Stein 01 2011

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Zeitschrift für Naturstein

Wasserstrahlschneiden Muschelkalk Restaurierung

Tipps für Einsteiger

Januar 2011

Trendmaterial im Überblick Plastische Ergänzungen

www.s-stein.com

Die Küche der Zukunft


Inhalt

Nachrichten 06

Zeitsteine oder Stein zeitgemäß Über die Ausstellung »Zeitsteine« in Ludwigsburg

Gut zu wissen

Der Koch Ali Güngörmüs kocht dort, wo der Architekt Volker Bastian arbeitet. Architektur und Küche? Ein Gespräch über die richtigen Zutaten – beim Kochen und beim Bauen.

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Immer mehr Steinmetzen setzen auf die Kraft des dünnen Schneidstrahls. Ein Pionier der Wasserstrahltechnik erklärt, worauf es beim Einstieg ankommt.

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Steinmensch Vom Tanz zum Stein

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Angesprochen Der Wert des Handwerks

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Sehen lernen Baukunst im Schatten der Reformation

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Mobil Unterwegs in Trier

Baustelle

Der Königliche-Hof-Steinmetzmeister Carl Schilling entdeckte um die Jahrhundertwende für sich und für Berlin den Muschelkalk. Wer etwas auf sich hielt, baute damals mit Muschelkalk. Und heute?

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Bauen mit Stein: drei Klassiker Der Barcelona-Pavillon, die Fondation Beyeler und die Therme Vals

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Plastische Ergänzung an Naturstein Der richtig Umgang mit Steinkitten in der Denkmalpflege

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Die Leichtigkeit des Steins Eine Fassadenbekleidung aus Travertinund Granit-Verbundelementen

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Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/ 43 60 05-0 Fax +49 89/ 43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com

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Rekonstruktive Eingriffe in der Denkmalpflege sind genau abzuwägen, weil sie häufig mit einem Verlust der Originalsubstanz einhergehen. Ein Substanz schonendes Verfahren ist die Ergänzung mit Steinkitten.

Titelbild: Naturstein in der Küche. Foto: Schugar GmbH, Offenbach www.schugar.de

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MKS® Funke GmbH

Schleiftechnik für Profis

Systemlieferant für . . . Küche 20

Koch-Gut Wie die Küchen von morgen aussehen.

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Der Architekt, der Koch, die Küche Was Kochen und Bauen gemeinsam haben.

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Zwischen Kundenwunsch und Realität Das ist wichtig bei der Produktion von Küchenplatten.

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Die Küchenmacher Eine Firma baut eine eigene Küchenproduktion auf.

Wasserstrahlschneiden 36

Wasserstrahl im Aufwind So gelingt der Einstieg beim Wasserstrahlschneiden.

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Viel Dampf in der Küche Arbeitsplatten mit Wasserstrahltechnik produzieren

Muschelkalk 42

Faszination der Muschelkalke Eine Übersicht über deutsche Muschelkalke

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Muschelkalk: traditionell und modern Muschelkalk ziert den Neubau einer Sakristei.

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Seitenblicke Mal wieder ohne uns …

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Nachrichten

Friedhof im Fokus Zum zweiten Mal lud am 30. November 2010 die saarländische Landesinnung zur Friedhofskulturtagung nach Saarbrücken ein. Steinmetzen, Bestatter und Friedhofsverwalter diskutierten gemeinsam über die Friedhofsgestaltung. Von Katharina Baus

Stonetech in Peking Die Stonetech, internationale Messe für Natursteine, Natursteinprodukte und Maschinen zur Steinbearbeitung, wird in diesem Jahr vom 20. bis zum 23. April in Peking veranstaltet. Die jährliche Messe fand bisher abwechselnd an den Standorten Shanghai und Peking statt. Nach Angaben der Messeorganisation, CCPIT Building Materials Sub-Council, haben sich bereits 800 Aussteller angemeldet, 200 davon aus dem Ausland. Zudem werden Delegationen aus den USA, Indien, Korea, Japan, dem mittleren Osten, Südostasien und den Baltischen Staaten erwartet. China galt bisher nur als Absatzmarkt für Blöcke, die im Land verarbeitet und zum Teil wieder als Fertigprodukte ex-

