STEIN
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MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK
NORDERNEY
WECHSELBAD IM WATTENMEER EXKLUSIV
INSPIRATIV
PROGRESSIV
Münsterland: Himmlische Hartbeläge im privaten Wohn- und Wellnesstempel
Augsburg: Traumbäder vom Steinmetzmeister und Gestalter im Handwerk
Carrara: Eine Toskanerin für Nachhaltigkeit und gegen Sexismus in der Marmorwelt
INHALT
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Preisgekrönt: Hier Moderne Elemente brillieren hochwertige können alte Friedhöfe Materialien ihrensie auflockern,inwenn Details. In hier einerinWiessich, wie Altdorf badener Villa wurden bei Nürnberg, zurückNaturstein undnicht Holz nehmen und gekonnt miteinander in den Vordergrund kombiniert. drängen.
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Das Ein neue unterFährterminal Denkmalauf Norderney stellt schutz stehender viele SonderanfordeBunker in München rungen die Konstrukwurde an behutsam renotionen undinnen Materialien. viert und mit Das auch „Fade die dembetrifft Naturstein Natursteinbeläge und to Grey“ ausgelegt. Keramikfassade.
STEIN ONLINE
Konzentriert bei der Sache sein, auch wenn der Terminkalender überquillt. Für Inhaber kleiner Betriebe bleibt oft zu wenig Zeit für Organisatorisches und neue Strategien.
SCHÖNE WELT DER STEINE
STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema Naturstein gibt es auf facebook.com/stein.magazin
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Der private Spa-Palast Ein luxuriöses Anwesen im Münsterland mit ansprechender Komposition mineralischer Werkstoffe
STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de
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Anziehende Klarheit Warum Ströhmann Steindesign für die Ausstattung einer Villa den „Mapei Best Projekt Award“ erhielt.
STEIN – der Newsletter Regelmäßig Neues aus der Stein-Welt, zu abonnieren auf stein-magazin.de
STEINE BEARBEITEN 20
Fähr-Trade Bauvorhaben vor dem Deich: Spezialfälle von der Drainage der Steinbeläge bis zur Keramikfassade
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Das nächste Level der Badkultur Wie ein Steinmetz aus Augsburg zum Anbieter von exklusiven Natursteinbädern wurde.
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Basaltina Die STEINKUNDE stellt einen Naturstein aus Bagnoregio in Italien vor.
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Werkzeugkür im Zentrum Wie die neuesten Werkzeuge für CNC-Bearbeitungszentren in der Praxis funktionieren.
ZUM SAMMELN Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Basaltina KUNDE
Handelsname:
BASALTINA ● Petrografische Familie:
Tephrit ● Typische Farbe:
Grau ● Herkunftsort:
Bagnoregio/Italien ● Liefernachweis:
BASALTINA s.r.l./Rom/ Italien
● GEOLOGIE/PETROGRAFIE Bei Basaltina handelt es sich um ein Ergussgestein, das im Zuge vulkanischer Tätigkeiten entstanden ist. Im Gegensatz zu den sehr dichten Basalten, die ebenfalls zu den Ergussgesteinen zählen, sind bei den umgangssprachlich als Basaltlaven bezeichneten Gesteinen sehr viele offene Gesteinsporen erkennbar. Diese sind auf Entgasungsprozesse während der Entstehung zurückzuführen. Im Gegensatz zu den deutschen Vorkommen im Raum Mayen, deren Rohblockgrößen meist bis zu Kantenlängen von 1,70 Metern reichen, sind Unmaßtafeln aus Basaltina wesentlich größer (große Rohblöcke sind in der Länge mit Granit-Unmaßtafeln mittlerer Größe vergleichbar). Weitere Unterscheidungskriterien liegen in der Größe und Form der Gesteinsporen. Die Poren der italienischen Basaltina sind im Vergleich zu den deutschen Vorkommen in der Regel kleiner. Ein interessantes Dekor
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bieten die Bereiche des Vorkommens mit länglich ausgerichteten Poren, diese Sortierung wird unter der Bezeichnung Basaltina Classico angeboten und macht in etwa 40 Prozent des Vorkommens aus. Eine weitere Sortierung ist Basaltina Selcino mit rundlichen Poren, die etwa 60 Prozent des Vorkommens ausmacht. Geologisch betrachtet, handelt es sich um ein sehr junges Gestein, das im Holozän entstanden ist.
