Restauro 06 2012

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Zeitschrift f端r Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

documenta13: Die Restauratoren im Interview Die Ungeschriebene Geschichte des Museumsdepots Seife als Sammlungsgut

Im Fokus: Wissen vermitteln www.restauro.de

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September 2012


Editorial Gehen wir an die Öffentlichkeit! »Ist es nicht so, dass wir Restauratoren auch die Auf­ gabe haben, gegen den Werteverfall in unserer Gesell­ schaft anzugehen, öffentliche Stellen angesichts der Sparmaßnahmen in der Kulturguterhaltung anzuklagen und die Öffentlichkeit über unsere Arbeit zu informie­ ren?« Das fragte mich kürzlich eine Kollegin aus Ham­ burg und schob sogleich die Antwort hinterher. Näm­ lich, dass wir Restauratoren genau diese Aufgaben wahrnehmen müssen, um bessere Arbeitsbedingungen für uns zu erwirken. Denn die Auftragssituation sei mehr als schwierig, die öffentlichen Einrichtungen spar­ ten sich zu Tode und das Überleben als Restaurator würde häufig unmöglich. Deshalb wünscht sich diese Kollegin, dass wir unsere Tätigkeit mehr in die Öffent­ lichkeit tragen und dass wir darüber informieren, was wir tun, was an unserer Arbeit so wichtig ist und weshalb es sich lohnt, für restauratorische Leistungen einen angemesse­ nen Preis zu zahlen. Mit diesem Wunsch steht die Hamburger Restauratorin nicht alleine da. Den meisten ­Kollegen liegt es sehr am Herzen, dass wir der Gesellschaft und unseren Auftraggebern verständlich machen, dass eine qualitativ hochwertige, zurückhaltende Restaurierung für die Kunstwerke und Kulturgütern am besten ist. Es soll klar werden, dass Restaurierung nicht gleich Restaurierung ist, und dass Restaurierung mehr ist als nur ein ausführendes Handwerk. Nämlich auch eine ernst zu nehmende, anspruchsvolle Wissenschaft. In den letzten Jahrzehnten haben sich Restauratoren einen zunehmend höheren Status erarbeitet. Restauratoren gehören heute zum festen Bestandteil der Denkmalämter und der größeren Museen. Sie haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Planungsaufgaben übernommen. Auch ist der Anspruch, mit anderen Wissenschaften auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, heute kein Lippenbekenntnis mehr. Dass wir heute schon recht gut dastehen, ist der Verdienst zahlreicher Restauratoren, die sich über Jahre hinweg unermüdlich und vorwiegend ehrenamtlich engagiert haben, um den Berufsstand zu stärken und vermehrt in die Öffentlichkeit zu bringen. Das verdient ­großen Respekt. Denn Restaurierung ist ein Beruf, der schon ohne dieses Engagement viel ­Einsatz abverlangt. Dieses zusätzliche Engagement müssen wir auch weiterhin erbringen. Denn wir sind noch nicht am Ziel. Das zeigen die öffentlichen Einsparungen, das zeigt aber beispielswei­ se auch unsere Präsenz auf den Internetseiten vieler Ausstellungshäuser. Hier sind die Re­ stauratoren oft gar nicht gelistet. Das ist ein Jammer, auch wenn dieses Versäumnis wohl weniger auf mangelnde Akzeptanz als auf Nachlässigkeit zurückzuführen ist. Auch zur aktu­ ell laufenden documenta sind die beteiligten Restauratoren online nicht zu finden. Dass es sie aber gibt, verrät zum Glück der Ausstellungskatalog und unser Interview auf S. 12. Ganz angekommen sind wir also noch nicht in der Öffentlichkeit. Sagt auch Ralf Buch­ holz, der für uns einen Kurzessay über Öffentlichkeitsarbeit geschrieben hat (S. 27). Denn auch er hält Öffentlichkeitsarbeit für »sooooo wichtig!« Liebe Leserinnen und Leser, unser Heftschwerpunkt »Wissen vermitteln« möchte Sie dieses Mal dazu ermuntern, selbst tätig zu werden und unsere Arbeit mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu brin­ gen. Für diese Aufgabe gibt es natürlich einen ganzen Blumenstrauß an Möglichkeiten. Ein­ zelne Blüten haben wir für Sie in diesem Heft herausgezogen. Dabei haben wir vor ­allem neue Kommunikationswege ins Visier genommen. Aber auch für Tipps, wie Sie Fachwis­ sen in F ­ ührungen oder Gesprächen erfolgreich an Laien vermitteln können, ist gesorgt. Viel Vergnügen bei der Lektüre! Ihre

