Zeitschrift für Restaurierung, Denkmalpflege und Museumstechnik
Beleuchtung der Liebfrauenkirche in Trier Dichtheitsprüfung bei Kunstvitrinen Mottenschutz – eine deutsch-deutsche geschichte
segen oder fluch? biozide im Deutschen Historischen Museum www.restauro.de
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Oktober/November 2013
Inhalt 6
Van Gogh at work
restauro aktuell 3
Editorial
Fotos/Copyright 2005-2013 - Van Gogh Museum | colofon
Blickpunkt 6 Van Gogh at work – Forschungser gebnisse zur Maltechnik 7 Kunstobjekte online 8 2013 ist das Jubiläumsjahr Edvard Munchs 9 Lesetipp »Dom im Licht im Dom« 10 Historische Beleuchtung mit LEDs in Schloss Schönbrunn 11 Bayerische Schlösserverwaltung – 220.000 Euro Förderung für Pilotprojekt
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Licht in Liebfrauen
Nachgefragt 12 LEDs – die Nonplusultra-Beleuchtung für Kunstwerke? Unterwegs 16 In Gefahr: Ägyptens kulturelles Erbe 18 Für die Ewigkeit: Pompeji konservieren 56
Lesezeichen
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Firmen und Produkte
restauro Themen Stephan Gotzes, Mario Haunhorst 20 Licht in Liebfrauen Die Beleuchtung eines Weltkulturerbes in Trier 28
Johannes Strecha Dichtheitsprüfung bei Kunstvitrinen Über den »richtigen« Umgang mit Indikatorgasmethoden
Oliver Hahn, Sonja Krug, Andrea Lang, Judith Zimmer 34 Biozide in den textilen Sammlungen des Deutschen Historischen Museums Ein Forschungsprojekt 40
Ina Stephan, Ute Schoknecht, Rüdiger Plarre Biologische Wirksamkeitsprüfung von Bioziden
Oliver Jann und Birte Mull 41 Biozidemissionen aus Materialien in der Luft 45
Mottenschutzmittel
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Dagmar Holthenrich und Vera Ritz Gesundheitliche Bewertung von Bioziden Zur Restaurierung von Ausstellungsstücken
Foto/©: Bayer AG / Corporate History & Archives
Martina Homolka 45 EULAN – WOGUMAN Eine deutsch-deutsche Geschichte zur Anwendung und Entwicklung von Mottenschutzmitteln Helene Tello 50 Handle with Care Altlasten präventiver Konservierung in musealen, naturkundlichen und botanischen Sammlungen
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7/2013
Marcus Herdin im Gespräch
Fotos/©: F. Rukavina
Nachgefragt
LEDs – die Nonplusultra-Beleuchtung für Kunstwerke? Eine kleine Revolution findet gerade im Bereich der Beleuchtung von Exponaten in Museen statt. LED-Leuchten gelten vielen Experten als der neue Königsweg; sie sollen Leuchtstoffröhren und Halogenlampen ablösen. Doch wie gut ist die LED wirklich? Ein Interview mit Marcus Herdin vom Bayerischen Nationalmuseum in München.
