Restauro 04 2014

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Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

1914 – Zusammenbruch der Kunstentwicklung? Kunststück: Wachsporträts in Klein Barocke Werke – Neue Studien

Reinigung: Jede Oberfläche ist anders www.restauro.de

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Juni 2014


Thema: Oberflächenreinigung

oberflächenreinigung

Anke Weidner, Johannes Mankiewicz, Ina Stephan

Ein neuer Weg? Reduzierung von Schimmelbefall und Reinigung von historischen Textilien

Seit 2011 erforschen die Verfasser die Einsatzfähigkeit von flüssigem Kohlendioxid an mobilen Kulturgütern mit Schwerpunkt auf der Behandlung von aus Wolle gefertigten historischen Textilien. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wurde die Anwendbarkeit des Verfahrens an mit Schimmelpilzen belasteten Objekten untersucht.

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1 Rotes Antependium von 1885 aus der Gutskirche in Schönfeld im Vorzustand 2 Rotes Antependium nach Reduzierung des Schimmelbefalls durch mechanische Reinigung

Abstract

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Projektentwicklung Anhand der Schadbilder sowie der Bestandserfassung des mikrobiellen Befalls wurde eine Machbarkeitsstudie zur Einsatzfähigkeit von flüssigem CO2 (Amsonic-elCO2 Reinigungsanlage) an 4/2014

A new way to reduce the mould and that infests historical textiles?

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montierten Objekte befanden sich in einem desolaten Erhaltungszustand und bedurften dringend konservatorischer Bearbeitung. Die Kirche wurde 2011 von einem engagierten Verein übernommen, der sich seitdem für die denkmalgerechte Instandsetzung des Gesamtkunstwerkes einsetzt.1

The three authors have been examining the usability of liquid carbon dioxide on mobile objects of cultural value, in particular the treatment of historical textiles made of wool in cooperation with the Frauenhofer Institute for Production Systems and Design Technology and the Federal Institute for Materials Research and Testing. The study focused on the applicability of the procedure for items infested with mould.

Fotos: Anke Weidner

Hilferuf für zwei Antependien Nach den Plänen von Conrad Wilhelm Hase wurde die Schönfelder Gutskirche (Altmark) in gestalterischer Einheit von Architektur und Ausstattung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut. Zwei Antependien der Erstausstattung an Paramenten haben sich trotz widriger Lagerungsbedingungen über die Zeit erhalten. Die beiden aus Wolltuch gefertigten, mit textilen Applikationen sowie mit Seiden- und Metallstickerei verzierten Altarbehänge von 1885 und 1888 wiesen flächig einen starken Schimmelpilzbefall sowie Befall mit Hausschwamm auf (Abb. 1 bis 4). Die auf Holzrahmen

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Thema: 1914 Auswirkungen auf die kunst

1914 auswirkungen auf die kunst ben dieses Datum jetzt korrigiert. Dix habe bereits 1928 mit dem Gemälde begonnen, wie er auch selbst 1964 in einem Interview sagte. „Das Bild entstand zehn Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Ich hatte während dieser Jahre viele Studien gemacht, um das Kriegserlebnis künstlerisch zu verarbeiten. 1928 fühlte ich mich reif, das große Thema anzupacken (...).“ Dix, zwei Jahre zuvor zum Professor an der Akademie der Bildenden Künste Dresden berufen, forderte ein extra großes Atelier und malte die nächsten vier Jahre an diesem Triptychon. Entstanden ist die bekannteste, größte und eindrücklichste Darstellung über den Ersten Weltkrieg: brutal, schonungslos, grausam, bedrückend, voller Bezüge zur Kunstgeschichte und voller abschreckender Details. Die linke Tafel zeigt den Auszug von Soldaten im Morgengrauen. Spitz ragen die Waffen aus der grauen Menschenmasse, die wie aus einem Nebelmeer aufsteigend ins Bild hineinzieht. Das Morgenrot hat die Farbe von Blut. Die Mitteltafel – das Schlachtfeld – ist nicht vom Lärm eines Kampfes erfüllt. Es ist eine Stätte

