Restauro 06 2013

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Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

Prüfverfahren für die Baudenkmalpflege Vom Umgang mit archäologischen Steindenkmälern Neue Nachweismethoden von Holzschutzmitteln

Entwicklung eines hydraulischen Injektionsmörtels www.restauro.de

6

September 2013


Inhalt 14

Wetterfahnen

restauro aktuell  3

Editorial

Foto/©: Josef Kleinhenz

Blickpunkt  6 Antike Exponate in Augsburg ausgelagert  7 Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts  7 Richtigstellung  8 Integrated Pest Management  9 Tipps und Kniffe: Miniaturzwingen  9 Buchtipp aus der Redaktion zum Thema Papierkonservierung  9 Leserbrief 10 Bildung versus Denkmalschutz in Köln

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Opus Caementitium

11 Museumsblogs 12 Restaurierung der »Donau« und »Isar« Altes Handwerk heute 14 Figuren in luftiger Höhe Von Hand gefertigte Wetterfahnen für jedes Dach Einblicke 18 Vom Naschobjekt zum Kulturobjekt: Integration von Schokoladenfiguren in den Museumsbestand 58

Lesezeichen

restauro Themen Andreas Hasenstab 20 Zerstörungsfreie Prüfung in der Baudenkmalpflege Teil 2: Praxisbeispiele Wilhelm Glaser 32 Opus Caementitium Römischer hydraulischer Kalkmörtel als Ausgangsmaterial für die Entwicklung eines hydraulischen Injektionsmörtels

Foto/©: Wilhelm Glaser

Thomas Flügen 40 Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln Das Archäologische Museum Frankfurt und seine Sammlung von Steindenkmälern Matthias Zötzl, Jeannine Meinhardt, Henning Kersten, Thomas Löther, Christoph Franzen, Uwe Kalisch 45 Das Sandkataster Ein Werkzeug für die Nachstellung historischer Putz- und Mörteloberflächen 40

Steindenkmäler

Manfred Torge, Doris Brödner, Ines Feldmann, Sonja Krug, Helena Mathies, Birte Mull, Ute Schoknecht 52 Untersuchungsmethoden zum Nachweis von Holzschutzmitteln Neue Erkenntnisse zur Analyse von PCP und Lindan

restauro rubriken

Foto/©: Uwe Dettmar, Frankfurt

60 Termine und Ausstellungen 64 Vorschau 65 Stellenanzeigen

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66 Abstracts 66 Impressum

6/2013


Inhalt 45

Foto/©: IDK

Sandkataster

Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik

RESTAURO 6/2013

PRÜFVERFAHREN FÜR DIE BAUDENKMALPFLEGE VOM UMGANG MIT ARCHÄOLOGISCHEN STEINDENKMÄLERN NEUE NACHWEISMETHODEN VON HOLZSCHUTZMITTELN

Titelbild Olympia, Südwestthermen, Opus Caementitium an der Wand des Wasserbeckens Foto/©: Wilhelm Glaser

ENTWICKLUNG EINES HYDRAULISCHEN INJEKTIONSMÖRTELS www.restauro.de

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September 2013

Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.

Alles für den Restaurator: Kremer Pigmente

Zeitschrift für Restaurierung,

www.kremer-pigmente.de

Denkmalpflege und Museumstechnik 119. Jahrgang

6/2013

Für die Zukunft gestalten.


Blickpunkt Integrated Pest Management Internationale Tagung vom 5. bis 7. Juni 2013 in Wien