● ARCHITEKTUR Der Stein kann sowohl im Innen- als auch im Außenbereich eingesetzt werden. Basaltina verfügt über einen sehr dezenten und farblich homogenen Grauton. Als Sekundärfarbe sind lediglich kleine weiße Sanidin-Minerale, die gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt sind, erkennbar. Der Grauwert des Steins hängt im Wesentlichen von der Art der Oberflächenbearbeitung ab. Je rauer die Bearbeitung, desto heller
erscheint der Stein. Dies ermöglicht verschiedene Kombinationen in Form von Friesen, Schachbrettmustern und Ähnlichem, deren Elemente sich lediglich in ihrem Oberflächenfinish unterscheiden. Die Schliffgüte kann bis zu einer matten Politur reichen, die den Stein in einem dunklen Grauton erscheinen lässt. Er wird überwiegend mit offenen Gesteinsporen verlegt. Eine Spachtelung ist jedoch auch möglich. Bei einer offenporigen Verlegung erreicht der Stein wegen des hohen, gleichmäßig verteilten Porenraums selbst bei einem Schliff C220 noch die Rutschhemmungsklasse R12. Im Bereich des individuellen Designs wurden auch schon rote oder grüne Kunstharzspachtelungen als besondere Effekte realisiert. Bei der Bezeichnung Basaltina handelt es sich um eine geschützte Handelsbezeichnung des Unternehmens Basaltina s.r.l. aus Italien. Dipl.-Ing. (FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu
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O R T E IL P R E ISV B E R Ü GEGEN EF T H E IN Z E L
3-D-Drucker können heute sogar Fassadenfliesen fertigen. Steinmetze sollten sich mit additiven Fertigungsmethoden beschäftigen, um neue Auftragsfelder zu erschließen.
KUNDEN GEWINNEN 48
In der Ruhe liegt die Kraft Wie Unternehmer trotz Zeitdrucks immer auch den Überblick über ihr gesamtes Tun bewahren.
CHANCEN NUTZEN 54
Steinmetze machen Druck Additive Fertigungsmethoden und was der Steinmetz darüber unbedingt wissen muss.
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Haltet die Welt an Barbara Giuntoni aus Carrara zeigt Zähne: Gegen Elefantenjagd, für vorausschauenden Marmorabbau.
PANORAMA 64
Termine, Produkte und mehr
RUBRIKEN 65 66 74
Vorschau Impressum STEINLUPE: Alexander Hanel (42), Geschäftsführer Stein Hanel GmbH und Gründer sowie Verantwortlicher der Marken „Rokstyle“ und „Rokstyle Living“.
Testen Sie jetzt! 3 AUSGABEN STEIN FÜR NUR
€ 29,–
+ EIN GESCHENK IHRER WAHL
MEHR INFOS UND BESTELLUNGEN UNTER: WWW.STEIN-MAGAZIN.DE/SHOP
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SCHÖNE WELT DER STEINE
Gebrannter Ton & Steinakzente Im Kreis Borken im westlichen Münsterland ermöglichte sich ein privater Bauherr am Rand eines dicht mit Ein- und Zweifamilienhäusern bebauten Wohngebiets den Wunsch absolut diskreter, abgeschiedener Exklusivität. Auf einem weitläufigen Gelände entstand ein modernes luxuriöses Anwesen mit Wohnhaus, Gästehaus und Poolhaus. Die Vorliebe für Tonbaustoffe fällt direkt ins Auge. Von Petra Lasar
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Foto: Arnd Haug
DER PRIVATE SPA-PALAST
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Das Faible für hochwertiges Gebranntes ist offensichtlich: Anthrazitfarbene Pflasterklinker zieren den Boden, hellgraue Klinkerriemchen verblenden die Fassaden – beides von Wienerberger
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Homogenität trifft Dekor: Unterschiedliche Natursteine schmücken die Wände einer Dusche in einer Wiesbadener Villa. Der beige Kalkstein mit den Handelsnamen Creme Sabbia oder Semi Rijo aus Portugal und der gewolkte brekziöse Dolomitstein Emperador Light aus Spanien, der auch als Emperador Claro bekannt ist
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Foto: ChrisChristes | photography
SCHÖNE WELT DER STEINE
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SCHÖNE WELT DER STEINE
ANZIEHENDE KLARHEIT Ausgezeichnet Mit der Neugestaltung eines Bades in einer Villa in Wiesbaden gewann Ströhmann Steindesign 2019 den Mapei Best Project Award. Auffällig dabei: die Bescheidenheit. Von Carolin Werthmann