Uta Baier

Schonungslos und brutal Otto Dix‘ Triptychon „Der Krieg“ wurde in Dresden erstmals untersucht

Den Krieg hat der Maler und Grafiker Otto Dix (1891–1969) freiwillig, an vorderster Front und von Anfang an erlebt. Insgesamt war er 38 Monate, unterbrochen nur von Lazarett-, Ausbildungs- und Urlaubszeiten, Soldat. In dieser Zeit entstanden 500 Zeichnungen und 100 Gouachen. Es handelt sich vor allem um Landschaften und Detailstudien.

Der Krieg (Triptychon), Otto Dix (1861–1969), 1929–1932, Mischtechnik auf American Whitewood, Flügel H. 204 cm, B. 102 cm, Mitteltafel H. 204 cm, B. 204 cm, Predella H. 60 cm, B. 204 cm, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gal.-Nr. 3754

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Nach dem Krieg begann die Aufarbeitung der Erlebnisse: Dix radierte 50 große Blätter, auf denen er einzelne Szenen festhielt, malte die „Kriegskrüppel“ und das heute verschollene „Schützengraben“-Bild. Ein Schockbild, das das Kölner Wallraf-Richartz-Museum 1923 mit Rücksicht auf „empfindsame Besucher“ nur hinter einem Vorhang zeigte. Ein Kritiker beschrieb es so: „Aus geöffneten Schädeln quillt das Gehirn gleich dicker, roter Grütze; zerrissene Glieder, Eingeweide, Uniformfetzen, Patronenkapseln bilden einen wüsten Haufen (...).“ Später wur-

de es in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt, an den Kunsthändler Bernhard A. Böhmer verkauft, danach verliert sich seine Spur. Heute existieren nur Schwarz-Weiß-Fotos. Das Kriegsthema ließ Otto Dix (1891–1969) nicht los. 1929, mehr als zehn Jahre nach dem Krieg – im gleichen Jahr, in dem Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ erschien – begann er mit seinem Triptychon „Der Krieg“. So steht es in der Literatur. Doch die Dresdner Restauratorinnen Marlies Giebe und Maria Körber ha4/2014

Fotos: (1) VG Bild Kunst, Bonn und Staatliche Kunstsammlungen Dresden; (Im Kasten) Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren/Peter Hinschläger

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der Qualen, des Todes und unterschiedlicher Stadien der Verwesung. Dix studierte für die genaue Darstellung von Gedärm und Hirnmasse in der Dresdner Pathologie Originalmaterial. Die rechte Tafel zeigt die Rückkehr der gebrochenen, verwundeten Krieger. Aus der stahlhelmbewehrten Masse sind verletzliche und verletzte Einzel-Menschen geworden. In die Predella, die oft der Ort von Beweinung und Grablegung ist, malte Otto Dix ruhende Soldaten im Unterstand. Dass sie nur ruhen, ist nicht eindeutig zu erkennen, vielmehr lässt Dix den Betrachter die klaustrophobische, tödliche Enge in so einem Unterstand spüren. Untersuchungen des Gemäldes „Das Bild ist eines der großen Hauptwerke der Galerie Neue Meister und war seit der Erwerbung immer ausgestellt“, sagt Chef-Restauratorin Marlies Giebe, die es im vergangenen Jahr für sechs Wochen zur Untersuchung abhängen konnte. Eine konservatorische Durchsicht war nötig, es gab kleinere Probleme an Brettfugen und stellenweise

Abstract Shockingly brutal The triptych „Der Krieg”(War) of Otto Dix was examined for the first time in Dresden The painter and graphic artist Otto Dix (1891–1969) served at the front as volunteer from the very start of the war. In all, he served as soldier for 38 months except for periods spent in military hospital, training and on leave. During these months he produced 500 drawings and 100 gouaches. For the most part they depict landscapes and detailed studies. The subject of war never loosened its hold on Otto Dix. In 1929, more than ten years after the war, he commenced work on his triptych „Der Krieg” (War). The article describes the insights acquired during the course of investigations.

