Zeitschrift f端r Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
Zur Diskussion Gestellt: KLima und Kulturgut papierreinigung im Weichstrahlverfahren Bauforschung, Restaurierung und Denkmalpflege
Gealterte Firnisse: Schadensformen und Restaurierung www.restauro.de
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April/Mai 2013
Editorial Ein zweiter Felix für den Kulturgüterschutz? Er war 9 als er sich aufmachte, die Welt zu retten. Das war 2007. Heute leitet Felix Finkbeiner aus Tutzing eine der wohl größten Kinder-Kampagnen für den Umweltschutz: »Plant for the Planet«. Dabei helfen ca. 100 000 Kinder mit Baumpflanzaktionen, den CO2-Ausstoß zu verringern. Seit 2011 gibt es sogar einen Weltvorstand, in dem 14 Kinder in 8 Nationen vertreten sind; für den Schutz unserer Umwelt und für eine bessere Zukunft. Sein Antrieb, so berichtete Felix kürzlich, sei: Er wolle selbst mitbestimmen, in welcher Welt er später lebt. Damit macht er eine zentrale Aussage, denn Klimaschutz geht uns alle an. In einer Zeit, in der die Gletscher rasant abschmelzen und in der wir erhebliche Klimaveränderungen und -katastrophen erleben, ist der Klimaschutz zu einem so zentralen Thema geworden, dass er in allen Bereichen zum Tragen kommt. Auch Denkmalpflege und Museen müssen sich dem stellen, und sie tun dies bereits seit Jahren aktiv und auch motiviert. Das Diktat der Energieeinsparungen zwingt die Museen jedoch zu immer mehr Eingeständnissen wie z. B. der aktuell diskutierten Aufweichung der bisherigen Klimagrenzwerte, wobei nicht klar ist, wie sehr dies Einfluss auf die Erhaltung der Kulturgüter haben wird. Weil die Klimatisierung für Sammlungen so wichtig ist, befasste sich im November eine Tagung in München mit dem Thema. Hierbei zeigte sich, dass sich nach wie vor keine einfachen Aussagen zu den Auswirkungen des Klimas auf Schadensmechanismen treffen lassen. Diese variieren je nach Objekt und Gebäude. Dennoch kann man einige Schlussfolgerungen ziehen. Dies haben Andreas Burmester und Melanie Eibl in diesem Heft getan (S. 53). Zugleich bezieht in diesem Heft auch eine Gruppe von Restauratoren bedeutender Gemäldesammlungen Stellung zu den neuen Klimagrenzwerten, nachzulesen auf Seite 59.
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Setzen wir aber noch einmal bei Felix Finkbeiner an: Er möchte die Welt mitbestimmen, in der er später lebt. Es sollte eine Welt sein, in der die Natur intakt ist. Darüber hinaus, so meine ich, sollte es auch eine Welt sein, in der wir uns unsere Kultur in all ihren Facetten und mit ihren historischen und aktuellen Zeugnissen bewahrt haben. Und dazu trägt nicht nur die Erhaltung von Touristen anziehenden Prestigeobjekten bei, sondern auch der Schutz von gewachsenen Stadtbildern mit ihren profanen Bauten oder von Alltagsgegenständen. Sehr schön deutlich macht dies übrigens in diesem Heft Ursula Schädler-Saub mit ihrem Beitrag über die Bauforschung, Restaurierung und Denkmalpflege in Venedig (S. 22). Insofern braucht es den Klimaschutz und den Kulturgüterschutz gleichermaßen nebeneinander. Beides schließt sich auch nicht aus. Beides wächst derzeit immer stärker zusammen. Auch benötigen wir eine motivierte Jugend, die sich für den Kulturgüterschutz ebenso erwärmt wie für den Umweltschutz. Daher wäre mein persönlicher Wunsch: Jedes Kind sollte in seinem Leben nicht nur einen Baum gepflanzt