Zeitschrift f端r Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
Historischer Baustoff Kunststein DenkmalPflege auf der 13. Biennale Museen und Klimatisierung
Messevorschau Zur denkmal 2012 www.restauro.de
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Oktober/November 2012
Inhalt 39
Das Weltkulturerbe Auschwitz
restauro aktuell 3
Editorial
Foto/© Beate Kozub
Blickpunkt 6 Zur Ethik des Steins: Die Kathedrale von Lausanne 7 Tipps und Kniffe: Mit Silikonpflastern temporär zusammenhalten 8 Denkmalpflege auf der 13. Biennale dell’Architettura in Venedig 9 Neue Förderung: das »Effizienzhaus Denkmal«
Einblicke 10 Der Spindler-Schreibtisch Messevorschau 12 denkmal 2012 70
Firmen und Produkte
Kommentar 74 Über die staatlich geförderte Zerstörung von Kulturgut
restauro Themen 22 Historischer Baustoff Kunststein
Michael Pfanner und Sylvia Schoske 16 3 000 Kilo Granit auf Reisen Vom Transport des Münchner Obelisken
Foto/© gta-Archiv, ETH Zürich: Semper-Archiv
Petra Dariz 22 Forschungsfeld Kunststein Exemplarische Untersuchungen an Gustav Gulls Erweiterung des Hauptgebäudes der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich Johannes Mosler 30 Holz im Außenbereich Erhaltung, Konservierung und Pflege mit Leinöl und Leinölfarben Lena Lang 34 Ein Schaufenster für die »GERA« Teil 1: Überlegungen zur Konservierung eines Museumsschiffes Beate Kozub 39 Auschwitz: Mahnfunktion für die Welt Über die Bewahrung eines besonderen Weltkulturerbes 16
Transport eines Obelisken
Jörg Baumeister 44 Denkmal(s)licht Über Licht und Beleuchtung von Architektur Walter Pannike 49 Ein Sicherungsbügel für Keramik Zur Sicherung freistehender archäologischer Keramik am Historischen Museum Basel Poul Klenz Larsen, Morten Rhyl-Svendsen, Lars Aasbjerg Jensen, Benny Bøhm und Tim Padfield 53 Konstantes Raumklima und niedriger Energieverbrauch – kein Widerspruch Zehn Jahre Erfahrung mit energieeffizienter Klimatisierung in Archiven und Museums magazinen Foto/© D. Wildung
Marcus Herdin 61 Von Vermutungen, Wissen, Nachlässigkeit und Verantwortung Gedanken zu Klimavorgaben und Energieeinsparungen in Museen
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7/2012
Inhalt 44
Foto/© flickr.com, O. Palsson
Beleuchtung von Baudenkmalen
restauro rubriken 72 Termine 73 Vorschau 73 Ausstellungen 74 Impressum
Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
HistORiscHeR BaustOff KuNststeiN DeNKMalPflege auf DeR 13. BieNNale MuseeN uND KliMatisieRuNg
Titelbild Lebende Werkstätten wie diese erwarten die Besucher der Messe denkmal. Eine Messevorschau finden Sie auf Seite 10. Foto: Isabella Haag, Redaktion RESTAURO
Messevorschau Zur denkMal 2012 www.restauro.de
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Oktober/November 2012
Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren.
Zeitschrift für Restaurierung,
Besondere Pigmente für Besondere KunstwerKe www.kremer- pigmente.de
Denkmalpflege und Museumstechnik 118. Jahrgang
7/2012
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Blickpunkt
Foto: Ralph Liebermann
Ansicht von Santa Maria dei Miracoli nach Abschluss der Konservierung und Restaurierung 1998.