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Inhalt 12

Restauratoren auf der d13

restauro aktuell  3

Editorial

Blickpunkt  8 Lippen für Echnaton. Zur Restaurierung einer ägyptischen Modellbüste  9 Fortschritte in der Vermessung von schwer zugänglichen Bauteilen

10 Leserbrief 11 Neue Weiterbildung in Bern Nachgefragt 12 Restauratoren auf der dOCUMENTA13 63

Lesezeichen

restauro Im Fokus: Wissen vermitteln Foto: Patricia Brozio

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57 Seife als Museumsobjekt

Franziska Dürr Wissen vermitteln im Museum Fachleute können einen ungewohnten Zugang geben

Markus Dreesen und Hans-Jörg Woite 21 Social Media Ernstzunehmende Kommunikation oder Kinderkram? Maria Siegmantel 25 Kunst- und Kulturgut mobil Mit dem Smartphone Museumsexponate und Denkmäler erkunden Ralf Buchholz 27 Sind wir angekommen? Vom Sinn der Öffentlichkeitsarbeit für Restauratoren

restauro Themen

Foto/© Anne Bührer

Stephanie Papelitzky, Marion Maria Ruisinger und Maria Sutor 28 Säurefrei in die Zukunft Die Umlagerung und Inventarisierung der Porträtgrafiken des Deutschen Medizin­ historischen Museums Ingolstadt

36 Cyclododecan: Neue Erkenntnisse

Elisabeth Jägers und Anne Sicken 36 Unerwünschte Rückstände Neue Erkenntnisse zur Behandlung textiler Oberflächen mit Cyclododecan Martina Griesser-Stermscheg 39 Die ungeschriebene Geschichte des Museumsdepots Vom Wunderkammer-Schrank zur gezielten Depotplanung Corinna Engelhardt 46 Rückkehr zur alten Optik Franz Freundorfer im Interview über die Entwicklung eines modernen historischen Fensters

Foto/© Anne Sicken, Köln

Dorothee Brück 48 Die Instandhaltung pigmentierter Altbeschichtungen auf Stahl Methoden und Wege anhand des Beispiels »Alte Post« Anne Bührer 57 Seife – aus dem Badezimmer ins Museum Schadensursachen und Aufbewahrungsempfehlungen für einen ungewöhnlichen Sammlungsgegenstand 4

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Inhalt 17

Foto/© Franziska Dürr

Tipps zur Vermittlung von Fachwissen

restauro rubriken 64 Termine 66 Ausstellungen 66 Vorschau 66 Impressum

Titelbild In Führungen erhalten Besucher besondere Einblicke. Sie tauchen ein in die Geschichte historischer Zeugnisse. Foto: Michael Krebs Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

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Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik 118. Jahrgang

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Für die Zukunft gestalten.

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Die Restauratorin Alexandra Scheld auf dem Tag der Restaurierung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, 2008. Foto: Sigrid Engelmann.

Im Fokus: Wissen vermitteln Erfahrungsgemäß ist der Restaurator ein gern gesehener Gesprächspartner. Nicht nur das private Umfeld, sondern auch die Medien bekunden großes Interesse an unserem Beruf. ­Damit eröffnet sich Restauratoren die Chance, der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung der Kulturguterhaltung unmittelbar vor Augen zu führen. Heute gibt es zahlreiche Wege, das, was wir tun, an den Mann zu bringen. Klassische ­Medien wie Zeitungsartikel, Ausstellungen oder ähnliche Veranstaltungen werden durch moderne Kommunikationsformen ergänzt. Menschen auf der ganzen Welt können sich ­binnen Minuten auf Youtube, Facebook oder Twitter ein Bild von unserer Arbeit machen. Unser Fokus möchte Sie ermuntern, selbst tätig zu werden. So schauen wir uns beispielsweise an, was eine gute Führung ausmacht, wofür die sog. Social Media zu gebrauchen sind und wie QR-Codes dabei helfen, das Vor-Ort-Erlebnis mit Informationen aus dem Internet zu bereichern.


