Restauro 03 2010

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Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger

BRANDSCHUTZ IN MUSEEN UND BAUDENKMÄLERN PRODUKTION EINES KÜNSTLICHEN MÖRTELZUSCHLAGS NOTFALLPLANUNG UND KATASTROPHENPRÄVENTION PLASTIK IN DER AKTUELLEN FACHLITERATUR

www.restauro.de

3 April/Mai 2010


INHALT Hilfe für Haiti

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Caravaggio gescannt

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Brandschutzkonzept für die HAAB in Weimar

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Brandschutz in Dresden

Foto: SKD, Christoph Schölzel

Foto/© Arnhold und Müllenberg

Foto/© Jeremy Lock USAF, Wikimedia commons

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Foto/© Alicia Guirao/Factum Arte

RESTAURO AKTUELL 139 142 146 148

Editorial Blickpunkt Internet Forschung

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Nachgefragt Rezensionen Firmen + Produkte

RESTAURO SCHWERPUNKT: BRANDSCHUTZ

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Forschung in Hamburg

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Angela Weyer Brandschutz ist Kulturschutz Zur Konzeption der interdisziplinären Tagung »Brandheiß! Brandschutz in Museen und Baudenkmälern« in Hildesheim, am 22. Januar. 2010

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»Der Löscherfolg hängt im Wesentlichen von der Taktik ab« Peter Hiller über Brandursachen, das Verhalten im Brandfall und Löschmethoden 184

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Mörtelzuschlag »Sable rose«

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Erhard Arnhold Das Brandschutzkonzept für die Sanierung des Stammhauses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar

Christoph Schölzel Feuergefahr und Brandschutz gestern und heute in der Dresdener Gemäldegalerie Friedrich Hülsmann Der Regionale Notfallverbund der Museen, Bibliotheken und Archive in Hannover Maßnahmen zur Katastrophenprävention Almut Siegel, Alke Dohrmann Sicherheit für Museen, Archive und Bibliotheken: ein digitaler Handlungsleitfaden der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen

RESTAURO THEMEN

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Alexandra Jeberien Prinzipien der Notfallplanung und Katastrophenprävention Vorgehen, Inhalte und Gliederung

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Sebastian Barteleit EURANED: Ein europäisches Projekt in Notfallvorsorge und Notfallmanagement

RESTAURO RUBRIKEN 199 200

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Abstracts Autoren

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Termine Impressum

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INHALT Entwicklung einer Notfallrutsche

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Prinzipien der Katastrophenprävention

Foto/© Chmee2, Wikimedia Commons

Foto/© Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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Titelbild Brandlöschübungen auf der Tagung »Brandheiß! Brandschutz in Museen und Baudenkmälern« in Hildesheim Foto: P. Brozio

Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger 116. Jahrgang

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Für die Zukunft gestalten.

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FORSCHUNG 1

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»Le Sable rose«

projekt widmet sich darum das Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Geotechnischen Kommission, aufbauend auf bestehenden Lagerstätteninventaren, der Erstellung einer Sammlung und Charakterisierung der erfassbaren und bis in die Gegenwart genutzten Sand- und Kiesvorkommen der Schweiz. In Anlehnung an schottische und englische Referenzwerke1 bilden Sammlung und Katalog die Grundlage eines Leitfadens für die Restaurierung von historischen Mörteln, Putzen und Betonen, der im ersten Halbjahr 2010 erscheinen soll. Die Recherche nach lokalen Zuschlagsstoffen brachte einen Spezialfall zutage, »Le Sable rose« aus dem Pays d’Enhaut im Kanton Waadt. Es handelt sich hierbei nicht um einen natürlichen Sand, sondern um einen von den Bauern aus den vor Ort verfügbaren natürlichen Ressourcen künstlich erzeugten Zuschlagsstoff. Das Wissen um die Herstellung desselben wurde über Generationen hinweg nur mündlich überliefert und erstmals von Jaqueline Veuve in ihrem im Jahr 2006 auf DVD erschienenen Film2 dokumentiert.

