Restauro 03 2011

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Forum f端r Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger

RAUMKLIMA IM MUSEUM IM FOKUS: DEPOT UND UMZUG NACHHALTIGE SANIERUNG VON MUSEUMSBAUTEN SAMMLUNGSMANAGEMENTSYSTEME BESTANDSSCHUTZ DURCH DIGITALISIERUNG

www.restauro.de

3 April/Mai 2011


INHALT

Biozide erkennen

RESTAURO AKTUELL 3

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Foto: Helene Tello

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Editorial Blickpunkt Dekontamination von Musikinstrumenten Farbrichtige Wiedergabe von Malerei Erfassung antiker Skulptur Zukunft von Bamiyan Verfahren gegen Rost MEMORI – neues EU-Projekt Dresden: Altan rekonstruiert Angst über den Verbleib nordafrikanischer Artefakte Festigungsmittel für Steinoberflächen

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Joachim Huber Nachhaltige Depotplanung Die Verantwortung des Nutzers

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Daniela Kötter Die Kunst des Planens Sammlungsumzüge effizient vorbereiten

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Technik und Software Regelwerk MIDAS-KuR Integriertes Museumsmanagementsystem (IMS)

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Rezensionen und Lesezeichen

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Firmen und Produkte

Depot und Umzug

Interview mit Hermann Arnhold und Ingrid Scheele Eine kreative Lösung Der Depotturm des LWL-Landesmuseums in Münster

Archivalien digitalisieren

RESTAURO THEMEN

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Foto: Isabella Haag

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Markus Leuthard Eine Vision wird Realität Planung und Realisierung des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums in Affoltern am Albis

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Fünf Stockwerke für die Kunst Neues Verfahren in der Papierrestaurierung Die Büchse der Pandora – Ein Workshop über Biozide

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RESTAURO IM FOKUS

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Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

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Volker Huckemann und Lars Klemm Nachhaltige Sanierung von Museumsbauten Vorstellung des Verbundvorhabens Heiko Werdin Zum Raumklima in Museum Die Bedeutung bauphysikalischer Voruntersuchungen und messtechnischer Nachweis im Albertinum Dresden Christoph Müller und Anna Weymann Bestandsschutz durch Digitalisierung Herausforderungen und Möglichkeiten

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INHALT

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Umzüge richtig planen und durchführen

RESTAURO RUBRIKEN 63 64 66 66

Autoren Termine Stellenanzeigen Impressum

Titelbild Das Konservierungsatelier für Gemälde und Skulpturen in der Dämmerung. © Schweizerisches Nationalmuseum, Foto: Reinhard Zimmermann

Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

BESONDERE PIGMENTE FÜR BESONDERE KUNSTWERKE WWW.KREMER- PIGMENTE.DE

Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger 117. Jahrgang

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Für die Zukunft gestalten.

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SOFTWARE Optimierung von Arbeitsprozessen im Museum Das Integrierte Museumsmanagementsystem (IMS)

von Dietmar Preißler

Informationen zu Sammlungsobjekten umfassend, arbeitsablauforientiert und nachhaltig aufzubereiten, ist ein wichtiges Anliegen in Museen. Das Haus der Geschichte entwickelte hierfür ein eigenes Museumsmanagementsystem. Das System unterstützt standardisierte, komplexe Arbeitsprozesse wie den Objekteingang, die Dokumentation der Objekte, das Exponatmanagement für Ausstellungen, die fotografische Erfassung sowie die nutzerausgerichtete Recherche.

Entstehungsgeschichte Zu Beginn der 1990er-Jahre realisierte die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in einer ersten Version ein Integriertes Museumsmanagementsystem (IMS). Dieses ist seitdem im Einsatz (Abb. 1). Das IMS ist aus Anwendersicht heraus speziell für ein modernes historisches Museum entwickelt worden und erfüllt damit die Anforderungen der unterschiedlichen Nutzer.