haben. Es sollte auch an einem Projekt zum Kulturgüterschutz teilgehabt haben (S. 66). Vielleicht gibt es in der Zukunft ja einen zweiten Felix, der ein ebenso unglaubliches Projekt ins Leben ruft wie »Plant for the Planet« – nur mit dem Inhalt Kulturgüterschutz? Bevor Sie nun mit der Lektüre dieses Hefts durchstarten, möchte ich Sie noch auf einen Gast in unserer Redaktion aufmerksam machen: Unsere Verlagsauszubildende Laura Bern hofer durchläuft während ihrer Zeit bei Callwey eine Zeitschriftenredaktion. Sie hat sich hierbei für RESTAURO entschieden, worüber wir uns sehr freuen. In diesem Heft und auf unserer Website hat sie mit vollem Eifer einige Branchenneuigkeiten für Sie zusammen gefasst. Viel Vergnügen beim Lesen! Ihre
Mühläckerstraße 13 D-97520 Röthlein Tel: +49 9723 9350-0
p.brozio@restauro.de 3/2013
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Inhalt 18 Meleager auf Reisen
restauro aktuell 3
Editorial
Foto/© Louise Egan, V&A Museum, London
Blickpunkt 6 Das neue Lenbachhaus 7 Tipps und Kniffe: Präpariernadeln und Halterungen 8 Was moderne Autos und historische Skulpturen gemeinsam haben 9 3-D-Lokalisierung in Museen 10 Farbe zwischen Material und Malerei 11 Campus der Holzexperten Einblicke 12 Das Trösterlein – eine Jesuskindfigur Altes Handwerk heute 14 Dekor in Gold und Seide. Die Herstellung einer Goldquaste in der Posamentierwerkstatt 22
Bauforschung in Venedig
Buchtipp 21 »Conservation Framing« 60 Lesezeichen Kommentar 66 Boris Storz und Susanne Reichle über baukulturelle Jugendarbeit
restauro Themen Foto/© Ralph Liebermann
Roger Murray und Sophy Wills 18 Meleager auf Reisen Der Bau einer Klima-Transportkiste für eine Bronzeskulptur Ursula Schädler-Saub 22 Und was machen wir mit der Originalsubstanz? Aktuelle venezianische Beispiele zur Denkmalpflege, Bauforschung und Restaurierung 48
Ergänzungen in Holz
Thomas Krämer 32 Riss- und Borkenbildung historischer Gemäldefirnisse Befunduntersuchungen von zwei Werken der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister Bert Jaček 44 Das »weiche Feinstrahlen« Ein neuer Ansatz zur Trockenreinigung von Papier und Pergament
Foto/© Willem van Dort/Patrick Damiaens
Willem van Dort und Patrick Damiaens 48 Ein Leuchter aus Schloss Lembeck Ergänzungen im Stil des Rokoko Andreas Burmester und Melanie Eibl 53 Klima und Kulturgut Die Münchner Position zu den Interim Guidelines der Bizot Gruppe 59 Stellungnahme Neue Klimagrenzwerte für Kunstwerke in Museen? 4
3/2013
Inhalt
Foto/© Bayerische Staatsgemäldesammlungen München
53 Museen und Klimatisierung
restauro rubriken 62 Termine und Ausstellungen 64 Vorschau 65 Stellenanzeigen 66 Impressum
Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
ZuR Diskussion Gestellt: kliMA unD kultuRGut pApieRReiniGunG iM WeichstRAhlveRfAhRen BAufoRschunG, RestAuRieRunG unD DenkMAlpfleGe
Titelbild Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten, Gemäldegalerie Alte Meister Kassel. Foto/© Thomas Krämer
Gealterte Firnisse: schadensFormen und restaurierunG www.restauro.de
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April/Mai 2013
Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.
Alles für den Restaurator: Kremer Pigmente
Zeitschrift für Restaurierung,
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Denkmalpflege und Museumstechnik 119. Jahrgang
3/2013
Für die Zukunft gestalten.