Künstler und Soldat – Otto Dix (1881–1969) 1891 Geburt in Untermhaus bei Gera als Sohn eines Eisenformers und einer Näherin 1906–1910 Lehre als Dekorationsmaler bei Carl Senff in Gera 1910–1914 Besuch der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden 1914 Als Ersatz-Reservist eingezogen 1915 Freiwillige Meldung an die Front 1919 Rückkehr nach Dresden Bis 1922 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Dresden 1919 Mitbegründer der „Dresdner Sezession – Gruppe 1919“ 1927–1933 Professor an der Kunstakademie in Dresden 1933 Entlassung aus dem Lehramt als einer der ersten Künstler, öffentliche Diffamierung als „entarteter Künstler“ in einer Ausstellung im Dresdener Rathaus, Umzug nach Süddeutschland Ab 1934 Ausstellungsverbot in Dresden 1937/38 Acht Hauptwerke in der Ausstellung „Entartete Kunst“, 260 Dix-Werke werden in deutschen Museen beschlagnahmt Ab 1933 „Innere Emigration“ in Süddeutschland 1939 Kurzzeitige Verhaftung wegen des Verdachts, am Attentat auf Hitler beteiligt gewesen zu sein 1945 Zum Volkssturm eingezogen, geriet in französische Gefangenschaft 1955 Teilnahme an der documenta 1 1957 Umfassende Retrospektive in Berlin (Ost) 1969 Tod in Hemmenhofen

Selbstbildnis mit Staffelei, Otto Dix, 1926, Tempera/Holz, H. 80,5 cm, B. 55,5 cm, Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren

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1914 auswirkungen auf die kunst

1914 auswirkungen auf die kunst

1914. Ist Krieg ausstellbar? Dr. Angelica Francke, Kunsthistorikerin in Bonn, und Prof. Dr. Heike Gfrereis, Literaturwissenschaftlerin in Marbach, haben sich jeweils mit einer Ausstellung und unterschiedlichen Kunstgattungen dem Ersten Weltkrieg genähert. Ein Interview.

Dr. Angelica Francke und Prof. Dr. Heike Gfrereis sind froh, dass ihre jeweiligen Ausstellungen nun vorbei sind, obwohl sie überdurchschnittlich viele Besucher angezogen haben.

„1914. Avantgarden im Kampf“ Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundes­ republik Deutschland in Bonn 24. September 2013– 23. Februar 2014 Besucher: 78.000 Anzahl der Objekte: rund 300 Ausstellungskatalog: 323 Seiten, Köln 2013, 2. Auflage, € 79,00. Prof. Dr. Heike Gfrereis Direktorin und Kuratorin „1914. Literatur und Krieg“ Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne im Deutschen Literaturarchiv in Marbach 16. Oktober 2013 –21. April 2014 Besucher: 17.120 Anzahl der Objekte: 243 Ausstellungskatalog: Marbacher Magazin, 3 Bände, zusammen 716 Seiten, Marbach 2013, je € 15,50.

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se an den Avantgarden in der Kunst sind in der Literatur der Expressionismus und der Dadaismus, die beide immer auf den Ersten Weltkrieg zurückgeführt werden, wobei, wenn – man scharf hinschaut – der Krieg der Formen in der Literatur früher beginnt: Ernst Stadlers „Aufbruch“ ist von 1913, Georg Heyms „Krieg“ sogar schon von 1911. Gibt es bekannte Werke, die man für gewöhnlich falsch einordnet? Gfrereis: Franz Kafkas „Der Prozess“ ist um den 11. August 1914 angefangen worden und damit auch ein Roman dieser Zeit, den wir aber so nie wahrnehmen. Für uns gehört eher „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque dahin, obwohl er erst 1929 erscheint, im selben Jahr, in dem auch Otto Dix sein großes Kriegsbild malt. Das heißt: Die Literatur und die Kunst, die wir gewöhnlich mit dem Ersten Weltkrieg verbinden, ist früher und später entstanden, zum Teil auch noch in den 1930er Jahren. Wir kommen zur Entwicklung vor 1914. Es gibt zur Zeit in Zürich die Ausstellung „1900–1914. Expedition ins Glück“, die die These aufstellt, 4/2014