Tabelle 1 Die Verwaltung der Objekte erfolgt innerhalb eines standardisierten Arbeitsablaufs. Tab. 1

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Zielsetzung Das inhaltliche Konzept basiert auf zwei Vorüberlegungen. Sinnvoll ist der Einsatz eines modernen Museumsmanagementsystems vor allem dort, wo standardisierte Arbeitsprozesse im Museum unterstützt und gesteuert werden – und wo alle Informationen zu einer Einheit, dem Museumsobjekt, aufgebaut werden. Vor dem Hintergrund dieser betriebswirtschaftlichen und dokumentarischen Grundannahmen wurden vor allem drei Arbeitsprozesse herausgearbeitet und analy-

siert, die die Entwicklung und den Einsatz einer komplexen Datenbank rechtfertigen: a. Workflow »Objekteingang und -bearbeitung« b. Nutzerorientiertes Retrieval (Informationsabfrage) c. Objektmanagement für Ausstellungen Entlang dieser drei zentralen Arbeitsprozesse im Museum wurde das IMS konzipiert. Im Folgenden werden die Module, die zur Steuerung und Optimierung dieser drei Prozesse dienen, kurz vorgestellt, um die Funktionalität und Effizienz des IMS zu verdeutlichen. IMS-unterstützte Arbeitsprozesse a. Workflow »Objekteingang und -bearbeitung« Tabelle 1 stellt den standardisierten Arbeitsablauf bei der Verwaltung der Objekte dar. So erfolgt die Objekterfassung beispielsweise durch den Dokumentar, der dafür drei IMS-Module verwendet, und die Erstellung von Zustandsprotokoll und Restaurierungsbericht durch den Restaurator. Die Bearbeitungsmaske bildet auf den Bildschirmen mit ihren »Reitern« und den dahinterliegenden Masken die Arbeitsprozesse von der Dokumentation des Objekts bis hin zu seiner Einlagerung im Depot ab (Abb. 2). Durch diesen Modulaufbau wird gewährleistet, dass jeder Arbeitsbereich seine jeweilige besondere Sichtweise auf das Objekt erhält, dass Eingaben in genau definierte Felder aus spezifischer Fachsicht erfolgen und dass redundante Eingaben verhindert werden. Insgesamt stehen für die Beschreibung des Objekts etwa 200 genau definierte Felder zur Verfügung. Diese dienen dazu, das Objekt umfassend zu dokumentieren. Hierzu zählen vor allem historische Kontextdaten, formale und visuelle Beschreibung, Herkunft und Adressdaten, Zustand, Restaurierungsgeschichte, Materialität, technische Angaben, Ausstellungshistorie, ausstellungsrelevante Informationen, rechtliche Daten, Bewertung, Objektbewegung etc. Die Felder sind nach Inhalt, Schreibkonventionen, technischem Format, aktiver und passiver Zugriffsfähigkeit sowie dem Prinzip von Informationssender und -empfänger definiert. Die Felddefinitionen gewähren die Kompatibilität zu standardisierten Metadaten wie

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SOFTWARE 1

1 Mitarbeiter bei der Pflege der Datenbank.

beispielsweise LIDO (Lightweight Information Describing Objects),sodass diese Daten in Crossover-Datenbanken wie z. B. »Europeana« oder »Deutsche Digitale Bibliothek« integrierbar sind. Unterstützt und terminologisch kontrolliert wird die Eingabe für ausgewählte Felder durch hinterlegte Indexlisten und einen Thesaurus. Die Integration von Bilddaten ist heute eine Selbstverständlichkeit. Bereits beim ersten formalen Erfassungsprozess werden den Datensätzen niedrig auflösende Arbeitsfotografien (ungefähr 100–300 dpi, jpg-Format) zugespielt, um sofort bei der Datensatzanlage einen ersten visuellen Eindruck vom Objekt anbieten zu können. Hochauflösende, reprofähige Abbildungen im tifDateiformat werden nur auf Anforderung vom Fotostudio erstellt und sind dann über das Fotomodul – realisiert über eine Schnittstelle zur Cumulus-Bilddatenbank – vom Nutzer im IMS direkt abrufbar, so z. B. vom Bildredakteur des Museumsmagazins oder vom Registrar für Reproerstellungen. Das Restaurierungsmodul verfügt über eine eigenständige Bildverwaltung, die das Einstellen von Detailaufnahmen und den direkten Ausdruck von Zustandsprotokollen zu Leihverträgen, Restaurierungsberichten mit den relevanten Abbildungen ermöglicht (Abb. 3). Das Haus der Geschichte nutzt das IMS ebenfalls zur Dokumentation von audiovisuellen Medien und neuen digitalen Objekten. Hierzu wurde speziell ein Modul entwickelt, über das digitale Objekte mit ihren Spezifika – wie z. B. Pfadangaben oder Datenvolumina – erfasst und die auf einem Server abgelegten Medien angesteuert werden können. Durch diese konzentrierten, vom IMS optimal unterstützten Dokumentationsprozesse werden Informationseinheiten geschaffen, die eine Basis für eine nutzerorientierte Informationsabfrage (Retrieval) liefern.