Herr Herdin, welche Erfahrungen haben Sie mit LED-Leuchten hier im Museum gemacht? Vor etwa fünf bis sechs Jahren wurden uns die ersten LEDs angeboten. Wir haben auch Musterleuchten hier gehabt, damit man sieht, wie das LED-Licht wirkt. Und die Entwicklung geht weiterhin nach oben. Die Leuchten von damals sind mit denen von heute gar nicht zu vergleichen. Die damaligen hätten wir nicht verwenden wollen. Hauptsächlich die Farbwiedergabe und Brillanz waren ungenügend. Dadurch erschien zum Beispiel Gold und Silber blechern. Zu kühl das LED-Licht, oder? Nein, das stimmt nicht so. Die Farbwiedergabe – der CRI oder Ra-Wert – wird generell aufgrund acht pastelliger Referenztöne berechnet. Gerade im Kunstbereich müssen alle CRI-Werte bis zum Wert 14 berücksichtigt werden, da sind auch satte Töne dabei. Bei satten Tönen haben viele LEDs nach wie vor Schwierigkeiten, besonders in den Referenzentönen 9 (Rot) und 12 (Blau), also bei wesentlichen Farben in unseren Kunstwerken. 12
Und das ist jetzt besser geworden? Viel besser. Aber Unterschiede bleiben. Man muss sehr auf die Qualität achten, nur wenige Hersteller bieten die hohe Qualität eines Binnings mit 2 Mac Adams an, also eine Auswahl, bei der zwischen den einzelnen LEDs kein Farbunterschied mit dem bloßen Auge wahrnehmbar ist. Wenn Sie Leuchten mit schlechterem LED-Binning kaufen, erkennen Sie bei zehn LEDs derselben Charge gegebenenfalls zehn unterschiedliche Weißtöne. Wie weit sind Sie hier im Haus? Aufgrund einer energetischen Maßnahme konnte für den Ostteil des Museums über das Staatliche Bauamt ein Austausch der Halogenleuchten durch LEDs finanziert werden. Für den neuen, noch zu eröffnenden, sanierten Westteil läuft jetzt gerade eine Ausschreibung. Auch dort werden wir auf LED-Leuchten zurückgreifen. Warum? Da wir hohe Ansprüche an die neue Ausleuchtung der Kunstwerke stellen, waren wir aus 7/2013
Foto/©: Ralf Kilian/ Fraunhofer IBP
Unterwegs
Für die Ewigkeit: Pompeji konservieren Wie lässt sich das Weltkulturerbe Pompeji dauerhaft vor dem Zerfall bewahren? Dieser Frage werden Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), der Fraunhofer Gesellschaft und des ICCROM mit dem »Pompeii Sustainable Preservation Project« in den nächsten zehn Jahren nachgehen.
Die Ruinen Pompejis vor dem Vulkan Vesuv.
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Der Ausbruch des Vulkans Vesuv im Jahr 79 nach Christus hat Pompeji unter Gestein- und Lavamassen begraben und für Jahrhunderte konserviert. Größere Ausgrabungen begannen erst im 18. Jahrhundert und legten die antike Stadt wieder Stück für Stück frei. Jede Ausgrabung bringt neue Erkenntnisse und wird von Forschung und Öffentlichkeit viel beachtet. Die Konservierung der Ausgrabung und die langfristige Erhaltung dieser einzigartigen Stätte für die Nachwelt werden im Gegensatz dazu stiefmütterlich behandelt. Viele Funde wurden in Museen gebracht, jedoch insbesondere die freigelegten Gemäuer und deren umfangreiche Verzierungen wurden nicht ausreichend konserviert und verfallen immer mehr. Die Wissenschaftler des »Pompeii Sustainable Preservation Project« wollen sich ab 2014 einem Häuserblock in Pompeji, einer so genannte Insula, als Forschungsobjekt widmen und umfassend konservieren, vom aufwändigen Wandgemälde bis zur kleinsten erhaltenen Mauer. »Das fängt mit der Entwässerung an und hört bei neu gestalteten Schutz-