portiert wurden. Nach Angaben der Messorganisatoren hat sich das grundlegend geändert. Eine Umfrage auf der letzten Stonetech in Shanghai habe gezeigt, dass 90 Prozent der Unternehmen, die Blöcke nach China verkaufen, mittlerweile auch Fertigprodukte liefern. Einige Firmen lieferten sogar nur Fertigprodukte wie Fliesen. Grund für das geänderte Konsumverhalten sei vor allem die stark wachsende Nachfrage im Land selbst, ausgelöst durch die Investitionen in neue Infrastrukturen. Zudem sorgten Chinas wachsende Städte und Vororte sowie der steigende Wohlstand einer wachsenden Mittelklasse für eine erhöhte Nachfrage nach Dekorsteinen.

Im Netz

mehr zur Messe

www.stonetech.org.cn

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»Ein Friedhof ist mehr als eine Ansammlung von Planquadraten.« So beendete Kerstin Gernig, Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, ihren Vortrag »Innovative Konzepte der Friedhofsgestaltung« vor rund 70 Zuhörern, darunter jeweils ein Drittel Friedhofsverwalter, Bestatter und Steinmetzen. Sie spielte dabei auf ihre eigenen Erfahrungen als Angehörige an. Auf der Suche nach einem geeigneten Beisetzungsort für ihre Schwiegermutter fragte man sie, in welchem Planquadrat das Grab liegen solle. Für Kerstin Gernig ist das symptomatisch. »Es geht nicht um Planquadrate, sondern um einen schönen Ort für die Grabstätte. Angehörige denken nicht in Planquadraten.« Der Friedhof solle ein Ort für Rituale, ein Ort der Trauer und des Trostes sein. Dazu gehöre auch ein sensibler Umgang mit Angehörigen jenseits der Bürokratie. Dafür seien alle, die am Friedhof arbeiten,

bündnis von Steinmetzen, Friedhofsgärtnern und Bestattern. »Das Begräbnis und der Friedhof werden als Gesamtwerk aus Sarg, Grabmal und Blumenschumck wahrgenommen. Da wird es Zeit, sich vom Konkurrenzdenken zu verabschieden.« Was moderne Friedhöfe leisten sollten, und wie diese Ansprüche planerisch umgesetzt werden können, zeigte Günter Czasny von der Kunstgießerei Strassacker in seinem Vortrag »Orte, die gut tun«. Vor allem die konkreten Umsetzungsbeispiele stießen dabei auf großes Interesse. Vor der Podiumsdiskussion zeigten Katja Hobler vom Arbeitskreis Friedhof und Landschaftsarchitekt Ingo Nienas, wie eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Planern und Steinmetzen aussehen kann. Mehrere Urnengemeinschaftsanlagen, teilweise mit Mustergrabfeldern, haben der Landschaftsarchitekt und der Arbeitskreis gemeinsam erarbeitet.

gemeinsam verantwortlich. »Beenden Sie die Grabenkämpfe. Sie können so viel mehr bewirken, wenn Sie zusammenarbeiten und Synergien nutzen.« Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch der evangelische Pfarrer Horst Heydt in seinem Vortrag »Friedhofsgestaltung und Bestattungskultur«. Er plädierte für ein gemeinsames Aktions-

Kerstin Hobler von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof äußerte abschließend, dass Steinmetzen auch über eigene Fehler nachdenken müssten. Die einzelnen Gewerke sollten sich nicht auf ihre unterschiedlichen Positionen zurückziehen und vor allem sollten alle die Hinterbliebenen im Blick haben, denn »sie sind die Wichtigsten«.

