Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger
www.restauro.de
RESTAURIERUNG EINES GOTISCHEN SCHRANKES ITALIENISCHE RESTAURATORENREFORM STABILISIERUNG UND PRÄSENTATION EINER KOGGE HILFREICHE WEBSITES FÜR RESTAURATOREN UMGANG MIT SCHIMMELPILZBEFALLENEM KULTURGUT BISLANG UNBEKANNTES KIRCHNER-GEMÄLDE TOPOGRAPHIC REGISTRATION OF SURFACES ON PAINTINGS »DAS GEHEIMNISVOLLE GRAB 63« VON THEBEN
6 September 2010
INHALT Cleaning forever
Foto: David Aquilella Cueco
346
343
Editorial
346
Kolumne Cleaning forever!
352 353 355 355
Blickpunkt Zusammenarbeit von Restauratoren und Künstlern in den USA Städel Museum stellt bislang unbekanntes Kirchner-Gemälde vor Endoskopieuntersuchung gibt Aufschluss über Konservierungszustand der Concorde Erstmals zwei »Europa Nostra« Hauptpreise für Deutsche Baudenkmäler verliehen
356
Ankündigungen Veranstaltungsankündigungen zu Tagungen, Symposien und Messen
360
Nachgefragt E-Mail aus Italien
364 365
Ausstellungen »Das geheimnisvolle Grab 63« von Theben Malewitsch und der Suprematismus
366
Lesezeichen
367
Internet Informative Newsletter, Mailing Lists und Netzwerke
368
Firmen und Produkte
Wandmalereien in den USA
Foto: Camille Perrottet. Used courtesy of Rescue Public Murals.
352
RESTAURO AKTUELL
RESTAURO THEMEN
360
370
Anlena Förster und Antje-Nicola Kreuzberg Schimmelpilzbefallenes Kunst- und Kulturgut Ein Erfahrungsbericht zu Entschimmelungen
380
Per Hoffmann Die »Bremer Kogge von 1380« Korrektur, Stabilisierung und Präsentation – die vierte Phase des Projektes
388
Wolfgang Schitke Der Gotische Schrank in der Kirche in Maua Sein Erscheinungsbild hat ihn über die Zeit bewahrt
396
Mille Stein and Annika Haugen Topographic registration of surfaces on canvas paintings Investigations with a mobile non-contact profilometer
E-Mail aus Italien
Foto/© Pescoller
RESTAURO RUBRIKEN 402 402 406
344
Autoren Termine Impressum
6/2010
INHALT Vierte Projektphase zur »Bremer Kogge«
388
Maßnahmen an einem gotischen Schrank
Foto/© Wolfgang Schitke
Foto: Per Hoffmann
380
Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger
Titelbild Sandalenpaar, links vor der Entschimmelung, rechts dekontaminiert. MHK, Sammlung Volkskunde, Leihgabe Stadt Kassel. Foto: Anlena Förster
www.restauro.de
RESTAURIERUNG EINES GOTISCHEN SCHRANKES ITALIENISCHE RESTAURATORENREFORM STABILISIERUNG UND PRÄSENTATION EINER KOGGE HILFREICHE WEBSITES FÜR RESTAURATOREN UMGANG MIT SCHIMMELPILZBEFALLENEM KULTURGUT BISLANG UNBEKANNTES KIRCHNER-GEMÄLDE TOPOGRAPHIC REGISTRATION OF SURFACES ON PAINTINGS »DAS GEHEIMNISVOLLE GRAB 63« VON THEBEN
6 September 2010
Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.
Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger 116. Jahrgang
6/2010
Für die Zukunft gestalten.
345
BLICKPUNKT
Foto: Camille Perrottet. Used courtesy of Rescue Public Murals.
1
2 Foto: Camille Perrottet. Used courtesy of Rescue Public Murals.
Beispielhafte Zusammenarbeit von Restauratoren und Künstlern rettet Wandmalereien in den USA
1 »Homage to Seurat: La Grande Jatte in Harlem« (1986): Der Erhaltungszustand von Eva Cockcrofts Wandgemälde vor … 2 … und nach den Restaurierungsmaßnahmen.