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Blickpunkt Denkmalföderung in NRW: Umstrittene Pläne Wie viele andere Länder muss auch NordrheinWestfahlen sparen. Und wie viele andere Bereiche treffen die Budgetkürzungen auch die Denkmalpflege. Für Unruhe sorgten hier im Vorfeld Gerüchte über bevorstehende drastische Kürzungen bei der Denkmalförderung. Bereits für das Jahr 2013 standen Kürzungen im Raum. Zudem sollten nach Informationen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) 2014 nur noch 3,4 Mio. Euro zur Verfügung stehen. Für 2015 denke man gar daran, überhaupt keine Denkmalfördermittel im Landeshaushalt einzuplanen. Die Förderung solle dann nur noch auf Darlehensbasis erfolgen. Dagegen protestierte der RVDL im März in einem offenen Brief.
keine Denkmalförderung gebe, so der Verein, keine Anreize mehr, privat in ein Denkmal zu investieren. Auch geliehenes Geld schaffe diesen Anreiz nicht. So drohe der Verfall der historischen Bauten. Das Land komme damit seiner Verpflichtung für den Denkmalschutz, nicht mehr nach. Über eine aktuell laufende Online-Petition gegen diese verheerenden Pläne informieren wir unter www.restauro.de. ms
Wie seit Ende März feststeht, sinken die Fördermittel des Landes für die Denkmalpflege tatsächlich auf 9,4 Mio. Euro für das Jahr 2013. Die Pläne für die kommenden Jahre sind von offizieller Seite noch nicht bestätigt. Doch das Bauministerium prüft die Möglichkeiten zur Darlehensförderung bei der privaten und kirchlichen Denkmalpflege. Ein solches Vorhaben würde die Denkmalpflege in NRW enorm beeinträchtigen, legt der RVDL in seinem offenen Brief dar. Eine viel zu geringe oder gar
Bla bla gibt's hier nicht … unser Know-how bedeutet sparsam, sicher, effizient
Der Kölner Dom ist einer der berühmtesten Denkmale in NRW. Doch nicht nur solche Prestigeobjekte benötigen Fördermittel bei der Restaurierung.
Tipps und Kniffe: Präpariernadeln und Halterungen Präzisionsarbeiten wie das Präparieren von Proben oder aber das Platzieren von Malschichtschollen erfordern oftmals den Einsatz von sehr feinen Instrumenten wie z. B. von Präpariernadeln. Diese Nadeln kann man auf verschiedenen Wegen selbst herstellen oder aus anderen Bereichen adaptieren. Drei Möglichkeiten stellen wir hier vor: 1. Einfach und schnell selbst gebaut ist die Präpariernadel im Bild links. Sie besteht aus einem Holzstäbchen, in das am oberen Ende mit dem Skalpell ein feiner Schlitz geschnitten wird. In diesen
Schlitz steckt man eine Nähnadel gewünschter Stärke und umwickelt das Stäbchenende abschließend mit einem Band. Fertig. 2. Für noch feinere Arbeiten (z. B. unter dem Mikroskop) lässt sich beispielsweise eine Wolframnadel verwenden. Als Halterung dient ein Druckbleistift (s. Bild Mitte). Anstelle von Bleistiftminen (5mm) wird die Nadel vorne eingesetzt. 3. Für weniger akkurate Arbeiten kann auch Besteck aus dem Modellbau dienen (im Bild rechts). Diese Werkzeuge gibt es in unterschiedlichen Ausführungen fertig zu kaufen. pb
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Foto: Laura Bernhofer
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altes handwerk heute 1
Foto/© Christoph Michel
Das obere Ende einer Quaste bildet eine oder mehrere überarbeitete Holzformen oder Knoten, die oft mit Textilien verziert sind. Bei der Quaste für das Neue Palais Potsdam ist eine der beiden Holzformen mit Goldlahn aufgelegt.
Dekor in Gold und Seide Die Herstellung einer Goldquaste in der Posamentierwerkstatt Sie sind nur ein Teil eines Gesamtkunstwerks, leisten jedoch einen wesentlichen Beitrag zum Raumeindruck. Posamente schmücken Textilien wie Kleidung, Polstermöbel, Lampenschirme oder Vorhänge. Sie haben dabei keine spezielle Funktion, sondern dienen allein der Verzierung.