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Nachrichten

Brasiliens bunte Steine Die Natursteinfachmesse in Vitória ist Südamerikas größtes Schaufenster für schöne Steine. Von Richard Watzke Vom 15. bis zum 18. Februar 2011 findet die 31. Natursteinmesse in Vitória in Brasilien statt. Mit mehr als 400 geplanten Ausstellern und einer Ausstellungsfläche von 32 000 Quadratmetern ist die Messe in der Hauptstadt des Bundesstaates Espírito Santo die größte südamerikanische Steinmesse. Die brasilianischen Produzenten und Exporteure erlebten bis zum Beginn der internationalen Finanzkrise einen fulminanten Aufschwung. Zweistellige Zuwachsraten ließen neue Brüche

strukturierten Steine entsprachen dem Geschmack der amerikanischen Hausbauer und waren in jeder Küche begehrt. Der Erfolg auf dem US-Markt erwies sich in den letzten Jahren als zweischneidiges Schwert für die brasilianischen Steinproduzenten. Verarbeitet wurde alles, was schön, bunt und neu war. Außerdem spezialisierten sich viele Unternehmen ausschließlich auf den Export von polierten Rohplatten. Die Folgen der Konzentration auf exotische Steine und eine geringe

Blöcke wie aus dem Bilderbuch: Marmorbruch in Cachoeiro de Itapemirim

lianische und importierte Weichgesteine, vor allem Marmor, werden bei brasilianischen Kunden immer beliebter. Davon profitieren nicht nur europäLinks: Santa Cecilia und andere Steine in Gold und Brauntönen zählen zu den Klassikern aus Brasilien.

Rechts: Die große Auswahl: Aus Brasilien stammt eine beeindruckende Vielfalt an bunten Schiefern.

Auch die Vergabe der FußballWeltmeisterschaft 2014 an Brasilien dürfte die Lust auf schöne Steine zusätzlich fördern. Export nach Europa Die Hälfte der brasilianischen Steinexporte stammt aus dem kleinen Bundesstaat Espírito Santo. Jährlich werden rund 800 000 Kubikmeter Stein gewonnen und auf 900 Gattern aufgesägt. Europäische Konsumenten wagen sich erst allmählich an die exotischen Schönheiten heran. In Schauräumen der Steinhändler sind Sorten wie

Links: Der Quarzit Tortuga feierte seine Premiere auf der Messe 2010.

Rechts: der Quarzit Rojo Colinas (rote Hügellandschaft), gesehen in Cosentinos Werk in Vitória.

wie Pilze aus dem Boden wachsen. Die Steinverarbeiter folgten dem Boom und bauten gewaltige Produktionskapazitäten auf. Nagelneue Gatterhallen und Polierstraßen namhafter italienischer Hersteller liefen auf Hochtouren, um die Nachfrage der US-amerikanischen Importeure zu decken. Die farbenfrohen Exoten wie Louise Blue oder alle gold-braunen, lebhaft

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Fertigungstiefe ließen viele Produzenten die Absatzkrise in den USA besonders schmerzhaft spüren. Derzeit führt die Krise zu einer Marktbereinigung und Besinnung auf Materialien, die auch für andere Exportdestinationen attraktiv sind. Der Inlandsmarkt floriert Eine ganz andere Entwicklung erlebt der Inlandsmarkt. Brasi-

ische Produzenten, sondern auch die ortsansässigen Hersteller. Angesichts der robusten brasilianischen Volkswirtschaft dürfte die Inlandsnachfrage weiter steigen. Besonders die Region um Cachoeiro de Itapemirim im Südwesten von Vitória gilt als größtes Verarbeitungsgebiet in Südamerika. Dort werden zahlreiche weiße und bläuliche Marmore gewonnen.

Nero Marinace oder Forest Green aber bereits etabliert. Es bleibt spannend, welche neuen Steine es auf der Messe in Vitória 2011 zu bewundern gibt, wenn sich die Messehallen von 13 bis 20 Uhr öffnen. Im Netz

mehr zur Messe

www.vitoriastonefair.com.br

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Küche

Hier waren einst die Heimchen am Herd zu Hause, und hier zelebriert heute »Mann« die wunderbare »neue Umständlichkeit des Kochens«. Es geht um die Sehnsucht nach Mutters Schnitzel, die Macht der Supermärkte und den Widerspruch, dass Millionen Menschen Kochshows gucken und trotzdem nicht kochen können. Sechs Visionen von Willy Hafner

Koch-Gut

Und täglich eine Kochshow. Die Küche ist der Ort der Gegenwartevents. Kochen ist dabei nur zweitrangig.