352
In New York ist es Restauratoren und Künstlern nach beispielhafter zweijähriger Zusammenarbeit gelungen, die ca. 81 m2 Meter große Gebäudewandmalerei »Homage to Seurat: La Grande Jatte in Harlem« (1986), nahe des Hope Stevens Garden in Harlem (New York), erfolgreich zu restaurieren und konservieren. Über zwei Jahrzehnte war das Wandgemälde der Witterung ausgesetzt gewesen, sodass es sich in einem desolaten Zustand befand: Im Laufe der Zeit waren die einst brillanten Farben durch permanente Sonneneinstrahlung, Wind und Regen immer mehr verblasst und stumpf geworden. Manche Stellen waren sogar durch die konstante Einwirkung der Elemente gänzlich freigelegt worden. Dass hier schnelles Eingreifen gefragt war, um das einzige noch erhaltene Wandgemälde der berühmten amerikanischen Künstlerin Eva Cockcroft (1936– 1999) zu retten, erkannte das National Institute of Conserva-
tion (Washington DC, USA) und beauftragte im Rahmen des Programms »Heritage Preservation« die Organisation »Rescue Public Murals« mit dem Restaurierungsprojekt: Innovativ war insbesondere die Vorgehensweise und Realisierung des Projekts, bei dem Künstler und Restauratoren erstmals gleichrangig Seite an Seite arbeiteten. Die teilnehmenden Konservatoren erfüllten in erster Linie eine beratende Funktion und gaben den Künstlern Tipps und Anweisungen bezüglich der zu verwendenden Materialien und Arbeitstechniken. Bei vorherigen Untersuchungen des Konservierungszustands der Wandmalerei konnten Farbabplatzungen auf eine fehlende Grundierung zurückgeführt werden, was bedeutete, dass die fraglichen Stellen neu übermalt werden mussten, bevor das Kunstwerk konserviert werden konnte. Unter Aufsicht der Restauratorin Harriet Irgang Alden (Rustin Levenson Art Conservation) und der künstlerischen Leitung von Janet Braun-Reinitz, einer früheren Kollegin Cockcrofts, gelang es den zahlreichen am Projekt teilnehmenden New Yorker Künstlern und vielen freiwilligen Helfern, den
Konservierungszustand der Wandmalerei wieder herzustellen: Dank vorangegangener Laboranalysen von Farbproben der Wandmalerei der University of Delaware und des Getty Conservation Institutes Los Angeles, die Aufschluss über die künstlerische Arbeitsweise Cockcrofts gaben, fiel es den Künstlern leicht, die originalen Farbtöne nachzumischen. Insbesondere beispielhaft für die Rettung des Wandgemäldes hat sich die private Spendenorganisation »Friends of Heritage Preservation« eingesetzt, deren großzügige Spenden die kostspieligen Restaurierungsmaßnahmen erst ermöglichten. Die Organisation, deren Ziel es ist, kulturelle Identität durch Erhaltung von bedeutenden, gefährdeten Kulturgütern zu bewahren, möchte sich auch zukünftig für die Erhaltung dieser Gebäudewandmalereien einsetzen: Ähnliche Werke wie »Homage to Seurat: La Grande Jatte in Harlem« prägen das Stadtbild vieler amerikanischer Großstädte wie z. B. Atlanta, Chicago, Philadelphia, Los Angeles, San Francisco etc. auf einzigartige Weise. Diese künstlerische Tradition entstand zum Ende der 1960er-Jahre und dauerte fast 40 Jahre an: Nachbarschaftsgruppen und Künstler taten sich zusammen, um gemeinsam Gebäudewände und Mauern mit überlebensgroßen und farbenfrohen Wandmalereien zu gestalten. Zukünftig sollen weitere vom Verfall bedrohte Kunstwerke nach dem Vorbild des erfolgreichen Harlem-Projekts restauriert werden, denn der kulturelle und historische Wert dieser Kunstwerke ist unschätzbar, die zum Teil eindrucksvoll die sozialen Zustände und Bewegungen der verschiedenen Epochen dokumentieren. Weitere Informationen sind unter www.heritagepreservation.org/RPM/index.html einzusehen. AM
6/2010
Histolith
BLICKPUNKT Städel Museum stellt bislang unbekanntes KirchnerGemälde vor Im Rahmen der Vorbereitungen zur aktuellen Retrospektive von Ernst Ludwig Kirchner im Städel Museum ist ein Gemälde aus dem Depot des Museums in den Fokus geraten, das nun eindeutig Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) zugeschrieben werden konnte. Bislang war das Bild der Kirchner-Forschung völlig unbekannt. Die aus Kirchners Dresdner Brücke-Zeit (1905–1911) stammende Leinwand zeigt auf der Vorderseite eine Szene im Wald (Moritzburger Teiche), auf der Rückseite einen Akt im Atelier. Beide Bilder datieren vermutlich aus dem Jahr 1910. In den nächsten Monaten soll das Gemälde beidseitig konserviert und die Rückseite umfangreich restauriert werden, bevor es dann zur Neueröffnung des Städel Museums im Herbst 2011 erstmalig in die Sammlungspräsentation aufgenommen werden wird. Die Vorderseite »Szene im Wald (Moritzburger Teiche)« dürfte im Zusammenhang mit einem der Ausflüge der BrückeKünstler an die unweit von