Im Fokus Franziska Dürr

Wissen vermitteln im Museum Fachleute können einen ungewohnten Zugang geben

Fasziniert beugt sich die Gruppe über die Leinwand auf dem Tisch. Dieses Mal ist es keine professionelle Führerin, sondern eine Restauratorin, die über ihren spezifischen Bezug zum Bild spricht. Das Publikum hängt an ihren Lippen, verfolgt die gekonnten Handgriffe, die sie diesmal nicht im Verborgenen, sondern vor den interessierten Blicken der Gäste vollführt. Ein ungewohnter und lohnenswerter Zugang. Ein Einblick in eine verborgene Welt!

Nachdenken über die Vermittlerrolle Restauratoren können über einen Gegenstand andere Geschichten erzählen als andere. Sie haben einen besonderen Zugang zu den Dingen. Dies ist eine Chance, die Sie nutzen sollten! Immer wieder treten Fachleute in Fachgesprächen oder Führungen als Vermittler von Inhalten auf. Sie geben ihr Wissen und ihre Erfahrung in einer persönlichen Begegnung weiter. Doch wie genau geht das? Um dies zu beantworten, muss zunächst die Vermittlertätigkeit geklärt werden. Dann sind konkrete Hilfestellungen gefragt. Exponate vorstellen Sie haben die Aufgabe übernommen, Ihren Fachbereich jemandem oder einer Gruppe vorzustellen und tun dies anhand von Exponaten, die sich z. B. in einem Museum oder einer Ausstellung befinden. Sie kennen sich im Fachbereich aus und ­haben einen eigenen Bezug dazu. Sie stehen vor der Aufgabe, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung mit einem Ihnen nicht bekannten Publikum in begrenzter Zeit zu teilen. Sie tun dies anhand von Objekten, die im Museum oder Schaudepot ausgestellt sind und einen musealen Wert haben.

ein Firmenausflug, ein Freizeittreffen? Sind es andere Gründe? All diese Situationen verbindet eins: Alle wollen etwas Neues lernen. Sie möchten eine lehrreiche, unterhaltsame und im besten Fall begeisternde Stunde erleben, die sie in Erinnerung behalten. Sie als Fachperson können den Besuchenden zu Kunst- und Kulturgütern einen Zugang geben, der Begeisterung auslöst, Neugierde weckt, Lust auf mehr macht und eine Welt eröffnet. Zugegeben, die Erwartungen sind hoch und die Ausgangslage ist nicht einfach: Es gilt, eine zumeist heterogene Gruppe auf eine Sache zu fokussieren, gruppendynamische Komponenten spielen mit. Dies fordert einiges von der Moderation. Es lohnt sich, das Ziel vorher abzuklären und dieses Ziel mit der Gruppe zu teilen. Wollen Sie ­etwas zeigen, soll ein Gespräch entstehen? Soll Austausch stattfinden?

1 Haptische Wahrnehmung: Das Publikum hat Gelegenheit, mit den Händen, dem Geruchs- oder Geschmackssinn eine sinnliche Erfahrung zu machen und die Dinge ganz genau zu betrachten, hier z. B. mit einer Lupe.

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Fachperson sein Das Teilen des Wissens ist eine pädagogische Arbeit. Diese Aufgabe zu übernehmen, bedingt eine Klärung der eigenen Rolle und auch der Rolle der Ihnen anvertrauten Personen. Haben Sie Freude daran, Wissen zu teilen? Was motiviert Sie daran? Das Übermitteln von Wissen, das Heranführen von Leuten, welche einen Sachverhalt noch nicht kennen, ist anders, als eigenes Wissen zu erwerben. Sie als Fachperson lehren und sichern sich Ihr Wissen durch diese Repetition. Oder aber Sie erfahren etwas Neues, wenn Besuchende die eigene Sichtweise oder gar eigenes Fachwissen einbringen. Es gilt, nicht nur die Sache, sondern das Gegenüber wahrzunehmen. Das Publikum im Fokus Was sind die Beweggründe von Besuchenden, die sich im Museum für eine Führung Zeit nehmen? Was hat sie an diesen Ort geführt? Sind es Fachpersonen, die ein Fachwissen teilen wollen? Ist es 6/2012

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Themen Stephanie Papelitzky, Marion Maria Ruisinger und Maria Sutor

Säurefrei in die Zukunft Die Umlagerung und Inventarisierung der Porträtgrafiken des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt

Museen und Archive stehen manchmal vor dem Problem, dass ihre Grafikbestände ungünstig ­gelagert und nicht ausreichend erfasst sind. Die Blätter liegen direkt aufeinandergestapelt in Schubladen, sie sind nicht säurefrei verpackt und nur mit einem Handregister auffindbar. Die ­Folgen: hohe Belastungen für die Objekte und großer Zeitaufwand für die Mitarbeiter. Wie auch ein kleines Museum dafür sorgen kann, Grafiken neu zu erfassen und umzulagern, ­davon weiß das Deutsche Medizinhistorische Museum zu berichten.