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ie Küche ist Laboratorium, Apotheke, Wohnraum oder Funktionsraum. Sie ist multifunktionell, originell, kommunikativ und natürlich natürlich. Die Küche ist vom Zweckraum zum Vorzeigeraum geworden. »Bürger-Küche«, »ArbeiterKüche«, »Frankfurter Küche«, die Küchen der Weißenhof-Siedlung, Grete Schütte-Lihotzky und Otl Aichers ethischer Funktionalismus – ein Raum hat

Karriere gemacht. Zeig mir Deine Küche, und ich sage dir, wer du bist. In den 1920er-Jahren wird die Küche wie ein industrieller Arbeitsplatz geplant. Mit Otl Aichers programmatischem Buch wird sie nach 1970 wieder zur »Küche zum Kochen«, zum Zentrum der »häuslichen Wirtschaft«, und damit auch zur Bühne der sozialen Selbstdarstellung. Und morgen? Was erwartet uns in der Küche? Der

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Küche

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Ökotech-Küche

Naturstein begreifen: Nur poliert, das war einmal. Küchenarbeitsplatten wollen heute »begriffen« werden.

Wetterservice oder Kochideen mit den Resten, die es noch im Kühlschrank gibt? Aus Axel Hackes »Bosch« wird der liebevolle Assistent, der uns mit zarter Stimme aufweckt; stressless und cybermäßig cool, versteht sich.

Wer kocht heute noch? Köche sind die neuen Stars der Unterhaltungsindustrie. Die Küche und das Kochen sind heute wohl deshalb so große Themen, weil, so vermuten die Profis bei den Fernsehsendern, viele Leute nicht mehr selbst kochen. Viele Umfragen zeigen, dass in über der Hälfte der deutschen Haushalte gar nicht mehr oder höchstens noch ein- bis zweimal in der Woche gekocht wird. Nur ein Viertel der Menschen in Deutschland kocht heute noch regelmäßig. Viele Kinder verbinden heute mit kochen das Geräusch

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In der Ökotech-Küche ergänzen sich gesunde Baustoffe und Spitzentechnologie. Wärme speichernde, dämmende Materialien und ein Antrieb, der die Solarzellen des Gebäudes immer der Sonne zuwendet, sorgen für Unabhängigkeit von den Energielieferanten. Aber nicht die Technikverliebtheit steht hier im Mittelpunkt, sondern die Hinwendung zur Natur. In diese Küchen werden kleine Biokraftwerke oder ein Gewächshaus integriert. Diese sorgen für ein angenehmes Raumklima, verarbeiten die Abfälle und Dünste und schaffen eine Beziehung zur Natur. Eine organische Architektursprache der Einrichtung imitiert die Formen und Farbenwelt des Pflanzenreichs. Man kombiniert hohen Wohnkomfort mit anspruchvollem Design. Diese Küchen stellen die Naturverbundenheit ihrer Besitzer in den Vordergrund. Die Menschen geben nachwachsenden Materialien den Vorzug. Außer Holz und Flechtmaterial steht hier auch natürlicher Stein im Mittelpunkt. Passende Grünpflanzen sorgen für ein angenehmes Raumklima, verringern die Küchengerüche und bringen die Besitzer wieder ein kleines Stück der Natur näher. Die Kanten der Naturstein-Arbeitsplatte sind gebrochen, die Oberflächen oft nur grob bearbeitet. Das haptische Erleben steht im Vordergrund.

des Aufreißens von Plastiktüten. Das Essen und seine Kultur hatten und haben in Deutschland keinen hohen Stellenwert. Den Franzosen bedeutet ein Essen in Gesellschaft mehr als vieles andere, und dort richtet sich auch die Arbeitswelt noch immer nach dieser Priorität. Mittags wird dort noch richtig Mittagspause gemacht, stundenlang zum Teil. Dabei wird richtig gegessen, mais oui!