Historisches Handwerk Wie zahlreiche historische Reliefs und Wandgemälde zeigen, verzierten die Menschen bereits in der Antike in Assyrien, Ägypten oder China ihre Kleidung mit Quasten, Borten oder Fransen. In Europa entfaltete sich dieses Handwerk vor allem seit dem Mittelalter. In Italien, Süddeutschland oder Frankreich bildeten sich Zentren, in denen die Handwerker, sogenannte Posamentierer, ihrer Kunst nachgingen. Französischer Herkunft ist auch der Begriff »Posament«, der ursprünglich vor allem aus Metalldrähten gefertigte Textilien bezeichnete, beispielsweise Borten oder Tressen. Zu diesen Metallgewirken kamen später Kordeln und Quasten, denn diese wurden früher ebenfalls vorwiegend aus Metalldrähten gefertigt. Im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Renaissance verzierte man auch Möbel und andere Gebrauchsgegenstände mit Posamenten. Sie schmückten Rüstungen, Geschirre und Sättel bei Turnieren und Ritterspielen. Schon damals verwendeten Posamentierer in wachsendem Maße Textilfasern für ihre Werke. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert zählt zu den Posamenten 14
a lles, was der Verzierung von Textilien dient, also Quasten, Zierbänder, Borten, Kordeln, Spitzen, Volants oder kunstvoll besponnene Zierknöpfe. In dieser Zeit erfährt das Handwerk auch seine Blütezeit, als viele Kleinst- und Familienbetriebe Posamente in Heimarbeit herstellten. Mit der Industrialisierung verschwanden die kleinen Handwerksbetriebe allmählich. Heute fertigen in Deutschland nur noch eine Hand voll Manufakturen Posamente nach traditioneller Art. Eine Quaste für das Neue Palais Eine der letzten Posamentenmanufakturen hat ihren Sitz in München. Noch heute fertigen dort Tobias Gattermann und seine Mitarbeiter auf historischen Geräten die unterschiedlichsten Posamente an. Eines seiner Arbeitsgeräte, ein sogenannter Posamentierstuhl, ist über hundert Jahre alt. Wie auf einem »normalen« Handwebstuhl entstehen darauf Borten. Der Posamentierstuhl ist jedoch um einiges kleiner, da er nur für schmale Webarbeiten bestimmt ist. In dieser Manufaktur entstand 2011 eine ganz besondere Quaste für das Neue Palais Potsdam, 3/2013
Themen Roger Murray und Sophy Wills
Meleager auf Reisen Der Bau einer Klima-Transportkiste für eine Bronzeskulptur
Wenn Kunstwerke auf Reisen gehen, spielt die richtige Verpackung eine große Rolle. Möchte man Skulpturen stabil und sicher lagern, sind fast immer eigene Transportkisten anzufertigen. Eine raffinierte Konstruktion aus Aluminium und Plexiglas zeigt das nachfolgende Beispiel.
Bronzeskulpturen im Leihverkehr Zwischen Oktober 2011 und Juli 2012 verlieh das Victoria & Albert Museum London (V&A) drei Bronzeskulpturen von Pier Jacopo Alari-Bonacolsi, genannt Antico, aus der Renaissancezeit. Sie reisten an die National Gallery of Art in Washington für die Ausstellung »Antico: The Golden Age of Renaissance Bronzes« (November 2011 bis April 2012) und danach an die Frick Collection, New York City (Mai bis Juli 2012).1 Eine der Bronzeskulpturen ist die teilweise vergoldete Statuette des Meleager (Inventarnummer A.27-1960) aus den Jahren 1484/95. (Abb. 1) Sie war schon bei ihrem Erwerb von Korrosion betroffen, die sich in Form von pockenähnlichen, erhöhten Punkten auf den patinierten Bronzeflächen zeigt. (Abb. 2) Dieses Problem lässt sich durch ein geregeltes Klima, in dem das Objekt unterge-
1 Die Bronzeskulptur des Meleager (Inv. Nr. A.27-1960) fertigte der Renaissance-Künstler Antico in den Jahren 1484–1490 in Mantua an. Heute befindet sich die Figur im Victoria & Albert Museum in London.