Zusammen mit dem Denkmalpfleger und Architekten Mario Piana, über lange Jahre Professor an der Università di Venezia, prä sentiert Wolters nun auf der Biennale vier vorbildliche venezianische Beispiele der Er forschung, Konservierung und Restaurie rung. Der Titel »L’architetto invisibile« (Der 8
unsichtbare Archi tekt) ist dabei pro grammatisch zu verstehen, weil die respektvolle Instand setzung eines Bau denkmals eben kei nen »individuellen Stempel« des betreu enden Architekten in Form kreativer Ergän zungen und Uminterpretationen erfordert, sondern umsichtiges Planen auf der Grund lage einer detaillierten Erforschung des Bau denkmals, seiner Geschichte und seiner Er haltungsproblematik. Die darauf basierende Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen ist eine komplexe Teamarbeit, sie erfordert ein gut funktionierendes interdisziplinäres Zusammenspiel und damit viel Koordinati onsgeschick seitens des Architekten. Die vorgestellten Beispiele belegen, dass dies möglich ist und dass dabei keine Mehrkos ten gegenüber üblichen Sanierungsmaßnah men entstehen, unter der Voraussetzung ei ner kompetenten Planung und Bauleitung. Mit Texten, Fotos und verformungsge rechten Bauaufmassen werden diese vier Denkmale vorgestellt, die man bei einem anschließenden Spaziergang durch Venedig auch in natura besichtigen kann: Die »Gaggiandre« im Arsenal der historischen Schiffswerft und Flottenbasis der ehemaligen Republik Venedig: Es handelt sich um überdachte Wasserbecken für vier große Galeassen (eine Kombination aus Segelschiff und Ruderschiff), die unter offe nen, auf Rundbogenarkaden ruhenden Sat teldächern Schutz fanden. Dieses beeindru ckende, kurz nach der Mitte des 16. Jahr hunderts entstandene Bauwerk wies schwere Schäden vor allem an den histori schen Dachkonstruktionen auf, die mit be hutsamen statischen Eingriffen erhalten werden konnten. Die Kirche Santa Maria dei Miracoli im Quartier Cannaregio: Das Äußere und Innere dieses Schmuckstückes der venezia nischen Frührenaissance, erbaut im späten 15. Jahrhundert von Pietro Lombardo und seiner Werkstatt, ist mit reichen Marmorin krustationen verkleidet, die schwere Schä den durch hohe Salzbelastung aufwiesen.
Foto: Antonio Musacchio
»Common Ground« lautet der Titel der dies jährigen internationalen Architekturbiennale in Venedig. Damit thematisiert der Kurator, der britische Architekt David Chipperfield, die Bedeutung des städtebaulichen Umfel des, der kulturellen Kontinuität und der »Erinnerungsorte«. Er will die Tätigkeit der Architekten stärker in einen allgemeinen gesellschaftlichen Kontext einbinden und die interdisziplinäre Zusammenarbeit stär ken. Der Blick richtet sich damit auch auf die Denkmalpflege und auf die fachgerech te Erhaltung venezianischer Baudenkmale. Wolfgang Wolters, emeritierter Professor der TU Berlin und ausgewiesener Spezialist für die venezianische Kunstgeschichte, en gagiert sich seit Jahrzehnten für denkmal gerechte Instandsetzungen historischer Bau werke in Venedig. Dabei konnte er in einigen Fällen umfassende vorbereitende Untersu chungen von Bauwerk und Ausstattung durchsetzen, bei denen Bauforscher und Restauratoren eine Schlüsselrolle spielten.
Zeichnung: Mario Piana
»L’architetto invisibile« Denkmalpflege, Bauforschung und Restaurierung auf der 13. Biennale dell’Architettura in Venedig
Die »Gaggiandre«: Querschnitt durch ein Becken mit Überdachung und Grundriss, Aufmaß mit Darstellung der Maßnahmen zur statischen Sicherung der Dachkonstruktion.
Auf der Grundlage breit gefächerter Vorun tersuchungen konnten für den speziellen Fall geeignete Konservierungsmethoden entwickelt und durchgeführt werden, die den Bestand nachhaltig gesichert haben. Der Palazzo Grimani bei Santa Maria Formosa: Dieser repräsentative Patrizier palast aus dem 16. Jahrhundert mit reicher Fresken- und Stuckdekoration wies schwe re statische Schäden auf, die nach umfang reichen Voruntersuchungen mittels behut samer Eingriffe behoben werden konnten. Es folgten Konservierungs- und Restaurie rungsarbeiten an der bedeutenden Ausstat tung. Der Palast wird heute für Wechsel Info: 13. Biennale dell’Architettura, Giardini della Biennale und Arsenale, Venedig, bis 25. November 2012, www.labiennale.org 7/2012
Themen Michael Pfanner und Sylvia Schoske
3 000 Kilo Granit auf Reisen Vom Transport des Münchner Obelisken
Im Sommer 2013 wird das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München neu eröffnet. Es verlässt seinen alten Standort in der Residenz und bezieht gegenüber der Alten Pinakothek im Kunstareal an der Gabelsbergerstraße einen außergewöhnlichen Neubau. Nach und nach müssen daher auch alle Exponate umziehen. Das größte aller Objekte, ein Obelisk aus Rosengranit, stellte dabei eine besondere Herausforderung dar. Denn einen Obelisken transportiert man nicht jeden Tag.