Dresden gelegenen Moritzburger Teiche 1910 entstanden sein. Bekannt ist die dargestellte Szene bereits durch Erich Heckels Gemälde »Gruppe im Freien« (Privatbesitz) und Max Pechsteins Gemälde »Szene im Wald« (Privatbesitz), die eine verblüffende Ähnlichkeit aufweisen. Bislang wusste man zwar, dass auch Kirchner an dem Ausflug teilnahm – ein mit Heckels oder Pechsteins Arbeit vergleichbares Werk lag jedoch nicht vor. Das Gemälde ist auf der Vorderseite (unten links) signiert und datiert: »E L Kirchner 08«. Wie häufig bei Kirchner erfolgten Signatur und Datierung aber zu einem späteren Zeitpunkt – vermutlich hat der Künstler das Gemälde Anfang der 1920er-Jahre großflächig überarbeitet und in diesem Kontext nachträglich signiert. »Die Signatur«, so Stephan Knobloch, Leiter der Gemälderestaurierung im Städel Museum, »liegt eindeutig auf der späteren, von Kirchner selbst durchgeführten Überarbeitung aus den 1920er-Jahren. Damit wird ein weiteres Mal offenkundig, dass Kirchner seine Gemälde vordatiert hat.« Mithilfe von Infrarotaufnahmen ließen sich nicht nur Kirchners Übermalun-
Die beste Alternative für Altbaurenovierung und Denkmalpflege
NEU
1
Das Histolith-Produktprogramm umfasst eine einzigartige Auswahl denkmalgerechter Farben und System lösungen für die Baudenkmalpflege. Ganz neu ist die Dispersions-Silikatfarbe Histolith Sol-Silikat, die universell auf neuen wie alten mineralischen Putzen zum Einsatz kommt. Gestalterisches Plus: Mit Histolith Sol-Silikat lassen sich auch kräftige, intensive Farbtöne ideal darstellen.
Foto/© Städel Museum
Gerne informieren wir Sie im Detail: baudenkmalpflege@caparol.de Tel.: 06154-71572 · Tel.: 06154-711423 Fax: 06154-75510
1 Ein beidseitig bemaltes Gemälde konnte Kirchner zugeschrieben werden. Die Vorderseite zeigt eine »Szene im Wald (Moritzburger Teiche)«.
6/2010
www.caparol.com
NACHGEFRAGT E-Mail aus Italien Da waren mal zwei Freunde aus verschiedener nationaler Umgebung, der eine ein Südtiroler, Markus Pescoller, aus der gleichnamigen autonomen Provinz in Italien, mit Studium in Wien und Berlin, und der andere ein drei Autostunden nordwestlich in einem Schweizer Seitental des italienischen Sprachgebiets der Grauen Bünde werkender und lebender Kollege, Hans-Christoph von Imhoff, den es schon lange gibt, der sich vielerorts getummelt hat und sich häufig und sehr intensiv mit Berufsdefinitionen, -anerkennung und -ausbildung theoretisch und praktizierend beschäftigt hat. Der eine ist ein sehr klar denkender Philosophicus mit zugehörigem Berliner Titel, Erfahrung und ein weitertragender, praktizierender Restaurator eines vom Vater übernommenen Familienbetriebs; der andere schreibt gelegentlich, systematisiert gerne, hat eine Reihe wichtiger Konservierungswerkstätten an offiziellen Institutionen (Museen etc.) in der Schweiz und Canada gegründet und betrieben und er hat mit Kunst im Bergell zu tun; das ist das Bergtal, das die reichen Italiener und die im Engadin arbeitnehmenden Italiener hinunterfahren müssen, wenn sie und andere von St. Moritz über den Maloja nach Mailand oder heimfahren.
1
Foto/© Pescoller
Bei einem von der Redaktion RESTAURO für die eigene Equipe in Leipzig gegebenen Essen nahmen auch die Beiden teil. Das Gespräch in der Runde kam auf verschiedene nationale Wege der Arbeitsbeschaffung, Qualitätskontrolle sowohl der ausführenden wie der ausgeführten Arbeit, Preisbildung, Sozialsituation und Berufsanerkennung. Pescollers sehr präzise Darstellung der italienischen Situation war faszinierend und kompetent – und gegenläufig zu den gelegentlich zu hörenden eher abschätzigen Aussagen anderer Kollegen die italienische Berufsituation betreffend.