Produktion eines künstlichen Mörtelzuschlags in den Bergen des »Pays d’Enhaut« (Kanton Waadt, Schweiz) Einleitung Bei der Erhaltung von historischen Putzen und Mörteln gewinnen die Erkennung sowie die Verwendung authentischer Materialien zunehmend an Bedeutung. Für eine gelungene Restaurierung oder Reparatur ist die Nachstellung originaler Rezepturen in Folge der Bestimmung der Bindemittelart und des Bindemittel-Zuschlag-Verhältnisses, vor allem aber durch die richtige Wahl der möglichst mit dem historischen Bestand übereinstimmenden Zuschlagsstoffe ausschlaggebend. Bis in die jüngste Vergangenheit wurden nicht nur in der Schweiz durchwegs regional gewonnene Zuschläge für die Mörtelproduktion verwendet, die dem Putz die lokaltypischen Eigenschaften, beispielsweise Farbe und Körnung, verliehen. Aufgrund weitläufiger Handelsbeziehungen sind lokale Zuschlagsstoffe heute jedoch nur schwer und wenn, dann nicht immer in den für eine Reparatur meist ausreichenden kleinen Mengen zu beziehen. Deshalb gehen die ortsspezifischen charaktervollen Eigenheiten von verputzten Architekturoberflächen verloren und mit ihnen das Handwerkerwissen um die Herstellung historischer Verputzmörtel. In einem Forschungs-

1 Rosafarbener Putz. 2+3 Aufschichten des Meilers und Brand. 4 Brennprodukt »Sable rose«. 5 Vergleich zwischen Original und Restaurierung. 4

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»Le Sable rose« aus dem Pays d’Enhaut, Kanton Waadt, Schweiz In den Berggebieten des Pays d’Enhaut gibt es keine lokalen natürlichen Zuschlagstoffe für die Mörtelherstellung. Da auch ihr Transport in diese Höhen zu aufwendig ist, wurden in nachbar5

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FORSCHUNG

Herstellung und Verarbeitung des »Sable rose« Das Ausgangsmaterial des künstlichen Zuschlagstoffes bildet das Erdreich in direkter Umgebung des Hauses oberhalb von Rossinière. Die auf dem Hangschutt der Klippendecken gewachsenen tonmineralreichen Böden der Gegend bestehen überwiegend aus den Mineralen Quarz, Calcit, Illit, Montmorillonit und Chlorit. Die humosen Bestandteile der Böden verbrennen beim Brand. Mittels eines speziellen Spatens mit messerscharfer Schnittkante werden in einer Größe von etwa 40 x 20 x 15 cm Grassoden ausgestochen. Der Aufbau des kegelförmigen »Scheiterhaufens« erfolgt mit einem frisch geschlagenen, deswegen schwieriger brennenden Tannenstamm als Mittelpfeiler und vertikal angeordneten abgelagerten, also trockenen Tannenholzscheiten. Der Hohlraum im Kegelinneren wird mit Holzspänen gefüllt. Die vorbereiteten Grasmotten werden sorgfältig ringförmig um die Holzscheite aufgemauert, unter Freilassung einer schmalen Kaminöffnung. Nach vollendetem Aufbau werden Zwickel und Zwischenräume mit Erdmaterial ausgestopft und verdichtet. Zusammenhalt und Standfestigkeit des Meilers werden mit Holzlatten und Drahtschlingen gesichert. Schließlich wird der Meiler in Brand gesetzt und das Feuerungsloch verschlossen. Die Grassoden werden so bei überwiegend reduzierenden Bedingungen ca. 48 Stunden lang gebrannt. Eine Oxidation setzt erst gegen Ende des Brennvorganges bei der Abkühlung ein. Ausgekühlt wird der »Sable rose« in feine Körnungen gebrochen und gesiebt, um schließlich als Mörtelzuschlag verarbeitet zu werden. Je nach den Ausmaßen des aufge-