Technikglaube und Technikfurcht prägen diese Jahre wie auch die Sehnsucht nach einer ursprünglichen Form des Lebens, nach Natur und Jugend und einer eher antik-epischen Welt, nach Abenteuern und insofern auch nach dem Krieg. Aber niemand stellt sich vor, was ein Krieg in dieser Zeit tatsächlich bedeutet. Kommt in der Literatur vor 1914 eine deutschfranzösische Divergenz, die ja später auch zum Zweiten Weltkrieg führen wird, zum Ausdruck? Gfrereis: Von einer europäischen Urfeindschaft findet man in den Quellen des Literaturarchivs nichts, im Gegenteil. Die Welt ist damals schon eher eine ohne Grenzen. Rilke lebt seit Jahren in Paris, man studiert in London und Rom und reist nach Moskau. Ernst Stadler zum Beispiel ist in Colmar geboren, wurde in Oxford promoviert und sollte eigentlich im September 1914 nach Toronto reisen, um dort eine Professur anzutreten. Und nach 1914? Gfrereis: Da werden von einem Tag auf den nächsten aus Pazifisten plötzlich Nationalisten. Der Freund vom Tag davor ist plötzlich der Feind. Nicht Das Objekt, das Gfrereis im Gedächtnis geblieben ist: Das Päckchen mit den letzten Gegenständen von Gustav Sack, das am 26. Dezember 1916 bei seiner Frau, Paula Sack, eintrifft.

Foto: Literaturmuseum der Moderne, Marbach

Dr. Angelica Francke Kunsthistorikerin und Ausstellungsleiterin

Warum weckt das Datum „1914“ ein solches Interesse, wie Sie es mit Ihren Ausstellungen erfahren haben? Angelica Francke: Aus meiner Sicht sind es mehrere Faktoren. In Deutschland liegt, im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern, der Fokus stark auf dem Zweiten Weltkrieg. Für uns ist dies der einschneidendere Krieg gewesen. Für das europäische Ausland war hingegen der Erste Weltkrieg die „Urkatastrophe des Jahrhunderts“. Aus meiner Sicht ist damit ein gesteigertes Interesse zu erklären. In der Bildenden Kunst ist es zudem so, dass die Avantgarden sehr beliebt sind. Dabei wurde die Zeit des Ersten Weltkrieges in den bisherigen Ausstellungen und in den Künstlerbiografien ausgespart. Heike Gfrereis: Wir hatten bei unserer Ausstellung Kooperationspartner in England und Frankreich, die uns die Andersartigkeit der Bedeutung des Ersten Weltkrieges in der kulturellen Erinnerung deutlich vor Augen geführt haben. Inzwischen gibt es in Deutschland ein persönliches Interesse daran, diese Lücke zu füllen; vielleicht auch aus Übersättigung durch den sehr gegenwärtigen Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Das Pendant zum Interes-

