STEIN
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MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK
WIRTSCHAFTSRÄUME
GUSTO AUF GASTRO HOTEL
MUSEUM
GROSSKÜCHEN
Heiß auf Gneis: Beola Stella aus dem Ossolatal setzt spannende Akzente in einem tollen Südtiroler Hotel
Bergtour im niederländischen Leiden: Oben auf den Kuben aus Beton und rotem Travertin wartet das Café
Dicht – aber richtig: Abdichtung und Verlegung erfordern bei Gastro-Küchenböden besondere Sorgfalt
INHALT
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Roter Travertin aus dem Moderne Elemente Iran und alte weiße Betonkönnen Friedhöfe friese sind zentrale auflockern, wenn sie Gestaltungselemente sich, wie hier in Altdorf des deszurückNatubei Anbaus Nürnberg, ralis Biodiversity nehmen und nicht Centers im niederlänin den Vordergrund dischen Leiden. drängen.
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Schlichte in Ein unter Eleganz DenkmalKombination mit granschutz stehender diosen – das BunkerAusblicken in München hat dembehutsam Entwurf für ein wurde renoHotel Südtirol einen viert in und innen mit Preis Auch dem eingebracht. Naturstein „Fade innen besticht das Haus to Grey“ ausgelegt. durch edles Design.
STEIN ONLINE
Wenn Drehkopfbrückensägen in die moderne Produktion integriert werden, verschmilzt der Sägezuschnitt mit anderen Bearbeitungsschritten zu einem industriellen Prozess.
SCHÖNE WELT DER STEINE
STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema Naturstein gibt es auf facebook.com/stein.magazin
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Naturschönheit Ein Museum in Leiden besticht durch seine extravagante Architektur.
STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de
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Geschichte aus dem Nockherberg Zeitgemäß interpretierte Gemütlichkeitsarchitektur im Paulaner am Münchner Nockherberg.
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ZUM SAMMELN
STEINE BEARBEITEN 20
Akzente in Grau Großformatige Platten aus Gneis verleihen dem Hotel Schgaguler in Südtirol eine edle Wirkung.
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Saucen sicher binden Wie Fußböden in Großküchen abgedichtet werden, um der hohen Beanspruchung zu genügen.
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Jura Gelb Gebändert Die STEINKUNDE stellt einen Naturstein aus der Altmühlregion in Bayern vor.
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Alles dreht sich um die Drehkopfsäge Wie sich moderne CNC-gesteuerte Brückensägen in die Fabrikation einbinden lassen.
Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Jura Gelb Gebändert KUNDE
Handelsname:
JURA GELB GEBÄNDERT ● Petrografische Familie:
Kalkstein ● Typische Farbe:
Gelb ● Herkunftsort:
Altmühlregion/Bayern/ Deutschland ● Liefernachweis:
Überall im gut sortierten Fachhandel
Foto: Abraxas Stone Experts/Giesen
● GEOLOGIE/PETROGRAFIE
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Jura „Marmor“ zählt, zusammen mit den ebenfalls aus der Altmühlregion stammenden Solnhofener Natursteinplatten, sicherlich zu den bekanntesten und meisterforschten Natursteinen Deutschlands. Es handelt sich aus petrografischer Sicht jedoch nicht um einen Marmor, sondern um einen Kalkstein maritimen Ursprungs. Er wird großflächig in einer Vielzahl von Aufschlüssen (Brüchen) abgebaut. Der Stein steht oberflächennah an, sein Abbau erfolgt im Tagebau. Allen Brüchen gemeinsam ist eine nahezu gleiche Schichtenabfolge in vertikaler Richtung. Die einzelnen Sichten unterscheiden sich sowohl in ihren technischen Gebrauchseigenschaften Iinnen-/Außenanwendung) als auch in ihrem optischen Erscheinungsbild (Farbtöne Gelb, Grau, Gemischtfarben etc.). Die Sortierung Jura Gelb gebändert wird nur durch den Anschnitt der
Rohblöcke, wie man es auch vom Travertin her kennt, ermöglicht. Hierzu muss ein Schnitt gegen das natürliche Lager erfolgen. Man kann jedoch nicht in beliebiger Lage eine Sortierung Jura Gelb gebändert erzeugen. Zur Erzielung dieses Dekors ist Schicht-Nr. 11 (L) prädestiniert.