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schichteten Holzhaufens liegt die Produktionsmenge eines Durchganges zwischen 1/4 und 1 m3. Ein beachtlicher Temperaturgradient von geschätzten 500–1 000 °C im Kegel führt dazu, dass die Grassoden je nach Lage im Meiler unterschiedlich stark gebrannt werden, was wiederum die heterogenen Eigenschaften des keramischen Brennproduktes bedingt. Der Farbton des »Sable rose« variiert in Abhängigkeit von der erreichten Temperatur und der erfolgten Reoxidation von braun bis ziegelrot. Da im brennenden Holzkegel Temperaturwerte bis 1 000 °C erreicht werden, ist zumindest teilweise von Struktur- und Phasenumwandlungen infolge der Dehydratation- und Dehydroxilierung der Tonminerale3 und damit von puzzolanischen Eigenschaften des künstlichen Zuschlages auszugehen. Dieser ist leicht, porös und bröselig und lässt sich mithilfe eines Hammers einfach auf die für die Mörtelverarbeitung geeignete Korngröße bringen (Abb. 2–4). Für die Renovierung der Fassade des genannten Berghofes bei Rossinière wurde der »Sable rose« im Verhältnis 2:1 mit Löschkalk vermengt. Die Oberflächenstruktur und Farbigkeit des neuen Verputzes wurde nach dem Abbinden des Kalkmörtels durch Abbürsten an diejenige des Originals angeglichen (Abb. 5). Resümee Der »Sable rose« ist als künstlicher Mörtelzuschlag in verschiedener Hinsicht besonders und einzigartig. Er verleiht dem Mörtel einerseits die wunderbare rosa Farbe, andererseits besitzt er nicht nur eine rein magernde Wirkung im Sinne eines inerten Zuschlages, sondern wahrscheinlich zumindest teilweise dem Ziegelsplitt vergleichbare puzzolanische Eigenschaften. Diese These möchten wir noch mittels mineralogischer und naturwissenschaftlicher Untersuchungen anhand der Phasenanalyse des nachgestellten Brandgutes, des historischen Verputzes und des einjährigen Restaurierungsmörtels belegen. Andere vergleichbare Beispiele aus den Alpenländern sind uns bisher nicht bekannt; diesbezügliche Hinweise nehmen wir gerne entgegen. Sophie Wolf, Petra Dariz Anmerkungen 1

Historic Scottland (Hrsg.): Scottish Aggregates for Building

Conservation. A guide to the availability and suitability of ag-

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gregates for use in mortars to match those used in historic buildings in Scotland. Edinburgh 1999. The English Heritage (Hrsg.): The English Heritage directory of building sands and aggregates – A source book of aggregate types and suppliers in England. Shaftesbury 2000 2

Veuve, Jaqueline: Les Métiers du Bois. 2006 (beispiels-

weise über www.artfilm.ch zu beziehen). 3

Sabir, S. S.; Wild, S.; Bai, J.: Metakaolin and calcined clays

as pozzolans for concrete: a review. In: Cement and Concrete Composites 23/2001. S. 441–454.

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schaftlicher Zusammenarbeit bis ins frühe 20. Jahrhundert Mörtelzuschläge aus gebrannten Grasmotten vor Ort produziert. Im Rahmen der von Roger Simond, einem Mörtelspezialisten aus Tannay, begleiteten Restaurierung der Außenfassade eines Berghofes bei Rossinière wurde der traditionelle Herstellungsprozess kürzlich wiederholt und fotografisch festgehalten. Beim renovierten Objekt handelt es sich um ein Gehöft in Halbhöhenlage (etwa 1 400 m) mit der für den Landstrich typischen rosafarbenen Putzfassade aus dem späten 19. Jahrhundert (Abb. 1). Das Gebäude wurde bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bewirtschaftet, stand dann bis zum Kauf des Anwesens im Jahr 2007 leer. Vor zwei Jahren wurde mit der Restaurierung der Fassaden und des Holzziegeldaches sowie mit dem Innenausbau der Stallungen und des Wohngebäudes begonnen. Ziel der hier beschriebenen Nachstellung des »Sable rose« war es, die ergänzten Putzoberflächen durch Verwendung des authentischen Zuschlagstoffes materiell und optisch an die originalen Außenfassaden anzupassen.

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Brandheiß! Brandschutz in Museen und Baudenkmälern. Beiträge des interdisziplinären Fachkolloquiums des Hornemann Instituts und der Fakultät Erhaltung von Kulturgut am 22. Januar 2010 in Hildesheim


BRANDSCHUTZ Angela Weyer

Brandschutz ist Kulturschutz Zur Konzeption der interdisziplinären Tagung »Brandheiß! Brandschutz in Museen und Baudenkmälern« in Hildesheim, am 22. Januar. 2010