Foto/© Maria Sutor

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1 Das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt beherbergt eine bedeutende Sammlung von Porträtgrafiken des 16. bis 20. Jahrhunderts. Diese war Teil eines Inventarisierungs- und Umlagerungsprojektes, deren Hauptziel die konservatorisch korrekte Aufbewahrung der Grafiken war – im Bild die säurefreien Einlegemappen und Kassetten.

Die Porträtsammlung Ab 1973 erhielt die »Alte Anatomie« in Ingolstadt eine neue, äußerst passende Nutzung: Das baro­ cke Gebäude, das ursprünglich der Medizinischen Fakultät als Ort der Lehre und Forschung diente, beherbergt seitdem das erste Medizinhistorische Museum der Bundesrepublik. (Abb. 2) Dieses Museum besitzt heute die wohl größte Sammlung zur abendländischen Medizingeschichte in Deutschland. Darunter befinden sich 2096 Gra­ fiken, die Porträts von Ärzten und Naturforschern des 16. bis 20. Jahrhunderts z­ eigen. (Abb. 1) Nur fünf davon sind, nebenbei erwähnt, Frauen­ porträts. Eine von ihnen ist z.B. die Apothekerswit­ we Dorothea Buchner, die auf Abb. 4 zu sehen ist. 28

Ursprüngliche Lagerung und Zugänglichkeit Bis 2011, also über mehrere Jahrzehnte, lagen die Grafiken in einem Planschrank im Verwaltungsge­ bäude des Museums. (Abb. 3) Sie waren nach den Namen der dargestellten Personen alphabetisch geordnet und in Stapeln zu je etwa 50 Blättern übereinander gelegt. Innerhalb eines Stapels wa­ ren sie der Größe nach sortiert. Viele der Grafiken lagen in einer Hülle aus Pergaminpapier, andere waren auf Passepartoutkarton montiert, der mög­ licherweise noch von früheren Präsentationen stammte. Die Schubladen des Planschranks waren durch fixe Metallstege in unterschiedlich große Fächer eingeteilt. In manchen Fällen hatten die Fächer 6/2012


Themen Elisabeth Jägers und Anne Sicken

Unerwünschte Rückstände Neue Erkenntnisse zur Behandlung textiler Oberflächen mit Cyclododecan

Das flüchtige Bindemittel Cyclododecan ist in der Textilrestaurierung ein wichtiges Hilfsmittel. Nach dessen Einsatz verblieben jedoch in einigen Fällen Rückstände auf den Textilien, obwohl das Cyclododecan selbst längst verdunstet war. Art und Herkunft dieser Rückstände waren bislang unklar.

Foto/© Anne Sicken, Köln

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1 Nach dem Einsatz von Cyclododecan auf Textilien können weiße Rückstände auf der Oberfläche verbleiben. Im Bild: Rückstände auf einem Haubenband, das mit CDAN hydrophobiert wurde.

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Cyclododecan in der Textilrestaurierung Das flüchtige Bindemittel Cyclododecan (CDAN) kommt seit Mitte der 1990er-Jahre in vielen Bereichen der Restaurierung und Konservierung zum Einsatz.1 Flüchtige Bindemittel liegen bei Raumtemperatur als unpolare wachsartige Feststoffe vor und verdunsten aufgrund ihres hohen Dampfdruckes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes rückstandsfrei. In der Textilrestaurierung dient CDAN unter anderem zur temporären partiellen Hydrophobierung vor einer Nassbehandlung, beispielsweise bei ausblutenden Farbstoffen oder zum Schutz nichttextiler feuchtigkeitsempfindlicher Materialien, wie z. B. Metallfäden, Glasperlen oder Gelatinepailletten. Weiterhin findet es als temporäres Festi­gungsmittel zur mechanischen Stabilisierung bei der Bergung oder dem Transport von archäologischen und damit besonders fragilen Funden Anwendung und schützt z. B. bei der Abnahme von Doublierungen vor mechanischen Einwirkungen.2 CDAN lässt sich in geschmolzener oder gelöster Form, d. h. warm oder kalt, applizieren. Je nach Filmbildungsprozess unterscheiden sich dabei aus der Lösung bzw. aus der Schmelze aufgebrachtes Cyclododecan vor allem in der Kristallstruktur und damit in der Dichte voneinander. Nach Hangleiter