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b. Nutzerorientiertes Retrieval Das IMS kennt fünf Formen der Suche: Formalsuche, Volltextsuche, Schnellsuche, Ausstellungssuche, Adresssuche. Sie ermöglichen, je nach musealer Nutzersicht, optimale Suchstrategien. Des Weiteren lassen sich Arbeitsprozesse bei der Ausstellungsvorbereitung über die »Ausstellungsrecherche« steuern, Adressen suchen und alle Daten in verschiedenen Formaten ausgeben. – Formalsuche Die Formalsuche (Abb. 4) erfolgt über entsprechende Felder in der Bearbeitungsmaske. Der Nutzer sucht ein genau bezeichnetes Objekt oder den präzisen Eintrag in einem Erfassungsfeld, d.h. er kennt die exakte Bezeichnung, Inventarnummer etc. Über die Aktivierung des Buttons »Formalsuche« baut sich eine Seite auf, auf der alle Bearbeitungsmasken über »Reiter« ansteuerbar sind. Der Sucheintrag erfolgt direkt in dem entsprechenden Feld der aufgerufenen Bearbeitungsmaske. Einträge in unterschiedliche Felder sind möglich und werden als »und-Verknüpfung« recherchiert. Die Formalsuche lässt Trunkierungen zu, d. h. eine beliebige Menge an Zeichen kann bei der Suche durch Platzhalter ersetzt werden, sodass auch Wortstämme oder -bestandteile gefunden werden. – Volltextsuche Die Volltextsuche erlaubt es, die für eine Recherche notwendigen Felder individuell zusammenzustellen. So kann z. B. der Restaurator über die Verknüpfung des Feldes »Material« und »Ausstellung« mit entsprechenden Suchbegriffen alle Textilobjekte in einer bestimmten Ausstellung des Hauses als Ergebnisliste erhalten, um notwendige Arbeitsprozesse einleiten zu können. Eine Suche nach einem beliebigen Suchbegriff

Autoreninfo

Dr. Dietmar Preißler ist Sammlungsdirektor der Stiftung Haus der Geschichte mit den Standorten Bonn, Leipzig und Berlin.

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IM FOKUS DEPOT + UMZUG

Foto/© Schweizerisches Nationalmuseum

Depot und Umzug Ob aus Platzmangel oder Sanierungsgründen, früher oder später muss sich fast jede Sammlung mit dem Thema Depot und Sammlungsumzug befassen. Eine gute Vorbereitung und inter disziplinäre Zusammenarbeit helfen bei einer effizienten Umsetzung.


DEPOT UND UMZUG Joachim Huber

Nachhaltige Depotplanung Die Verantwortung des Nutzers

Museumsdepots werden zunehmend zu komplexen und eigenständigen Bauten, die einen erheblichen Planungsaufwand erfordern. Die Rolle des Nutzers, d. h. des Museums ist dabei zentral, denn nur wenn dieser benötigte Informationen zur richtigen Zeit und in angemessener Qualität bereitstellt, ist es den Baufachleuten möglich, eine befriedigende Lösung zu erarbeiten. Der Nutzer hat dadurch eine große Verantwortung im Projekt und ist verpflichtet, aktiv mitzudenken und mitzuarbeiten. Verschiedene Hilfsmittel vereinfachen es ihm, seiner Rolle gerecht zu werden und die ihm zufallenden Aufgaben zu lösen. Zuweilen ist er aber auf externe Hilfe und Erfahrung angewiesen.

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Foto/© Schweizerisches Nationalmuseum

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1 Blick auf das Objektdepot des neuen Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums in Affoltern am Albis. 2 So soll das neue Außendepot der Münchener Museen aussehen. 3 Das Depot des Kunsthistorischen Museums in Wien mitten in der Bauphase.