Der große Themenkomplex des risk management nimmt einen immer größeren Stellenwert in den Bemühungen um Kulturgutschutz ein und führt zu lebhaften Debatten über Grundsatzfragen und über Entwicklung und Umsetzung neuer Methoden und Techniken. Es ist unverzichtbar, diese aktuellen Entwicklungen in die Hochschulausbildung in der Restaurierung einzubinden,1 da viele der Absolventinnen und Absolventen später in der Lage sein müssen, innovativ auf die neuen Herausforderungen einzugehen und sich im interdisziplinären Team einzubringen. Auch mischt die Fakultät Erhaltung von Kulturgut der Hildesheimer Fachhochschule gerne Lehre mit Weiterbildung, denn auch dies ist eine Möglichkeit, das Lehrangebot zu verbreitern, neue Forschungsergebnisse zu integrieren und im engen Kontakt mit der beruflichen Praxis zu bleiben: »Es bringt unsere Studierenden in den persönlichen wissenschaftlichen Dialog mit Kollegen aus der Praxis und mit Experten, die sie nur aus der Literatur kennen«, so der Präsident der HAWK, Prof. Dr. Martin Thren bei seiner Eröffnungsansprache. Da das Thema Brandschutz bei den vielen Veranstaltungen zu Notfallplanungen oft nur am Rande vorkommt, aber für alle Fachleute in der Kulturguterhaltung sehr wichtig ist, hat sich das Hornemann Institut das Thema für eine interdisziplinäre Tagung ausgewählt, die am 22. Januar 2010 in Hildesheim stattfand. Denn obwohl Brandschutz Kulturgutschutz par excellence ist, kommt es immer wieder zu Bränden, die unwiederbringliche Schäden mit sich bringen: Zu erinnern sei hier außer an den Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar 2004 noch an die Brände im Linzer Ursulinenhof (Juni 2009), in Schloss Arenberg in Salzburg (April 2009), an den sog. Saatchi-Brand in einem Londoner Kunstlager (Mai 2004), an die Brände im Depot des Eisenbahnmuseums Nürnberg 2004, in der Klosteranlage Berg Athos 2004, in den Sofiensälen in Wien 2001, an den Brand des Opernhauses La Fenice in Venedig 1996, an das Feuer im Kunstmuseum Düsseldorf 1993 oder in der Wiener Hofburg im November 1992. Viele Schäden hätte man auch relativ einfach verhindern können. So ist manchenorts die Elektrik nicht mehr zeitgemäß oder wird nicht gewartet, leicht entzündbare Materialien liegen unbeaufsichtigt herum oder sind falsch gelagert, Fluchtwege sind verstellt oder der Brandschutz ist nicht mehr zeitgemäß. Aber das Thema ist »am kommen«, was u. a. zwei kleine Tagungen in Villingen-Schwenningen (Baden-

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Württemberg) im Okt. 20082 und in Budapest im April 20093 zeigen. Konzeption der Tagung Wir hatten uns für unsere Veranstaltung mehrere Ziele gesetzt: – Wir wollten alle ohne größere Vorkenntnisse an das Thema heranführen und auch zeigen, dass die Beschäftigung mit Brandschutz nicht nur notwendiges Übel ist, sondern auch spannend sein kann. – Bereits Involvierte sollten durch die Beschäftigung mit kreativen Problemlösungen eine Vertiefung Ihrer Kenntnisse bekommen. – Und zudem wollten wir ein Forum schaffen, bei dem sich die über 200 Teilnehmer der verschiedenen Berufsgruppen, darunter Mitarbeiter von Feuerwehren, praktische Brandschützer und -techniker, Vertreter der städtischen, staatlichen und kirchlichen Denkmalpflege, aus Museen und Museumsämtern, aus Archiven und Bibliotheken, Mitarbeiter von Hochschulen, Verwaltungen und Versicherungen und viele freiberuflich Tätige auch begegnen und ihre Erfahrungen untereinander austauschen. Nun könnte man ein Tagungsthema mit dieser Zielsetzung sehr unterschiedlich angehen, kleinere, intensive Seminare mit einem oder zwei Sachverständigen4 oder eben größere Veranstaltungen aus-

1 (Linke Heftseite) Brennende evangelische Kirche in Bistrita, Rumänien, 2008. 2 Tagungsplakat.