● ARCHITEKTUR Jura „Marmor“ ist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Er ist einer der wenigen deutschen Steine, die international im Bereich von Großobjekten verbaut werden. In Leistungsverzeichnissen sollte nicht lediglich die Bezeichnung Jura „Marmor“ oder besser Jura Kalkstein aufgeführt werden. Hier ist es notwendig, auch die entsprechende Dekorangabe anzufügen, da der Stein in unterschiedlichen Farbselektionen am Markt angeboten wird, die sich nicht nur im Aussehen, sondern auch im Preis vonei-
nander unterscheiden. Während Jura Gemischtfarben zu den preiswertesten Selektionen zählt, handelt es sich beim Jura Gelb gebändert um die teuersten Selektionen. Während Farbsortierungen wie Jura Gelb geblümt keinerlei Richtungsbezug zeigen, ist ein gerichtetes Gefüge (Bänderung) bei der Sortierung Jura Gelb gebändert klar erkennbar. Dadurch kann das Texturbild auch gezielt als architektonisches Gestaltungselement eingesetzt werden. Dies ist vor allem bei Geometrien mit sehr unterschiedlichen Kantenverhältnissen von Länge zu Breite vorteilhaft. Bei langgestreckten Räumen wie beispielsweise Gängen oder Fluren lässt sich durch eine Queranordnung der Bänderung zur Raumlängsachse ein ausgewogenes Proportionsverhältnis erzielen. Dipl.-Ing.(FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu
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Auch in Krisenzeiten können Unternehmer den Umsatz stabilisieren, zum Beispiel mit durchdachten Planungen. Aber auch Flexibilität und Verfügbarkeit sind wichtig.
KUNDEN GEWINNEN 44
Agil durch die Krise Wie Unternehmer derzeit ihre Geschäftsmodelle organisieren und optimieren können.
CHANCEN NUTZEN 52
Die Rückkehr der Meister Meinungen zur Wiedereinführung der Meisterpflicht für Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
PANORAMA 56 57 58
Buchbesprechung Ester Kinsky „Schiefern“ Recht Termine, Produkte und mehr
RUBRIKEN 65 66 74
Vorschau Impressum STEINLUPE: Ulrich Klösser, Geschäftsführer Traco Deutsche Travertin Werke GmbH
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SCHÖNE WELT DER STEINE
NATURSCHÖNHEIT Fassade aus rotem Travertin Naturalis ist das nationale Forschungsinstitut für Biodiversität im niederländischen Leiden. Es beherbergt Laborräume, Archive, Büros und ein Museum. Aufgrund der immer größer werdenden Sammlung und der stark steigenden Besucherzahlen entschied man sich, den bestehenden Gebäudekomplex zu erweitern. Für die Außenhülle des neuen Museumsbaus verwendete man roten Travertin aus dem Iran. Von Tanja Slasten
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SCHÖNE WELT DER STEINE
Foto: ScagliolaBrakkee / © Neutelings Riedijk Architects
Vom Erdgeschoss des lichtdurchfluteten Atriums führt der nach oben immer schmaler werdende „Bergpfad“ die Besucher entlang der roten Travertinwand zu den einzelnen Ausstellungsebenen
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SCHÖNE WELT DER STEINE
Mineralische Beläge im Bräu Der Nockherberg ist quasi das Epizentrum der traditionsreichen Paulaner Brauerei München. Auf einer Geländeterrasse rechts der Isar über dem Stadtviertel Au thronend, wo dereinst direkt unter der Anhöhe ab spätestens 1634 im damaligen Kloster Neudeck Mönche Bier brauten. Auch der Hauptsitz des Bräus befindet sich unweit dieser Anlage mit Schwemme, Gast- und Veranstaltungsräumen verschiedener Dimensionen, dem weitläufigen schattigen Biergarten, den man aus der TV-Werbung kennt, und der großen Festhalle, in welcher das berühmte „Politiker-Derblecken“ stattfindet. Paulaner hat hier nun eine Hausbrauerei für nur vor Ort erhältliche Biere errichtet und das Interieur insgesamt neu gestaltet – mit Naturstein, Keramik, Terrazzo, Holz und Metall. Von Sofia Glasl
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Foto: Christian Christes (www.chrischristes.de)
GESCHICHTE AUS DEM NOCKHERBERG