2 Visualisierung/© SchmidtSchicketanz & Partner

gelnde Sicherheit sind bei Umbauten Probleme mit oft erheblichen Kostenfolgen. In den vergangenen zehn Jahren erstellte Museumsdepots profitierten von reichlich fließenden Mitteln der öffentlichen Hand, aber auch privater Mäzene. Es entstanden nebst pragmatisch ausgelegten Nutzbauten wie dem Konservierungszentrum im dänischen Vejle auch Depotbauten, welche als eigentliche Kulturbauten mit einem gewissen Prestigeeffekt für die Bauherren und Nutzer zu verstehen sind (z. B. Zürich, Landesmuseum; München, Stadtmuseum; Berlin, Staatliche Museen). Bei großen Museumsprojekten an neuen, aber auch an bestehenden Standorten wurden Depots z. T. prominent und mit entsprechendem Aufwand integriert (z. B. London, Darwin Centre; Paris, Musee du Quai de Branly) und teilweise öffentlich sichtbar als Schaudepots angelegt. Erst in jüngster Zeit zeigt sich mit schwindenden Mitteln der öffentlichen Hand und der Ökonomisierung des Museumswesens ein Trend zu einer vermehrt funktionalen Auslegung von Depotbauten (z. B. Wien, Kunsthistorisches Museum). Ziel bleibt, möglichst optimale Bedingungen für das einzulagernde Kulturgut zu erreichen. Gleichzeitig ist aber im Auge zu behalten, dass die Betriebskosten für die jeweilige Institution auch langfristig tragbar bleiben, zumal diese Aufwendungen auf die gesamte Lebensdauer des Gebäudes einen Anteil von mehr als 80 % ausmachen (Abb. 1–3).

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Foto/© Prevart

Einführung Im Gegensatz zu Bibliotheken und Archiven sind Museumsdepots ein relativ junger Bautypus. Er entwickelte sich allmählich mit dem Anwachsen der Museumssammlungen. Eigenständige Depotgebäude entstanden, als die Bestände in den Museumsgebäuden selber nicht mehr unterzubringen waren und mehr oder weniger taugliche Außendepots aus unterschiedlichsten Gründen abgelöst werden mussten. Einerseits reichte der Platz nicht mehr aus, die schnell wachsenden Sammlungen unterzubringen, und andererseits genügten die Aufbewahrungsbedingungen bezüglich Klima, Brandschutz und Sicherheit nicht mehr den wachsenden Anforderungen. Zudem lagen Außendepots häufig in der näheren Umgebung der Museen und damit oft in Innenstädten, was z. T. hohe Miet- und Gebäudekosten zur Folge hatte. Prekäre Platzverhältnisse, anderweitige Verwendung der Liegenschaften, ungenügende Lagerbedingungen, Schadensfälle (z. B. durch Naturereignisse, welche ungeeignete Lagerorte betrafen) sowie hohe Mietkosten sind denn auch die häufigsten Gründe, sich nach neuen, besseren Lösungen umzusehen. Lässt es die wirtschaftliche Lage zu, werden zentrale Lösungen angestrebt, welche die Aufbewahrung der nicht ausgestellten Sammlungsobjekte langfristig und unter Bereitstellung angemessener Reserven gewährleisten sollen. Vor allem leer stehende Industriebauten und nicht mehr genutzte militärische Bauten an der Peripherie der Städte werden seit den 1990er-Jahren oft zu Museumsdepots umgenutzt. Allmählich setzt sich heute jedoch die Erkenntnis durch, dass die Umnutzung bestehender Bauten vielfach bei einer Gesamtbetrachtung nicht effektiv ist. Grund dafür ist oft, dass die Gebäude ursprünglich eine andere Funktion hatten und oder z. T. bautechnisch Probleme aufweisen. Die vorhandene Bausubstanz lässt sich mit vertretbarem Aufwand nur bedingt den neuen Anforderungen eines Museumsdepots anpassen. Insbesondere kleinteilige Raumaufteilung, veraltete Erschließung, ungenügende Statik, zu geringe Dämmung, fehlender Brandschutz sowie man-

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IM FOKUS: DEPOT UND UMZUG 3

Foto/© LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Westfalen-Lippe (LWL) geplant und betreut. Den Umzug der Objekte führten Mitarbeiter des Museums durch, u. a. Restauratoren, Magaziner, Hängeteams. Mit welchen Mitteln wird ein konstantes Raumklima gewährleistet? Scheele: Der Altbau des Museums mit seinem zentralen Lichthof wurde 1995–1998 aufwendig saniert und mit einer Klimaanlage ausgestattet, die ein Vollklima mit konstanter Raumtemperatur- und Feuchteregelung garantiert.

3 2009 wurde der Depotturm für die dreijährige Umbauzeit des LWL-Landesmuseums im Altbau errichtet.