Foto/© Louise Egan/Victoria and Albert Museum, London
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bracht ist, unter Kontrolle halten. Die relative Luftfeuchtigkeit liegt stets unter 30 %. Um solche Bedingungen während des Transports zu ermöglichen und gleichzeitig das Objekt im Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Ausstellung zu überwachen, war es notwendig, einen speziellen klimatisierten Reisebehälter zu konstruieren. Idealerweise sollten das Objekt und ein Klimamessgerät während des Transports sichtbar sein, um die Umgebungsbedingungen und das Objekt visuell überprüfen zu können. Gespräche zwischen Konservatoren, Kuratoren, Wissenschaftlern und Technikern führten zu einem Konzept, das diese Anforderungen erfüllt. Danach begann die schwierige Aufgabe, die Vorschläge in die Tat, d. h. in eine brauchbare Form, umzusetzen. Ein luftdichter Transportschrank Das Konzept für den Transportschrank basiert auf den Techniken und den Erfahrungen, die sich Phil Sofer, Techniker am V&A, im Jahr 2007 erarbeitete, als das Objekt nach Mantua verliehen wurde. Für den Transport nach Mantua bestand die Verpackung aus einem Schaumstoffbehälter mit abnehmbarer Vorderseite und abnehmbarem Deckel. Das Objekt wurde von einer Reihe von Profilgleitelementen, die – ähnlich wie Schubladen in einem Schrank – auf horizontalen Schienen sitzen, festgehalten. Die Gleitelemente bestanden aus zwei Teilen: Das Rückteil saß fest im Behälter, während sich das Vorderteil nach vorne herausziehen ließ und das Einsetzen und Herausnehmen des Objekts erlaubte. Im jetzigen Fall (Abb. 3) waren Modifikationen notwendig, um das Objekt nach dem Einsetzen sehen zu können und den Behälter luftundurchlässig zu machen. Dies sollte die beim letzten Mal zum Abdichten des Schaumstoffbehälters verwendete Polyethylen-Hülle unnötig machen. Plexiglas und Aluminium Der Einsatz von farblosem Plexiglas der Marke Perspex® war wegen dessen Transparenz und der sehr guten Eigenschaften naheliegend. Da ein unverstärkter Perspex®-Behälter für Risse an den Verbindungen und Schäden an den Ecken anfällig sein würde, entwarf man ein Rahmen-Platten-Sys3/2013
Themen Ursula Schädler-Saub
Und was machen wir mit der Originalsubstanz? Aktuelle venezianische Beispiele zur Denkmalpflege, Bauforschung und Restaurierung
Venedig mit seiner Lagune, seit 1987 in die Welterbeliste der UNESCO eingetragen, ist international eine der prominentesten Welterbestätten und gleichzeitig eines der großen Sorgenkinder der Denkmalpflege. Die Stadt und die Lagune sind in Geschichte und Gegenwart untrennbar miteinander verbunden, eine hochempfindliche Kulturlandschaft. Wie kann man sie nachhaltig schützen?
1 Ein Großteil Venedigs besteht aus schlichten Wohngebäuden, wie hier in der Parrocchia San Barnaba. Diese sogenannte »architettura minore« ist jedoch genauso erhaltenswert wie die berühmten Einzeldenkmäler der Lagunenstadt.
Venedig und seine Denkmale Die vielen negativen Schlagzeilen in der internationalen Presse berichten von fragwürdigen Projekten zum Schutz vor immer häufigeren Hochfluten, welche die Lagune von Venedig bedrohen. Am bekanntesten ist das umstrittene Projekt »Mose« mit der geplanten temporären Schließung der drei Eingänge vom Meer in die Lagune. Projekte wie dieses zeugen von den kaum mehr zu bewältigenden Problemen eines überbordenden Tourismus und eines Missbrauchs der historischen Lagunenstadt als romantische Kulisse für die heutige Eventkultur, verbunden mit einer zunehmenden Abwanderung der Einheimischen.