Bereits zwei Tage vor der Tagung zum Thema »Integriertes Schädlingsmanagement und -bekämpfung in Museen, Archiven und historischen Häusern« reisten über 25 Teilnehmer aus ganz Europa an, um an einem zweitägigen Kurs teilzunehmen, der von den Experten Bob Child und David Pinniger aus Großbritannien gehalten wurde. Der Kurs fand im neu benannten Weltmuseum (ehemaliges Völkerkundemuseum) in Wien statt und gab den Besuchern einen sehr guten theoretischen Einblick in das Gebiet von Integrated Pest Management (IPM), beleuchtete aber auch viele praktische Aspekte von der Bestimmung von Schädlingen bis zur Konzepterstellung für ein Depot eines Museums.1 An der Tagung selbst nahmen im Kunsthistorischen Museum über 160 Fachleute teil, zum größten Teil aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Frankreich, Osteuropa und natürlich Großbritannien, wo IPM ja schon seit 20 Jahren eifrig umgesetzt wird. Wien war als Tagungsstandort sehr attraktiv für das Publikum und das Programm bot einen tollen Überblick über das Wissenschaftsgebiet. Auch Vertreter einiger österreichischer Landesmuseen wie aus Salzburg, Niederösterreich, Wien, Graz und Innsbruck waren anwesend und holten sich Informationen aus erster Hand für ihre Häuser und für zum Teil bevorstehende oder laufende Depotumzüge. An drei Tagen hörten die Teilnehmer die wichtigsten Referenten aus der ganzen Welt zum Thema IPM in Museen mit Fachbeiträgen aus Kanada, USA, Japan, Australien und ganz Europa. In dieser kurzen Zeit wurden viele Informationen zu Bekämpfungsmethoden, Monitoring oder Schädlingsbiologie geliefert. Die Stimmung der Tagung war immer sehr gut und das Rahmenprogramm für alle eine Highlight: Abendveranstaltungen im Schloss Schönbrunn fanden an den ersten Abenden statt, nach der Tagung standen drei spannende Exkursionen auf dem Programm: Ziel waren die neue Kunstkammer des KHM, der Luftbrunnen der Hofburg (historische und intelligente Klimaregulierung des Gebäudes) und die Michaela Gruft (hier hat es einen aktiven Befall von einem Rüsselkäfer vor einigen Jahren gegeben). 8

Tagungsschwerpunkte: nnRisikoevaluierung von einem Schädlingsbefall in Museen (Agnes W. Brokerhof aus NL) nnVorbereitung von Schädlingen, Effekte der Klimaerwärmung auf das Vorkommen von Schädlingen, Einschleppung von neuen Arten nnGiftfreie Methoden der Schädlingsbekämpfung in Museen mit dem Einsatz von Mikrowelle, Nützlingen (z.B. Lagererzwespen), Frieren, kontrolliertes Erwärmen, Gammastrahlen und Stickstoffbegasungen nnIPM Konzepte von großen Sammlungen wie dem Louvre in Paris, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin und dem KHM in Wien nnBefall von Kirchen und Freiluftmuseen durch unterschiedliche Arten von Holzschädlingen (Uwe Noldt aus Hamburg) nnVergleich von Schimmel und Insektenbefall in Museen (Katja Sterflinger aus Wien) nnSchädlingsfreier Depotumzug von einer großen Sammlung (KHM Wien) Es ist eine Publikation zur Tagung in englischer Sprache geplant und wird dann frei im Internet verfügbar sein. Pascal Querner Spezialist für Schädlingskontrolle in Museen Infos zur Tagung: www.ipm-conference-vienna2013.at/program, Infos zu IPM in Museen: www.museumpests.net, www.whatseatingyourcollection.com

1

Da der Kurs schon schnell ausgebucht war und besonders im deutschsprachigen

Raum scheinbar noch großes Interesse an so einem Kurs besteht, ist eine Wiederholung (auch in deutscher Sprache) geplant. Bei Interesse bitte eine Mail an: pascal.querner@boku.ac.at).

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Blickpunkt Tipps und Kniffe: Miniaturzwingen Zwingen sind in der Restaurierung beim Verleimen unerlässlich. Bei kleineren Teilen können, neben weiteren Druck ausübenden Möglichkeiten wie z. B. Bänder, Miniaturzwingen zum Einsatz kommen. Dabei ist die Anwendung abhängig von der Fragilität des Objekts. Wir stellen drei Miniaturzwingen vor.