Foto/© Sabine Ahlbrand-Dornseif, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

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4 Schiebewände bieten Platz für die Gemälde. 5

Stichwort Monitoring: Wie erfolgt die Kontrolle von Klima, Licht und Brandschutz? Scheele: Das Monitoring erfolgt über die Gebäudeleittechnik. Zusätzliche Rauchmelder sind auf den einzelnen Ebenen des Depotturms installiert, die oberste Ebene wird über die Rauchmelder in der Lichtdecke des Altbaus überwacht. Gibt es eine »Hierarchie« der Kunstwerke im Turm? Im Sinne von das Schwerste nach unten oder besonders Wertvolles aus versicherungstechnischen Gründen in einem besonderes gesicherten Bereich. Oder haben Sie Ihre wertvollsten Exponate an andere Museen verliehen? Scheele: Die Kunstwerke wurden auf drei Ebenen auf Schiebewänden möglichst platzsparend gehängt, d. h. nicht nach wertvoll oder weniger wertvoll getrennt. Da das Depot aber auch als »Schaudepot« dienen sollte, sind auf den einsichtigen Außenseiten der Schiebewände »attraktive« Gemälden gehängt worden. Besonders wertvolle Gemälde befinden sich in einem nicht einsichtigen ehemaligen Ausstellungsraum des Gebäudes. Auf der dritten und vierten Ebene sind hauptsächlich Möbel untergebraucht.

Foto/© Sabine Ahlbrand-Dornseif, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Die Idee ist ja bekanntlich die eine Sache, die Realität sieht oftmals anders aus. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Nutzung eines Depotturms jetzt nach fast zwei Jahren? Scheele: Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Museumsbesucher sind beeindruckt von der »Menge« an Kunstwerken, die normalerweise nicht sichtbar ist. Wir bieten auch regelmäßig Führungen im Depotturm an, an denen großes Interesse besteht. Anmeldungen dafür nimmt unser Besucherbüro entgegen (E-Mail: besucherbuero@lwl.org). Bei der täglichen Arbeit hat sich der Depotturm als sehr nützlich erwiesen, insbesondere weil die Kunstwerke vor Ort geblieben sind und damit die Arbeit der Wissenschaftler, Restauratoren und Fotografen auch im Hinblick auf die zukünftige Präsentation im Neubau sehr erleichtert wird. 5 Das oberste Stockwerk des Depotturms im Lichthof des historischen Altbaus.

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Interview: Isabella Haag

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THEMEN Volker Huckemann und Lars Klemm

Nachhaltige Sanierung von Museumsbauten Vorstellung des Verbundforschungsvorhabens

Energieeffizientes Bauen und museale Nutzungsanforderungen galten lange Zeit als nicht vereinbar, zu unterschiedlich sind auf den ersten Blick die Anforderungen, mit denen Museen ihren täglichen Aufgaben gerecht werden müssen. Doch sind es gerade diese Ansprüche, die eine energieeffiziente Lösung für Museen unabdingbar machen. Eine langfristige Zukunftsstrategie macht es für die Häuser notwendig, Sanierungen und Neubauvorhaben nachhaltig zu gestalten. Die Kultur kann nicht davon ausgehen, dass der Staat sie wie die Banken rettet. Museen müssen aktiv und selbstständig ihre Geschicke in die Hand nehmen, sie müssen trotz knapper Ressourcen die ihnen anvertrauten Kunstwerke pflegen, präsentieren und erforschen. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Museum ist daher ein funktionierender Bau. Voraussetzung dafür ist die Qualität der Sanierung oder des Neubaus.

Einleitung In der Bundesrepublik steht eine Vielzahl von Museumsbauten kurz vor einer Sanierung oder befindet sich in einer Sanierungsphase, darüber hinaus werden viele Neubauten geplant und ausgeführt. Die Komplexität dieser Bauvorhaben besteht darin, das Ziel, den Energiebedarf der Häuser zu senken, mit den konservatorischen Anforderungen und mit dem Denkmalschutz bei Bestandsgebäuden zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund genehmigte der Projektträger Jülich (PTJ), ein Kompetenzträger im Forschungs- und Innovationsmanagement, der Forschungsprogramme im Auftrag der öffentlichen Hand betreut und umsetzt, das Forschungsvorhaben »Nachhaltige Sanierung von Museumsbauten«. Dieses Vorhaben widmet sich seit 2008 der Aufgabe, einfache und energieeffiziente Sanierungskonzepte für Museen unterschiedlichster Ausrichtung zu erarbeiten. Unter der Koordination des Institutes für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig haben sich insgesamt fünf renommierte deutsche Universitäten und einige assoziierte Büros zusammengeschlossen, um zunächst über vier Jahre verschiedene deutsche Museumsbauten für die Sanierung zu untersuchen, Konzepte für einen ganzheitlichen Sanierungsansatz zu erarbeiten und zu beraten. Darüber hinaus werden einzelne Museen über Förderprogramme als Demonstrations- oder Leuchtturmprojekte (Abb. 1) über den gesamten Sanierungszeitraum begleitet. Hier sollen sowohl innovative Sanierungskonzepte als auch der Piloteinsatz neuer Baumaterialien erforscht und gefördert werden. Als Abschluss des Vorhabens wird ein Leitfaden über die Sanierung von Museumsbauten publiziert. Damit leistet das Vorhaben einen Beitrag zur Akzeptanz und Verbreitung nachhaltiger und energieeffizienter Gebäude- und Technikkonzepte in öffentlichen Gebäuden.