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SCHĂ–NE WELT DER STEINE
Rotunde, die der Braukunst gewidmet ist: Die neu geschaffene Hausbrauerei von Paulaner am Nockherberg und die umliegenden umgebauten Gasträume sind mit hochwertigen Materialien ausgestattet
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STEINE BEARBEITEN
AKZENTE IN GRAU
Foto: René Riller / Bagnara
Großformatige Platten aus Gneis Seit über 30 Jahren heißt das Hotel Schgaguler seine Gäste im Südtiroler Kastelruth willkommen. Jetzt ließ der Bauherr den alten Bestandsbau durch einen modernen Neubau ersetzen. Besondere Akzente setzte man hierbei mit Bodenplatten und Möbeln aus hellgrauem Gneis und einer neuen, dreidimensionalen Oberflächenbearbeitung, die „Corteccia“ genannt wird. Von Tanja Slasten
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STEINE BEARBEITEN
Die Bartheke, die Stufen zur Lobby und der Empfangstresen sind durch die Verwendung des grauen Natursteins Beola Stella ein wahrer Hingucker
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STEINE BEARBEITEN
Fallbeispiel: In der Großküche des neuen Münchner Bildungscampus und Sportparks Freiham vertraut man einer bewährten Verbundabdichtung. In seiner Entstehungszeit das größte Schulbauprojekt der Stadt, ist das Lernzentrum seit 2019 in Betrieb
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Foto: Sopro Bauchemie GmbH
STEINE BEARBEITEN
Gastro-Küchen abdichten Fußböden in Großküchen sind vielfältigen, hohen Belastungen ausgesetzt. Bei der Planung und Ausführung der Abdichtungs- und Belagsarbeiten ist somit besondere Sorgfalt erforderlich. Eine Verbundabdichtung mit einem Fliesenbelag bietet hier einen zuverlässigen Schutz vor Schäden.
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Von Oliver Beege
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STEINE BEARBEITEN
Zur Sicherheit und für optimalen Materialfluss zwei automatisierte Sägeanlagen: Die Firma CB stone-tec in Ungerhausen verfügt neben einer automatischen Beladestation (im Vordergrund) über zwei CNC-gesteuerte Doppeltisch-Bandsägeanlagen von Burkhardt-Löffler
ALLES DREHT SICH UM DIE DREHKOPFSÄGE Drehkopf-Brückensägen und Integration in automatisierte Prozesse CNC-gesteuerte Brückensägen, zumeist mit Drehkopf und fünf interpolierenden Achsen sowie Vakuumsaugern ausgestattet, sind heute Stand der Technik – als Stand-alone-Maschinen, zunehmend aber auch integriert in Produktionsanlagen, die in Stückzahl1-Serienfertigung Arbeitsplatten in großer Zahl herstellen. So verschmilzt der Sägezuschnitt dank zusätzlicher Beund Entladesysteme mit den anderen Platten-Bearbeitungsschritten zu einem industriellen Prozess. Wir zeigen Beispiele, wie sich moderne Sägen perfekt in die Fabrikation einbinden lassen. Von Michael Spohr
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STEINE BEARBEITEN
Foto: Burkhardt-Löffler BT GmbH, Bayreuth
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ei den Sägen mit Trennscheibe ging die technologische Weiterentwicklung in den letzten Jahren so schnell, dass es sich bei modernen Großmaschinen heute um vollautomatische Multitalente handelt. In STEIN haben wir in den letzten Jahren immer wieder Sägen vorgestellt, die bohren, fräsen, polieren, gravieren und weitere Aufgaben übernehmen. Dies entlastet zum einen die Mitarbeiter und hilft zum anderen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das
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vorhandene Personal kann sich auf die Kernaufgaben konzentrieren, wenn die Maschinen den größten Teil der Produktion automatisiert erledigen. Hinzu kommt, dass gesteigerte Produktionskapazitäten und moderne Maschinentechnik oft erst den Einstieg in neue Geschäftsfelder möglich machen. Hierfür kommen automatisierte Einzelmaschinen für mittelständische Betriebe ebenso infrage wie komplette Bandproduktionsanlagen für industrialisierte Unternehmen.
STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Mühl Naturstein GmbH, Garbsen muehl-naturstein.de 2. J.König GmbH & Co., Karlsruhe j-koenig.de 3. Thibaut Deutschland GmbH, Saarbrücken thibautdeutschland.de 4. Burkhardt-Löffler BT GmbH, Bayreuth burkhardt-loeffler.com
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KUNDEN GEWINNEN
Kundenevents und Schulungen sind (hoffentlich) bald wieder möglich. Im Foto Inhaber Titus Wolkober bei einer Kundenveranstaltung 2019
AGIL DURCH DIE KRISE Umsätze verteidigen, Kunden halten Corona geht so schnell nicht weg. Für Unternehmer heißt das: weiter auf Sicht fahren und nah an den Kunden bleiben. Doch im Verkauf wird sich einiges ändern. Von Annette Mühlberger
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eutschland erlebt gerade den schwersten Konjunktureinbruch der Nachkriegszeit, stärker noch als in der Finanzkrise 2009, und es ist noch immer nicht ausgemacht, wie es am Ende ausgehen wird. Das ifoInstitut hört nicht auf, vor einer massiven Pleitewelle zu warnen, wenngleich die Branchen und Gewerke sehr unterschiedlich betroffen sind. Für viele Unternehmen auch im produzierenden Handwerk gilt: Die Stimmung rauscht seit April in den Keller.
BAU BLEIBT ROBUST Am robustesten zeigt sich weiterhin der Bau, selbst wenn auch hier mehr als ein Drittel der Unternehmen Kurzarbeit ge-
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meldet hat. Immerhin: Bis Mai war das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe mit 80 Prozent seiner Kapazität noch gut ausgelastet. Für Ende April meldeten nach der zum Redaktionsschluss vorliegenden, aktuellen Corona-Sonderumfrage des ZDH die Ausbaugewerke allerdings schon einen Umsatzrückgang von 42 Prozent, im Bauhauptgewerbe waren es 35 Prozent. Und jetzt Ende Juni/Anfang Juli, wo der Auftragsbestand vom ersten Quartal weitgehend abgearbeitet ist und die Lockerungen da sind? Füllen sich die Auftragsbücher wieder? Bleiben die Kunden an Bord? Oder halten sie erst mal das Geld zusammen – nach dem Motto: Wer weiß, was noch passiert…?!
VIELE BEAUFTRAGEN WEITER Das Bild ist unterschiedlich. Klar ist: Das Geschäft hat sich gedreht, viele Projekte wurden im Lockdown verschoben, andere kamen und kommen spontan dazu, und die Kunden reagieren – je nach Klientel – nicht unbedingt so, wie man es gewohnt ist. Der Preisdruck nimmt zu, man kalkuliert auf jeden Fall vorsichtiger. Viele Kunden bleiben auch erfreulich gelassen, nehmen die Auszeit von Weltreisen und Partys zum Anlass, um sich erst recht um Heim und Hof zu kümmern. Wer jetzt spontan und flexibel einspringt, kann die durch Corona entstandenen Lücken gut füllen. Agilität in und Diversifikation in der Krise sind Trumpf. Das zeigen auch unsere Gespräche mit Inhabern (siehe ab Seite 50).