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Hafen baut Olaf Weddermann hat ein Hobby. Er baut gern. Zuletzt erst einen Hubschrauberhangar in Norddeich an der ostfriesischen Küste und auf der Insel Norderney eine Servicestation für eine Offshorefirma sowie ein Wohn- und Geschäftshaus. Sein jüngstes und architektonisch bislang herausragendstes Bauvorhaben widmete der gebürtige Norderneyer und Prokurist der Frisia-Reederei dem Hafen seines Heimateilands – und der Clou ist, dass es eben gerade nicht zu hoch hinausragt: das neue Fährterminal. Philipp Neuman
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Foto: AG Reederei Norden-Frisia
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Von den Treppen neben dem Eingang rechts ßber den Skywalk unten bis zur Aussichtsplattform mit dem roten Seezeichen links: Das neue Fährterminal von Norderney ist hinsichtlich Formen und Funktionen ein architektonisches Gesamtkunstwerk mit Naturstein- und Keramikausstattung
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Edler Valser Quarzit aus der Schweiz wurde in diesem Bad als Riemchen und Bodenplatte verbaut. Seine Oberfläche ist diamantgeschliffen
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Foto: Steinmetz Brenner GmbH
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STEINE BEARBEITEN
Das Badezimmer kristallisierte sich für Steinmetz Stefan Maier als lukrativer Bereich heraus. Heute gehört die Arbeit im Bad zu den Schwerpunkten der Firma
Unternehmensentwicklung Die Firma Steinmetz Brenner aus Augsburg existiert bereits seit über einem Jahrhundert. Ein Traditionsbetrieb, der sich seit Jahren auch mit der Ausstattung von Badezimmern beschäftigt. Geschäftsführer Stefan Maier hat STEIN verraten, wie es dazu kam und worauf er in diesem Bereich als Steinmetz besonders viel Wert legt. Von Alexandra Nyseth
DAS NÄCHSTE LEVEL DER BADKULTUR S02 | 2020
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STEINE BEARBEITEN
Die innovative EHS-Linie für eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit ermöglicht die Verdoppelung der Produktivität einer CNC-Maschine: EHS-Schleifscheiben mit speziellem Diamant in Kupferbindung von Marmoelettromeccanica ermöglichen einen besonders hohen Vorschub - in Granit, Quarz-Komposit-Werkstoffen und Keramik
WERKZEUGKÜR IM ZENTRUM Werkzeuge für CNC-Bearbeitungszentren CNC-Bearbeitungszentren stehen bei Steinverarbeitenden Betrieben nach wie vor hoch im Kurs, auch wenn das Wasserstrahlschneiden derzeit die höchsten Zuwachsraten verzeichnet. CNC-Werkzeuge können auf den Multifunktionsmaschinen nämlich eine Menge arbeitsintensiver Bearbeitungsschritte rationell und automatisch ausführen, die mit dem Abrasivwasserstrahl nicht möglich sind. Von Michael Spohr 40
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STEINE BEARBEITEN
Komplettangebot von einem der größten italienischen Maschinenbauunternehmen, das sich auf die Herstellung von Diamantwerkzeugen für die Bearbeitung von Natursteinen, Keramik und Agglomeraten spezialisiert hat: Marmoelettromeccanica liefert unter anderem Bohrer aller Art für CNC-Bearbeitungszentren
Foto: Michael Spohr
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as die Qualität ihrer CNCBearbeitungszentren betrifft, stehen alle Maschinenhersteller in der Pflicht und erfüllen diese auch. Die Kür jedoch stellen die Software, der Service und die Werkzeuge dar. Von allen Großmaschinen werden auf CNC-Bearbeitungszentren die mit Abstand meisten Werkzeuge eingesetzt – Grund genug einmal nachzufragen, worauf es dabei ankommt. Die beiden
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Betriebe, die wir besucht und zu dem Thema befragt haben, weisen vor allen Dingen eine besondere Gemeinsamkeiten auf: Sie verfügen beide über einen exzellenten Monteur, der sich um ihre Maschinen kümmert. Darüber hinaus loben beide die leicht verständliche Software ihres jeweiligen Bearbeitungszentrums. Und sie vertrauen auch den gleichen Werkzeugen, an die sie ähnliche Anforderungen stellen.