1+2 Markus Pescoller (oben) und Hans-Christoph von Imhoff beim E-Mail-Austausch
Es entstand die Idee, in RESTAURO doch eine Serie zu beginnen, in der jemand mit Kompetenz die Berufssituation der praktizierenden Restauratoren in einzelnen Ländern Europas und evtl. auch außerhalb darstellt, sodass nach einer gewissen Zeit ein Überblick über die Situation in den europäischen Staaten und im anderen Ausland erarbeitet würde, der besonders jungen Berufstätigen Vergleichsmöglichkeiten böte – und Markus Pescoller solle mit der Beschreibung der Situation in Italien beginnen. Das hat sich vorerst nicht realisiert und wandelte sich dann in ein Projekt, in dem in zunächst kleiner, aber wechselnder Runde, protokolliert und publiziert, eine Diskussion zur Entwicklung der Theorie(n) der Praxis der Konservierung-Restaurierung geführt und diese eventuell weiterentwickelt werden sollten. Auch das schlief ein – bzw. wurde auf Eis gelegt – geriet in die Finanzkrise und setzte dann etwas Schimmel an.
360
6/2010
2
Foto/© Tobias Eichelberg
Es gab dann ein sehr plötzliches Erwachen, das von recht viel Lärm verursacht wurde, der bis in die Cons-Dist-List vordrang, gemäß derer eine neue italienische Gesetzgebung und Definition des restauratore demnächst in Kraft trete. Daraufhin gab es neuen Kontakt zwischen den Beiden, die entsprechenden E-Mails sind weiter unten wiedergegeben. Aktualisiert worden ist das Ganze durch eine Begegnung der Beiden auf der Fachmesse »Salone del Restauro« in Ferrara im März 2010 und die Diskussion verschiedener Äußerungen prominenter italienischer Konservierungsverwalter in deren Katalog und der Messezeitung (siehe RESTAURO 5/2010, S. 288). Der darauf folgenden E-Dialog wird hiermit weitergegeben:
NACHGEFRAGT From: Hans-Christoph von Imhoff [mailto:xoph.von.imhoff@tele2.ch] Sent: Wednesday, April 28, 2010 00:31 AM To: ‘Markus Pescoller’ Subject: Die neue italienische Definition des Restaurators Lieber Markus Irgendwie scheine ich etwas verschlafen zu haben: In der neuesten Conservation Dist List (CDL 23.39) von gestern ist die neue italienische Gesetzgebung und Definition des Restaurators erwähnt. Kannst Du mich da ein wenig aufklären oder mich auf einschlägige Dokumente verweisen? Herzlich / Xoph
Von: Markus Pescoller [mailto: Markus@pescoller.it] Gesendet: Donnerstag, 29. April 2010 07:32 An: Hans-Christoph von Imhoff Betreff: Re: Die neue italienische Definition des Restaurators Hallo Christoph, Im Grunde geht es dabei um eine Definition des Restaurators und um den Schutz des Berufsbildes, wie er ja weltweit angestrebt wird. Dazu muss man sagen, dass daran schon lange herumgebastelt wird. Zunächst wollte man ein albo nazionale dei restauratori machen, in dem alle eingetragen werden sollten, die restaurieren dürfen. An welche Kritierien man damals dachte, und wer nun genau die Promotoren dieses neuen Versuches sind bzw. wer genau dahintersteht, weiß ich nicht, doch dürfte es ein allgemeines Bedürfnis gewesen sein, kombiniert mit der Initiative von einigen Leuten. Mir wurde zugetragen, dass das ICR und das OPD wesentlich daran beteiligt waren. Der Architekt des Gesetzes Pierfrancesco Ungari sagte mir jedenfalls, dass er sehr breite Gespräche geführt hat, was sich durchaus an der Komplexität des Anerkennungsverfahrens ablesen lässt. Im Grunde geht es darum, die Zahl derjenigen einzuschränken, die an bedeutenden Kulturgütern arbeiten dürfen. Weil es bis dato – wie auch in vielen anderen Ländern Europas auch – keine legifizierte Definition derjenigen gab, die sich Restaurator nennen dürfen und damit autorisiert sind – was natürlich wichtig ist –, bestimmte Arbeiten ausführen zu dürfen, kam es – wie in Italien üblich – zu einer sogenannten »sanatoria«, d. h. zu einer nachträglichen Sanierung in Form einer gesetzlichen Definition des Restaurators auf dem Sanierungswege. Sie nennt sich »bando per il conseguimento delle qualifiche professionali di restauratori di beni culturali.« Ich hole hier noch etwas aus, um das Verständnis zu erleichtern: Italien hat das Problem, dass es kulturell nicht einheitlich ist. Im Norden werden Gesetze und Normen als eng gefasste Handlungsanweisungen verstanden, im Süden ist das Verständnis eher, dass es breite Handlungslandschaften sind, in denen vieles möglich ist. Um viele auch im Süden auf gerade Bahnen zu bringen, hat man versucht, über ein neues Gesetz die Vielfalt der Möglichkeiten einzuschränken. – Damit nicht einer, der gerade mal fähig ist, einen Pinsel gerade zu halten, ein Fresko restauriert, oder besser: sich als Restaurator auf irgendwelchen Wegen in Berufslisten eintragen lässt (diese Wege sind häufig auch emotionaler Natur) und dadurch legitimiert wird, besagtes Fresko zu restaurieren.