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KUNDEN GEWINNEN
FAHREN AUF SICHT Was fehlt, ist der längere Planungshorizont, den das Handwerk in den letzten Jahren gewohnt war. Noch bis Jahresbeginn waren die meisten Betriebe wie immer über Monate gebucht und Kunden, die schnell ein Projekt umsetzen wollten, brauchten vor allem Geduld. Das ist seit Corona anders, und es ist unklar, ob die lieb gewonnene Stabilität so schnell zurückkommt.
Foto: Titus Wolkober
INSTABILITÄT MANAGEN Jetzt geht es erst mal darum, mit der neuen Unsicherheit und dem Virus zu leben. Den Umgang mit komplexer Dynamik üben Firmen schon länger unter dem
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Stichwort VUCA („V“ für Volatilität, „U“ für Unsicherheit, „C“ für Komplexität und „A“ für Ambiguity/Mehrdeutigkeit). Seit Corona gewinnt dieses Akronym, das bislang eher durch die Konzernetagen, denn durch die breite Gesellschaft geisterte, für alle an Bedeutung. Auslöser dafür, dass VUCA für Unternehmen zum Thema wurde, waren die Digitalisierung und die Globalisierung, die Prognosen immer schwieriger machten und selbst solide Geschäftsmodelle urplötzlich infrage stellten. Typisch für VUCA ist auch die Mehrdeutigkeit: Motive ändern sich ständig, und Interessensallianzen werden vielschichtiger. Genau das erleben wir seit März 2020 wie unter dem Brennglas. Dass es für Unternehmen kurzfristig gilt, in Krisen alles zu tun, um den Ge-
winn zu sichern, Umsätze zu verteidigen und die Kosten zu senken, versteht sich von selbst. Doch die Wege, erfolgreich zu bleiben, haben sich durch den Lockdown durchaus verändert.
WAS KOMMT, WAS BLEIBT: • Zoom statt Flurfunk: Wenn der Lockdown innerhalb weniger Wochen eines gezeigt hat, dann, wie gut die neuen visuellen Medien für die zwischenmenschliche Kommunikation funktionieren. Selbst technikscheue Zeitgenossen findet man jetzt in virtuellen Seminarräumen – und sie kommen gut damit klar. Es wird geskypt, was das Zeug hält, und für viele Anlässe stellt sich der Austausch via Zoom,
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CHANCEN NUTZEN
DIE RÜCKKEHR DER MEISTER Gesetzesänderung Seit Februar 2020 ist sie zurück, die Meisterpflicht in zwölf Gewerken, darunter die Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, die 2004 als Teil der schröderschen „Agenda 2010“ und Reaktion auf steigende Arbeitslosenzahlen dereguliert wurden. Von Anne Fischer
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ei den Fliesenlegern sank in den Folgejahren die Ausbildungsleistung von 3.029 Auszubildenden (2004) auf 2.209 Auszubildende (2015), ein Minus von 27 Prozent. Ob es allein am Wegfall der Meisterpflicht liegt, sehen Befürworter der Rückvermeisterung naturgemäß anders als die Gegner, etwa der Berufsverband unabhängiger Handwerker und die Monopolkommission. Letztere schreibt in einem Policy-Brief: „Als möglicher anderer Grund hierfür wird teilweise die vorübergehende Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung von 2003 bis 2008 angeführt. Hierdurch konnten in den zulassungsfreien Gewerken fachlich geeignete Betriebsinhaber auch ohne den Nachweis über den Erwerb besonderer berufs- und arbeitspädagogischer Kompetenzen Lehrlinge ausbilden. Diese Möglichkeit endete mit Beginn des Ausbildungsjahres 2009, woraufhin möglicherweise viele Betriebsinhaber in den zulassungsfreien Gewerken aus Kosten-Nutzen-Erwägungen auf den Erwerb des Nachweises und damit auf die Ausbildung von Lehrlingen verzichteten. Ferner ist zu betonen, dass in anderen Wirtschaftsbereichen, wie zum Beispiel in der Industrie, eine Marktzugangsbeschränkung wie der Meisterbrief zum Zwecke der Steigerung der Ausbildungsleistung nicht für notwendig erachtet wird.“ In Sachen Qualitätssicherung und Verbraucherschutz argumentierten in der Debatte unter anderem Ökonomen, Kunden könnten selbst wählen, ob sie einen – oftmals teureren – Meisterbetrieb wählen oder nicht. Die Rückvermeistung mache den Markteintritt für neue Betriebe deutlich schwieriger. Die kosten- und zeitintensive Meisterprüfung werde langfristig dazu führen, dass Verbraucher noch länger auf Handwerker warten müssten.
