Zeitschrift für Naturstein
Schweiz
Natursteinland im Überblick
Maschinenrichtlinie Baustelle
Februar 2011
Maschinen sicher betreiben
Außenraum des Frankfurter Opernturms
BäderTraum
www.s-stein.com
Inhalt
Nachrichten 06
Was Deutschland gerne für sich in Anspruch nimmt, trifft auf die Schweiz genauso zu: Das Land ist steinreich und hat zudem in gewissen Regionen eine lebendige Steintradition.
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Die Ansprüche an Funktionalität und Design des Bades haben sich geändert. Das Bad wird individueller, größer und wohnlicher. Die Ausstattung soll natürlich und hochwertig sein – eine Chance für Naturstein.
BAU 2011 – Ansturm nach der Krise Eindrücke von der Messe BAU 2011 in München
Gut zu wissen 08
Angesprochen Trends erkennen
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Sehen lernen Der sächsische Marmor
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Chefsache Neue Kunden dank Google
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Steinmensch Eine Seniorchefin blickt zurück.
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Mobil Unterwegs in der Türkei
Gestalten 20
Die Kuh auf Eis Eine Allgäuer Künstlegruppe und ihre Ideen für das Grabmal
Baustelle
Ohne Schutzvorrichtungen dürfen automatisch arbeitende Maschinen nicht in Betrieb gehen. Das verlangt die Maschinenrichtlinie. Bei der nachträglichen Absicherung älterer Maschinen jedoch gehen die Meinungen auseinander.
Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/ 43 60 05-0 Fax +49 89/ 43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com
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Restaurierung der »Mutter Erde II« Restauratorische Eingriffe am Muschelkalk von Enst Barlachs Großskulptur
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Platzgestaltung am Opernturm Kalkstein und Granit prägen die Gestaltung am Fuße des Frankfurter Opernturms.
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Die Frankfurter Skyline hat ein neues Highlight: den rund 170 Meter hohen Opernturm. Für seine harmonische Einbindung in den Bestand sorgen Kalkstein und Granit.
Titel: Ein Waschtisch des Designers Enzo Berti, entworfen für die Kreoo-Designlinie der Decormarmi S.r.l. in I-36072 Chiampo.
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Natursteinland Schweiz 26
Steintrends im Steinland Schweiz Die Schweiz: Tradition und Moderne in Stein
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Eine App für Schweizer Steine Oberfllächen und Anwendungen direkt aufs Handy
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Ein neues Gesicht für den Stein Ein Schweizer Verband setzt auf Marketing.
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Steine bald nur noch mit Label? Zertifikate gefordert: Vergabepoltitik in der Schweiz
Paradigmenwechsel im Bad 38
Der »Ich-Raum« Das Bad: ein Raum und seine Wandlung
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Die weiche Seite des Steins Designermöbel aus Naturstein für das Bad
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Bäder – Oasen für jede Jahreszeit Natursteintrends im Badezimmer
Maschinen sicher betreiben 49
Sicher nachrüsten Die nachträgliche Absicherung älterer Maschinen
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Seitenblicke Die Welt der Siegel
Unternehmen & Produkte 63
Neues und Bewährtes aus den Bereichen Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr
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Betreff S Promotion Medien Recht Leute Vorschau/Impressum/ Fotonachweis
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Gestalten
Die KuH auf Eis Eine Ausstellung möglicher Grabzeichen auf einer grünen Wiese direkt neben einem populären Ausflugslokal mitten im Allgäu! Ein Experiment, das überraschend gut ankam und ein Beispiel dafür ist, wie wirksame Öffentlichkeitsarbeit für die Themen Tod, Friedhof und Grabzeichen funktioniert. Initiator dieser Ausstellung war die Allgäuer KuH, ein Zusammenschluss von Handwerkern und Gestaltern aus dem Allgäu. Von Michael Senn
Der entspannte Blick in die Landschaft: Die Ausstellung wirkte aufgrund der Weite und des Ausblicks am Ausstellungsort spannend, ungewöhnlich und überraschend.
