015
Foto: Anke Preußer
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Raubkunkst
konvolut vor allem die Objekte eingehend zu prüfen, die nach 1938 und der Reichspogromnacht in den Besitz der Sammler gelangten. Um zu klären, ob die Objekte rechtmäßig durch die drei Sammler erworben wurden und somit ins Haus kamen, wurde in der Kunsthalle Ende 2010 das Projekt der Provenienzforschung ins Leben gerufen, dass vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz finanziell gefördert wurde. Durchgeführt wurde das Projekt von der Kunsthistorikerin Brigitte Reuter, die eigens für die Provenienzforschung ins Haus geholt wurde, die restauratorische Untersuchung der Gemälde übernahm die Autorin dieses Artikels. Diese Zusammenarbeit von Kunsthistorikerin und Restauratorin stellte sich als ausgesprochen wichtig heraus. Während von kunsthistorischer Seite die geschichtliche Laufbahn der Gemälde und der Kunsthändler und Kunstsammler anhand von Archivalien, Bildmaterial oder Datenbanken erforscht wurde, konnten die materialtechnischen Untersuchungen der Gemälde durch die Restauratorin mehrfach Hinweise zur Klärung der Provenienz geben. Das bedeutete konkret das Aufzeigen von Material und Technik eines Gemäldes und darauf aufbauend den Grad der Originalität und die damit verbundenen Zutaten in Form von vergangenen Restaurierungen, die oftmals Veränderungen des Originalzustandes mit sich bringen. Veränderungen des Materialgefüges sind wichtige Informationen der Objektgeschichte und damit auch von Bedeutung für die Provenienzforschung. Beispielsweise verdeckt die Doublierung eines Gemäldes auf textilem Bildträger die originale Rückseite, auf der Beschriftungen oder Stempel möglicherweise Hinweise auf Besitzverhältnisse oder Teilnahme an Ausstellungen geben und damit ein Stück Provenienz schließen. Wurde dann noch der Keil- oder Spannrahmen entfernt und ersetzt, ist eine weitere mögliche Quelle zerstört. Natürlich spielt dabei der Zeitpunkt einer solchen Restaurierung eine wichtige Rolle, der nicht immer erfasst werden kann. Hilfreich sind dabei Dokumentationen von restauratorischen Eingriffen, die allerdings nicht immer verfügbar sind. Als absolut notwendig erweist sich auch die Überprüfung der Bildmaße und eventuelle Veränderungen der Bildgröße. Vielfach sind die Bildmaße bei der Recherche wichtige Anhaltspunkte in Auktions- und Ausstellungskatalogen, An- und Verkaufsunterlagen von Galerien oder Datenbanken. 2/2015
Titel von Gemälden können variieren oder werden nicht bzw. nicht richtig überliefert, Bildmaße sind in der Regel eine verlässliche Größe, die vielfach beim Verkauf oder der Inventarisierung angegeben werden. Umso wichtiger ist darum die genaue Untersuchung hinsichtlich möglicher Änderungen. Nicht zuletzt kann auch der Zierrahmen – wenn vorhanden – von Bedeutung sein. Dabei ist zu klären, ob dieser zum Gemälde als original dazugehörig zu bezeichnen ist und – wenn möglich – zu welchem Zeitpunkt das Gemälde gerahmt wurde. Daraufhin können die Etiketten, Stempel und Beschriftungen entsprechend gedeutet und in die Provenienzforschung einbezogen werden. Nach Klärung des Materialgefüges und dem aktuellen Zustand werden die vorliegenden Beschriftungen, Etiketten und Stempel erfasst. Dabei sind oftmals optische Analyseverfahren wie Vergrößerung durch das Stereomikroskop, Betrachtung mit Streiflicht und unter UV-Strahlung aus der Restaurierung notwendig und hilfreich. So können unleserlich erscheinende Notizen vielfach wieder lesbar gemacht werden. Anschließend wird jede einzelne Beschriftung fotografisch festgehalten und in einer Rückseitenanalyse dokumentiert. Ziel der Erstellung