STEIN stellt folgende Firma vor: 1. Stone Becker GmbH & Co. KG, Bad Wünnenberg www.stone-becker.de 2. Jauer Natursteine GmbH & Co. KG, Bielefeld www.jauer-natursteine.de
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KUNDEN GEWINNEN
Handarbeit gehört immer dazu. Glöckner Natursteine verlegt auch aufwendige Mosaike. Wie der Betrieb organisiert ist, lesen Sie ab Seite 52
IN DER RUHE LIEGT DIE KRAFT F
ür Kunden und Betrieb gefühlt rund um die Uhr im Einsatz, das gehört für viele zum Unternehmerdasein dazu. Zumal Kunden heute einen ganz anderen Servicelevel erwarten. Katja Hobler, Natursteine Glöckner, bringt es auf den Punkt:
dieser Gedanke öfter plagt, sollten Sie die Reißleine ziehen. Das jedenfalls empfiehlt Organisationsexpertin Cordula Nussbaum, um nicht zum Sklaven im eigenen Betrieb zu werden (das Interview mit ihr finden Sie ab Seite 50).
STEINPLUS Viel zu beschäftigt? Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme Was gehört für Sie zu Ihren Schlüsselaufgaben als Unternehmer? Was davon können Sie delegieren? Wer kann welche Aufgaben übernehmen? Welche Kompetenzen sind hierfür im Team notwendig? Wie können Sie diese aufbauen? Was ist notwendig, um den Prozess des Delegierens und Trainierens in Gang zu bringen?
„Die Erwartungshaltung heute ist Amazon.“ Die Liste der betrieblichen Erfordernisse lang. Besonders kleine Betriebe stecken oftmals in der eigenen Organisation fest, wenn es darum geht, den aktuellen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Fehlende Einbindung von Mitarbeitern, unklare oder in die Jahre gekommene Abläufe und Strukturen sind der Hauptgrund für die Überlastung von Inhabern, für Unzufriedenheit im Team oder die mangelnde Orientierung am Kunden. „Eigentlich müsste ich dringend etwas ändern, habe dafür aber keine Ressourcen.“ Wenn Sie
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Wer macht was, wofür und warum, das müssen Unternehmen neu aushandeln, wenn sie selbst oder der Markt sich verändern. Oft passen die Spielregeln und Abläufe der Zusammenarbeit nicht mehr zu Menge, Umfang oder Art der Aufträge. Auch die Kundenwünsche verändern sich. Neue Geschäftsfelder kommen hinzu, Mitarbeiter gehen in Urlaub oder sind krank, vom eigenen Anspruch an Erholung ganz zu schweigen. Hinzu kommt der Generationswechsel, der noch lange nicht überall zufriedenstellend gelöst ist. Die Potenziale für Wachstum, Kundenorien-
tierung und persönlichen Freiraum kommen aus dem Innen und lassen sich nicht zukaufen. Wenn Chefs und Chefinnen unersetzlich sind und auch im Urlaub kaum eine ruhige Minute haben, hat das häufig viel mit ihnen selbst zu tun. Erfahrene Führungskräfte wissen um den Wert von Freiräumen, die es ihnen erlauben, sich Gedanken über die Zukunft zu machen und Innovationen reifen zu lassen. Glöckner Natursteine ist ein Musterbeispiel dafür, wie zukunftsorientierte Unternehmensführung im Handwerk aussehen und die Führungscrew entspannt bleiben kann. Über ihren mehrfach ausgezeichneten Ansatz eines nachhaltiges Ressourcen- und Zeitmanagements haben wir mit Katja Hobler gesprochen, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Ehemann Markus Glöckner leitet (siehe Seite 52). Eine Kunst, die längst nicht alle beherrschen, ist die Kunst der Delegation. Vielen Menschen fällt es schwer, bestimmte Aufgaben an andere zu übertragen. Wenn zu viele Entscheidungen jedoch von einer einzigen Person getroffen und vorangetrieben werden, ist das Hamsterrad vorprogrammiert. Die Managementlegende Stephen R. Covey („Die 7 Wege zur Effektivität“) schreibt dazu: „Effektiv an andere zu dele-
Foto: Stefan Necker
Unternehmensführung Besonders kleine Betriebe stecken schnell in der eigenen Organisation fest und werden weder ihrem eigenen noch dem Kundenanspruch gerecht. Proaktiv handeln, effektiv delegieren und eine ehrliche Bestandsaufnahme im Umgang mit der eigenen Zeit helfen, die Herausforderungen zu meistern. Von Annette Mühlberger
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Foto: Natursteine Glöckner
KUNDEN GEWINNEN