Viele berühmte Palazzi sind in den vergangenen Jahrzehnten zu Containern degradiert worden, die man ohne größere Rücksicht auf ihre historische Bedeutung und auf ihre fragile Bausubstanz mit kommerziellen und kulturellen Nutzungen vollpackt. Zu den bekanntesten Beispielen gehört der spätbarocke Palazzo Grassi am Canal Grande, seit dem 19. Jahrhundert Gegenstand ständiger Umbauten und sogenannter »Restaurierungen«. Die drastische Umwandlung des Palazzo zu einem modernen Ausstellungsbau mit aufwendiger Museumstechnik und modischer Raumgestaltung durch die Mailänder Architektin Gae Aulenti in den Jahren 1985–86 hatte nur solange Bestand, bis
Foto/© Ursula Schädler-Saub
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Themen Bert Jaček
Das »weiche Feinstrahlen« Ein neuer Ansatz zur Trockenreinigung von Papier und Pergament
Die Trockenreinigung von empfindlichem Papier und Pergament hat ihre Tücken. Die Auswahl des Reinigungsverfahrens ist gründlich zu überlegen. Als Alternative zu klassischen Reinigungsmethoden entstand an der Fachhochschule Köln in den letzten zwei Jahren ein neues »weiches« Feinstrahlverfahren. Dieses hat einige Vorteile.
Foto/© Bert Jaček
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1 Auch empfindliche Papiere und Pergamente lassen sich mit der sogenannten »weichen« Feinstrahlmethode reinigen. Als Strahlmittel kommen hier Weizenstärkepulver, Arbocel®-Cellulosefasern oder mikrokristalline Cellulose zum Einsatz.
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Die klassischen Trockenreinigungsverfahren Verstaubte und stärker verschmutzte Papiere und Pergamente werden meist mittels verschiedener Radiermittel, durch Abheben lose anhaftenden Schmutzes mittels Sola-Gel oder mit Hilfe anderer adhäsiver Mittel gereinigt. Oft sind die Ergebnisse nur befriedigend, und je nach Zustand und Beschaffenheit des Objekts kann die Reinigung auch zu Problemen führen. Bei mürben und abgebauten Papieren und Pergamenten beispielsweise gestaltet sich die Situation schwierig, denn die ohnehin schon geschädigten Oberflächen können zusätzlich Schaden nehmen. Zudem bereitet die Reinigung sehr glatter oder sehr rauer Oberflächen häufig Probleme, da sich der Glanzgrad der Oberfläche verändern und die Abbildungsqualität leiden kann. Dies beruht auf dem Umstand, dass ein geeigneter Schmutzabtrag erst durch intensiveres
Bearbeiten der Oberfläche zu erreichen ist. Somit stoßen bei Zeichnungen und Drucken mit sehr empfindlichen Oberflächen die klassischen Trocken reinigungsverfahren an ihre Grenzen. Nicht zuletzt ist bei der Reinigung mit den klassischen Radiermaterialien auch noch zu beachten, dass bei deren Einsatz in der Regel auch mit unerwünschten Inhaltsstoffen wie Weichmachern und Schwefelverbindungen zu rechnen ist. Die Suche nach neuen Lösungen In früheren Versuchen wurde das Feinstrahlen auch in anderen Gebieten der Restaurierung erprobt1, allerdings nicht in der Papierrestaurierung. Die eingangs erwähnten Nachteile der klassischen Trockenreinigung führten dazu, dass man nun an der Fachhochschule Köln nach geeigneten Modifizierungen des Verfahrens suchte. Allerdings er3/2013
Themen Andreas Burmester und Melanie Eibl
Klima und Kulturgut Die Münchner Position zu den Interim Guidelines der Bizot Gruppe
Bislang für Museen selbstverständliche Klimavorgaben werden zunehmend in Frage gestellt. In welchem Rahmen relative Feuchte und Temperatur schwanken können, ohne die Kunstwerke zu schädigen, ist heiß umstritten. Ein Vorstoß führender Museumsdirektoren schlägt jetzt einen relativ weiten Klimakorridor vor und beruft sich dabei auch auf ökologische Gesichtspunkte. Doch ist das der richtige Weg?