Foto/© D. Wildung
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Foto/© Marianne Franke
1+2 Neuer und alter Standort: Der Münchner Obelisk zierte von 1972 bis 2007 den Hofgarten vor der Münchner Residenz (Abb. 2). Seit 2010 hat er einen neuen Platz gefunden: im Lichthof des neuen Museums für Ägyptische Kunst (Abb. 1).
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Trophäen des Sieges Vier Obelisken haben bis heute unter der Sonne Ägyptens an ihrem originalen Standort die Jahrtau sende überlebt, in den Tempeln von Heliopolis, Karnak und Luxor, wo sie als monolithische aniko nische Erscheinungsformen des Sonnengottes errichtet worden waren. Zwei Dutzend dieser Son nenmäler ragen heute jedoch fern ihres Ursprungs landes in den wolkigen Himmel abendländischer Städte. Wir begegnen diesen Monumenten nicht nur in Paris, London und New York, sondern insbe sondere auch in Rom. Die vierzehn wieder errich teten Obelisken der Ewigen Stadt sind Trophäen des Sieges der römischen Kaiser über das Pharao nenreich. Sie sind aber auch Denkmäler der Ehr furcht gegenüber einer Kultur, die zur Blütezeit des kaiserzeitlichen Roms bereits auf eine drei Jahrtausende alte Geschichte zurückblickte und schon den Griechen als Ursprung menschlicher Gesittung galt. Wie viele ägyptische Monumente einst das Stadtbild des imperialen Roms prägten, ist unbe kannt. Bis heute sind hunderte von Statuen, Reli efs und Architekturteilen bei Grabungen und als Spolien in späteren Bauwerken zutage gekom men. Doch sind noch nicht alle Schätze gehoben. In der unmittelbaren Nachbarschaft des Panthe ons schlummert zehn Meter unter dem Straßen niveau bis heute ein Tempel der ägyptischen Göt ter Isis und Sarapis. Ein Obelisk mit bewegter Geschichte München, die Stadt, deren Künstler im Zeitalter des Klassizismus und der Romantik so gerne nach Rom reisten, hat auch eine besondere Beziehung zum ägyptophilen antiken Rom. Denn seit 1816 befindet sich ein Obelisk aus Rom in der bayri schen Landeshauptstadt (Abb. 2), dessen moder ne Geschichte kaum weniger Interesse verdient als seine antike Vergangenheit. Doch zunächst zurück in die römische Antike: Den Hieroglyphentexten des Mittelstücks des Obelisken ist zu entnehmen, dass er zum Geden ken an Titus Sextius Africanus errichtet wurde, der 7/2012
Themen Petra Dariz
Forschungsfeld Kunststein Exemplarische Untersuchungen des Kunststeins an Gustav Gulls Erweiterung des Hauptgebäudes der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
Zementgebundener Kunststein erlebte in der Schweiz eine erste Blütezeit an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. In diese Periode fallen auch Umbau und Erweiterung des Hauptgebäudes der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Der dort erhaltene Kunststein erlaubt interessante Einblicke in die Entscheidungsfindung bis zur Fertigung dieses Werkstoffes.
Foto/© ETH Zürich/Esther Ramseier
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1 Das Hauptgebäude der ETH Zürich, hier der Haupteingang an der Rämistraße, erhielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Rahmen von Um- und Ausbauten eine Fassade aus graugrünem Kunststein.