gieren, ist wahrscheinlich die Tätigkeit, die den meisten Einfluss auf Ihren persönlichen und beruflichen Erfolg hat. Es lohnt sich, wenn Sie anderen, gut ausgebildeten und fähigen Menschen Verantwortung übertragen. Delegieren heißt wachsen. Das gilt nicht nur für jeden Menschen, sondern auch für alle Organisationen.“ Wer gut delegieren kann, macht den Erfolg der Arbeit immer zu einem Gemeinschaftswerk. Delegieren unterscheidet Manager von Machern. Wenn Kunden nur mit dem Chef sprechen wollen und umgekehrt, sprechen sie mit einem erfolgreichen Macher. Gibt es im Unternehmen zahlreiche kompetente Ansprechpartner für Kundenprojekte, wird das Unternehmen erfolgreich gemanagt. Oft beschränkt sich die Delegation darauf, Teilschritte zu delegieren. Je schneller Unternehmen reagieren müssen, je komplexer und unsicherer die Informationslage ist, desto wichtiger wird es aber, nicht nur die Arbeit, sondern auch die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch Natursteine Glöckner bindet das gesamte Team eng in die unternehmerischen Entscheidungsprozesse ein. Ein Vorgehen, das die Geschäftsführung erheblich entlastet, wie Katja Hobler im Gespräch mit STEIN be-
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stätigt. Das Wissen von vielen in die Führungspraxis einzubeziehen, hält unter dem Stichwort „agil“ aktuell in viele Unternehmen Einzug. Basis hierfür ist das hohe Maß an Eigenverantwortung in den Teams und eine enge Kommunikation. Wer agil führt,
wird zum coachenden, entwickelnden, moderierenden und unterstützenden Chef. Versteht die Führungsebene das Konzept, gehört das Hamsterrad, unter dem Inhaber leiden, vielleicht bald der Vergangenheit an. n
STEINPLUS Selbstorganisation fördern, Zeit gewinnen: So geht‘s Wichtig sind echte Teamstrukturen, das heißt die richtige Größe (drei bis sieben Mitarbeiter) und ausreichend Freiraum. Fühlt sich das Team den Unternehmenszielen absolut verpflichtet? Wenn nicht, machen Sie Widersprüche sichtbar und begegnen Sie ihnen mit offener Kommunikation. Auch wenn sie diese nicht sofort auflösen können, sollte alles ausgesprochen werden. Stellen Sie sicher, dass im Team ausreichend Kompetenzen (betriebswirtschaftlich, fachlich, kommunikativ) vorhanden sind. Stellen Sie dem Team die notwendigen Ressourcen zur Verfügung (personell, finanziell, zeitlich). Etablieren Sie das Bewusstsein von Lernen als Prozess, mit Meilensteinen, aber ohne Ende. Fördern Sie eine Feedback- und Fehlerkultur (Reflektionen, Retroperspektiven). Etablieren Sie eine gute Experimentierkultur. Fördern Sie den Mut, Neues zu probieren. Schaffen Sie Zeitfenster für Kreativität. Verzichten Sie in frühen Stadien auf Perfektionismus. Sorgen Sie für neue Impulse und Außenkontakte. Visualisieren Sie Arbeits- und Projektfortschritte (Taskboard). Führen Sie Stand-up-Meetings ein. Schaffen Sie Raum für konzentrierte Arbeitsphasen (Fokus-Zeit). Experimentieren Sie mit flexiblen, vom Team selbst festgelegten Zielen. Quelle: Teamworks GmbH
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CHANCEN NUTZEN
Auch im Natursteinhandwerk wird der 3-D-Druck bereits erfolgreich eingesetzt: Gedruckte Grabsteinmodelle kommen bei Kunden gut an
STEINMETZE MACHEN DRUCK
Neue Technologien Die additive Fertigung, auch „3-D-Druck“ genannt, gehört zu den 4.0-Schlüsseltechnologien: Wie weit ist die Technik? Wie lässt sie sich in Stein verarbeitenden Betrieben einsetzen, und wo sind die Grenzen? Von Marian Behaneck
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it immer besseren Druckqualitäten und sinkenden Preisen etabliert sich die additive Fertigung (auch Generative Fertigung, Rapid Prototyping oder 3-D-Druck genannt) zunehmend auch im kreativen Handwerk. Auch in einigen Naturstein verarbeitenden Unternehmen stellen 3-D-Drucker schon jetzt Modelle, Schablonen, Muster oder Prototypen, Einzelstücke oder Kleinserien her. Was können 3-D-Drucker mittlerweile, welche Verfahren, Möglichkeiten und Grenzen gibt es und wann sind 3-D-Druckdienstleister eine Alternative?