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BRANDSCHUTZ

Foto/© P. Brozio

Foto/© P. Brozio

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Foto/© P. Brozio

6 Praktische Löschübungen sollten 10 den Tagungsteilnehmern verdeutlichen, wie man sich in bestimmten Brandsituationen zu verhalten hat, wie z. B. bei einem Personenbrand. 7 Im Idealfall löscht man einen Personenbrand mit einer Löschdecke. 8 Die brennende Person sollte ganz mit der Löschdecke eingehüllt werden. Nur das Gesicht muss frei bleiben, um zu verhindern, dass die Person in Panik gerät. 9 Danach sollte sich die Person auf dem Boden wälzen, um das Feuer zu ersticken. 10 Die Grafik zeigt das richtige Verhalten in den verschiedenen Brandsituationen. 11 Eine Übersicht der verschiedenen Brandklassen und die geeigneten Löschmittel.

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Foto/© P. Brozio

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Wie verhalte ich mich, wenn eine Person Feuer gefangen hat? Welche Feuerlöscher kann man einsetzen, um das Feuer zu löschen? Ideal wäre eine Löschdecke, mit der man eine ganze Person einhüllen kann. Wenn ein Löscher vorhanden ist, kann man auch diesen verwenden, um die Person löschen. Das ist kein Problem, denn die Löschmittel (Pulver oder Schaum) sind ungiftig und unschädlich für Personen. Aber meistens passiert es an Stellen, an denen es keinen Löscher oder keine Feuerdecke gibt. In diesem Fall rate ich Kleidungsstücke zu nehmen, die man da gerade trägt, also Mäntel, Jacken etc. Im Notfall auch von Kollegen oder auch Nachbarn ausleihen. Die brennende Person sollte man auf alle Fälle soweit wie möglich damit einhüllen. Nur das Gesicht muss frei bleiben, um zu vermeiden, dass sie noch mehr Panik bekommt. Die Person sollte sich mit dieser Umhüllung, welcher Art auch immer, auf dem Boden wälzen, um das Feuer zu ersticken (Abb. 6–9). Wie gefährlich sind CO2-Löscher für den Menschen? CO2-Löscher sind in kleinen und engen Räumen unter Umständen gefährlich für Menschen und sollten bei Personenbränden nicht eingesetzt werden: Dem Feuer wird der Sauerstoff entzogen, indem er durch ein nicht brennbares Gas ersetzt wird, wodurch für Personen Erstickungsgefahr besteht. Zudem ist CO2 mit einer Temperatur von -72°C Grad extrem kalt, was zu Kältverbrennungen führen kann. Wie verhält man sich am besten, wenn kein Feuerlöscher in greifbarer Nähe ist? In diesem Fall gilt es, Türen und Fenster zu verschließen, um das Feuer zu begrenzen. Danach die Feuerwehr verständigen, andere Personen warnen, diese und sich in Sicherheit bringen. Interview: Alexandra Michelmann

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BRANDSCHUTZ Erhard Arnhold

Das Brandschutzkonzept für die Sanierung des Stammhauses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar

Die Ausgangssituation Das Gebäude Am Platz der Demokratie, inmitten der Stadt Weimar ist die Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) gelegen (Abb. 1). Die Bibliothek hat ihren Hauptsitz im »Grünen Schlösschen«, das Herzog Johann Wilhelm 1562 bis 1565 als fürstliches Wohngebäude inmitten einer Gartenanlage errichten ließ und das später als Zeughaus diente. Architekt war der Renaissancebaumeister Nicol Gromann. 1761 bis 1766 wurde der kleine Palast unter Herzogin Anna Amalia zum Bibliotheksgebäude umgestaltet und im Inneren und Äußeren dem Geschmack des 18. Jahrhunderts angepasst. Auf Anregung Goethes entstand 1803 bis 1805 ein Verbindungsbau zwischen der Bibliothek und dem alten Stadtturm aus dem Jahr 1453. Der Turm selbst wurde 1821 bis 1825 in ein Büchermagazin umgewandelt und um einen neugotischen Vorbau ergänzt. Im Inneren des Turms wurde eine aus der Weidaer Osterburg stammende alte Wendeltreppe eingebaut, deren Spindel aus einem einzigen Eichenstamm gearbeitet ist. 1849 waren die letzten Bauarbeiten am historischen Bibliotheksgebäude, nämlich die Erweiterung um zwei Fensterachsen nach Norden, abgeschlossen. So erhielt das Haus an Goethes 100. Geburtstag, der in der Bibliothek gefeiert wurde, sein heutiges Aussehen. Der im ersten Stockwerk eingerichtete Rokokosaal (Abb. 2) bildete das Glanzstück des neu gestalteten Baus. In dem 21 x 11 Meter großen Raum des ersten Stockwerks hatte der Thüringer Landbaumeister August Friedrich Straßburger einen hohen ovalen Bibliothekssaal mit zwei Galerien eingefügt. Das Oval wird durch zwölf Pilaster gebildet, deren Zwischenräume teils mit Büchergestellen gefüllt, teils für Durchgänge und Lichteinfall freigehalten sind. Um die Pilaster herum führt ein Gang, der den Zugriff auf die Bücher in den Regalen an der Binnenseite und zur Außenwand des Gebäudes möglich macht. Auf der ersten Galerie sind die