Ein Zeichen ist dann erst ein Grabzeichen, wenn ein Name, ein Geburts- und ein Sterbedatum darauf stehen. Der Gastwirt Gerhard Rimmele sieht die Sache nüchtern und war begeistert von der Idee, Zeichen auf seiner Wiese vor seinem Weinstadl in Hiltensweiler aufzustellen, die später einmal auch zu Grabzeichen werden könnten. Dann, wenn einmal ein Name
darauf steht. Die Resonanz der Bevölkerung auf die Ausstellung, das Interesse und die Begeisterung der Besucher aus allen Regionen Deutschlands haben den Wirt und mit ihm die Ausstellungsmacher überwältigt. Die Besucher kamen, der Ort der Ausstellung lag schließlich hinter einem Ausflugslokal, oft gesammelt mit dem Reisebus. 20 Betrachter vor einem Zeichen, das war an manchen Tagen keine Ausnahme. Dass man diese Skulpturen und Plastiken auch auf den Friedhof stellen dürfe oder könne, darüber gingen die Meinungen der Besucher oft auseinander. Die Gestalter erläuterten ihre Arbeiten, die Besucher diskutierten und stritten. Die Macher hatten ihr Ziel er-
Assoziationen erwünscht: Die provozierenden Bahnhofsschließfächer von Hermann Rudolph aus Obergünzburg.
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Gestalten
Jurakalkstein und Glas: der Überlinger Glasgestalter Andreas Dierig thematisiert die Durchsichtigkeit von Glas und die Dichte von Stein.
reicht. KuH wollte die Menschen zum Nachdenken anregen; über sich und ihr Verhältnis zu ihren Verstorbenen. Das, auch eine Erkenntnis der Beteiligten, immer mehr zum Nichtverhältnis wird. Die gezeigten Skulpturen, Plastiken und Objekte aus Naturstein, Metall, Glas und Holz folgten einem übergreifenden Prinzip: weg von der uniformierten Massenware hin zu werthaltigen Unikaten aus regionalen Werkstoffen. Den Machern war der lokale Bezug wichtig. Sie wollten damit auch ein Zeichen setzen in der aktuellen Diskussion um Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen oder unwürdigen Produktionsbedingungen in chinesischen Natursteinbetrieben. Die Auseinandersetzung mit der in
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vielen Gemeinden grassierenden Entsorgungsmentalität war ein weiteres Thema. Die Ausstellung war ein voller Erfolg, darin sind sich die Gestalter und der Wirt einig. Der Wirt? Der Wirt war der Gastgeber, als das Konzept zu dieser Ausstellung entstand: am Wirtshaustisch. Die Steinmetzmeisterin Elke Bader aus Niederstaufen, der Kunstschmied und Metallgestalter Martin Tretter aus Neuravensburg bei Wangen und der Wirt Gerhard Rimmele, Chef im Weinstadl Rimmele in Hiltensweiler, hatten gemeinsam diese Idee. Einmal etwas zusammen machen an einem Ort, an den die Menschen wirklich gerne gehen. Warum nicht in oder bei einem Wirtshaus? Das Weinstadl
Weißer Marmor aus Griechenland und schwarzer Syenit aus Schweden: Roy Hiller aus Friedrichshafen gestaltete einen Keil des Todes mitten im Leben.
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Schweiz
Steintrends im Steinland Schweiz Was Deutschland gerne für sich in Anspruch nimmt, trifft auf die Schweiz genauso zu – wenn nicht noch ausgeprägter: Das Land ist steinreich und hat zudem in gewissen Regionen eine lebendige Steintradition. Von Robert Stadler
Oben: Villa oberhalb des Vierwaldstättersees mit Kalkstein-Riemenfassade
Unten: Für die neue Dorfbrücke in Vals/Kanton Graubünden wurden neben Stahlbeton große Mengen des örtlich abgebauten Valser Quarzits eingesetzt, so unter anderem für die versteifenden Brüstungselemente.