6/2010
361
THEMEN Anlena Förster und Antje-Nicola Kreuzberg
Schimmelpilzbefallenes Kunst- und Kulturgut Ein Erfahrungsbericht zu Entschimmelungen
1 Sandalenpaar, links vor der Entschimmelung, rechts dekontaminiert. MHK, Sammlung Volkskunde, Leihgabe Stadt Kassel. 1
Im Folgenden soll nicht erklärt werden, was Schimmel ist und wie er sich auf die Objekte und die Gesundheit der Menschen, die mit den Objekten umgehen, auswirkt. Hierzu gibt es ausreichend Fachliteratur.1 Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf den Gerätschaften und Methoden, mit denen während der Durchführung zahlreicher Dekontaminierungen verschiedenster Objekte nach Berücksichtigung der Gefahrstoffverordnung gute Erfahrungen gemacht werden konnten. Aber auch hier gibt es kein Patentrezept. Das folgende Grundgerüst muss für jeden Fall erneut überprüft werden und ist noch erweiterbar. Berücksichtigt werden folgende Aspekte: Welche Mindestschutzmaßnahmen sind außer der präventiven Konservierung notwendig, um die eigene Gesundheit und die Objekte effektiv zu schützen? Ist das Arbeiten in den Schutzausrüstungen angenehm oder physisch besonders anstrengend? Womit hat man ein sicheres Gefühl, z. B. Atem-, Gesichts- und
Hautschutz betreffend? Welche Materialien und Werkzeuge haben sich bis dato als hilfreich erwiesen?
Schimmel ist ubiquitär, das heißt, er ist stets und ständig in unserer Umgebung latent vorhanden. Er kann sich bei für ihn günstigen Lebensbedingungen auf jedem Material, in jedem Raum und folglich in jeder Sammlung und jedem Depot vermeh-
ren. Erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Vermehrung wird er für uns als Befall erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt müssen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der eigenen Gesundheit und der Objekte ergriffen werden. Bevor das Gefährdungspotenzial eingeschätzt werden kann, sollte der befallene Bereich nur in maximaler Schutzausrüstung betreten werden! Nach dem ersten Erkennen muss die Bestimmung sowohl qualitativ als auch quantitativ durch Fachleute von spezialisierten Firmen und Instituten erfolgen.2 Nach diesen Analysen können die speziell geeigneten Schutz- und Dekontaminierungsmaßnahmen ausgewählt werden. Auch wenn nur ein Einzelobjekt befallen ist, müssen die Schutzmaßnahmen genauso ernst genommen werden wie bei einer größere Anzahl von Objekten.
Anlena Förster ist Diplom-Restauratorin (FH) für Möbel und Holzobjekte und seit 2007 in Kassel und Marburg/Hessen freiberuflich tätig. Die Konfrontation mit stark verschimmelten ethnografischen Objekten aus der Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) während ihres Volontariats 2006 veranlasste Frau Förster erstmals zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Schimmel. Antje-Nicola Kreuzberg ist ebenfalls freiberufliche Diplom-Restauratorin (FH) für Möbel und Holzobjekte in Kassel/Hessen und mit eigenem Atelier seit 2003 selbstständig. Sie hat mehrjährige Praxiserfahrung im Bereich der Dekontaminierung von Objekten und befasst sich im Rahmen ihrer weiterbildenden Masterarbeit an der HAWK mit dem Thema Schimmelpilze.