Mitarbeiter. Wenn ein Deutscher die Wahl hat zwischen lebenslangem gutem Essen oder einem einzigen teuren Auto, nimmt er in der Regel das Auto.

Essen wie Gott in Frankreich

Kochen in Deutschland

Die Franzosen scheinen davon auszugehen, dass man sich wohlfühlen muss, um gute Leistungen zu bringen. Und um sich wohl zu fühlen, muss man ordentlich essen. Wenn Sie in Frankreich in ein 3-Sterne-Restaurant zu einem Essen gehen und sehen den Fuhrpark vor der Tür, haben Sie das Gefühl, dort stehen nur die Autos der

Ein Raum hat Karriere gemacht: Die Küche ist in den letzten Jahren gewachsen und wurde oft zum integralen Bestandteil des Wohnraums. Sie ist heute Kommunikationszentrum und Begegnungsort; ob dort gekocht wird oder nicht. Man trifft sich an Küchentisch oder -theke, Kinder erledigen dort ihre Hausaufgaben, Gäste setzen

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Wasserstrahl

Viel Dampf in der Küche Konsequentes Marketing: Keine Küche verlässt das Werk ohne das Logo auf der Frontseite.

Einst in Konkurs, jetzt Marktführer bei Steinküchen in Österreich. Strasser ist ein Lehrstück, wie man Küchenplatten erfolgreich produziert. Von Richard Watzke

V

erführerisch gleiten die Fingernägel über den Stein. Die Frau ist in ihre Küche aus Granit verliebt und wirft dem Betrachter schmachtende Blicke zu. Das Ganze ist eine Fernsehwerbung und dauert 20 Sekunden. Danach weiß jeder Zuschauer, dass Naturstein sinnlich ist und eine Küche ohne eine Arbeitsplatte von Strasser so sexy ist wie eine Uni-Mensa. Der Fernsehspot wurde 2010 auf mehreren österreichischen Privatsendern ausgestrahlt. Verantwortlich dafür ist der Mann, der die ehemalige Strasser Optima Steinbau nach deren Konkurs 2005 übernahm: Johannes Artmayr sah das Potenzial auf dem österreichischen Küchensektor und investierte Millionen in die Traditionsfirma. Kein Himmelfahrtskommando,

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sondern kaufmännisches Kalkül und nüchterne Betriebswirtschaft. Artmayr kennt sich aus mit der Sanierung von Industrieunternehmen; neben Strasser ist er noch an anderen Firmen beteiligt, darunter ein Unternehmen der Biomasse-Branche. Optimieren ist Artmayrs Metier. Als er die überschuldete Firma übernahm, hatte die gerade den Konkurs des Jahres in Oberösterreich hingelegt. Zu viele Altlasten, finanziell und im Produktsortiment, hatten das Schiff zum Kentern gebracht. Mit dem Neubeginn strukturierte Artmayr das gesamte Geschäftsmodell um. Was nicht ins neue Konzept passte, wurde aufgelöst. So trennte er sich vom dienstleistungsintensiven Objektbau und konzentrierte sich auf

Sanierer mit Weitblick: Johannes Artmayr machte aus Steinküchen eine Marke und Strasser zur Nummer 1 am österreichischen Küchenmarkt.

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Wasserstrahl

Entlastung für die Bearbeitungszentren: Die Idro schneidet mit ihrem 5-Achs-Schneidkopf nicht nur Beckenausschnitte, sondern auch Gehrungskanten. Der Arbeitsbereich misst 4 x 2 m.

drei Geschäftsfelder: die Fertigung von Naturstein-Arbeitsplatten für den Küchen- und Möbelfachhandel, die Produktion von Optima-Betonwerksteinplatten sowie den Grabmalsektor mit eigener Fertigung. Eine weitere Optimierung ist bereits in Vorbereitung. Im Ortskern von St. Martin im Mühlkreis befindet sich die Verwaltung, die Produktion ist wenige Minuten entfernt auf der anderen Seite einer Bundesstraße. Diese beiden Standorte sind aus den Zeiten der alten Strasser Optima Steinbau übernommen. Ein mehrstöckiger Verwaltungsbau direkt bei der Produktion ist bereits in Vorbereitung und soll 2012 eröffnet werden. Das zeitraubende Pendeln zwischen beiden Standorten entfällt und für die Schulung von Mitarbeitern der Handelspartner steht eine größere Fläche zur Verfügung.