sind die aus der Schmelze hergestellten Filme im Allgemeinen dichter und widerstandsfähiger und damit besser für eine Hydrophobierung geeignet. Dagegen können Lösungen vor allem in höher siedenden Kohlenwasserstoffen besser in ein Gefüge eindringen und es strukturell festigen. Erhebliche Rückstände Im Verlauf der letzten Jahre führte der Fach­bereich Textilien und Archäologische Fasern des CICS der Fachhochschule Köln regelmäßig Praktika durch, bei denen Studierende die verschiedenen Möglichkeiten der Anwendung von Cyclododecan erlernen und die nötigen Erfahrungen im Umgang mit diesem Bindemittel machen. Nach Hydrophobierung mit CDAN-Schmelze und anschließender Sublimation waren dabei an mehreren Objekten auch noch nach mehr als sechs Monaten erhebliche Rückstände in Form »lockerer Flocken« festzustellen. (Abb. 1, 2 und 3) Ein ähnliches Phänomen zeigte sich auch an einem archäologischen Gewebefragment, das zuvor mit Cyclododecan gefestigt worden war. (Abb. 4) Es war daher naheliegend, diese Rückstände zu analysieren, deren Herkunft zu klären und anschließend Strategien für deren Vermeidung zu entwickeln.

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Themen Martina Griesser-Stermscheg

Die ungeschriebene Geschichte des Museumsdepots Vom Wunderkammer-Schrank zur gezielten Depotplanung

Die Lagerung von Objekten im Museumsdepot erzählt eine Geschichte, die uns alle angeht: die Geschichte des Versuchs, die Welt der Dinge zu bewahren. Kaum bekannt ist jedoch die Geschichte dieses Aufbewahrungsortes selbst. Martina Griesser-Stermscheg ist ihr nachgegangen.

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Frühe Depots Das früheste Handbuch der Museumskunde im deutschsprachigen Raum veröffentlichte Samuel Quiccheberg im Jahr 1565. Der Universalgelehrte, am Münchner Hof mit der Kunstkammer von Herzog Albrecht V. betraut, hinterließ mit seinem Traktat eine reiche Fundgrube an Begrifflichkeiten der frühen Museumspraxis. In seinem Idealplan einer Kunstkammer bezeichnet Quiccheberg das »Depot« als promptuarium. Dabei handelt es sich um einen vielfach anwendbaren Begriff für einen Raum oder Schrank, an dem es Sammlungsobjekte zu verstauen gilt. Verschließbare Zimmer für Wertgegenstände, die erhöhter Sicherheitsvorkehrungen bedürfen, spezifiziert er mit conclavia und thesauro. Dem gegenüber steht die nicht unbedingt verschließbare camera, insbesondere für Textilien oder Wandbehänge.1 Für die bauliche Beschaffenheit der Räume empfiehlt der Kieler Sammler Johann Daniel Major über hundert Jahre später (1674): Die Räume sollten geräumig, gewölbt, und nicht vertäfelt sein, ringsum gemauert und nirgends bemalt, mit Marmorsteinen gepflastert; gegen Mäuse, Ratten, Katzen, einnistende Schwalben, einbrechende Diebe, Wind, Staub, Platzregen und Feuersgefahr geschützt, »wol (doch nicht übermäßig) mit Fenstern versehen und lichte: wie sonst auch von gesunder, reiner und trockener Lufft; gegen Süd-Osten fürnehmlich […] situirt.«2 Ähnlich äußert sich der Hamburger Gelehrte Caspar Friedrich Neickel in seiner Museographie (1727): Für den »Vorrath von allerhand Raritäten […] erwähle man ein Gemach, welches wegen der bequemen Lufft gegen SüdOst gelegen, dessen Mauern trocken, der Boden 6/2012

Quelle: Imperato, Ferrante, Dell‘ Historia Naturale di Ferrante Imperato Napolitano, Neapel 1599.