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n der Schweiz mit ihren inzwischen über 7,8 Millionen Einwohnern boomt gegenwärtig der Bau, als ob es eine Finanz- und Wirtschaftskrise nie gegeben hätte. Mit über 70 000 im Bau befindlichen Einheiten erreichte die Wohnbautätigkeit im Herbst 2010 eine seit langem nicht mehr erzielte Rekordmarke. Speziell nachgefragt werden Wohnungen mit einem gehobenen bis luxuriösen Standard, wobei ein erheblicher Anteil auf Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser entfällt. Am lebhaftesten ist die Nachfrage in den Regionen Genfersee, Zürichsee und Zugersee, doch viel gebaut wird auch in den Zentren Basel, Bern und Luzern. Die rege Bautätigkeit hat natürlich viel mit der guten Wirtschaftslage und diese wiederum zu einem wesent-
lichen Teil mit der Ansiedlung zahlreicher internationaler Unternehmen zu tun. Mit dieser verbunden ist eine starke Zuwanderung von meist hoch qualifizierten Mitarbeitern aus dem Ausland, sehr viele davon aus Deutschland. Neben Zehntausenden von Wohnungen stehen gegenwärtig auch viele Großobjekte im Geschäftsbau in Planung oder Ausführung. In Zürich wird im kommenden Sommer das mit 126 Metern bisher höchste Hochhaus der Schweiz bezogen. Etwa zwei Dutzend weitere Hochhäuser mit Höhen zwischen 50 und 80 Metern befinden sich in der Ausführungsoder Planungsphase. Von diesem Boom profitiert selbstredend auch die Natursteinbranche, die in der Schweiz gegenwärtig etwa 3 000 Personen beschäftigen dürfte.
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Schweiz
Echtes kommt wieder gut an In den 1980er- und 1990er-Jahren erlebte auch die Schweiz eine Hochblüte der Naturstein-Plattenfassaden. Hunderte von Büro- und Geschäftshäusern, aber auch viele öffentliche Bauten erhielten damals – nicht selten vom Sockel bis zur Traufkante – vollflächige, hinterlüftete und oft spiegelblank polierte Steinverkleidungen aus Granit. Schon vor etwa zehn Jahren begann sich eine Gegenbewegung abzuzeichnen, die sich inzwischen akzentuiert hat. Die Platten werden jetzt wieder dicker geschnitten, ja nicht selten massiv oder als Schichtmauerwerk der Betonunterkonstruktion vorgemauert. Neben Granit kommen vermehrt weichere und wärmer wirkende Steine wie Kalkstein, Travertin und Sandstein zum Zug. Die Oberflächen werden gröber bearbeitet; statt poliert sind sie nun geschliffen, gesägt, geflammt, gestockt, bossiert oder gar spaltrau. Dominierten früher quadratische oder nahezu quadratische Plattenformate, so lässt sich seit einiger Zeit eine Entwicklung zu betont horizontal gegliederten Riemenfassaden beobachten. Ein wichtiger Impulsgeber für diesen aktuellen Trend war Peter Zumthor, international renommierter Schweizer Architekt und PritzkerPreisträger 2009. Die aus lokalem Valser Quarzit fein und präzise geschichtete Therme in Vals wirkt noch heute über die Schweiz hinaus inspirierend. Inzwischen gibt es mehrere neue Systeme für Riemenfassaden, dies sowohl für massive als auch für vorgehängte oder gar aufgeklebte Konstruktionen. Auffallend ein weiterer Trend: Für Außenfassaden werden heute vielfach Natursteine bevorzugt, die einen Bezug zur Stadt oder zur Landschaft haben. Das allzu Exotische scheint inzwischen viel von seinem Reiz eingebüßt zu haben.
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Das Hotel Grimsel Hospiz auf dem Grimselpass ist ein massiver Steinbau aus den frühen 1930-er Jahren. Zur Erneuerung und Erweiterung wurden mehr als 250 Tonnen Calanca-Gneis für massive Mauern, Fensterbänke und Dachrandabdeckungen eingesetzt.