dass die Gesellschaft in vielen Bereichen – Technik, Erziehung, Rollenverteilung – aufbrach und der Erste Weltkrieg nicht vorhersehbar war. Würden Sie das für Ihre jeweilige Kunstgattung auch so unterstreichen? Francke: Ich sehe das differenzierter. In einem Raum haben wir Künstler unter dem Begriff „Vorahnungen“ ausgestellt, da sie sich mit apokalyptischen Themen auseinandersetzten. Der Gedanke dahinter war, dass diese Personengruppe, möglicherweise aus einer bestimmten Sensibilität heraus, ein anderes Gespür für diese Zeit hatte. In dem Raum hingen zum Beispiel der Kriegszyklus von Alfred Kubin, den er bereits 1909 zeichnete, oder die apokalyptischen Landschaften von Ludwig Meidner, die 1912 entstanden. Kubins Werk ist nun so weit vor dem Krieg entstanden, dass sich dieser noch nicht wirklich abzeichnete. Dies könnte aber auch als Frage formuliert sein. Allerdings haben wir es nicht mit einer kriegslosen Zeit zu tun. Es herrschten die Balkankriege, so dass man sagen kann, dass das Kriegsthema quasi in der Luft lag. Gfrereis: Für die Literaten ist der Krieg ein Thema der Literatur, aber keines des Lebens und der Wirklichkeit. Es gibt kaum so etwas wie Vorahnungen. Die allermeisten werden im Urlaub von der Kriegserklärung überrascht, viele in Holland und auch in der Schweiz. Kafka kommt gerade von der Ostsee zurück, Rilke, der in Paris lebt und gerade Deutschland besucht, kann nicht mehr heimreisen. Die Zeit um 1910 ist eine, in der sich die Welt rasant entwickelt hat und die Zukunft immer ungewisser wird.

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Thema: Barocke Werke – neue studien

Barocke werke – neue studien

Zsuzsanna Korhecz Papp

Sebastian Stettner (1699–1758) Die Wiederentdeckung eines Barockmalers aus Buda

Die Verfasserin restaurierte von 1995 bis 1999 fünf Gemälde des Hauptaltars der Franziskanerkirche in Subotica (Serbien). Das dort vorhandene Archivmaterial gab bereits Hinweise auf die Urheberschaft Sebastian Stettners (1699–1758). Durch die Untersuchung der Materialien und Herstellungstechniken sowie die Auswertung der Quellen konnten diesem Meister weitere neun Werke zugeordnet werden.

Die heilige Barbara, Sebastian Stettner, um 1739, H. 161 cm, B. 150 cm, Piaristenkirche, Kecskemét

Den Zufällen der Geschichte ist es zu verdanken, dass die Gemälde auf dem Hauptaltar der Franziskanerkirche Sankt Michael in Subotica (Vojvodina, Serbien) den Schlüssel zur Identifizierung des Konvolutes von Sebastian Stettner gaben. Einst war dieser Künstler hoch geschätzt, geriet aber im 20. Jahrhundert in Vergessenheit. Dank der Chronik der Franziskaner in Subotica sowie der Restaurierung und den darauf folgenden, intensiven Nachforschungen, war es überhaupt möglich, das Werk dieses ungarischen Barockkünstlers zu erschließen. Die folgenden Ausführungen sind ein Teil der umfassenden Recherchen, die die Verfasserin im Rahmen ihrer Dissertation geleistet hat. Der Maler und seine Werke Der Kunstmaler und Vergolder ungeklärter Herkunft Sebastian Stettner (1699–1758) ließ sich 1727 in Buda (Ungarn) nieder, wo er 1736 das Bürgerrecht erhielt. Die Stadtväter machten ihre Entscheidung von dem Einverständnis zweier Kunstmaler in Buda abhängig: Georg Falkoner (1646– 1741) und Kaspar Landtrachtinger (1670–1744). Um 1738 konnte er durch seine Heirat mit Maria Theresia Seth (1716–1789) ein Haus erwerben, in dem er seine Werkstatt leitete (Schoen 1930: 182). Seine Frau war ebenfalls Malerin und führte die Werkstatt nach Stettners Tod weiter. Sein Können auf dem Gebiet der Malerei, das italienische Einflüsse widerspiegelt, kann vor allem an seinen unsignierten Altarbildern studiert werden. Da die größeren Aufträge, die Sebastian Stettner ausführte, vor allem aus den ungarischen Provinzstädten kamen, sind seine Werke hauptsächlich in diesen zu finden: In der Piaristenkirche in Szeged (hl. Barbara, 1739, heute in Kecskemét1) (Abb. 1), in der Franziskanerkirche in Subotica (hl. Michael (Abb. 2), hl. Georg, hl. Cecilia, hl. Lucia, alle 17412), in Pest (hl. Anna (Abb. 3), 1743, sowie ein Tafelbild mit der Darstellung der Verlobung Marias, heute in Privatbezitz), in Nagykanizsa (hl. Didacus, 1749), in Gran (hl. Georg, 1754 sowie hl. Petrus von Alcántara, hl. Florian und hl. Johannes Kapistran) und in der Pfarrkirche in Kalocsa (Die hl. Jungfrau mit Skapulier 1740 bzw. 1755 Überführung in einen neuen Altar, heute in Baja). Charakteristisch sind für Stettners Werke, neben den materialtechnologischen Übereinstimmungen, die ausgewogene Gesamtkomposition, die harmonische Farbgebung sowie die Lieblichkeit der Figuren. Leider ist bisher kein Porträt Stettners bekannt, obwohl diese in einigen Archiv-Einträgen erwähnt werden, zum Beispiel im Archiv des ungarischen