Arbeitstier: Die Maxima mit zwei Werktischen ist im Dauereinsatz.

CNC-Techniker Stefan Simaderer bänkt die Werkstücke an einem Anschlag auf, der den Nullpunkt definiert. Das verkürzt das Einrichten auf wenige Minuten.

CNC-Technik modernisiert Unmittelbar nach der Übernahme von Strasser trimmte Artmayr den Maschinenpark auf Höchstleistung. Drei CNC-Bearbeitungszentren von CMS Brembana machten den Anfang. Erst eine Speed, danach eine Zweite zur Ergänzung und dann folgte eine Maxima mit zwei Arbeitsstationen. Die Maschinen arbeiten im Dreischicht-Betrieb rund um die Uhr, für das Einrichten stehen wenige Minuten zur Verfügung. Jeder Arbeitsschritt ist minutiös getaktet, um die Lieferzeit von zehn Tagen einzuhalten. Für eine reibungslose Produktion arbeiten alle CNC-Techniker mit Werkplänen, die mit der Software von Sekon erstellt wurden. Jeder Bediener ruft die zum Plan gehörende Datei aus dem Netzwerk auf und platziert sie am Bildschirm auf dem Werktisch. 2009 steigerte man bei Strasser das Tempo erneut, als eine 26 Meter lange

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Sägestraße von Burkhardt für den Zuschnitt der Rohplatten ihren Betrieb aufnahm. Für die Kapazitätssteigerung um bis zu 50 Prozent wurden rund 450 000 Euro investiert.

Wasserstrahlschneiden Seit August 2010 werden die CNCBearbeitungszentren durch eine Wasserstrahlschneideanlage vom Typ Idro entlastet, die vom Hersteller Brembana stammt. Zuvor hatte man sich intensiv mit dem Einstieg in das Wasserstrahlschneiden beschäftigt, schildert der Technik-Einkaufsleiter Dieter Mayer. Bei routinierten Produktionsabläufen weckt eine neu eingeführte Technik immer auch Bedenken, ob sie sich nahtlos integrieren lässt. Um sicher zu gehen, besuchte Mayer andere Unternehmen, die ebenfalls mit einer Idro arbeiten. Inzwischen hat die Anlage bereits 500 reine Schneidstun-

den hinter sich. Für Mayer steht fest, dass es ohne die Anlage nicht mehr geht. Brembanas Handelspartner Weiss Steintechnik lieferte die Idro in der Maximalausstattung. Ein automatischer Schlammförderer gehört dazu, aber auch eine Hochdruckpumpe mit drei Kolben. Muss ein Kolben gewartet werden, arbeitet die Pumpe währenddessen mit den beiden anderen Kolben unterbrechungsfrei weiter. So werden die Servicezeiten so kurz wie möglich gehalten. Weitere Argumente zugunsten der Idro waren die Schutztüren, die mannhoch ausfahren und den Schneidlärm minimieren. Eingesetzt wird die Anlage nicht nur für Ausschnitte, sondern auch für Gehrungskanten für die Massivoptik. Da die Maschine die Plattenstärke jeder Rohtafel einzeln abtastet und die Zustellung der Düse darauf abstimmt, wird auch unkalibriertes Material problemlos verarbeitet.