Stein in Bad und Küche In der Küche hat Naturstein in vielen Schweizer Haushalten schon seit etwa drei Jahrzehnten seinen festen Platz. In Sachen Küchenabdeckungen – meist aus Granit und anderen Hartgesteinen – war man hierzulande den europäischen Nachbarn weit voraus. Inzwischen scheint der Markt in diesem Segment kaum mehr weiter ausbaufähig. Zu einem wichtigen, wenn nicht zum wichtigsten Wachstumsmarkt hat sich dafür das häusliche Bad entwickelt. Zu den Möblierungen, die heute im eigenen Bad vorzugsweise in Naturstein ausgeführt werden, gehört der Waschtisch, den man in der Schweiz »Lavabo« nennt. Statt wie früher meist nur als Abdeckung wünschen sich heute das Lavabo viele in
massiver Ausführung. Zehn bis 15 Zentimeter starke Waschtische werden dabei oft auf einer Unterkonstruktion aus anderen Materialien – Holz, Metall oder gar Glas – aufgesetzt. Ebenso Beliebt sind massive Duschtassen, Badewannenabdeckungen, Wannenfrontverkleidungen und Spiegeleinrahmungen. Hinsichtlich der Formen hat sich in der Schweiz auch im Bad die klare Linie deutlich durchgesetzt. »Geschnörkel« hat bei den überwiegend nüchternen Eidgenossen eher wenige Liebhaber. Einfache Linien, verbunden mit originellen Ideen und Ausführungen, finden dagegen Anklang und können auch gut verkauft werden. Die Kunden sind aber anspruchsvoller geworden und können sowohl in der Beratung wie in der Ausführung nur
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Bäder
Die Ansprüche an Funktionalität und Design des Bades haben sich geändert. Das Bad wird individueller, größer und wohnlicher. Die Ausstattung soll natürlich und hochwertig sein – eine Chance für Naturstein. Von Ariane Suckfüll
Der »Ich-Raum«
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rst war die Küche an der Reihe, dann folgte das Bad: Wohl kaum ein anderer Wohnraum hat in den vergangenen Jahren eine ähnliche Wandlung vollzogen wie diese beiden ehemaligen Funktionsräume.
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Denn nur funktionieren reicht den Badnutzern schon lange nicht mehr. Das Bad ist ein Ort der Entspannung, der Regeneration geworden, ein ganz privates Refugium, in das man sich vor der Hektik des Alltags zurückzieht. Die
Rückbesinnung auf die Sicherheit des Eigenheims und die Selbstinszenierung in den eigenen vier Wänden hat auch vor dem Bad nicht halt gemacht. Die Gestaltung passt sich diesen geänderten Ansprüchen an. Vorbei sind
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Bäder
die Zeiten, in denen das Badezimmer vom Boden bis an die Decke gefließt wurde, Bäder dürfen heute wohnliche Wände zeigen. Oder sie sprengen ihre Wände gleich ganz: Im Neubau werden Grundrisse im privaten Wohnbereich geplant, die die Wände zwischen Bad und Schlafzimmer öffnen. Bäder erhalten mehr Fläche und Licht, oft auch einen kleinen Austritt ins Grüne, in einen versteckten Winkel des Gartens oder auf eine Dachterrasse. Die Beleuchtung ist indirekt, am besten durch mehrere Lichtquellen, am luxuriösesten mit LED-Leuchten unter Wasser. Die Badewanne ist im Idealfall gleich Whirlpool und die Dusche imitiert die Berieselung durch tropischen Regen oder verwandelt sich gleich in ein römisches Dampfbad. Doch wer kann sich ein solches Luxusbad leisten? Ein wachsendes Kundensegment, wenn man der Marktforschung glauben darf. Die traditionelle Mitte, die auf ein gehobenes Mittelmaß setzte, schwindet. Dafür wächst die Zielgruppe derer, die sich
So kann es aussehen: Das Fashion-Bad orientert sich an aktuellen Modeströmungen und greift Farben, Formen und Stilelemente bei der Gestaltung auf. Naturstein Onyx
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Luxus leisten können und wollen. Ihnen gehe es »oft weniger um klassischen Komfort oder Imponiergehabe als um eine generelle Ästhetisierung des Alltags. Sie suchen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, von Fortschritt und ökologischer Nachhaltigkeit, von Hightech und Natur. Ein kultivierter Purismus oder das kosmopolitisch wirkende Spiel mit Stilzitaten kommen ihrem Ideal eines ›Mehr Sein als Schein‹ entgegen«, charakterisiert Trendforscher Frank Reinhard diese Konsumenten.