bauten noch lange nicht auf«, sagt Erwin Emmerling, Professor am Lehrstuhl für Restaurierung der TU München. Ein neuer wichtiger Ansatz dabei ist die präventive Restaurierung. »Die gibt es bisher in angemessener Form noch nicht. Wir wollen herausfinden, wie das kontinuierliche Restaurieren eigentlich geht«, so Emmerling. Dabei werden einfache, klassische Materialien, wie z. B. Kalk zum Einsatz kommen. In den schmalen Gassen von Pompeji können große Hilfsmittel wie z. B. Kräne, nicht benutzt werden. Die Forscher planen, Nanotechnologien einsetzen, um die Fließfähigkeit des Kalks zu steigern und damit Fresken durch Hinterfüllung zu stabilisieren. Die oberste Farbschicht der Bilder wollen die Wissenschaftler mit Kalk- und Siliziumverbindungen konservieren. Neben Restauratoren und Archäologen werden auch zahlreiche Forscher anderer Fachrichtungen am »Pompeii Sustainable Preservation Project« mitarbeiten. Denn die antike Stadt soll genau vermessen und ihr Zustand auch mit Luftbildern festgehalten werden. Seismische Messungen sollen Aufschluss über künftige Belas7/2013
Themen Stephan Gotzes und Mario Haunhorst
Licht in Liebfrauen Die Beleuchtung eines Weltkulturerbes in Trier
»Illuminare nihil aliud est quam manifestationem agnitae veritatis alteri tradere« Thomas von Aquin Als Büro silberstreif planungsgruppe haben sich der Lichtplaner Stephan Gotzes und der Glas-und Licht künstler Mario Haunhorst 2006 zusammengeschlossen, um Licht und Architektur auf symbiotische Wei se zu verbinden. Der Beitrag von Mario Haunhorst erklärt das planerische Konzept und die gestalteri schen Intentionen des Büros bei der Lichtplanung der Liebfrauenkirche in Trier.
Fotos/©: Loki
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1 Liebfrauenbasilika Trier. 2 Blick ins Querhaus mit der Vierung.
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Zusammen mit dem Trierer Dom steht die Liebfrauen kirche auf den Fundamenten einer römischen Dop peltempelanlage im Zentrum der Stadt. Sie gilt zusam men mit der Elisabethkirche in Marburg als älteste gotische Kirche in Deutschland und als frühester go tischer Zentralbau des Landes. Seit 1986 ist die Lieb frauenkirche Teil des UNESCO-Welterbes Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche in Trier. Wer den Zentralbau betritt, erlebt einen von Fens tern und Licht bestimmten Raum. Säulen und in Kreuzrippen aufgelöste Gewölbe, die sich über dem Grundriss einer Rose erheben, dienen als klare Rah men und Strukturelemente für die großen Fenster flächen. Erst auf den zweiten Blick erschließen sich dem Besucher die Details der liturgischen Orte, der Einrichtung und der Bildwerke. Im Laufe eines Son nentages und eines Sonnenjahres geben sich Form bildung und Beleuchtung durch das Sonnenlicht in raffiniert gestalteter Einheit zu erkennen. Anfang 2007 wurde das Büro silberstreif planungs gruppe in die Planungsüberlegungen zur anstehenden Restaurierung einbezogen. Der eigentliche Planungs prozess erstreckte sich von 2007 bis 2011 über vier Jahre. Von Beginn an wurde deutlich, dass Licht ein integrales Gestaltungsmittel des Raumes sei – und dass damit der Beleuchtung des Raumes im Rahmen der Restaurierung ein erhebliches Gewicht zukäme. Die in der Liebfrauenkirche vorhandene Interimslö sung bestand aus Pendelleuchten, die in Gruppen geschaltet werden konnten. In den Kreuzarmen und