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Muschelkalk

Faszination des Muschelkalks Mit ihm fing alles an: Carl Schilling. Der KöniglicheHof-Steinmetzmeister entdeckte um die Wende zum 20 Jahrhundert für sich und für Berlin den Muschelkalk; zuerst den aus Oberdorlar und dann den aus Kirchheim. Wer etwas auf sich hielt, baute damals mit Muschelkalk. Und heute? Von Willy Hafner

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eder Sandstein noch Granit, kein Kalkstein, kein Tuff und schon gar nicht Basalt. Im Köln der ersten Nachkriegsjahre war Muschelkalk wohl »der Stein der Steine«. Als sich Oskar Matzerath, der »Held« in Günter Grass’ Blechtrommel, in Köln auf die Suche nach einer Lehrstelle machte und schließlich in Paul Korneff einen Meister fand, der dem buckligen Oskar die »Welt der Steine« erklären wollte, stand Muschelkalk mit im Zentrum der grassschen Ortsbeschreibungen; nicht Tuff oder Basalt aus der nahen Eifel, wie eben am Ort dieses Geschehens zu vermuten ge-

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wesen wäre. Muschelkalk, das war der Naturstein Nummer eins im Wirtschaftswunderland Deutschland. Gleichwohl: Muschelkalk war nichts Besonderes, ein Stein für alle Fälle eben, doch sicher nicht, wie Grass so nebenbei bemerkt, ein Stein für »geringe Ansprüche«. Mit Muschelkalk wurde in der noch jungen Bundesrepublik Architekturgeschichte geschrieben; in Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Berlin. Vielleicht ist Muschelkalk der deutscheste der deutschen Steine. Muschelkalk hat Tradition. Diese Steine haben Geschichte geschrieben und diese Steine haben ihre Vergangenheit; in Berlin, Nürnberg und auch anderswo. Damit befinden wir uns bereits wieder unversehens am Rande der in Deutschland so beliebten Theoriediskussion, des alten neuen Streites »steinernes Haus« versus »gläserne Architektur«. Schluss damit! Durch eine kunstvolle, will auch sagen »steingerechte« Bearbeitung geschieht gerade mit Muschelkalk etwas Wunderbares. Muschelkalk gibt sein »steinernes Eigenleben«, die ihm zugewiesenen Eigenschaften wie würdig, schwer, massiv oder gar kostbar auf. Die von vielen geforderte neue Einfachheit wird gerade in diesem Stein befühl-, will sagen begreifbar. Muschelkalk, in all

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Muschelkalk

seinen Farben und Strukturen, lässt etwas entstehen, fĂźr das die Feststellung von der Verschiedenheit der Oberflächen nur eine erste Annäherung bedeuten kann. Es entsteht ein neues, drittes Element, eine Einheit des Vielfältigen eben; eine moderne, ganz klare und doch differenzierte Einfachheit. Doch, natĂźrlich! Muschelkalk hat Tradition: GroĂ&#x;e Namen gilt es hier zu nennen: Carl Schilling

GroĂ&#x;e Auswahl ¡ Umfangreiche Ausstellung und Anwendungsbeispiele Fachliche Beratung ¡ Planungskompetenz

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eben, oder auch Heinrich Johann Wimmel, seinen ewigen Konkurrenten aus Berlin und Karl Teich natĂźrlich, den Naturstein-Unternehmer aus Bad Langensalza. Mit Muschelkalk wurden sie fast alle groĂ&#x;, die ÂťUrväter der deutschen SteineÂŤ. Dann ist da noch Georg Hubert: Ohne ihn hätte es die Geschichte der Muschelkalke so wahrscheinlich gar nicht gegeben. Er war es, der seit 1889 in der StraĂ&#x;e Am Steinach in Kirchheim einen Steinbruch betrieb, der besonders groĂ&#x;e ÂťBollenÂŤ fĂźr die neuen BrĂźcken in MĂźnchen liefern konnte. Er war es auch, der 1903 seinen Steinbruch an den Berliner KĂśniglichen-Hof-Steinmetzmeister Carl Schilling verkaufte. Schilling war der eigentliche ÂťHerr der MuschelkalkeÂŤ – wenigstens fĂźr ein paar Jahre. Hatte er doch wenige Jahre zuvor bereits in ThĂźringen, in der Nähe der Stadt MĂźhlhausen,

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