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Museen im Fokus der Öffentlichkeit Dass sich das Verbundforschungsvorhaben mit dem Thema »Energieeffizienz« an Museumsbauten wendet, wird auch dem gegenwärtigen Erscheinungsbild des Museumswesens gerecht. Museen sind wichtige Kultur- und Bildungseinrichtungen mit einem sehr hohen Publikumswirkungsgrad. Hierin liegt auch der Ansatz für den Informations- und Wissenstransfer des Projektes. Die Idee ist dabei nicht neu, bereits 1886 formulierte der Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthallen, Alfred Lichtwarck, seine Idee eines modernen Museums: »Wir wollen nicht ein Museum, das dasteht und wartet, sondern eines, das tätig in die künstlerische Erziehung unserer Bevölkerung eingreift.« Eine moderne Interpretation dieses Satzes implementiert eben auch einen nachhaltigen Umgang mit den Museen und seinen Kunstwerken. Das Museum ist in der Massenkultur angekommen, bei Sanierungen und Neubauten entscheidet sich dann, ob das Haus zu einer Kathedrale der Gegenwart oder zur Bilderbewahranstalt wird. Die Zahl der Museen steigt ständig an, derzeit alle fünf Jahre um etwa 10 %, in Deutschland liegt die Zahl bei etwa 6 000 Museen. Gleichzeitig haben Museen einen hohen Lebenszyklus, da kaum ein Museum aufhört zu existieren, Waidacher [1999] spricht hier von einer nahezu unüberwindlichen Fähigkeit, zu überleben. Die Deutschen lieben ihre Museen: 2006 zählten

1 Zeitplanung und Struktur des Forschungsprojektes »Nachhaltige Sanierung von Museumsbauten«. 1

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THEMEN

Abstract Sustainable Modernization of Museum Buildings Presentation of a Group Project For years energy-efficient building and museum-user demands have been considered irreconcilable. Too different are at first glance the requirements of museums to adequately fulfill their daily tasks. Yet, it is these very requirements that make finding an energy-efficient solution for museum a necessity. A longterm strategy for the future demands that museums plan sustainable modernizations and new building projects. Culture cannot assume that the government will come to their rescue

trifft neben den genannten Behaglichkeitsfaktoren insbesondere Raumprogramme, Innenarchitektur und räumliche Wirkung. Idealerweise stehen diese Aspekte mit der Präsentation der ausgestellten Sammlungen im Einklang, sodass sich eine ästhetische Gesamtwirkung aus Architektur und Kunstvermittlung entwickelt, das Gebäude dabei als Metaausstellungsstück fungiert. Daneben muss ein Museum aber auch den Aspekten der präventiven Konservierung entsprechen, das heißt der Bau soll die im Inneren ausgestellte und gelagerte Sammlung bewahren und schützen. Auch hier wird wieder ein ganzheitlicher Ansatz verstanden, der von der Gebäudewartung über das Handling bis zu den Aspekten eines geregelten Klima- und Lichtkonzeptes reicht. Besucherkomfort wird an sechs Wochentagen für acht bis zehn Stunden abgerufen, die präventive Konservierung muss permanent gewährleistet sein. Ihr muss sowohl bei der Planung eines Museums, als auch bei der Sanierung eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Präventive Maßnahmen zur Sammlungserhaltung haben dabei nicht nur einen konservatorischen Ansatz, sondern sind auch wirtschaftliche Überlegungen. Das Forschungsvorhaben möchte hier aktuell systematisch an der Entwicklung und Forschung geeigneter Methoden und Techniken der präventiven Konservierung arbeiten, mit dem Ziel der Entwicklung eines Langzeitmanagements.

as it did with banks. Museums must actively and independently take control of their destiny. Despite financial constraints, they must tend to, present, and do research on the works of art in their care. The key for a successful museum is therefore a functioning building and this is essentially decided in the course of modernization measures. Since 2008, the research project “Sustainable Modernization of Museum Buildings” has been dedicated to developing simple, energy-efficient modernization concepts for museums with different focal points. Modernization of several German museums has been guided and concepts for a holistic modernization approach have been drawn up, examined and evaluated.