1. Die zierlichste der drei Exemplare ist eine Französin. Die BernaClamps Restoration© der Firma XB PRO Berna wird in Molieres-surCeze in Frankreich gefertigt. Die Zwinge besteht aus Karbonfaserrohr, die Arme aus Polykarbonat und die Anpressbacken aus Silikon. Sie ist mit einer Spannweite von 50 mm, einer Ausladung von 70 mm und einem Gewicht von 10 g besonders gut für Verleimungen an Profilen geeignet, da sich die Anpressbacken sehr gut anschmiegen können. Sie kostet in der kleinsten Ausführung 3,85 w und ist bei Deffner und Johann zu beziehen (www.deffner-johann.de). 2. Das zweite Beispiel ist eine kleine Holzzwinge aus Oberammergau. Es handelt sich um eine Hand gefertigte Holzzwinge des Holzschnitzers Hans Schmid. Sie besteht aus Buchen- und Eichenholz und stellt mit einer Spannweite von 16 mm, einer Ausladung von 20 mm und einem Gewicht von 7 g die kleinste Zwinge in der Reihe dar. Sie kostet 8,00 € und kann in der Holzschnitzerei direkt bestellt werden (Holzschnitzerei
Hans Schmid,
Am Mühlbach 6,
 82487 Oberammergau, Tel.: 0 88 22 / 68 96). 3. Bei der dritten Zwinge handelt es sich um die Metallzwinge der Firma Bessey aus Bietigheim-Bissingen, ein Traditionshaus, das seit 120 Jahren Zwingen aus Metall herstellt. Die Bessey AM ist aus Aluminium, hat eine Spannweite von 47 mm, eine Ausladung von 34 mm und ein Gewicht von 55 g. Mit 400 N hat sie die größte Spannkraft und ist in jedem größeren Baumarkt für ca. 3,95 € zu erstehen. Die Bezugsadressen können Sie unter www.bessey.de/Händlersuche abfragen. ck

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Buchtipp aus der Redaktion zum Thema Papierkonservierung »Paper and Water – A Guide for Conservators« Das Kompendium beleuchtet auf 544 Seiten das Spannungsfeld zwischen Papier und Wasser. Neben den chemischen Grundlagen beider Grundstoffe werden die Herstellungstechniken, die Degradation von Papier durch Wasser sowie die Reinigung ausführlich und verständlich beschrieben. Jedes Kapitel wird von einem Video in der beiliegenden DVD ergänzt, so dass die praktische Umsetzung der theoretischen Inhalte schnell erfassbar ist. Ein Grundlagenbuch für Restauratorinnen und Restauratoren, auch über das Fachgebiet Papier hinaus. Das Buch ist aus dem Pilotprojekt »Water and Paper« des Studiengangs Konservierung und Restaurierung von Grafik, Archiv und Bibliotheksgut der Kunstakademie Stuttgart entstanden, das die Entwicklung von innovativem Lehrmaterial für die Ausbildung von Restauratoren zum Ziel hatte. Das Kompendium, das in der zweiten Auflage 2012 im Taylor and Francis Verlag erschien, hat

nun den Publikationspreis des American Institute for Conservation gewonnen und unterstreicht damit die Bedeutung als »Bereicherung für das Gebiet der Restaurierung«, wie die Jury formulierte.

Gerhard Banik und Irene Brückle »Paper and Water – A Guide for Conservators« 2. Auflage, Taylor and Francis, London 2012, Hardcover, 544 Seiten, DVD mit zusätzlichem Videomaterial £ 105.00 ISBN 
978-0-7506-6831-6 www.tandf.co.uk

Leserbrief Zum Beitrag ›Jedes Netz beginnt mit einem kleinen Faden‹ in der RESTAURO 5/2013, in dem Roger Kossann und Eberhard Roller die Fachtagung zur interdisziplinären Zusammenarbeit in der Holzrestaurierung zusammenfassten, erreichte uns ein Leserbrief von Bernhard Kügler und Bettina Beaury vom Goering Institut e.V. in München: »Wir haben uns gefreut, dass unser Vortrag über die Braunfärbung von Furnieren eines Fassadenschrankes inhaltlich erwähnt wurde. Der Kritik, dass wir es an intensiveren Analysen zur Originalfärbung haben mangeln lassen, möchten wir jedoch widersprechen! Zum einen sind wir durch unterschiedliche Nachstellung der Färbung und durch mikroskopische Analysen der Originalfärbung sehr wohl auf den Grund gegangen, zum anderen würde eine chemische Untersuchung der Braunfärbung unserer Zielsetzung – eine praktische und leicht nachzuahmende Vorgehensweise einer in der Werkstatt durchführbaren Methode darzustellen – widersprechen. Über den Umfang bzw. Sinn nur eventuell weiterführender naturwissenschaftlicher Untersuchungen lässt sich natürlich vortrefflich diskutieren. In einem Vortrag, in dem die Vortragenden sich an eine sehr eng bemessene Redezeit zu halten haben, können auch Untersuchungsmethoden nicht immer in ausschweifendem Maß vorgestellt werden, so dass der Umfang unserer Analysen möglicherweise nicht ausreichend zur Geltung kam.«

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Themen Andreas Hasenstab

Zerstörungsfreie Prüfung in der Baudenkmalpflege Teil 2: Praxisbeispiele

Im Heft 1/2011 [1] wurden die theoretischen Grundlagen der zerstörungsfreien Prüfung in der Baudenkmalpflege erläutert. Hierbei wurden die Verfahren Radar, Ultraschallecho, Bohrwiderstand und aktive Thermografie erläutert und an Beispielen kurz erklärt. Im folgenden Artikel wird die Anwendung der genannten Verfahren an Hand von Projekten dargestellt und der Nutzen der Messungen mit den zerstörungsfreien Prüfverfahren im Verlauf des Projektes für den Bauwerksnutzer und Restaurator erläutert.