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hinter einer Wandverkleidung im Dachgeschoss geschmort hatte. Der Diplom-Ingenieur Erhard Arnhold, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Arnhold in Weimar, beschreibt nachfolgend das Brandschutzkonzept, das sein Büro für die Sanierung des historischen Bibliotheksgebäudes entwickelte.

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Foto: Fotothek, © Klassik Stiftung Weimar

Am Abend des 2. September 2004 ist im Historischen Gebäude (Grünes Schloss) der Herzogin Anna Amalia Bibliothek ein verheerendes Feuer ausgebrochen, das sich zum größten Bibliotheksbrand in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg ausweitete. Auslöser des Brandes war vermutlich eine defekte Elektrokabelverbindung, die längere Zeit

Zwischenräume zwischen den tragenden Pfeilern mit Bücherregalen gefüllt und nur in den Fensterachsen unterbrochen. Um auch auf der zweiten Galerie möglichst viel Stellfläche zu gewinnen, ist der Deckenausschnitt des obersten Geschosses klein gehalten. Durch die zweckmäßige Raumgliederung können auf den drei Geschossebenen des Rokokosaals und den angrenzenden Nebenräumen etwa 100 000 Bücher aufgestellt werden. Anders als etwa in den süddeutschen Klosterbibliotheken wurde auf die Verwendung wertvollen Materials für die Ausstattung verzichtet. Die HAAB verfügte zum Zeitpunkt des Brandes über eine automatische Brandmeldeanlage mit Rauchmeldern, flächendeckend, die über einen Hauptmelder direkt mit der Leitstelle der Feuerwehr verbunden war. Die Anlage war funktionstüchtig und hatte bei Bauarbeiten zur Vorbereitung der Sanierung erst wenige Tage zuvor einen »Fehlalarm« ausgelöst.

1 Ansicht der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar, Nordseite.

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THEMEN Alexandra Jeberien

Prinzipien der Notfallplanung und Katastrophenprävention Vorgehen, Inhalte und Gliederung

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Die Notwendigkeit, sich auch im Kulturgüterschutz präventiv der Katastrophenprävention zu widmen, wird bereits seit vielen Jahren und von unterschiedlichen Einrichtungen erkannt und umgesetzt. Andererseits wirkt das Personal vieler Einrichtungen oftmals überfordert mit der zunächst unüberschaubaren Aufgabe, ein Planungskonzept zu erstellen. Dass Notfallpläne auch mit geringen Mitteln und einem kleinen Personalstamm zu realisieren sind, zeigen diverse Projekte des Studienganges Konservierung und Restaurierung / Grabungstechnik der HTW Berlin. Eine Zusammenfassung der Erfahrungen aus diesen Projekten und die Prinzipien, die einem solchen Planungsprozess zugrunde liegen, sind im folgenden Beitrag verkürzt dargestellt.

Die Diplom-Restauratorin (FH) Alexandra Jeberien MA absolvierte den Studiengang Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik an der HTW Berlin sowie das postgraduale Masterstudium Schutz Europäischer Kulturgüter an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Sie war sowohl als Restauratorin in der Bodendenkmalpflege, mit der freien Arbeitsgemeinschaft 2care im Ausstellungsmonitoring und als Forschungsassistentin für Präventive Konservierung tätig. Aktuell schließt Frau Jeberien ihr Dissertationsvorhaben an der EUV Frankfurt (Oder) ab und arbeitet als Lehrbeauftragte Präventive Konservierung für die HTW Berlin und als freie Dozentin für andere Bildungsträger. Die Notfallplanung und Katastrophenprävention stellt hierbei einen ihrer Schwerpunkte dar.