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CHANCEN NUTZEN
Foto: Stefan Bohlken / Schmidt Fliesen
Stefan Bohlken (r.), Obermeister der Fliesen- und Natursteinlegerinnung Oldenburg, setzte sich medienwirksam für die Rückvermeisterung der Fliesenleger ein. Nachdem klar war, dass sie kommt, besuchte Bohlken als „würdigen und versöhnlichen Abschluss“ des Prozesses Peter Altmaier im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin und bedankte sich – symbolisch mit einem Lot, das schon sein Vater benutzte
STEIN hat unter den Lesern nachgefragt, welche Meinung sie in der Debatte vertreten. Ein in Facebook-Nutzer etwa schreibt, wer auf dem Markt bestehen wolle, müsse können, was der Kunde verlange – und das sei kaum jemals ein Meistertitel. Anders sieht es Steinmetzmeister Markus Steininger, von dem STEIN ebenfalls Antwort erhalten hat. Er engagiert sich als Obermeister und stellvertretender Landesinnungsmeister in der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung München-Oberbayern und bietet mit seinem Unternehmen selbst auch Fliesenlegen als Leistung an. Er erhofft sich von der Meisterpflicht, dass „das Überangebot unqualifizierter Fliesenleger, die sich leider oft auch mit Naturstein versuchen, mittelfristig zurückgeht“. Preisunterschiede werde es weiter geben, denn „es gibt genügend Meisterbetriebe, die kein großes Firmengebilde im Hintergrund haben und deshalb günstiger anbieten können“. Grundsätzlich sei die Meisterpflicht der einzige Weg, Qualität und Ausbildungsleistung zu erhöhen. Steininger bildet selbst sowohl Steinmetzen und -bildhauer als auch Naturwerksteinmechaniker aus und glaubt, um die Attraktivität handwerklicher Ausbildungsberufe zu steigern, müsse sich auch das Lehrlingsgehalt erhöhen: „Wir stehen bei den Steinmetzen aktuell auf der Rankingliste auf Platz 163 von 168. Das wirft ein sehr schlechtes Bild auf unseren Beruf. Einen Einstiegslohn von 720 Euro monatlich halte ich für absolut angebracht.“ Die Befürchtung, dann werde noch weniger ausgebildet, teile er nicht, denn „Ausbilden ist eine Investition in die Zukunft – in unsere Zukunft“. Ob die Rückvermeisterung dem Fachkräftemangel bei den Fliesenlegern und minderwertiger Qualität entgegenwirken kann und so die Zukunftsfähigkeit erhöht oder den Markt abschottet und die Lehrlingszahlen weiter sinken, will die Bundesregierung in fünf Jahren erstmals überprüfen lassen. Und dabei wohl auch, ob weitere Gewerke rückvermeistert werden.
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