in der Vierung hingen Leuchtenbündel. Sie waren je weils durch Öffnungen in den Gewölbeschlussstei nen abgependelt und so konstruiert, dass sich je weils unter einem schräg nach oben abstrahlenden Leuchtenkranz eine Einzel-Reflektorlampe befand. Systemähnlich waren die praktisch nur aus einem PAR-Leuchtmittel bestehenden Pendelleuchten in den Kapellen des Kapellenkranzes abgependelt. Im Planungsprozess stand dem Verwaltungsrat der Kirchengemeinde neben dem leitenden Architekten Hans-Joachim Becker ein hochkarätig besetzter Fachbeirat zur Seite, der gemeinsam mit Dr. Busse, Amt für Kirchliche Denkmalpflege, Diplom-Ingenieur Josef Eltges, Bauabteilung Bischöfliches Generalvi kariat und den beauftragten Fachplanern Empfehlun gen zu Detaillösungen entwickelte. Schnell wurde deutlich, dass an die neue Beleuchtung der Liebfrau enkirche höchste ästhetische und technische Anfor derungen gestellt werden mussten. In den ersten Planungsgesprächen kamen neben dem zum Beispiel 2003 im Regensburger Colloqui um »DOM IM LICHT IM DOM« formulierten Anfor derungsprofilen für die Liebfrauenkirche schnell spe zifische Anforderungen zur Sprache: nnRückbindung der Beleuchtung an die Raumma ße und die Raumaussage nnEntscheidungsfindung für geeignete Leuchten positionen nnAuseinandersetzung mit dem Modulor des Raums und Aufspüren bedeutsamer Proportio nen bei der Formgebung hocheffizienter und lichttechnisch ausgereifter Leuchten nnAufspüren von Horizonten in der Baugestalt für das Entwickeln von »Lichtebenen« bei gleich zeitiger Berücksichtigung einer optimalen Licht verteilung und weitgehender Vermeidung einer störenden Schattenbildung im Sonnenlicht nnBetonung der Zentralbauform mit Kreuzachse bei gleichzeitiger Schaffung von Räumen in Räu men (Kapellenkranz) nnGestaltung einer gestuften Feierlichkeit mit un terschiedlichen Lichtszenen nnEinsatz einer reversiblen Technik mit einem Mi nimum an Eingriffen in die geschützte Bausubs tanz (Abb. 2, 3) 7/2013
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Themen Johannes Strecha
Dichtheitsprüfung bei Kunstvitrinen Über den »richtigen« Umgang mit Indikatorgasmethoden
Kunstvitrinen sollen Objekte präsentieren und vor Umwelteinflüssen schützen. Überprüft und quantifiziert wird die Schutzfunktion durch die Dichtheitsprüfung mittels Indikatorgasmethoden, die hier kritisch hinterfragt werden.
Indikatorgasmethoden Die Hauptaufgabe einer Kunstvitrine ist es, neben der Präsentation der Objekte, diese auch vor Umwelteinflüssen zu schützen. Dafür ist die Dichtheit der Vitrine maßgeblich. Die in der Branche übliche Maßzahl dafür ist die sogenannte Luftwechselrate (englisch: Air Exchange Rate, AER), die angibt, wie
oft pro Zeiteinheit das Luftvolumen der Vitrine ausgetauscht wird. Beinahe so unterschiedlich wie sich die Ausstellungslandschaft präsentiert, sind jedoch auch die Messverfahren der unterschiedlichen Museen und Institute um die Luftwechselrate zu bestimmen. Eine Initiative der Firma Artex war darauf ausgerichtet, die verwendeten Mess-
Fotos/©: Johannes Strecha / Artex
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7/2013
Themen Oliver Hahn, Sonja Krug, Andrea Lang, Judith Zimmer
Biozide in den textilen Sammlungen des Deutschen Historischen Museums Ein Forschungsprojekt
Ein dreijähriges Projekt zwischen dem Deutschen Historischen Museum (DHM) und der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung ermöglichte einen differenzierteren Einblick in die tatsächliche Kontamination der textilen Sammlungen des Museums1. Die Benennung des Gefahrenpotenzials und der Personenschutz standen dabei im Vordergrund der Untersuchungen.
Fotos/©: DHM, BAM
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1 Vermutliche Auskristallisierung von Methoxychlor auf einem Uniformrock.