Fotos/©: Hasenstab

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1 Marienkirche in Lutherstadt Wittenberg.

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Die Ziele einer Anwendung der zerstörungsfreien Prüfverfahren sind, das frühe Erkennen und damit die Eingrenzung von Schäden, die zerstörungsfreie Dokumentation und die Integritätsprüfung des Bauteilzustandes, die die Kostenabschätzung bei Instandsetzung, die Erhaltung von Bauteilen durch einen Schadensausschluss und die Vermeidung unnötiger Instandsetzung sowie eine Kostendämpfung.

Praktische Beispiele, Messungen an Bauwerken Nach der kurzen Beschreibung der Messverfahren werden diese folgend an einem Balken der Marienkirche aus Wittenberg (Ultraschallecho, Bohrwiderstand, mobiles Röntgen), einem Fachwerkhaus (Ultraschallecho), einer alten Schuhfabrik (Radar) und der Wartburg (aktive Thermografie) dargestellt. Die Anwendungsbeispiele sind 6/2013


Themen immer in eine Fragestellung, einen Lösungsansatz, den Messungen mit Ergebnissen und der abschließender Darstellung des Nutzens für das Bauwerk und den Eigentümer gegliedert. Untersuchungen an Eichenbalken aus dem Südturm der Marienkirche in Wittenberg Um die Möglichkeiten der zerstörungsfreien Prüfung an Holz wissenschaftlich validiert auszuloten, wurden im Rahmen einer Dissertation mit dem Forschungsthema „zerstörungsfreie Untersuchung von Holz“ an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin viele Untersuchungen durchgeführt [6]. Dabei wurde auch ein Eichenbalken, der aus einer Sanierung des Turmes der Marienkirche in Wittenberg (Abb. 1) aufgrund von Schäden entfernt wurde, als Probekörper an der BAM untersucht. Folgend werden die Forschungsergebnisse mit der mobilen Röntgenblitzröhre und die Ergebnisse der baupraktisch problemlos überall einsetzbaren Ultraschallechomethode und Bohrwiderstand dargestellt. Fragestellung: Wie weit reicht die nur stirnseitig sichtbare Schädigung in den Eichenbalken hinein? Können Balken dieser Abmessungen zerstörungsfrei untersucht werden? Lösungsansatz: Untersuchung mit mobiler Röntgentechnik bzw. großflächige, vergleichende Ultraschallechomessungen am Balken, um Schäden auszuschließen, punktuelle Untersuchung mit Bohrwiderstand an »auffälligen Bereichen«, um so den Schaden möglichst einzugrenzen und viel Originalsubstanz zu erhalten.

sehen, wie zum Beispiel Materialfehler bei Autofelgen. Um geschädigte Bereiche für das ungeübte Auge besser darzustellen, sind Programme zur automatischen Fehlererkennung erhältlich, beispielsweise der Firma Yxlon. Um zu testen, ob dieses Programm zur Fehlererkennung für Aluminium-Gussteile auch an Eichenbalken anwendbar ist, wurde es an Radiografieergebnissen des Eichenbalkens angewendet und ergab, dass Inhomogenitäten in der Holzstruktur deutlich hervorgehoben werden können. In Abbildung 4 sind die Inhomogenitäten in der Holzstruktur mit roten Punkten besonders markiert und erregen so die Aufmerksamkeit des Betrachters. Allgemein wird die Radiografie bei den Bauwerksuntersuchungen relativ selten angewendet, da der Messaufwand mit Strahlenschutz etc. sehr hoch ist. Eine andere Anwendung von Radiografie am Werkstoff Stahl ist die Untersuchung der Einbindelänge von Stahlstangen in Metallmuffen bei der Gaststätte der Regattastätte in Brandenburg an der Havel aus dem Jahre 1969 [11]. 2012/2013 wurde der zuvor dargestellte Eichenbalken im Messlabor in Augsburg mit Ultraschallecho und einem neuartigen Bohrwiderstandsmessgerät untersucht. Messung mit Ultraschallecho: Die folgend dargestellten Ultraschallechomessungen waren seinerzeit während der Dissertation 2005 an der BAM aus gerätetechnischen Gründen nicht möglich und sind ein Ergebnis der Weiterentwicklung des Ultraschallechoverfahrens an Holz. Das Ergebnis der Ultraschallechomessungen entlang der oberen Kante am Eichenbalken kann Abbildung 5 entnommen werden. In dem Ultraschallechobild sind deutliche Echos mit einer