Nicht erst seit den katastrophalen Zwischenfällen der vergangenen Jahre gewinnt die Notfallplanung und Katastrophenprävention auch im Kulturgüterschutz zunehmend an Bedeutung. Gerade vor den Erfahrungen zurückliegender Weltkriege und mit einer umfassenderen gesetzlichen Verankerung des Kulturgutschutzes ab den 1970er-Jahren wurden grundlegende Strategien zur Sicherheit der Museen, Bibliotheken und Archiven erarbeitet. Jedoch muss nach wie vor ganz deutlich zwischen der Rettung von Personen (Mitarbeiter, Besucher) und der des Sammlungsgutes unterschieden werden. Erstere stellt einen Standard zum Betrieb öffentlicher Einrichtungen dar. Hingegen ist die Bergung von Sammlungsgut, in einem Katastrophenfall wie der Elbeflut von 2002, bisher nicht durch gesetzliche Grundlagen garantiert (Abb. 1 + 2). Vielmehr muss diese von den betroffenen Museen, Bibliotheken und Archiven eigenverantwortlich vorbereitet und im Ernstfall unterstützend mit organisiert werden, da ein »verbriefter« Anspruch auf Hilfeleistungen während großflächiger Naturkatastrophen oder bei sonstiger Gefährdung nicht besteht. Dieser Umstand fußt u. a. auf dem Grundsatz, dass Menschenleben prioritär vor Sachgütern zu retten sind. Doch sobald das Personal und die Besucher in Sicherheit gebracht wurden, sollte das Sammlungsgut in den Depots und die Exponate der Ausstellungen umgehend in den Fokus der Rettungsmaßnahmen rücken. Je nach Charakter der Notsituation müssen hierbei einzelne Bereiche ei-

ner Einrichtung gesichert oder ganze Gebäudekomplexe evakuiert und umgelagert werden. Da sowohl die Szenarien (Feuer, Wassereinbruch, Sturmschäden) als auch die Zeitfenster (zehn Minuten bis zehn Tage) ganz unterschiedlich ausfallen können, besteht für jede Einrichtung die Aufgabe, wenn nicht sogar Verpflichtung, sich präventiv mit ihren Gefahrenpotenzialen auseinanderzusetzen und auf spezifische Situationen abgestimmte Handlungsstratgien – sogenannte Notfall- und Bergungspläne – zu entwickeln. Diese auf Sammlungsgut abgestimmten Pläne sollen im Weiteren im Zentrum des Beitrages stehen. Was ist der Sinn eines Notfall- und Bergungsplanes? Abhängig von der geografischen Lage, der infrastrukturellen Einbindung, den baulichen Gegebenheiten, der technischen Ausstattung sowie der Nutzung einer Einrichtung muss jede Institution mit ganz unterschiedlichen Gefahrenpotenzialen und Gefährdungssituationen rechnen und die Notfallplanung gezielt auf diese ausrichten. Doch sollen einige allgemeine Begründungen skizziert werden, die die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Notfallprävention unterstreichen: Grund I: Prognosen zur Klimaverschiebung Ein erster Grund, den Katastrophenschutz auch in kulturellen Einrichtungen umzusetzen, ergibt sich aus der sich wandelnden Klimasituation. Diese weist schon heute starke Verschiebungen auf und wird