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Kunststein im 19. und 20. Jahrhundert Der Schweizer Ingenieur Wilhelm Ritter formuliert 1909 ein enthusiastisches Lob über den neuen Werkstoff Kunststein: »Der Naturstein ist gewissermaßen ein Lebewesen, er stirbt ab, wenn er dem Bruch entnommen wird, er verwittert[; …]. Ganz anders ist es beim Kunststeinprodukt der Fall, durch das hydraulische Bindemittel, den Zement, steigert sich [– tadellose Fabrikationsweise vorausgesetzt –] von Jahr zu Jahr die Festigkeit des Produktes, und die Farbenschönheit erhält sich, da eine Abbröckelung ausgeschlossen ist«.1 Auf die Fertigung und Vermarktung von romanund portlandzementgebundenen Kunststeingüssen spezialisierte Manufakturen finden sich in der Gewerbelandschaft der Schweiz seit den frühen 1840er-Jahren. Trotz des ökonomischen Vorteils aufgrund der beträchtlich geringeren Materialkosten begegnet man ihren Fabrikaten jedoch lange Zeit mit Skepsis. Ein halbes Jahrhundert an praktischen Versuchen ist notwendig, um Architekten, Ingenieure und Bauherren von Solidität und Dauerhaftigkeit zementgebundener Elemente zu überzeugen; eine breite Akzeptanz derselben zeichnet sich erst im Laufe der 1910er-Jahre ab. Bereits in der Zwischenkriegszeit verliert der Kunststein wieder an Bedeutung, da neue architektonische Konzepte und damit Naturstein und Sichtbeton das Bauen bestimmen. Erforschung historischer Farbigkeit Für die denkmalpflegerische Erhaltung von Kunststeinelementen sind besonders die historischen Materialien und Herstellungstechniken interessant, die dem Surrogat jeweils seine mechanischphysikalischen und optischen Charakteristiken verleihen. Zusammensetzung und Farbigkeit des künstlichen Steins variieren von Objekt zu Objekt, denn im 19. Jahrhunderts stößt der neue Werkstoff nicht zuletzt aufgrund der graugrünen Eigenfarbe des Zementsteins auf Ablehnung. Noch 1927 schreibt der Ingenieur Erich Probst in seinem vielzitierten Handbuch, »der gleichmäßige, tote Eindruck einer glatten, eintönigen zementgrauen 7/2012
Themen Johannes Mosler
Holz im Außenbereich Erhaltung, Konservierung und Pflege mit Leinöl und Leinölfarben
Das gesteigerte Umweltbewusstsein, aber auch die Bestimmungen der Lösemittelverordnung führen momentan zu einer Renaissance der Leinölfarbe ohne Lösemittel für Anstriche auf Holz. Für ein gelungenes Ergebnis gilt es jedoch einiges zu beachten.
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2 Rohes, kaltgepresstes Leinöl wurde bei maximal 40 °C gepresst. Neben dem Leinöl entsteht dabei der sog. Leinkuchen (auch Öl- oder Press kuchen). Letzterer besteht aus den verbliebenen Schweb- und Schleimstoffen und wird als Viehfutter verwendet.
Foto/© Thomas Groth
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Foto/© Ghomri Wolf-Khosrowi
1 Auch gealterte Anstriche lassen sich mit Leinöl wieder stabilisieren. Hier beispielsweise das Eingangsportal von Schloss Molsberg (Westerwald), dessen grüner Leinölanstrich (linke Türhälfte) bereits deutlich gealtert war. Auf der rechten Seite der Tür wurde bereits mit der Leinöl-Behandlung begonnen.
edanken zu möglicherweise vorhandenen Alt G anstrichen auf historischen Oberflächen. Daran schließen sich Betrachtungen zur Imprägnierung, Anstrich, Alterung und Pflege an.
Eine fast vergessene Tradition Linum Usitatissimum, der sehr nützliche Lein, gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Vor etwa 4 000 Jahren kam die Leinpflanze, Flachs, aus den klimatisch gemäßigten Regionen Afrikas und Asiens auch nach Mitteleuropa. Zunächst lieferten vor allem ihre Fasern den Rohstoff für Leinwand und Kleidung. Vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts verwendeten Kunstmaler und Handwerker Leinöl zur Herstellung von Leinölfarbe. Doch dann übernahmen Farbenfabriken zunehmend die Produktion der (Lein-)Ölfarben. Dadurch ging das Wissen über die handwerkliche Herstellung fast verloren. Lediglich kleine Farbenhersteller aus Schweden, Dänemark und Österreich gaben ihre traditionelle Fabrikation nie ganz auf. Diese sind zurzeit, neben regionalen Anbietern für rohes Leinöl, die Hauptlieferanten für Farbenhändler und Verarbeiter von Leinölfarben, auch in Deutschland. Leinölfarben sind heute nicht nur auf historischen Holzoberflächen, sondern auch bei Neuanfertigungen beliebt. Gerade im Außenbereich, etwa bei Türen oder Fenstern, ist ein sorgfältiger Aufbau des Farbsystems erforderlich. (Abb. 1) Nur so hat der Anstrich auch bei Bewitterung eine lange Lebensdauer. Zunächst folgen nun einige