Keywords: sustainability, energy efficiency, group research project, use requirements, preventive conservation, museums, museum concept.

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Zusammenfassung und Ausblick Aus den Untersuchungen zum Nutzerkomfort in Innenräumen liegen weitreichende Erfahrungen zur Messung, Simulation, Bewertung und Beeinflussung des Raumklimas vor [Holm et al 2003]. Thermische Unterschiede an Außenwänden können zu schädlichem Mikroklima und in der Folge zu Schäden oder gar zu Schimmelbildung an Gemälden auf kalten Wänden führen. Dazu liegen heute neue Möglichkeiten der Gebäudesimulation vor, geeignete Maßnahmen bereits in der Planungsphase auf ihre Wirkung zu untersuchen [Krus et al 2007]. Innovative Systeme wie Hüllflächentemperierung/ Betonkernaktivierung wie sie beispielsweise aktuell bei der 2009 in München eröffneten Sammlung Brandhorst eingesetzt wurden, können zu einem konstanten Raumklima und damit zur Vermeidung von Schäden an Kunstwerken beitragen. Die aktuelle Diskussion um die »richtigen« Klimawerte in Museen [Erhard et al 2007, Michalski 2007] ist nicht zuletzt auch der Frage der Energieeinsparung vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und dem Wunsch nach CO2-Einsparung zur Minderung der Auswirkungen des globalen Klimawandels geschuldet. Die derzeit vor allem wegen Leihverträgen international geforderten raumklimatischen Werte [Kilian 2008] führen zu immensen Energiekosten gerade für große Häuser [Erhard et al 2007]

– Finanzmittel, die deutlich sinnvoller eingesetzt werden könnten. Allerdings fehlen nach wie vor Untersuchungen zur Bedeutung der diskutierten Änderungen für die Erhaltung von Kunstwerken aus restauratorischer Sicht. Die generelle technische Basis für ein stabiles Innenraumklima nach Vorgaben der präventiven Konservierung sind ein guter Sonnen- und Wärmeschutz, die Kontrolle des Luftwechsels und der relativen Feuchte und das gleichzeitige Absenken des Energieverbrauchs. Bundesweit schlägt sich aktuell die Frage der Nachhaltigkeit unter anderem in verschiedenen Ansätzen der Zertifizierung von Gebäuden nieder. Während in den USA das System LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) verbreitet ist, bietet in Deutschland z. B. das Verfahren der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) Ansätze zur Definition von Nachhaltigkeit [Gertis et al 2008]. Das Verbundforschungsvorhaben versucht in Anlehnung hieran Kriterien für die Nachhaltigkeit von Museumsgebäuden zu definieren. Nachhaltige Museen sind entsprechend dauerhaft – reversibel – reparierbar – ressourcenschonend – flexibel und zukunftsfähig. Es wäre jedoch falsch den Fokus bei Sanierungsarbeiten ausschließlich auf die Klimaanforderungen und deren Energiebilanz zu richten. Die Schadens- und Verlustbilanz der letzten zehn Jahre zeigt, dass Vorsorge sich auf andere Risiken konzentrieren muss. Mangelnde Sicherheit, unzureichender Brandschutz, Wassereinbrüche in Depots, schlechte Inventare, ungenügende Anlieferungs- und Verkehrsbereiche im Museum und natürlich Personalmangel setzten Museumsbetreiber im Alltag vor weit größere Probleme als utopische Klimaanforderungen, deren messtechnische Erfassung sich viele Häuser zudem gar nicht leisten können. Für eine Sanierung ist eine sinnvolle Schädlingsprävention daher ebenso elementar wie Konzepte für einfach zu reinigende Bodenbeläge, Brandschutz, Sicherheit und die Erarbeitung eines Notfallplans. Ein Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Finanzmittel, die für eine Sanierung bereitgestellt werden, auch nach den Aspekten der präventiven Konservierung zu verteilen. Ein Leitfaden, der voraussichtlich 2013 erscheinen soll, wird sich auch dieser wichtigen Fragestellung annehmen und die begleiteten Museen auf deren Implementierung der präventiven Konservierung vorstellen. Die Laufzeit für das Verbundforschungsvorhaben ist bis Ende 2012 begrenzt, der bisherige Erfolg macht eine Verlängerung durch den Fördergeber jedoch wahrscheinlich. Für interessierte Museen ist es jederzeit denkbar, an den Möglichkeiten des Projektes zu partizipieren. In regelmäßigen Abständen finden dazu offene Workshops statt, in denen aktuelle Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Der nächste Termin wird am 17. Mai im Museum Kunst Palast Düsseldorf stattfinden.