Das Depot – eine junge Institution Zur Institutionalisierung des Museumsdepots, wie wir es heute kennen, kam es erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Auch damals entstanden Depots nicht immer nach einer durchdachten Planung, spricht man doch in vielen Museen bis heute von »gewachsenen« Depot-Strukturen. Die Wurzeln des modernen Museumsdepots und ihrer Einrichtung finden wir in vormusealen Sammlungen des 16. bis 18. Jahrhunderts. Denn seit gesammelt wird, muss auch verstaut und gelagert werden.

1 Museo des Ferrante Imperato in Neapel (Historia Naturale, 1599). Die Möbel sind geöffnet präsentiert, um deren Funktionalität sichtbar zu machen. Die Klappen dienten zugleich als Lesepulte. Einschubfächer, Setzkästen, Scharniere und Schlösser sind deutlich abgebildet. In den Stauräumen der Wandschränke befinden sich Behelfe für die Manipulation der Sammlungsobjekte wie Tröge, Schachteln, verschlossene Gläser, Beutel etc.

gewölbt, das Tages-Licht wohl ausgetheilet, und im übrigen vor allem Unfall wohl bewahret ist.«3 Bemerkenswert ist, dass diese frühen konservatorischen Handlungsanweisungen bis heute nicht an Relevanz verloren haben. Aktueller Forschungsgegenstand der Konservierungswissenschaften ist, historische Baumaßnahmen zur Trockenhaltung und Belüftung4 zu verstehen, um diese in Zeiten wachsender Energieknappheit zumindest teilweise wieder reaktivieren zu können. Erste Lagerungssysteme Unter repositoria fasst Samuel Quiccheberg zusammen, was er an Mobiliar und Ordnungssystemen (Kisten, Rollen, Laden, Kapseln, Mappen etc.) für unabdingbar hält. Damals wie heute holten sich Sammler Anregungen von bereits am Markt befindlichen Lagerungssystemen. Quiccheberg orientierte sich beispielsweise für die Aufbewahrung von Gewändern an der Requisitenausstat39


Themen Dorothee Brück

Die Instandhaltung pigmentierter Altbeschichtungen auf Stahl Methoden und Wege anhand des Beispiels »Alte Post«

Den Gebäuden der Jahrhundertwende geben sie ihr unverwechselbares Aussehen: Konstruktionen aus Stahl. Komplex gestaltet sich heute die Erhaltung dieser Stahlbauten – und ihrer Beschichtungen. Einen Einblick in die schwierige Wahl der »richtigen« Methode gibt das Tragwerk der ­»Alten Post« in Hamburg.

1 Die »Alte Post«, hier der Innenhof mit dem Dachtragwerk im Jahre 2009, entstand nach dem großen Brand Hamburgs im Jahre 1842, dem weite Teile der Altstadt zum Opfer fielen. Das Gebäude gilt als eines der herausragendsten Beispiele der sogenannten Hamburger »Nachbrandarchitektur«.

Foto/© Schmiedemeister und Restaurator Stefan Lasch-Abendroth

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Stahlbauten und Denkmalschutz Die Erforschung der mannigfaltigen Probleme der Korrosion und des Korrosionsschutzes von Stahl haben sich mit der Zeit zu einem eigenen Technologiegebiet entwickelt. So erläutert und definiert die internationale Normenreihe DIN EN ISO 12944 allgemein alle wichtigen Aufgaben zum Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme. Eine Besonderheit stellen allerdings 48

­ nter Denkmalschutz stehende Stahlbauten dar. u Die Problematik liegt im Umgang mit der historischen Substanz und speziell der historischen Beschichtung. Auch wenn es für den Restaurator und Konservator der heutigen Zeit bereits zum Alltag gehört, Instandhaltungs-, also Ausfleckungs­ arbeiten an Altbeschichtungen vorzunehmen, ist bislang oft unklar, welcher Anstrichstoff im jeweiligen Fall 6/2012


Themen Anne Bührer

Seife – aus dem Badezimmer ins Museum Schadensursachen und Aufbewahrungsempfehlungen für einen ungewöhnlichen Sammlungsgegenstand

Seife ist aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Ob Kernseife, Flüssigseife oder fein duftende Toiletteseife, die Auswahl in jeder erdenklichen Form, Farbe und Geruchsrichtung ist riesengroß. Auch historisch spielt Seife seit über 4000 Jahren eine bedeutende Rolle. Kein Wunder also, dass Seife auch als Sammlungsgegenstand Einzug in die Museen gehalten hat.