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THEMEN 1

Grund II: Technische Zwischenfälle Des Weiteren unterstreichen die zurückliegenden Ereignisse, insbesondere der letzten zehn Jahre, die Bedeutung der Katastrophenprävention. Trotz technischer Innovationen und einer verbesserten Sicherheitsausstattung kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, die sich bei mangelhafter Vorbereitung schnell zu einer Großkatastrophe für das Sammlungsgut entwickeln. Dieser »Trend« wird ebenfalls durch statistische Erhebungen belegt. So konnte eine an den großen Nationalbibliotheken durchgeführte Umfrage der IFLA2 zum Auftreten, zum Charakter und zur Ursache von Notfällen aufzeigen, dass zu den häufigsten Notsituationen der Einrichtungen die Großfeuer oder der Wassereintrag zählen. Interessant hieran: die Brände werden laut Teilnehmeraussage meist durch menschlichen Einfluss (Brandstiftung) verursacht. Erst an zweiter Stelle folgen unbeabsichtigte technische Ursachen (Funkensprung etc.). Grund III: Berufsethos Letztlich sollte unser aller Berufsethos – die Selbstverpflichtung zum Schutz und zur Erhaltung des uns anvertrauten Kultur- und Sammlungsgutes – hinreichender Anreiz zur Katastrophenprävention sein. In den Guidelines und Codices der nationalen und internationalen Arbeitsverbände lassen sich diverse Passagen finden, welche die Notfallplanung ganz präzise den in den Museen, Bibliotheken und Archiven beschäftigten Personen überantwortet.3 Diese drei Begründungen führen zum eigentlichen Sinn der Notfallplanung. Die Katastrophenprävention macht es den Kultureinrichtungen möglich, trotz immerwährender Zwischenfälle und unverhinderlicher (Natur-)Katastrophen handlungsfähig zu bleiben. Natürlich ist ein Großbrand in einer Bibliothek nicht ad hoc zu bewältigen. Auch werden Evakuierungskonzepte die aus einem solchen Ereignis resultierenden Schäden am Kulturgut nicht notwendigerweise vermindern. Jedoch können Kultureinrichtungen Vorsorge treffen, dass ganz übliche Begleitumstände einer Notsituation wie Angst und Panik, die zu Handlungsunfähigkeit oder Ratlosigkeit führen, nicht überwiegen. Letztlich wird ein gut ausgearbeiteter Notfallplan bei der Bewältigung von emotionalem Chaos, Ratlosigkeit und Unübersichtlichkeit unterstützend wirken.

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Foto/© Chmee2, Wikimedia Commons

laut Prognosen führender Forschungseinrichtungen, wie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, einen weltweiten Anstieg gravierender Unwetter zur Folge haben. Diese Aussagen werden durch Statistiken der Versicherungsunternehmen gestützt. So sammelt beispielsweise die Münchener Rück seit den 1950er-Jahren Daten über das Ausmaß von Naturkatastrophen und lässt diese in unterschiedliche Maßnahmentools1 einfließen.

Erste Schritte der Notfallplanung – Sensibilisierung, Teambildung und Risikoerhebung Initial sollte bei der Katastrophenprävention der Schwerpunkt der Aktivitäten darin bestehen, das Personal der Einrichtung von der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Notfallplanung zu überzeugen. Hierbei können die vorab genannten Gründe hilfreiche Unterstützung bieten. Unabdingbar ist, dass die Leitungsebene die Erstellung eines Planungskonzeptes mit trägt. Bei der Teambildung empfiehlt es sich, möglichst Mitarbeiter aller Ebenen der Institution zu integrieren. Diese Vorgehensweise trägt zur präzisen Ausarbeitung der Planungen bei (niemand kennt das Gebäude so gut wie der Facilitymanager) und fördert die breite Identifikation mit dem Notfallplan als von den Beschäftigten gemeinsam erstelltes Gesamtwerk. Die Teamarbeit ist durch eine mit entsprechender Entscheidungsbefugnis ausgestattete Projektleitung zu koordinieren. Diese ist während der Planungsphase direkt der Leitung der Einrichtung unterstellt. Später kann der Projektleiter – muss jedoch nicht – auch das Amt des Notfallkoordinators ausüben. Zentral ist, dass diese Funktion von einer Person übernommen wird, die ein Organisationstalent und die Anerkennung der Mitarbeiter besitzt und auch in Stresssituationen belastbar bleibt.

1 Überflutete gotische Brücke in Pisek (Tschechische Republik) während des Hochwassers im Jahr 2002.

Sobald die Planungsgruppe arbeitsfähig ist, wird die Kultureinrichtung systematisch auf Gefahrenpotenziale hin überprüft. Hierbei sollte zwischen den äußeren Gefährdungen und den innerbetrieblichen Risiken unterschieden werden: – Externe Gefährdungen leiten sich in der Regel aus der geografischen und infrastrukturellen Lage der Einrichtung ab und müssen vor dem Hintergrund sich verändernder Umweltbedingungen und den hieraus (neu) erwachsenden Gefährdungspotenzialen, wie Stürmen oder Überflutungen, unbedingt in die Planungen einfliessen.4 – Die inneren Gefahrenpotenziale können bereits mit einem einfachen Checklistensystem eruiert werden. Insbesondere die aus technischen und baulichen Mängeln resultierenden Gefährdungen, wie eine veraltete Elektrik oder

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