Foto: Anlena Förster
Schutzausrüstung Schimmelpilzsporen und -bestandteile, sowie Stoffwechselprodukte können sowohl über die Atemwege als auch über die Haut aufgenommen werden. Für die Sichtung des Befalls sowie für die Durchführung der Dekontaminierungsmaßnahmen empfiehlt sich folglich ein Vollschutz (Abb. 2): 1. Atemschutz Es gibt verschiedene partikelfilternde Maskenarten, die gemäß DIN EN 143 entsprechend ihrem
370
6/2010
THEMEN 2
Schutzklassen für Atemschutz
Abscheidevermögen in die Partikelfilterklassen P1, P2 und P3 eingeteilt sind: – P1: schwache Filtrationseffizienz, – P2: mittlere Filtrationseffizienz, – P3: hohe Filtrationseffizienz. Dabei ist zu beachten, dass Partikelfilter nur in der Luft befindliche feste und flüssige Partikel entfernen, d. h. in unserem Fall Schimmelsporen. Gegen Gase schützen diese Filter nicht. Die zwei Maskenarten, die zur Auswahl stehen sind: – Einmalmasken: einfache Atemschutzmasken mit integriertem Filter, – Mehrfach verwendbare Masken/Geräte mit austauschbarem Filter. Atemschutz für kurze Exposition Bei kürzeren Einsätzen in kontaminierten Bereichen können partikelfilternde Einmalmasken mit entsprechender Schutzklasse (vgl. Kasten) verwendet werden. Für Pilzsporen/Schimmel wird mindestens Schutzklasse FFP2 empfohlen. Die maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) und die Technische Richtkonzentration (TRK) wurden in Deutschland am 1. Januar 2005 mit der Neufassung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) durch den Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ersetzt. Bis der AGW in die Technischen Regeln eingearbeitet ist, können die bisherigen MAK-Werte und TRKWerte für die Beurteilung der Gefährdung am Arbeitsplatz weiterhin herangezogen werden. In Deutschland legt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Grenzwerte fest. Das Ministerium wird dabei vom Ausschuss für Gefahrstoffe beraten. Sie werden in der Technischen Regel für Gefahrstoffe 900 (TRGS 900) veröffentlicht. Die Bekanntgabe erfolgt über das Bundesarbeitsblatt (BArbBl).3 Beispiel einer verwendeten Einmalmaske 3M: 8835 Atemschutzmaske FFP3 SL Vorteil: Es handelt sich um eine Platz sparende und günstige Variante. Es ist keine Pflege der Maske notwendig, da sie nach der Benutzung sofort entsorgt wird. Nachteil: Sie deckt nur Nase und Mund ab und stellt keinen Schutz für Augen und Haut dar. Das Tragen ist nicht sehr angenehm, da man permanent
6/2010
Foto: Antje-Nicola Kreuzberg
Die Klassifikation wird nach der europäischen Norm EN 149 vorgenommen: – FFP1 = gegen Feinstäube bis zum 4-fachen des MAK-Wertes, – FFP2 = gegen Feinstäube bis zum 10-fachen des MAK-Wertes, – FFP3 = gegen Feinstäube bis zum 30-fachen des MAK-Wertes.
gegen einen leichten Widerstand anatmen muss. Gleichzeitig entsteht mit der Zeit Kondensfeuchte unter der Maske.
2 Beispiel einer komplett angelegten Schutzausrüstung.
Atemschutz für längere Exposition Für längere Einsätze in kontaminierten Bereichen sollten mehrfach verwendbare partikelfilternde Viertel-, Halb- oder Vollmasken Anwendung finden. Diese gibt es als Atemschutzgerät mit Gebläse oder als druckluftunterstütztes Atemschutzsystem. Atemschutzgeräte mit Gebläse sind von der Umgebungsatmosphäre abhängig wirkende Atemschutzgeräte. Sie bestehen aus einem Atemanschluss, einem batteriebetriebenen Gebläse und einem oder mehreren Filtern, die aus der Umgebungsluft feste und/oder gasförmige Schadstoffe herausfiltern. Der Atemschutz wird bei diesen Geräten über einen permanenten Überdruck im Kopfteil erzeugt.4 Druckluftunterstützte Atemschutzsysteme sind von der Umgebungsatmosphäre unabhängig. Die Grundvoraussetzung für ihren Einsatz ist das Vorhandensein einer betrieblichen Druckluft (Kompressor, Ringleitung etc.). Vor dem Einsatz von druckluftunterstützten Atemschutzsystemen ist die Qualität der anliegenden Druckluft zu prüfen. Druckluft, die als Atemluft eingesetzt wird, muss strengen Vorgaben genügen.5 Beispiel eines eingesetzten Gerätes Sundström: Atemschutzgerät SR 500 mit Dreiviertelhaube SR 520, Visierschutz, Vorfilter SR 221, Partikelfilter P3 SR 510, Gasfilter A2 SR 518, Kombinationsfilter A1BE2K1 (Abb. 3)
371
THEMEN Wolfgang Schitke
Der Gotische Schrank in der Kirche in Maua Sein Erscheinungsbild hat ihn über die Zeit bewahrt
Ein aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammender Schrank, der lange Jahre unentdeckt auf dem Dachboden der Sankt Laurentius Kirche in Maua bei Jena verwahrt wurde, ist 2007 mithilfe eines Krans geborgen worden (Abb. 1). Er ist neben seiner klaren, übersichtlichen Gestaltung mit sehr gut erhaltenen Zierbändern aus Schablonenmalerei und aufwendigen Metallbeschlägen, die teilweise versilbert waren, ausgestattet. Nach seiner Ankunft im Kirchenraum wurde der Schrank zunächst wissenschaftlich untersucht.