2 Eichenbalken an der BAM mit Röntgenblitzröhre (links) und digitalem Aufnahmepannel (rechts).

Messung mit Ergebnissen mobiler Röntgenblitzröhre: An der BAM wurden im Zuge von grundlegenden Untersuchungen mit einer mobilen Röntgenblitzröhre bereits 2004 Messungen an einem Eichenbalken durchgeführt (Abb. 2) und unterschiedliche Auswertemethoden der Radiografiergebnisse getestet [6]. Das Ergebnis der Röntgenmessung ist in Abbildung 3 zu sehen und zeigt, dass es möglich ist, mit mobiler Röntgentechnik am Bauwerk Holzbalken mit Dimensionen von 26,6 x 20 cm zu untersuchen. Weiter ergab eine genaue Analyse des digitalen Röntgenbildes zusammen mit einer Hochpassfilterung von Dr. Osterloh der BAM, dass eine inhomogene Struktur eindeutig gefunden werden und einer Schädigung zugeordnet werden konnte. In der Materialprüfung wird die Radiografie häufig zur Fehlerdetektion angewendet, wo es entscheidend ist, kleine Strukturänderungen zu 6/2013

2

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Themen Wilhelm Glaser

Opus Caementitium Römischer hydraulischer Kalkmörtel als Ausgangsmaterial für die Entwicklung eines hydraulischen Injektionsmörtels

Hydraulische Kalkmörtel wurden bereits in römischer Zeit durch den Zusatz puzzolanischer Zuschläge zum Kalkmörtel hergestellt. Dieses Verfahren ermöglichte das Abbinden des Kalkmörtels ohne Luft bzw. ohne CO21 Der Einsatz des sogenannten hydraulischen Kalkmörtels ermöglichte Bautechniken, die mit einem Luftkalkmörtel nicht realisierbar gewesen wären. Bauwerke wie das Pantheon und das Kolosseum in Rom, zählen zu den prominentesten Beispielen dieser Bautechnik, welche auf der hydraulischen Funktion gebrannter Tonminerale in einem Kalkmörtel beruht. 1 Olympia, Südwestthermen, 3. - 4. Jh. n. Chr., Reste von Marmorinkrustationen und Marmorböden auf Opus Caementitium.

2 Olympia, Südwestthermen, Opus Caementitium an der Wand des Wasserbeckens.

Zum Autor Wilhelm Glaser Freiberuflich tätiger Restaurator im Fachbereich Wandmalerei / Architekturoberflächen. Er betreut u.a. das UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn seit 1988 als leitender Restaurator und führte dort umfangreiche Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem SFB 315 der Universität Karlsruhe, Entwicklungen von Konservierungskonzepten, Materialentwicklungen sowie die Konservierung und Restaurierung von Wandmalereien aus. Kontakt: Wilhelm Glaser, Bittelbronner Steige 5, 72160 Horb am Neckar, restauratorglaser@t-online.de