Das grüne Bad Im Rahmen der Messe ISH 2009 wurde eine Internetplattform eingerichtet, die die Badtrends für die kommenden Jahre visualisierte. Einer der wichtigsten Trends ist dabei – wenig überraschend – der sogenannte »Green Bathroom«, also das grüne Bad. Dazu heißt es: Im Green Bathroom werden Sparsamkeit, ein gutes Gewissen und Wellness miteinander
verbunden. Es dominieren natürliche, ökologisch unbedenkliche Materialien und zeitloses, langlebiges Design. Der Konsument ist sensibilisiert für die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen einerseits und die Abhängigkeit von knapper und teurer werdenden Energiereserven andererseits. Daher ist der internationale Trend zum nachhaltigen Green Design der vielleicht einflussreichste Trend für die Konzeption, Gestaltung und technische Ausrüstung dieses Badezimmers. Denn im Bad werden sowohl Wasser als auch Energie verbraucht. Das Green-Bathroom-Konzept hilft mit technischen Features, Wasser und Energie zu sparen, ohne auf Komfort zu verzichten, und bietet eine Auswahl ökologisch unbedenklicher Materialien und langlebiger Einbauelemente an. Dieser Badtrend kommt dem Einsatz von Naturstein entgegen: natürlich, zeitlos, langlebig und energiesparend in der Herstellung. Wer bei der
So kann es aussehen: Das Easy Bad eignet sich für Alt und Jung gleichermaßen. Bodengleiche Duschen ermöglichen den sicheren Einstieg auch bei Gehbehinderungen oder mit dem Rollstuhl. Kärntner Carat Blaugrün (l.), anthrazitfarbener Schiefer (r.)
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Maschinen
Sicher nachrüsten Ohne Lichtschranken, Zäune und ähnliche Schutzvorrichtungen dürfen automatisch arbeitende Maschinen nicht in Betrieb gehen. Das verlangt die Maschinenrichtlinie ohne Wenn und Aber. Bei der nachträglichen Absicherung älterer Maschinen jedoch gehen die Meinungen auseinander. Von Richard Watzke
D
er Gesetzgeber sieht die Sache ganz klar: Die Sicherheit der Mitarbeiter ist Chefsache. Jeder Betriebsinhaber ist daher nicht nur zu Gefährdungsbeurteilungen und Sicherheitsunterweisungen der Mitarbeiter verpflichtet, sondern muss auch dafür sorgen, dass alle Produktionseinrichtungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Neumaschinen mit CE-Kennzeichnung müssen gemäß Europäischer Maschinenrichtlinie die Vorschriften zur Bereichssicherung bereits bei der Installation erfüllen. Bei älteren Maschinen aber herrscht großer Nachholbedarf. Ganz besonders gilt das für SPS- oder CNC-gesteuerte Maschinen. Die Vielzahl automatisch arbeitender Maschinen ist groß; wegen ihrer weiten Verbreitung in Industrie
Technischer Fortschritt betrifft immer auch die Sicherheitsausstattung in der Steinverarbeitung.
und Handwerk gilt das vor allem für Blockkreissägen und Brückensägen. Über Jahrzehnte hinweg arbeiteten diese Sägen vielerorts ohne jede Absicherung rund um die Drehtische oder Supporte. Noch schlimmer: Wo Sicherheitseinrichtungen wie Not-AusSchalter an Türen oder Abschrankungen ursprünglich vorgesehen waren, wurden diese von den Bedienern nicht selten demontiert oder überbrückt, um im laufenden Betrieb jederzeit den Schnitt kontrollieren, Abschnitte ab-
zubänken oder Keile setzen zu können. Geht es nach den Aufsichtsbehörden, sind diese Zeiten bald vorbei. Wie ernst es den Ämtern damit ist, spüren derzeit Steinmetzen und Natursteinwerke in Bayern. Begonnen hat der Kampf gegen ungesicherte Gefahrenbereiche in der Oberpfalz. Die dortigen Betriebe müssen bis Ende April 2011 Lösungsvorschläge zur Nachrüstung aller bei Besichtigungen beanstandeten Maschinen vorlegen.
Keine pauschalen Lösungen
Maschinen wie dieser Bohrautomat verfahren selbstständig und müssen abgesichert sein.