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THEMEN Heiko Werdin

Zum Raumklima in Museum Die Bedeutung bauphysikalischer Voruntersuchungen und messtechnischer Nachweis im Albertinum Dresden

Museen beherbergen eine Vielzahl von historisch wertvollen Kunst- und Kulturgegenständen. Jedes Museumsgut hat seine eigenen Anforderungen, um dauerhaft sicher und in einer hohen Qualität erhalten bleiben zu können. Dazu gehört neben den sicherheitstechnischen Aspekten das umgebende Klima mit den Komponenten Temperatur, Feuchte, Strahlung, Beleuchtung und Schadstoffgehalt der Luft. Dieser Artikel beleuchtet die unterschiedlichen Anforderungen in dem Spannungsdreieck optimale Umgebungsbedingungen des Kunst- und Kulturgutes, bauphysikalische Randbedingungen des Gebäudes und Behaglichkeit des Museumsbesuchers. Neben den theoretischen Untersuchungen werden erste Messergebnisse aus dem Albertinum Dresden nach dessen Sanierung vorgestellt.

Kurzeinführung und Technisches Regelwerk Die DIN EN 13779 und damit verbundene Normen (DIN EN 15241, DIN EN 15242, DIN EN 15251) stel-

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Grafik: Staab Architekten, Berlin, © Staatsbetrieb Sächsisches Immoblien- und Baumanagement (SIB)

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len Leitlinien für eine energieeffiziente Planung von Lüftungs- und Klimaanlagen in Nichtwohngebäuden sowie deren Betrieb zur Verfügung. Abweichend von der Nutzung anderer Gebäude wird das Innenraumklima in Museen nicht vordergründig durch die Behaglichkeit der Nutzer, sondern im Wesentlichen durch die konservatorischen Anforderungen an das Museumsgut bestimmt. Die DIN V 18599 (Teile 3 und 7) beschäftigt sich mit der energetischen Bewertung der Lüftungsund Klimaprozesse in Nichtwohngebäuden. Im Teil 3 wird der Nutzenergiebedarf für die energetische Luftaufbereitung und im Teil 7 der Endenergiebedarf

1 Querschnitt durch das Albertinum in Dresden, in dem begleitend zur Inbetriebnahme der Anlagentechnik messtechnische Untersuchungen erfolgten. 2 Das Albertinum nach dem Umbau mit dem geschlossenen Lichthof. 2

Foto: Steffi Moritz, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Einleitung Zu den Aufgaben eines Museums zählen das Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln [1]. Die Vielfalt an Themen, die das einzelne Museum charakterisieren und damit einzigartig werden lassen, ist riesig. Sie reicht über die lokale und regionale historische Aufarbeitung (Heimatmuseen), über kunstspezifische Vertiefungsrichtungen (Skulpturen, Malereien, …), naturwissenschaftliche Schwerpunkte (Naturkundemuseen, …) hin zu technikhistorischen Ausstellungen (technikgeschichtliche Museen, Landesmuseen, Spezialmuseen, …). Aus dieser Variationsbreite ergibt sich eine große Spanne an Verschiedenartigkeiten von Museumsgütern. Jeder dieser Museumsgegenstände hat seine Eigenheit und erfordert für seine langfristige Bewahrung individuelle Maßnahmen. Neben den sicherheitstechnischen Aspekten hat das umgebende Raumklima für empfindliche Museumsgüter eine entscheidende Bedeutung. In dieser Hinsicht ist die DIN EN 15757 zu nennen, die sich den Temperatur- und Feuchteanforderungen von zu erhaltenden organischen hygroskopischen Materialien widmet. Je nach Empfindlichkeit sind die Materialien in vier Klassen unterteilt. Neben einem kurzen normativen Überblick zur Lüftung und Klimatisierung in Museen beschäftigt sich dieser Artikel mit der Komplexität der Anforderungen an das Raumklima. Anhand von messtechnischen Untersuchungen im Albertinum Dresden (Abb. 1 und 2) wird gezeigt, dass die bauphysikalischen Voruntersuchungen eine wesentliche Bedeutung in denkmalgeschützten Gebäuden haben und dass inbetriebnahmebegleitende Messungen zur Anlagenoptimierung einen höheren Stellenwert erhalten sollten.

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