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Hydraulische Zusätze wie gebrannter Ton, vulkanischer Tuff oder der Impaktit Suevit aus dem Nördlinger Ries setzen in wässriger Lösung Silikat und/oder Aluminat frei, welche in einer Reaktion mit Kalkhydrat Calcium-Silikat-Hydrate bzw. Calcium-Aluminat-Hydrate bilden. Diese Reaktion beeinflusst einerseits die Abbinderate und die Festigkeit des Mörtels und ermöglicht andererseits eine Abbindung ohne CO2, d. h. auch unter Wasser. Im Gegensatz zum Brennen eines tonhaltigen Kalksteins zu hydraulischem Kalk führt die Zugabe von thermisch behandelten Tonmineralien zu reinem Kalkhydrat, zu anderen chemischen Produkten. Während beim Ersteren durch den Brennprozess Phasen gebildet werden, die unter anderem auch im Portlandzement auftreten, kommen diese im Gemisch von Kalkhydrat und Ton nicht vor – die Erhärtungsprozesse und -produkte sind unterschiedlicher Natur.2 Während mehrerer Untersuchungskampagnen im Heiligtum von Olympia, wo der Verfasser Anfang der 1990er Jahre in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Uta Hassler (damals TU Dortmund) und Prof. Dr. Hartwig Schmidt (damals TU Aachen) ein Konservierungskonzept für die ausgegrabenen Ruinen aus griechischer und römischer Zeit entwickelte, ergab sich die Gelegenheit, die außergewöhnliche Qualität des Opus Caementitium an den Bauwerken aus römischer Zeit kennenzulernen. Der Zusatz von Ziegelmehl, Ziegelsand und Ziegelbruchstücken ist an den Bauwerken der Südost- und Südwestthermen in vielen Bereichen zu beobachten und reicht vom Vergußmörtel in Gewölben, über Mauer- und Fugenmörtel bis hin zu Versetzmörtel von Marmorinkrustationen und Putzmörteln für die Oberflächengestaltung. (Abb. 1, 2)

1

Die Erhärtung eines Luftkalkmörtels (Carbonatisierung) fin-

Die enorme Beständigkeit dieser hydraulischen Mörtel aus römischer Zeit, welche seit der Ausgrabung der Ruinen Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert erneut der Bewitterung ausgesetzt sind, ist beeindruckend und ließen die Idee entstehen, einen Injektionsmörtel auf der Basis von Kalk und gebranntem Ton zu entwickeln. Erste Versuche, die mit Materialien wie Sumpfkalk aus lokaler Herstellung und vor Ort gemahlenem Ziegelmehl aus dem Ziegelschutt der Ausgrabung von Bauten aus römischer Zeit durchgeführt wurden, verliefen erfolgversprechend. Der aus Ziegelmehl und Sumpfkalk hergestellte Injektionsmörtel ließ sich sehr gut verarbeiten und wurde erstmals für die Sicherung von in situ befindlichen, bemalten Putzfragmenten in den Ostthermen eingesetzt. (Abb. 3, 4) Anhand von Materialproben der Ziegelbruchstücke aus Olympia wurden am Mineralogischen Institut der Universität Karlsruhe unter Leitung von Prof. Dr. Egon Althaus die Materialzusammensetzung und die Brenntemperaturen der römischen Ziegel untersucht. Das Ziel der Untersuchungen war, einen entsprechend zusammengesetzten Ton zu finden und bei gleicher Tem­ peratur zu brennen. Die Analysen zahlreicher Tonproben, welche mit jeweils unterschiedlichen Brenntemperaturen gebrannt wurden, zeigten dass eine Tonerde mit der Hersteller­ bezeichnung »IIA«, die in Hettenleidelheim im Kreis Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) abgebaut wird, bei einer Brenntemperatur von 900 °C und einer Brenndauer von nur 30 Minuten annähernd dieselben hydraulischen Eigenschaften wie das römische Ziegelmaterial aufweist. Höhere Brenntemperaturen verschlechterten hingegen

2

Eberhard Liebig und Egon Althaus: Gebrannte Tonminerale

det durch chemische Reaktion zwischen Ca(OH)2 und atmo-

als puzzolanische Komponenten bei der Herstellung von Re-

sphärischem CO2 (Co2-Gehalt der Luft ca. 0,03 Vol%) statt.

staurierungsmörteln auf Kalkbasis, in: Erhalten historisch be-

Um 1g Ca(OH)2 in CaCO3 zu überführen sind 1,19 m3 Luft nö-

deutsamer Bauwerke, hrsg. v. Universität Karlsruhe, Jahr-

tig, ein Prozess der bei Mauermörtel Jahre dauern kann.

buch 1995, Karlsruhe, S. 269.