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Ein Schattendasein in Museumsdepots Trotz seiner geschichtlichen Bedeutung vermutet kaum jemand den Gebrauchsgegenstand Seife in Museumssammlungen. Viel zu »exotisch« und vielleicht auch zu alltäglich scheint dieses Material zu sein. Und dennoch: Viele Museen besitzen Seifensammlungen. Eine Umfrage der Autorin, an der 25 Museen aus Großbritannien, Deutschland, Öster­reich und der Schweiz teilnahmen, ergab, dass es kaum ein Volkskunde-, Landes- oder Heimatmuseum gibt, das nicht mindestens ein Stück Kernseife in seinem Bestand hat.1 Meist lagern diese Seifen jedoch fernab der Öffentlichkeit in den Tiefen der Depots. Wenn überhaupt, sind sie fast ausschließlich in Ausstellungen über Waschkultur oder das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit zu sehen. (Abb. 1) Man kann also sagen, dass Seife als Museumsobjekt bislang ein Schattendasein führt.

1 Gerade in kulturhistorischen Museen lagern häufig Alltagsgegenstände, die nicht für die Ewigkeit gedacht waren. Wie z. B. diese Seifen und Waschmittelpäckchen in der Ausstellung »Warenwelten« des Museums der Alltagskultur Waldenbuch. Diese Art von Objekten zu konservieren ist eine besondere Herausforderung.

Foto/© Anne Bührer

Forschungsfeld Seife Ein wenig Licht in dieses Schattendasein zu bringen, war das Anliegen der Autorin. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit startete sie daher eine Umfrage, die zeigte, dass großes Interesse an Seife generell und auch an der restauratorischen Erforschung bestand. Inhalt dieser Diplomarbeit sollten vor allem die konservatorischen Aspekte zum Material Seife werden. Denn bislang war über die Schadensmechanismen und die Lagerungsbedingungen viel zu wenig bekannt. Aus diesem Grund dokumentierte die Autorin typische Schäden, untersuchte die dahinter stehenden Schadensmechanismen und definierte geeignete Aufbewahrungs- und Ausstellungsbedingungen. Ausgangspunkt für diese Untersuchungen war die Seifensammlung des Museums der Alltagskultur Waldenbuch, eine Außenstelle

Seife: Ein kurzer historischer Streifzug Seife spielt schon seit Jahrtausenden eine bedeutende Rolle. Zunächst nicht primär als Reinigungsmittel, sondern als Kosmetikum und Medizin. Von den Kelten und Germanen wurde Seife wahrscheinlich als Haarfärbemittel und Pomade verwendet. Im Altertum und der frühen Neuzeit war Seife als Heilmittel sehr beliebt. Die Bezeichnung Medikament erhielt sie, da durch die Reinigung der Haut viele Krankheiten verschwanden. Seifenlösungen wurden aber auch bei vielfältigen inneren und äußerlichen Beschwerden angewendet. Im 19. Jahrhundert erkannte Justus von Liebig: »Seife ist ein Maßstab für den Wohlstand und die Kultur der Staaten«.2 Besonders in Kriegszeiten erfuhr Seife durch die allgemeine Rohstoffknappheit eine große Wertsteigerung. Hierdurch erklärt sich auch die Tatsache, dass sich in

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den Sammlungen der Museen oft Seifenkonvolute, besonders aus den 1950er-und 60er-Jahren, befinden. Wie sehr Seife als Luxusartikel angesehen wurde, spiegelt sich auch in Werbemaßnahmen der Seifenindustrie des 19. und 20. Jahrhunderts wieder. Kein anderes Produkt steht bis heute so für Reinheit, Sauberkeit und Frische, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn. Heutzutage spielt Kernseife nur noch eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der günstigen Preise und des riesigen Angebots ist Seife heute einerseits ein Wegwerfartikel, andererseits durch oft exklusive und hochwertige Inhaltsstoffe zum Luxusartikel geworden. Seife spielt seit dem 20. Jahrhundert aber auch als künstlerisches Material eine Rolle. So verwendeten beispielsweise Joseph Beuys und Bruno Gironcoli Seife als Gestaltungsmittel in ihren Werken.

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