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Der heilige Demetrios, der heilige Georg und das Werk mit

der Heimkehr aus Ägypten sind verloren. 2

Der heilige Franziskus, der Heilige Alexius und die Darstel-

lung der Immaculata sind verloren.

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Sebstastian Stettner – Künstler und Auswanderer 1699 Geburt in „Dorst [?], Baijern“ (Schoen 1930: 182) 1727 In Buda (Ungarn) nachgewiesen 1736 Erlangung des Bürgerrechts nach dem Einverständnis zweier Kunstmaler in Buda: Georg Falkoner (1646–1741) und Kaspar Landtrachtinger (1670–1744) 1738 Heirat mit Maria Theresia Seth (1716–1789), Malerin 1738 Erwerb eines Hauses und Einrichtung einer Werkstatt 1758 Tod in Buda, Weiterführung der Werkstatt durch seine Frau

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Adeligen György Erdó´dy (1674–1758). Weitere sakrale Werke, die aus anderen Archivquellen bekannt sind, wurden zerstört (Némethy 1881: 300, Schoen 1930:183, Éber 1936: II.475). Die Verfasserin konnte darüber hinaus nachweisen, dass die Bildhauerarbeiten des Altars in Subotica das Werk Antal Hörgers (1676–1765) sind. Er war, so liest es sich in den Quellen, einer der führenden Holzschnitzmeister in Buda, fertigte aber auch Steinskulpturen, wie die Beispiele der Immaculata und des heiligen Florian (1723) an der innerstädtischen Pfarrkirche in Budapest belegen (Éber 1936: I. 479). Aufgrund ähnlicher Konstruktionen und Stilmerkmale vermutet die Verfasserin, dass auch die weiteren Altäre von Antal Hörgers geschaffen wurden (Korhecz Papp 2012). Kunstentwicklung in Ungarn Die 1730er Jahre waren ein Wendepunkt für die Kunstentwicklung in Ungarn. Etwa ab diesem Zeitpunkt beauftragten die großen Mäzene, wie etwa der Erzbischof Imre Eszterházy de Galàntha, statt der bis dahin gefragten italienischen Meister mehr und mehr Künstler süddeutscher, mährischer oder österreichischer Herkunft, wie das Beispiel Georg Raphael Donner (1693–1741) zeigt. Hier ist in den

Der heilige Michael, um 1741, H. 300 cm, B. 157 cm, Franziskanerkirche, Subotica; Detail der Vergoldung

Abstract Sebastian Stettner (1699–1758) Rediscovery of a baroque painter from Buda In the 18th century Sebastian Stettner (1699–1758) was one of the leading artists in Buda (Hungary). Nevertheless, until a few years ago, he was unknown. Scholars have now been able to allocate 14 unsigned works to this Old Master. The article provides insights into his painting techniques and the restoration.

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