solcher Rückseitenanalysen ist, sie zukünftig in Datenbanken und Webseiten aufzunehmen und sie so der Öffentlichkeit und anderen Provenienzforschern zugänglich zu machen. Auf diese Art sollen ungeklärte Bezeichnungen durch Vergleiche, zusätzliche Informationen und Hinweise im Idealfall entschlüsselt werden können. Wünschenswert wäre – neben der Veröffentlichung der Rückseitenanalysen – die Auflistung der Etiketten, Beschriftungen und Stempel und die damit verbundene Klärung ihrer ursprünglichen Bedeutung, um nachkommenden Provenienzrecherchen leichteres Vorankommen zu ermöglichen. Die drei Bremer Kunsthändler und Kunstsammler Die in der Kunsthalle Bremen zu untersuchenden Gemälde, Skulpturen und Grafiken kamen während und nach dem Zweiten Weltkrieg durch drei Bremer Kunstsammler bzw. Kunsthändler in den Kunstverein. Es handelt sich um die Persönlichkeiten Heinrich Glosemeyer, Hugo Oelze und Arnold Blome. In der Provenienzforschung sind die Profile der Vorbesitzer vielfach dafür ausschlaggebend, ob ein Kunstwerk als verdächtig eingeschätzt wird und ob eine detaillierte Erforschung der Provenienz des
Abstract The role of the restorer in researching provenance New insights from the Kunsthalle Bremen A research project that has been ongoing at Kunsthalle Bremen since 2010 concentrates on establishing the origins of some 500 paintings, drawings and sculptures that were received by the gallery of art thanks to the art dealers and collectors Arnold Blome, Heinrich Glosemeyer and Hugo Oelze. All three collectors from Bremen practised their trade during the era of National Socialism, so that the gallery is intent on fully establishing the origins of the various works and, where appropriate, will return them to their owners. Research centred not only on aspects of art history but also on an analysis of the respective conservation work witnessed.
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besondere papierobjekte: Technik und erhalt
Britta Grigull
Rembrandts Zeichnungen in Berlin Eine Spurensuche auf Papier
Noch nie haben sich Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin so intensiv dem biblischen Susannen-Motiv im Werk Rembrandts und seines Umfelds verschrieben wie derzeit. Dabei ist das Sujet mit einem Blattkonvolut aus Meister- und Schülerhand sowie mit einer bedeutenden Ölmalerei Rembrandts im Bestand beider Häuser gut vertreten. Auf den Spuren der Susanna deckten Restauratoren und Kunsthistoriker jetzt sogar eine Sensation auf, die in einer aktuellen Ausstellung erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird.
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1 Studie eines Greises mit aufgeschlagenem Buch, Rembrandt (1606–1669), 1627/28, schwarze und rote Kreide, Bleiweiß, auf rötlich laviertem Papier, H. 29,6 cm, B. 21,1 cm 2 Figurenstudie für eine Susanna im Bade, Rembrandt (1606– 1669),1646/47, schwarze Kreide, weiß gehöht, H. 20,4 cm, B. 16,4 cm
Abstract
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/ Jörg P. Anders
Rembrandt’s drawings in Berlin Tracing paper tracks Never before have Kupfertstichkabinett and Gemäldegalerie of the state museums in Berlin (SMB Staatliche Museen zu Berlin) showed such dedication to the biblical theme of Susanna in the works of Rembrandt and his entourage as they are doing today. The subject is very much on view at both locations with a great many drawings produced by both master and pupils and an important panel painting of Rembrandt. Whilst searching for clues, the restorers and art historians came upon a sensational finding that is now presented for the very first time in a current exhibition.