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Fotos/Š: Wilhelm Glaser

Themen 1

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Themen Manfred Torge, Doris Brödner, Ines Feldmann, Sonja Krug, Helena Mathies, Birte Mull, Ute Schoknecht

Untersuchungsmethoden zum Nachweis von Holzschutzmitteln Neue Erkenntnisse zur Analyse von PCP und Lindan

Seit etwa 150 Jahren werden Holzschutzmittel im Baubereich angewendet. Chemische bzw. konstruktive Holzschutzmaßnahmen sind für alle tragenden und maßhaltigen Hölzer in Deutschland nach DIN 68 800-1 (2011) vorgeschrieben. Chemische Holzschutzmittel enthalten Substanzen, die das Holz vor Insekten- bzw. Pilzbefall schützen sollen. Pentachlorphenol (PCP) war bis Anfang der 1980er Jahre ein häufig benutztes Fungizid im Holzschutz. Diese Verbindung besitzt eine gute Wirkung gegen holzzerstörende Pilze und ist häufig in Kombination mit dem Insektizid Lindan (Hexachlorcyclohexan) eingesetzt worden [1]. Beide Wirkstoffe wurden seit Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden diskutiert und schließlich 1989 als Wirkstoff für den Holzschutz in Deutschland verboten [2]. Anwendungen von Holzschutzmitteln im Innenraum wurden seitdem erheblich eingeschränkt. Insbesondere bei denkmalgeschützten Gebäuden ist aber zu erwarten, dass historisch wertvolle Holzkonstruktionen mit Holzschutzmitteln behandelt wurden.

chen es, Wirkstoffe aus Holzschutzmittel qualitativ und quantitativ nachzuweisen und aus den Ergebnissen Maßnahmen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz abzuleiten.

Fotos/©: BAM

1

1 Untersuchung eines Holzbalkens in der Friedenskirche in Schweidnitz mit dem Handheld-Spektrometer Tracer III-SD.

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Ist Holz im Innenraum mit biozidhaltigen Mitteln behandelt worden, so bleiben die Wirkstoffe nicht nur im Holz, sondern gasen langfristig aus und belasten die Raumluft. Besonders in den ersten Wochen und Monaten nach der Behandlung findet eine starke Freisetzung der Gifte statt. Die Emission in die Luft ist auch nach Jahrzehnten noch nachweisbar und bedeutet einerseits eine unmittelbare Belastung für den Menschen, andererseits nehmen auch Staub und andere Materialien die Wirkstoffe aus der Luft auf und werden mit gesundheitsschädlichen Verbindungen angereichert. Solche Verbindungen können auch wieder an die Luft abgegeben oder durch Hautkontakt auf den Menschen übertragen werden. Die verwendeten Untersuchungsmethoden ermögli-

Mobile Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) Mit Hilfe von mobilen röntgenanalytischen Verfahren können Objekte zerstörungsfrei, ohne Probenahme und ohne Schädigung vor Ort untersucht werden [3]. Zu den Anwendungsgebieten gehört vor allem die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von Materialien, die anorganische Bestandteile enthalten. PCP und Lindan sind zwar organische Substanzen, sie enthalten jedoch »Markerelemente« wie z. B. Chlor, die mit Hilfe der RFA detektierbar sind. Die Analysen an Holzbalken erfolgten auf allen vier Seiten der Kirche mit dem Handheld-Spektrometer Tracer III-SD der Firma Bruker AXS Microanalysis GmbH. Die RFA-Untersuchungen geben Hinweise auf die Elementzusammensetzung an den Mess-Stellen. Die Ergebnisse sind semiquantitativ. Indem die Nettopeakintensitäten miteinander verglichen werden, können Aussagen über den Elementanteil getroffen werden. Das Element Chlor dient als Hinweis für Pentachlorphenol und Lindan. Frühere Studien [4, 5] ergaben, dass erhöhte Chlorwerte auf eine primäre Kontamination mittels chlororganischen Bioziden hinweisen, geringe Chlorwerte dagegen sich bereits in den meisten natürlichen, nichtkontaminierten Hölzern finden und kein Indiz für die Anwendung eines Holzschutzmittels darstellen. An drei Mess-Stellen (O2, O3, W3) wurden signifikante Chlorgehalte nachgewiesen, die eindeutig auf den Eintrag von Bioziden zurückzuführen 6/2013