Die Vorgeschichte Die sog. Bizot Gruppe, in der die Direktoren einer eindrucksvollen Reihe großer Museen weltweit vertreten sind, richtet ihren Blick auf die Themen »grünes Museum« und »Nachhaltigkeit«. Das Protokoll des letzten Treffens der Bizot Gruppe in Frankfurt vom 25.–27. Oktober 2012 (Appendix 7) nennt ein ganzes Bündel von Maßnahmen, mit denen zukünftig der ökologische Fußabdruck von Museen verkleinert werden soll. Zielsetzung sei erstens eine kritische Überprüfung gängiger Bedingungen in Depot und Ausstellung, insbesondere jedoch im Zusammenhang mit Leihvorgängen, zweitens die Forderung nach einer anderen Museumsarchitektur und -klimatisierung sowie drittens der Wunsch nach einer Vereinbarkeit von langfristigen Erhaltungskonzepten mit der Notwendigkeit, Energie zu sparen. Wie es in dem Protokoll heißt, sei die Sorge (»care«) um das Kulturgut dabei oberstes Gebot. Allerdings sollen weltweit einheitliche K limastandards – wie in manchem Leihvertrag z. B. zu 20 °C und 50 % relative Feuchte formuliert – aufgegeben werden. Stattdessen solle eine g ezielte Anpassung an die individuellen Notwendigkeiten unterschiedlicher Materialien und die verschiedenen Klimaregionen erfolgen. Dabei seien Klimaschwankungen und deren Änderungsgeschwindigkeit besonders zu thematisieren. Die Bizot Gruppe fordert passive Klimatisierungsstrategien, die weniger Wartung und damit auch geringere Kosten bedeuten würden. Natürliche Klimatisierungstechniken (»natural environmental controls«) sollen untersucht und genutzt werden. Vor allem jedoch seien bei der Sanierung von M useumsaltbauten sowie bei der Errichtung von Neubauten die beteiligten Architekten und Ingenieure auf eine Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks zu verpflichten. Aber auch Ausstellungsarchitektur solle unter den Gesichtspunkten entworfen werden, möglichst wenig Abfall zu produzieren und recyclebar zu sein. Die Interim Guidelines der Bizot Gruppe Neben diesem Maßnahmenbündel wartet Appendix 7 – sogar optisch hervorgehoben – als zentraler Punkt mit folgenden »Interim Guidelines« auf: 3/2013
»For many classes of object[s, die Verf.] containing hygroscopic material (such as canvas paintings, textiles, ethnographic objects or animal glue) a stable relative humidity (RH) is required in the range of 40–60 % and a stable temperature in the range 16–25 °C with fluctuations of no more than ±10 % RH per 24 hours within this range. More sensitive objects will require specific and tighter RH control, depending on the materials, condition, and history of the work of art. A conservator’s evaluation is essential in establishing the appropriate environmental conditions for works of art requested for loan.« Nun fragt sich: Wie gehen wir mit diesen »Interim Guidelines« um? Bevor wir eine Antwort hierauf suchen, stellen wir die Frage: Wer ist die Bizot Gruppe eigentlich? Die Bizot Gruppe hat sich der Organisation großer Ausstellungen verpflichtet. Honi soit qui mal y pense, lässt sich doch unter diesem neuen Blickwinkel der Maßnahmenkatalog als ebenso »grüner« wie »nachhaltiger« Weg zur Erleichterung des Leihverkehrs lesen. Jeder dieser Punkte verschafft den Häusern erweiterten Handlungsspielraum, der sich für eine zusätzliche Belebung der global boomenden Ausstellungstätigkeit nutzen lässt. Wenn dann im letzten Absatz des Protokolls formuliert wird, dass sich die Mitglieder der Bizot Gruppe dafür einsetzen sollten, in jedem Fall zu überprüfen, ob ein Kurier wirklich notwendig sei, wachsen die Zweifel an der Ehrenhaftigkeit des »grünen« Ansinnens. Eine jüngste online-Umfrage innerhalb der Bizot Gruppe wartet neben Fragen zum Energieverbrauch unvermittelt mit der – vermutlich zentralen – Frage auf, ob man den »Interim Guidelines« folge und wenn nein, warum. Das »Wenn ja, warum?« fehlt. Wer positioniert sich wo? Das gelegentlich vorgebrachte Argument, dass in der Bizot Gruppe weder Restauratoren noch Konservierungswissenschaftler vertreten sind und die Initiative deshalb nicht ernst zu nehmen sei, verkennt die Lage allerdings grundlegend. Denn grundsätzlich verdient das Anliegen, den ökologischen Fußabdruck unserer Museen zu verkleinern, jede Unterstützung. Warum sich internatio-