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Teil 1: Der lange Weg zum Messergebnis Der textile Sammlungsbestand des DHM besteht im Kern aus dem historischen Zeughaus-Bestand. Dazu gehören hauptsächlich Fahnen, Uniformen und militärische Ausrüstungsgegenstände, vor allem aus Materialien wie Wolle, Leder, Seide, Fell und Federn. Darüber hinaus gibt es eine umfangreiche Sammlung sowohl von zivilen als auch militärischen Textilien aus den Beständen des ehemaligen Museums für Deutsche Geschichte (MfDG) und denen des DHM, in der gesamten Bandbreite der möglichen Materialvielfalt. Darüber, dass Teile der Sammlungen kontaminiert sind, bestand nie ein Zweifel, denn zahlreiche Objekte sind mit Etiketten mit der Aufschrift Eulan oder Eulan BLN 3 %, und teilweise zusätzlich mit Jahresangaben gekennzeichnet. Weitere Hinweise finden sich auf den alten Inventarkarten oder sind mündlich überliefert. Ein spezifischer Geruch beim Umgang mit den Objekten schien bzw. scheint dies zu bestätigen. Mitte der 1990er Jahre wurden erstmals kristalline Ausblühungen an Uniformen wahrgenommen, die 1997 durch Achim Unger (Staatliche Museen Berlin) als Methoxychlor identifiziert wurden (Abb. 1). Weitere Untersuchungen folgten 20052, 20073 und 20084, wobei DDT, ein unspezifisches Insektizid, DDE, Lindan, Eulan und sonstige Methoxychlorverbindungen analysiert wurden. Der Schutz
des Personenkreises, der mit den Objekten umgeht, war der eigentliche Motor dieses Projektes, Priorität hatte daher die Beurteilung des Gefahrenpotenzials. Eine weitere Intention war, die üblichen Messmethoden zur qualitativen und quantitativen Bewertung der Kontamination auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen und weiterzuentwickeln. Eine repräsentative Auswahl an Objekten sollte vor Ort, also in den Depots gemessen werden. Insbesondere für die organischen Materialien war das Ziel, eine zerstörungsfreie Messmethode zu entwickeln. Augenmerk sollte auf die Kontamination sowohl der Objekte und des Mobiliars als auch der Raumluft in den Depots und den Arbeitsräumen gelegt werden. Von Interesse waren ebenso mögliche Schädigungen an den Objekten sowie die Wechselwirkungen zum Beispiel zwischen Objekt und Objekt und/oder Holzschrank und Objekt. Ein großes Anliegen der Projektmitarbeiter war die digitale Zugänglichkeit der gesamten Projektdaten. Vorüberlegungen Die Besprechungen während der Zusammenarbeit konzentrierten sich zunächst auf den Arbeitsschutz und im weiteren Verlauf auf die Herangehensweise zu den Luft- und Objektmessungen. Bereits 2008 wurde auf der Grundlage der schon erwähnten Biozidnachweise durch die Unfallkasse des Bundes der Arbeitsschutz festgelegt. Diese Maßnahmen sind seit 2009 im Rahmen des Projektes überprüft und konkretisiert worden. Dies betrifft speziell die nnInformationen an die Mitarbeiter nnpersönliche Schutzausrüstung nnKennzeichnung von Schränken mit kontaminierten Objekten bzw. die Entsorgung von kontaminierten Holzschränken und Verpackungsmaterialien nnregelmäßige Reinigung der Depots in festgelegten Intervallen nnInformationen für Depotbesucher und Leihnehmer sowie aller weiteren Personen, die am Leihverkehr der kontaminierten Objekte beteiligt sind 7/2013
Themen Die umfangreiche Recherche im Hausarchiv und die Befragungen langjähriger Mitarbeiter wiesen auf verschiedene Biozidbehandlungen innerhalb der Sammlungen hin. Die Anwendung von Phosphorwasserstoff, Eulan, Woguman und Haka Mottentod sind schriftlich dokumentiert worden. Die Anwendung von Naphthalin, Kampfer und Mottenpapieren ist mündlich überliefert.