Themen 2

sind. Andere Chlorquellen sind an ungefassten Hölzern bei diesen hohen Gehalten auszuschließen. Weiterhin wurden jeweils hohe bzw. erhöhte Werte in Abtropfspuren von Holzschutzmitteln an behandelten Hölzern (W1, W2) nachgewiesen. Das Ergebnis dieses ersten Screenings ermöglichte eine gezielte Probenahme für weitere Untersuchungen. Untersuchungen von Holzproben in der Mikro-Kammer (µ-CTE) Das Analyseverfahren mit Hilfe der Mikro-Kammer (µ-CTE) ist in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung im Rahmen einer Dissertation entwickelt und getestet worden [6]. Es handelt sich dabei um eine Methode für schwer flüchtige organische Verbindungen (Semi Volatile Organic Compounds, SVOC) mit der unter anderem auch Inhaltsstoffe von Holzschutzmitteln wie PCP und Lindan nachgewiesen werden können. Die Methode beruht auf der höheren Flüchtigkeit der Holzinhaltsstoffe bei erhöhter Temperatur, die dann an einen Adsorber gebunden werden. Nach der anschließenden Elution des Adsorbers können die Bestandteile mit Hilfe von Gaschromatographie und massenspektrometrischer Detektion analysiert werden. Als Adsorbens wird ein Styroldivinylbenzol (SDVB)-Polymer (200 mg in einer Kartusche) verwendet. Die Proben W2 und O2 wurden mit Hilfe der µ-CTE untersucht. Bei der Entgasungstemperatur von 23 °C lagen alle Werte unter der Nachweisgrenze der Methode. Ein qualitativer und quantitativer Nachweis von PCP und Lindan war nur bei den Proben möglich, die bei einer Temperatur von 80 °C in der µ-CTE exponiert wurden. Analyse von Luftproben mit Gaschromatographie und Massenspektrometer (GC/MS) Bei dieser Methode wird die Luft eines Innenraums über ein poröses Polymer gesaugt (Tenax®TA -2,6-Diphenylenoxid), wobei die flüchtigen organischen Verbindungen adsorbiert werden. Dieses Verfahren für die Bestimmung von VOC´s wird seit vielen Jahren erfolgreich in der BAM angewendet und macht eine erste Einschätzung der Zusammensetzung der Luftinhaltsstoffe möglich [7]. Im Labor erfolgt anschließend eine gaschromatographische Auftrennung der Verbindungen sowie eine Identifizierung und Quantifizierung der enthaltenen Bestandteile mittels eines Massenspektrometers als Detektor und einem Vergleich mit entsprechenden Standards. Die Luftprobenahmen erfolgten auf allen vier Seiten der Kirche (Nord N1, Ost O2, Süd S2 und West W4). Dabei war es notwendig die optimalen Probenahmebedingungen (Zeit/Volumen) in Tests vor Ort zu ermitteln. 6/2013

2 RFA-Spektrum an der Mess-Stelle O2

In allen Luftproben wurden PCP und Lindan nachgewiesen. Die unterschiedlichen Konzentrationen hängen vermutlich von den differierenden Klimabedingungen (Temperatur/relative Luftfeuchtigkeit) ab. Sie wird möglicherweise aber auch durch den Feinstaub in der Luft beeinflusst, der in großer Menge vorhanden ist. Daher wurden zusätzlich ausgewählte Staubproben auf Inhaltsstoffe von Holzschutzmitteln überprüft.

Tabelle 1

MessStelle cps

O1a 17

O1b 5

O1c 28

O1d 19

O2 352

O3 477

N1a n.n.

N1b n.n.

N1c n.n.

S2a 19

MessStelle cps

S2b 14

S2c 8

S2d 13

S2e 32

S2f 8

S2g 13

W1 3526

W2 3233

W3 2838

W4 n.n.

Tabelle 1 RFA-Untersuchungen: Ergebnisse der Nettopeakintensitäten von Chlor in counts per second (cps).

Tabelle 2 Proben-Nr.

Probennahmetemperatur

PCP [mg/kg]

Lindan [mg/kg]

O2

80 °C

119*/38**

73*/

W2

80 °C

27*/22**

15*/

Tabelle 2 Ergebnisse der Analyse von Holzproben in der Mikro-Kammer *Probenahme 1. Tag, **Probenahme 5. Tag; PCP und Lindan wurden eindeutig in den Holzproben O2 und W2 nachgewiesen. Die Probenahme am ersten Tag weist jeweils eine höhere Konzentration auf als die am fünften Tag gesammelten Proben. Tabelle 3 Proben-Nr.

PCP [µg/m3]

Lindan [µg/m3]

N1

0,26

0,12

O2

0,13

0,08

S2

0,68

0,11

W4

0,61

0,23

Tabelle 3 Ergebnisse der Luftprobenahme mit Gaschromatographie und Massenspektrometer.

53


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