Zu den Autoren Andreas Burmester hat Chemie, Mathematik und Kunstgeschichte in Tübingen und Berlin studiert, in organischer Chemie promoviert und sich für die Fachgebiete der Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft habilitiert. Er ist Direktor des Doerner Institutes und außerplanmäßiger Professor an der TU München, wo er Präventive Konservierung lehrt. Melanie Eibl hat Restaurierung an der TU München studiert. Sie hat dort zusätzlich einen Master in ClimaDesign erworben und ist im Doerner Institut für Präventive Konservierung zuständig. Kontakt: Doerner Institut, Barer Straße 29, 80799 München Prof. Dr. Andreas Burmester: burmester@doernerinstitut.de Dipl.-Rest. (Univ.) Melanie Eibl M. Sc. ClimaDesign eibl@doernerinstitut.de
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AUSSTELLUNGEN + VORSCHAU Ausstellungen, die Sie nicht verpassen sollten
VORSCHAU
»Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500–1800« noch bis zum 7. Juli 2013 Das Germanische Nationalmuseum präsentiert in einer Sonderausstellung zum Thema Zunft und Zunftwesen bisher nie gezeigte Exponate der hauseigenen Zunftalter tümer-Sammlung, die auf internationaler Ebene eine der größten und qualitativ hochwertigsten handwerksge schichtlichen Spezialsammlungen darstellt.
Foto/© Germanisches Nationalmuseum
Foto/© Gurtner, Weber
RESTAURO IM JUNI/JULI Ausgabe 4/2013
Romanzement früher und heute Heutzutage muss man sich beinahe überall dort mit Roman zement auseinandersetzen, wo es um die Restaurierung von Bausubstanz des späten 19. und frühen 20. Jahrhun derts geht. Christian Gurtner und Johannes Weber zeigen Möglichkeiten im Umgang mit diesem Baumaterial auf und regen zum Beschreiten neuer Wege an.
Foto/© Germanisches Nationalmuseum
Weitere Infos: www.gnm.de
Die Handwerkslade der Nürnberger Schreinergesellen aus dem Jahre 1595 wird Hans Wilhelm Behaim zugeschrieben. Sie ist aus verschie denen Hölzern, Alabaster, Perlmutt, Bein, Glas und Eisen gefertigt.
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Natursteine retuschieren Im Bereich der Restaurierung lassen sich Oberflächen auf verschiedene Arten retuschieren. Mit Silikatkreide werden so zum Beispiel Verfärbungen oder Verunreinigungen auf Stein überdeckt. Boris Frohberg gibt uns einen Einblick in die verschiedenen Anwendungsarten- und bereiche. Außerdem erläutert er die gestalterischen Möglichkeiten, die sich mit dieser Methode für den Restaurator ergeben.
Foto/© www.Wikimedia.de
Zu den rund 260 ausgestellten Exponaten zählen Werkzeu ge, Spezialgerätschaften, Zunftladen und Urkunden, aber auch Meisterstücke, die das Können einzelner Handwerker eindrucksvoll unter Beweis stellen. Die Ausstellung gliedert sich in fünf Sektionen, die ein leb haftes Bild von der Welt der Zünfte und des Handwerkers vermitteln.
Foto/© Lothar Boring
Diese hölzerne, in Eisen gefasste Klapptafel der Nürnberger Büttner aus dem Jahre 1761 ist nur eines der zahlreichen Exponate aus der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums.
Konservierung von Molassesandstein Das Münster Salem wurde von 1997 bis 2002 umfassend restauriert. Nun, zehn Jahre nach dem Abschluss der Ar beiten, ergibt sich die Gelegenheit, den Erfolg der Restau rierung zu begutachten. Albert Kieferle wirft für uns einen Blick auf die Geschichte des Klosters und die durchgeführ ten Sanierungs- und Konservierungsarbeiten.
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