Zu den Autoren Oliver Hahn PD Dr. Oliver Hahn Leiter des Fachbereichs »Kunst- und Kulturgutanalyse« Kontakt: BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Unter den Eichen 44-46 12203 Berlin oliver.hahn@bam.de Sonja Krug Dipl. Restauratorin, Mitarbeiterin des Fachbereichs »Kunst- und Kulturgutanalyse« Kontakt: BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Unter den Eichen 44-46 12203 Berlin sonja.krug@bam.de
Ein Fallbeispiel: Die Verwendung des Markerelements Arsen Beim Studium der einschlägigen Literatur der jeweiligen Zeit war auffällig, dass ausschließlich vor dem Umgang mit Arsen immer wieder gewarnt wurde. Arsen war, im Gegensatz zu Blei, Chlor und teilweise auch Quecksilber, schon immer als hochwirksames und gefährliches Gift anerkannt und gefürchtet.7 Die Konservierung von Fellen, Haaren und Federn in naturwissenschaftlichen Sammlungen durch Eintauchen oder Besprühen mit einer alkoholischen Lösung von arseniksaurem Natrium wurde von Rathgen ausdrücklich als Mottenschutz in seiner Publikation von 1924 empfohlen8 und bei Lehmann 1965 beschrieben.9 Aber auch schon 100 Jahre vorher wurde Arsen als wirksames Gift gegen vor allem größere Schädlinge im Haus empfohlen und auch eingesetzt.10 Die Verwendung von Arsen in der Herstellung Bei den im Folgenden aufgeführten Verwendungen von Arsen handelt es sich um eine kleine Auswahl der während der Literaturrecherche gefundenen
Tabelle 2
Andrea Lang Dipl. Restauratorin (FH) für Kulturgut aus Textilien Textilrestauratorin am Deutschen Historischen Museum Kontakt: Stiftung Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2 10117 Berlin ALang@dhm.de
Rezepturen. Arsen fand sowohl bei der Herstellung von Farbstoffen als auch beim Färbeprozess seine Anwendung. Die Hinzugabe von arsenhaltigem Auripigment stabilisiert laut Krünitz die Blaufärbung der Indigoküpe bei der Seidenfärberei. Die Grafik für den VIS-Messpunkt 01, hier in der blauen Kurve, identifiziert den Farbstoff des blauen Seidengewebes als Indigo. Das Arsen, das im Futter (05/06) der Livree gefunden wurde, kann, in diesem Zusammenhang, ein Hinweis auf eine Auripigmentzugabe zur kalten Indigoküpe sein. Eine spätere Biozidbehandlung des Objektes mit einem arsenhaltigen Präparat ist eher unwahrscheinlich, da es keinen eindeutigen Hinweis auf Arsen in der roten Wolle sowie im schwarzen Seidensamt gibt. Dieses Beispiel steht stellvertretend für viele weitere Objekte, die die Autoren untersucht haben und zu denen ausführliche Quellenrecherchen erfolgten. Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Vorhandensein von Chlor, Quecksilber, Arsen und Blei nicht zwingend auf ein Biozid hinweisen muss. Oft handelt es sich um Marker, die eindeutig Herstellungsprozessen zuzuordnen sind. Deren Entfernung wird nicht angestrebt, da diese einen starken Eingriff in die originale Substanz der Objekte darstellen würde. Für das Frühjahr 2014 ist eine vollständige Online-Publikation des gesamten Forschungsprojektes auf der Internetseite des Deutschen Historischen Museums geplant. Über einen Austausch auf dieser Plattform sowie Fragen und Anregungen würden sich die Autoren sehr freuen.
Name der Verbindung
Chem. Formel
Verwendung
Arsen(V)-säure, auch Arseniksäure
H3AsO4
Herstellung von Anilinfarbstoffen11
Arsen(III)-sulfid, auch Schwefelarsenik, Gelber Arsenik, Operment, Königsgelb, Gelbes Schwefelarsen, Auripigment, Rauschgelb, Königsgelb
Gelbfärben mit Schwefelarsenik in Potasche12 As2 S3 bzw. As4S6 Stabilisierung der Blaufärbung mit kalter Indigoküpe13
Tabelle 2 Übersicht der Verwendung von Arsen.