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Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/ Jörg P. Anders
besondere papierobjekte: technik und erhalt
„Ich habe leider nur eine Viertelstunde Zeit“, entschuldigt sich Holm Bevers, als er sich zu seinem Kollegen Georg Josef Dietz gesellt. Grund für seinen Zeitdruck sind die Korrekturfahnen für den Katalog der kommenden Rembrandt-Ausstellung. Er muss sie noch diesen Nachmittag freigeben. Trotzdem sitzen der Hauptkustos und der Leiter der Abteilung Konservierung / Restaurierung des Berliner Kupferstichkabinetts (SMB) jetzt scheinbar entspannt zum Gespräch am Tisch. Der Studiensaal ihres Hauses ist leer an diesem Montag. Zum Wochenstart bleibt die Einrichtung geschlossen. Nur der Kunsthistoriker Max J. Friedländer, Namenspatron des Saals, blickt in Bronze gegossen hinter Bevers und Dietz von seinem Sockel. Dienstags bis freitags haben Besucher hier die Möglichkeit, die Schätze des Hauses zu studieren. Als größte grafische Sammlung Deutschlands beherbergt das Kupferstichkabinett ein Universum der Kunst auf Papier. Circa 550.000 druckgrafische Arbeiten und 110.000 Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle und Ölskizzen befinden sich in dem Museum. Außerdem werden hier illuminierte Prachthandschriften, Bücher mit Künstlergrafik, Mappenwerke, Skizzenbücher, topografische Ansichten sowie Druckplatten und -stöcke verwahrt. Bevers und Dietz geht es heute um eine besonders berühmte Figur der Sammlung: Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669). Das Kupferstichkabinett und die Gemäldegalerie (SMB) zeigen bis Ende Mai eine gemeinsame Kabinettausstellung über den niederländischen Künstler und seinen Kreis. Die Schau widmet sich ganz der alttestamentarischen Geschichte von Susanna und den beiden Alten: Als schöne und tugendhafte Frau eines reichen Mannes wird Susanna in ihrem Garten beim Bade von zwei Richtern beobachtet. Durch verleumderische Erpressung versuchen die beiden Alten, Susanna zur Unzucht zu zwingen, doch sie verweigert sich. Entdeckung unbekannter Werkveränderungen Neben einem Hauptwerk von Rembrandt in der Gemäldegalerie, das er 1647 vollendet hat, findet das Thema vor allem in Studienblättern und Zeichnungen Beachtung. Sie stammen vom Meister selbst oder aus seinem Umfeld und belegen eine jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Sujet. „Das Berliner Gemälde war in den meisten Fällen Ausgangs- und Angelpunkt der zeichnerischen Auseinandersetzung mit dem 2/2015
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Bildgegenstand“, sagt Holm Bevers. Dieser Aspekt sei so noch nie behandelt und die Papierarbeiten noch nie zusammen besprochen worden. Die Blätter liefern wichtige Hinweise für die Datierung und das Aussehen der verschiedenen Versionen, die Rembrandt seit etwa 1635 bis zur Werkvollendung gut zwölf Jahre später von seinem Tableau geschaffen und wieder übermalt hat. Durch eine kunsttechnologische Untersuchung der Berliner Tafel sowie durch die intensive medienübergreifende Betrachtung des Susannen-Themas konnten seine drei Gemäldefassungen jetzt zeitlich neu bewertet werden. Eine spektakuläre Fährte legte zudem ein Reproduktionsstich von Richard Earlom (1743–1822) aus dem Jahr 1769. Er dokumentiert die Version des Bildes, die Rembrandt der Nachwelt im 17. Jahrhundert hinterlassen hatte. Da der heutige Zustand
Literatur Bevers 2006 Bevers, Holm: Rembrandt. Die Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett. Kritischer Katalog, Ostfildern 2006. Zur Ausstellung „Rembrandts Berliner Susanna und die beiden Alten. Die Schaffung eines Meisterwerks“ erscheint ein Katalog im E. A. Seemann Verlag, Leipzig.
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