Altanstriche Die Erfahrung hat gezeigt, dass erste Anstriche historischer Bauteile in der Regel mit Leinöl gebunden waren. Solche reinen historischen Ölanstriche sind im Außenbereich allerdings kaum noch vorzufinden. Oft wird daher pauschal eine vollständige Entfernung aller alten Anstriche empfohlen und durchgeführt. Dabei lassen sich auch fragmentarische Reste mit einem neuen Ölanstrich festigen und erhalten. Sehr dicke Altanstriche lassen sich reduzieren. Ist eine vollständige Abnahme dennoch erforderlich, sollten an geschützter Stelle Musterflächen als Primärdokumente belassen werden. Entfernt man die Altanstriche auf thermisch-mechanische Weise, lassen sich im Untergrund verankerte Anstriche als Grundlage für Neuanstriche erhalten. Diese Anstrichreste bestehen aus Pigmenten und z. T. kristallin gewordenem Leinöl. Sie dienen dem Folgeanstrich als Grundierung, Porenfüller und Haftvermittler. Die Arbeitstemperatur auf den zu entfernenden Farbschichten lässt sich durch den Abstand von Infrarotgerät bzw. Heißluftgebläse zum Untergrund, eventuell auch durch Einsatz eines Dimmers, einstellen. Um Holzschäden zu vermeiden, gilt es, die Oberfläche zu erwärmen, nicht aber zu erhitzen. Aktuelle Emissions- und Raumluftmessungen von Berufsgenossenschaften belegen, dass gesundheitsrelevante Grenzwerte bei der thermischen Farbentfernung eingehalten werden. Die lösemitteltechnische Farbentfernung hingegen löst ölgebundene Anstrichreste an. Diese verlieren dadurch ihre holzfestigenden Eigenschaften. Porentief gereinigte, »saubere« Untergründe führen außerdem zu einem erheblichen Mehraufwand beim erneuten Anstrich. Von dieser Methode ist daher abzusehen. Imprägnierung Unmittelbar nach der thermischen Farbentfernung ist wegen der geringen Holzfeuchte und Restwärme des Holzes der beste Zeitpunkt zur Imprägnierung. 7/2012
Themen Beate Kozub
Auschwitz: Mahnfunktion für die Welt Über die Bewahrung eines besonderen Weltkulturerbes
Wie kein anderer Ort auf der Welt verkörpert Auschwitz die Erinnerung an die Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Holocaust. Auschwitz erinnert uns an Massenmord, Leid, Zwangsarbeit und medizinische Versuche. Es warnt vor einer Wiederholung. Stellvertretend für alle Lager steht es heute auf der UNECSO-Welterbeliste.
Foto/© Beate Kozub
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Ort der Trauer und Andacht Gewöhnlich erinnern uns Kulturgüter an wichtige künstlerische Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. Anders das frühere Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau: Dessen authentische materielle Hinterlassenschaften haben für uns und die künftigen Generationen eine andere Funktion. Sie sollen uns mahnen, einstige Verbrechen nicht zu wiederholen und müssen daher als Teil unseres kollektiven Gedächtnisses erhalten bleiben. Der Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Wilfried Lipp bezeichnet die Arbeits-, Konzentrationslager und Vernichtungslagerstätten als »Negativdenkmäler«, die durch ihre nachträgliche Mahnfunktion zu Erinnerungsträgern des Gewissens und der Trauer geworden sind. Als Denkmäler der Unkultur stünden sie im Gegensatz zu der eigentlich positiv gemeinten geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Denkmalbedeutung.1 7/2012
Dieses »Negative Kulturgut« ist unter besonderen denkmalpflegerischen Schutz gestellt und symbolisiert die dunklen Seiten der kulturell-geistigen Schöpfung von Menschen.2
1 Das internationale Interesse lässt das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zum wichtigsten Symbol für den Holocaust werden.
Einzigartig auf der Welterbeliste Einen besonderen Stellenwert räumt auch die UNESCO dieser Stätte ein. 1979 setzte sie die Über reste des Konzentrationslagers und das darin befindliche Museum (s. Kasten) auf seine Liste und ernannte es damit zum Weltkulturerbe. Allerdings fügte das Kommitee den Zusatz bei: »The committee decided to enter Auschwitz concentration camp on the List as a unique site and to restrict the inscription of other sites of a similar n ature«.3 Somit steht Auschwitz stellvertretend für andere Gedenkstätten dieser Art auf der Liste. Nach der Aufnahme des »Friedensdenkmals in Hiroshima (Genbaku Dome)« im Jahr 1996 beschloss die 39
Themen Jörg Baumeister
Denkmal(s)licht Über Licht und Beleuchtung von Architektur
Foto/© www.flickr.com/Allie_Caulfield
Licht und Architektur sind eng miteinander verknüpft. Licht wird erst auf den Oberflächen der Architektur sichtbar. Oder umgekehrt: Architektur wird erst durch Licht sichtbar. Aus dieser Abhängigkeit entwickelten sich in der Geschichte gemeinsame Architektur- und Beleuchtungsstile.