Judith Zimmer Dipl. Restauratorin (FH) für Kulturgut aus Textilien Textilrestauratorin am Deutschen Historischen Museum Kontakt: Stiftung Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2 10117 Berlin Zimmer@dhm.de
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Reinsch, Hugo: Das Arsenik, Nürnberg 1843.
8
Buchheister, Gustav Adolf: Handbuch der Drogistenpraxis, Berlin 1893, zweiter Teil (www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.
html?id=63042). Rathgen, Friedrich: Die Konservierung von Altertumsfunden (Handbücher der Königlichen Museen zu Berlin), 3. Teil, 2. überarb. Aufl., Berlin 1915–24. 9
Lehmann, Detlef: Mottenschutzbehandlung textiler und zoologischer Textilobjekte, in: Der Präparator, Zeitschrift für Muse-
umstechnik 2 (1965), Sonderdruck, S. 192. 10
»Das Arsenik wird endlich auch noch sehr häufig zur Tötung und Vertilgung schädlicher Tiere wie der Ratten, Mäuse, Scha-
ben, Fliegen etc. benützt, daß bei solchem Gebrauche dieses Giftes immer mit der größten Vorsicht zu verfahren sey, ist wohl
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Themen Martina Homolka
EULAN – WOGUMAN Eine deutsch-deutsche Geschichte zur Anwendung und Entwicklung von Mottenschutzmitteln
Was haben das Mottenschutzmittel EULAN BLN der Marke Eulan®, ein Warenzeichen der Firma Bayer Leverkusen und WOGUMAN C, ein Produkt der VEB Farbenfabriken Wolfen, gemeinsam? Eine Antwort findet man in den Akten des Hausarchivs im Deutschen Historischen Museum Berlin (DHM, HArch) beziehungsweise im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in der Abteilung Merseburg (LHASA).
Foto/©: Deutsches Historisches Museum, Berlin
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1 Etikett »Eulan«.
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Themen
1a Werbung für Eulan.
Die Restauratoren des Museums für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin (MfDG) waren 1957 auf der Suche nach einem geeigneten, nicht wässrigen Mottenschutzmittel, mit dem die farb- und materialempfindlichen keratinhaltigen Objekte wie zum Beipiel Uniformen, Tschakos, Grenadiermützen, Kleider oder Bergmannsuniformen ausgerüstet werden konnten. Die Restauratoren fragten bezüglich des Produktes die »Deutsche Handelszentrale Chemie« in Chemnitz, damals Karl-Marx-Stadt, an, da sie zuständig für den Import entsprechender WestProdukte war. Die Deutsche Handelszentrale veranlasste daraufhin am 14.06.19571 eine Probe von EULAN BLN (= Chlormethansulfon-2,4,5-trichlorani-
lid) an das Museum zu schicken. Es konnte in organischen Lösemitteln wie zum Beispiel in Trichlorethylen oder Tetrachlorkohlenstoff gelöst und im geschlossenen Kreislauf in der chemischen Reinigung angewendet oder in sprühender Weise aufgetragen werden. Im MfDG wurde es zunächst zu Testzwecken auf dem Dach der Werkstätten und später in einer Spritzanlage aufgesprüht. Die Ergebnisse überzeugten ganz offensichtlich, denn am 18.02.1959 erfolgte eine Behandlungsempfehlung2 des dortigen Textilrestaurators Domscheidt für die aus der UdSSR zurückgekommenen Textilien. Im gleichen Jahr wurde ein Artikel von dem Restaurator Mocznay an die Redak-
Foto/©: Bayer Leverkusen, Homolka
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7/2013