1 Schrank in gesicherter Verwahrung während des Transportes mit dem Autokran. 2 Gesamtansicht am Fundort des Schrankes auf dem Dachboden der Kirche.
Foto/© Wolfgang Schitke
2
Foto/© Barbara Röse
1
2008 erfolgten notwendige Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen, sodass der Schrank heute im adäquaten Rahmen im Kirchenraum von Sankt Laurentius in Maua präsentiert werden kann. Wolfgang Schitke hat am Museum für Deutsche Geschichte in Berlin sein Studium absolviert und ist Diplom-Restaurator für Kulturgut aus Holz. Er ist seit etwa zwanzig Jahren in Thüringen tätig und arbeitet freiberuflich für Museen, Kirchen und öffentliche Einrichtungen.
Einleitung In der Sankt Laurentius Kirche in Maua bei Jena ist 2005 der Anstoß gegeben worden, einen Schrank näher zu untersuchen, der unscheinbar auf dem Dachboden die Zeit überdauert hat (Abb. 2). Nachforschungen ergaben, dass der Schrank bei restauratorischen Betandsaufnahmen am Gebäude durch Wolfgang Bruhm im Jahre 1996 aufgefallen ist. In kunsthistorischen Führern war er unbekannt1 und erst im Dehio2 von 1998 findet er Erwähnung. Bei Erfassungsarbeiten des Kirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen im Jahre 2004 bestätigte Daniela Danz seine Existenz. Durch das geschlossene Kirchendach vor Wind, Wetter und Licht geschützt, war der Schrank auf dem Boden verwahrt worden, wo Staub- und Schmutzablagerungen sowie eine mineralische Schicht ihn relativ schlicht und grau hatten erscheinen lassen. Die Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland erteilte einleitend den Auftrag, das Möbel zu begutachten, einen Zustandsbericht zu erstellen und die erforderlichen Kosten für die Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen zu ermitteln. Schließlich konnte der Schrank im Sommer 2007 in den Kirchenraum umgelagert und untersucht werden. 2008 folgte dann die Ausführung der erforderlichen Restaurierungsarbeiten im Kirchenraum. So konnte auch die Gemeinde mitverfolgen, welche Entwicklungsphasen und Fortschritte sich während der Bearbeitung zeigten. Bestand anfangs noch Skepsis, weil das Möbel noch so »unscheinbar« aussah, so ist die Gemeinde heute sehr stolz auf den Schrank, der einen festen Platz in der Kirche gefunden hat (Abb. 17). Beschreibung des Möbels Der Schrank besteht aus einer Brettkonstruktion aus Tannenholz mit folgenden Maßen:
388
6/2010
THEMEN
Datierung Im Rahmen der Voruntersuchungen wurde ein dendrochronologisches Gutachten4 erstellt. Dieses weist nach, dass die verbauten Bretter Jahresringe bis
3
Foto/© Wolfgang Schitke
Breite: 1,71 m Höhe : 1,33 m Tiefe : 0,58 m Der Oberboden ist nach hinten abgeschrägt. Breite, nebeneinander liegende Bretter, die außer an der Vorderseite durch Dollen3 miteinander verbunden sind, bilden die Flächen. Diese Bretter wurden an den Möbelkanten mit der angrenzenden Seite durch Nägel verbunden. Die beiden Schauseiten, die Vorderansicht und die rechte Seitenansicht, sind aus fünf bzw. aus zwei gleichartigen, homogenen Brettern gefertigt. Hier verlaufen parallel zur Oberund Unterseite Verkleidungsbretter. Am inneren Rand sind sie mit einem Hobel profiliert. Auf diesen breiten Zierbrettern und etwa mittig ist der Schrank mit Zierbändern aus Schablonenmalerei versehen, deren Musterung von Band zu Band variiert. Eine inhaltliche Bedeutung der drei verschiedenen, gotischen Muster ist nicht bekannt. An der Vorderseite sind die Bretter überfälzt. Die Fälze des ersten, dritten und fünften Brettes liegen unter denen des zweiten und