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Sollzustand bei einer Brückensäge: Die Bedienung der Säge findet außerhalb des Gefahrenbereichs statt.
Der zuständige Vertreter der Gewerbeaufsicht der Regierung der Oberpfalz, Josef Stitzinger, machte klar, dass es beim Nachrüsten der Sicherheitsvorrichtungen keine Pauschallösungen gibt und es in vielen Betrieben aufgrund baulicher oder technischer Gegebenheiten schwierig sein kann, die Vorgaben bei Altmaschinen umfassend zu erfüllen. In solchen Fällen werde man gemeinsam mit dem
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Maschinen
Die 2008 in Betrieb genommene Seilsäge im Marmorwerk Gundelsheim arbeitet als Blockund Konturenseilsäge. Im Konturenschnitt muss der Bediener im laufenden Betrieb Keile setzen.
Die Lösung: Der sogenannte Totmannschalter wurde von der Berufsgenossenschaft abgesegnet. Eine Hand setzt die Keile, die andere hält den Taster gedrückt.
Inhaber nach praktikablen Lösungen suchen, die das gröbste Gefahrenpotenzial abfangen, den Betrieb aber nicht im Bestand gefährden, signalisierte Stitzinger. Aber: Wenn 20 Jahre an einer Maschine nichts passiert ist, heißt das nicht, dass der Maschinentyp ungefährlich sei und sich nicht doch jederzeit ein tödlicher Unfall ereignen kann.
Vom Betreiber zum Hersteller Die Rahmenbedingungen für das nachträgliche Absichern der beanstandeten Gefahrenbereiche sind eindeutig: Greift der Inhaber der Maschine ohne unmittelbare Aufsicht durch den Hersteller eigenmächtig in die Maschinensteuerung ein, indem er eine Lichtschranke nachrüstet und mit dem Not-Aus verbindet, wird er im ungünstigsten Fall selbst zum Hersteller, denn durch einen so wesentlichen Eingriff verliert die Maschine – soweit bei Maschinen ab Baujahr 1995 vorhanden – die CE-Kennzeichnung. Jeder Maschinenhersteller muss vor dem Inverkehrbringen einer Anlage eventuelle Fehlanwendungen berücksichtigen, sonst darf er keine Konformitätserklärung abgeben. Durch den eigenmächtigen Eingriff des Betreibers wird die Konformitätserklärung ungültig und der Hersteller wäre verpflichtet, eine neue Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Das geht nur
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vor Ort und nicht pauschal aus der Ferne. Ähnlich ist die Situation bei einer neuen Anlage. Verzichtet der Kunde ausdrücklich auf die Montage der vom Hersteller mitgelieferten Schutzeinrichtungen, muss der Monteur des Herstellers oder Lieferanten das CE-Kennzeichen sofort bei der Installation von der Maschine entfernen. Ohne CE-Kennzeichen aber darf die Maschine nicht in Betrieb gehen. Stellt ein Betreiber innerhalb der Gewährleistungsfrist Mängel an der Sicherheitsausstattung fest, sollte er umgehend vom Hersteller Nachbesserung fordern. Eine gesetzeskonforme Sicherheitsausstattung ist Voraussetzung, dass eine Anlage ordnungs-
Beispiel geben: Nachrüsten der CNC-gesteuerten Brückensäge TB 800 im Berufsbildungszentrum Ingolstadt durch einen Techniker von Löffler.
gemäß verwendbar ist, ansonsten besteht ein Mangel, dessen Behebung der Käufer einfordern kann.
Steinmetzen als Betroffene Gerhard Kuchenreuther ist Inhaber des Granitwerkes Ludwig Popp in Schurbach. Kuchenreuther sieht einen Großteil der Verantwortung für die aktuelle Situation bei den Herstellern – als Steinmetz könne er nicht jede Vorschrift kennen und muss sich daher auf die Maschinenhersteller verlassen. Als schwierig hat sich für Kuchenreuther das Nachrüsten einer bislang ungesicherten Brückensäge herausgestellt, die mit zwei Drehtischen
Lichtschranken und Gitter vor einer CMS-Wasserstrahl-Schneidanlage: Bereits bei der Präsentation auf der Messe wird die notwendige Sicherheitsausrüstung ausgestellt.
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