1 Licht und Architektur gehören zusammen. Deswegen erstellen Lichtdesigner beispielsweise für Museen ein Lichtkonzept. Im Bild: das Smithsonian American Art Museum. Die indirekte Beleuchtung sorgt hier für diffuses Licht. Die »Spots« setzen Akzente auf die einzelnen Kunstwerke.
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Architektur und Licht Bei der Betrachtung von Baudenkmalen als Zeugnisse eines spezifischen Stils muss die zugehörige Beleuchtung eingegliedert sein. Geschichtliche Identität eines Baudenkmals bedeutet auch Authentizität seiner Beleuchtung. Tageslicht Für Tageslicht klingt diese Forderung zuerst einmal selbstverständlich. Denn Öffnungsgrößen eines Gebäudes definieren das originale Tageslichtniveau im Innenraum. Doch sobald Nutzerbedürfnisse einbezogen werden, beginnt ein Abwägungsprozess: Es ergeben sich zusätzliche Parameter wie Sonnen- und Blendschutz oder die Frage nach
effektiverer Verglasung, die in die Planung integriert werden müssen. Für den Fall von Tageslichtmangel besteht die Möglichkeit, mit Kunstlicht zuzuleuchten (s. u.) oder – falls überhaupt denkmalpflegerisch vertretbar – auf Tageslicht-Lenksysteme durch abgeschrägte Brüstungen, Lamellensysteme, Light Shelves (Lichtschwerter), Glasprismen, Umlenkspiegel, Lichtlenkgläser oder auf Glas gedampfte Hologramm-Filme zurückzugreifen.1 Kunstlicht-Strategien Die Kunstlichtplanung bei Denkmalen berücksichtigt mehr Variablen und ist deshalb weit komplexer als die Tageslichtplanung. Deshalb wird die Kunstlichtplanung in diesem Rahmen schwerpunkt 7/2012
Themen Marcus Herdin
Von Vermutungen, Wissen, Nachlässigkeit und Verantwortung Gedanken zu Klimavorgaben und Energieeinsparungen in Museen
Beim Thema »Klimavorgaben für Museen« sind sehr unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die scheinbar schwer miteinander vereinbar sind. Will man realisierbare Lösungen finden, sind Kompromisse und Kreativität gefragt – doch wie weit dürfen diese Kompromisse gehen?
Foto/© Bayerisches Nationalmuseum München
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1 Das Material eines jeden Kunstwerks reagiert unmittelbar auf die relative Luftfeuchte und Temperatur seiner Umgebung. Zahlreiche Diskussionen drehen sich daher um die Frage, in welchen Rahmen sich die Schwankungen dieser Parameter bewegen dürfen, ohne das Kunstwerk zu schädigen. Im Bild: Blick in einen Museumsraum des Bayerischen Nationalmuseums München (höfische Kunst des 19. Jahrhunderts).
Ein komplexes Thema Bei Gesprächen zum Thema »Klimavorgaben im Museen«, argumentieren die verschiedenen Teilnehmer offensichtlich von sehr unterschiedlichen Wissensständen und Standpunkten aus. Dieser Artikel will provozieren und soll dazu anregen, sich offen und inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu diskutieren. Anlass für diesen Artikel war (vereinfachend gesagt) die Behauptung, tageszyklische Schwankungen von ca. 5 % rF (relative Luftfeuchte) seien nicht mehr oder weniger schädigend für Kunstwerke als solche von ca. 2 % rF. Im Folgenden möchte ich nun aus meiner Sicht versuchen, praxisnah, möglichst umfassend, mit 7/2012
gesundem Menschenverstand und mit einem Augenzwinkern Zusammenhänge dieses komplexen Themas darzustellen. Zunächst werden die naturwissenschaftlichen Grundlagen kritisch dargestellt, (vermeintliche) Fakten erneut hinterfragt und der Umgang mit den entsprechenden Publikationen betrachtet. Danach folgen die Bewertung der vorangegangenen Punkte und anschließend eine Auflistung von alternativen Möglichkeiten der Energie- und Kosteneinsparung, die nicht zu Lasten der Kunstwerke gehen. Naturwissenschaftliche Grundlagenforschung Es gibt verwirrend viele Aussagen hinsichtlich der Wechselwirkung von Klima und Materialien und 61