vierten Brettes. Teile des zweiten und vierten Brettes bilden die beiden Türen, die auf diese Weise einen Anschlag haben. Eiserne Bänder an den Türen verlaufen waagerecht nach rechts und um die Ecke und verstärken so die sichtbare Schrankkante. Der Boden ist von unten so in die Schrankseiten eingefälzt, dass die Seiten noch etwa zwei bis fünf Millimeter nach unten überstehen. Die Zwischenböden sind in die Seitenbretter sowie in die Mittelseite eingenutet und die Mittelseite selbst ist wiederum in den Boden eingenutet. Alle anderen Kantenverbindungen erfolgten stumpf. Schmiedeeiserne Nägel wurden sparsam und sehr systematisch gesetzt. An den Ansichtsseiten wurden sie in die schwarzen Schablonenornamente genagelt, offenbar damit die Nagelköpfe nicht die Ansicht stören. Der stark geschädigte Schrankboden trägt Zeugnis einer wechselvollen Geschichte. Von den Bodenbrettern war nur noch das vordere vorhanden. Aufgrund der weiterlaufenden Fälze in den Seitenbrettern ließ sich aber gut nachvollziehen, wie das verlorene Brett ursprünglich ausgesehen haben muss.
1439 aufweisen. Rechnet man einige Jahresringe als Baumkante des Holzes und Verschnitt sowie Trocknungszeit hinzu, so kann die Entstehung des Möbels auf die Zeit um 1460 datiert werden (Tabelle 1). Der Kirchenbau von Sankt Laurentius in Maua, in dem der Schrank aufbewahrt wird, entstand nach Zerstörung der Vorgängerkirche im Jahr 1450 zwischen 1468 bis 1483. Diesen Erbauungsdaten zufolge existierte der Schrank bereits vor Entstehung des heutigen Kirchenbaus. Neben der Kirche bestand aber noch ein weiteres geistiges Zentrum in der Region: Das bereits im Hoch- und Spätmittelalter bestehende, bedeutende sächsische Kloster Grünhain im Erzgebirge, das viele dezentrale Besitzungen verwaltete, hatte insbesondere aufgrund der günstigen territorialen Lage und des folglich in Maua betriebenen Weinanbaus wirtschaftliche Verbindungen auch hierher.5, 6 Leider sind die Überlieferungen sehr spärlich. Nach dem Niedergang des Klosters bzw. seiner Beziehungen nach Maua kann der (wahrscheinlich regional bedeutende) Schrank als Nachlass zur Kirche gekommen und später in Vergessenheit geraten sein. Doch ging er vermutlich aufgrund seiner außergewöhnlichen Wirkung über Jahrhunderte nicht verloren. Restaurierungsmaßnahmen Um mit den Arbeiten beginnen zu können, musste der Schrank vom Dachgeschoss in den Kirchenraum verlagert werden. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Treppenhaus der Kirche, das im Rahmen einer Renovierung im Jahre 1819, während der man die heutigen Emporen und den Kanzelaltar einbaute, offensichtlich verkleinert wurde. Ein Trans-
3 Zwischenstation im Kirchgarten.
Tabelle 1 Dendrochronologisches Gutachten zur Datierung eines Schrankes aus der Kirche Maua. Datierung, alle Jahreszahlen beziehen sich auf den letzten feststellbaren Jahresring. Die fettgedruckten Ergebnisse in der Tabelle erreichen eine hohe statistische Sicherheit. WK = Wald- oder Baumkante – der letzte Jahresring an dem die Borke saß, sync% = einfache Übereinstimmung, Wsync% = Übereinstimmung bei den Weiserringen, TVBP – T-Wertberechnung nach Baillie-Pilcher, TVH – T-Wertberechnung nach Hollstein, im Allgemeinen kann ab einem T-Wert mit >5 von einer sicheren Datierung ausgegangen werden. Denise: Software entwickelt im Büro für Bauten- u. Kunstgutforschung, Dr. M. Landmann, A. Singer, Dipl.-Ing. (FH) Th. Schulze TSAP: Software entwickelt von Frank Rinn/ RINN TECH, Heidelberg.
© Schäbitz, Fuchs, Schulze, Erfurt
Tab. 1
6/2010
389