WAS LEISTEN 3-D-DRUCKVERFAHREN? Im Unterschied zur konventionellen Fertigung werden bei additiven Fertigungsverfahren Objekte nicht durch Umformen, Trennen oder Zerspanen eines Werkstücks, sondern additiv aus einem flüssigen, pulverförmigen oder festen Ausgangsmaterial aus Kunststoff, Kunstharz, Keramik, Metall oder vielen anderen Materialien mithilfe chemischer und/oder physikalischer Prozesse Schicht für Schicht aufgebaut. Es können sowohl Objekte aus unterschiedlichen Materialien oder Farben als auch bewegliche Funktionsmodelle in einem Arbeitsgang gefertigt werden. Die Objekte können auch
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CHANCEN NUTZEN
Fotos: Naturstein Determann
transparent oder elastisch sein. Die Fertigungsqualität hängt ab von der Genauigkeit und Oberflächenbeschaffenheit und diese wiederum von der dreidimensionalen Druckauflösung in X-, Y- und vor allem in Z-Richtung (Schichtdicke) des Ausgabegeräts. Die Modelldaten werden in der Regel über CAD-, Modellierprogramme, teilweise auch über 3-D-Scanner generiert. Nahezu alles ist druckbar: Kunststoff- und Metallstrukturen ebenso wie filigrane Konstruktionen oder massive Bauteile aus Stein- oder Betonwerkstoffen – mit oder ohne Eisen-, Glasfaser- oder Textilarmierung, mit oder ohne Beimischung recycelter Materialien. Mechanische oder elektrische Bauteile, medizinische Implantate, Schuhe, Kleidungsstücke, Schmuck oder spielbare Musikinstrumente werden inzwischen ebenso gedruckt wie Lebensmittel oder bewohnbare Häuser.
Die zuvor dreidimensional am PC konstruierten 3-D-Grabsteinmodelle werden auf dem firmeneigenen 3-D-Drucker ausgegeben
WELCHE VOR- UND NACHTEILE HAT DER 3-D-DRUCK? 3-D-Druckobjekte können individuell gestaltet, modifiziert und sofort ausgedruckt werden. Sie sind mehrfach reproduzierbar und in Kleinserien bis zu einer bestimmten Stückzahl wirtschaftlicher als konventionell hergestellte Produkte. Das gilt insbesondere für komplexe Objekte, denn
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HALTET DIE WELT AN Steiniger Alltag Barbara Giuntoni arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Marmorsektor. Mit ihren Ideen zu Gleichberechtigung und Umweltschutz eckt sie an. Doch aufgeben kommt nicht infrage. Von Anne Fischer
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arbara Giuntoni verdient ihre Brötchen mit Marmor: Sie verkauft ihren Kunden Bodenplatten, Blöcke und Architekturteile, für Badezimmer, Gärten, Fassaden und Co. Vieles davon ist maschinell hergestellt und wird zum Schluss noch manuell überarbeitet. Doch die eigentliche Leidenschaft der gebürtigen Toskanerin gilt ihren Designprojekten. Unter dem Namen Marba Marmi recycelt die 49-Jährige dafür meist Restmaterial. Auch nach mehr als 20 Jahren ist sie noch auf der Suche: nach dem rechten Platz in der von Männern dominierten italienischen Designwelt. Und nach Käufern, denen ihr Konzept der nachhaltigen Produktion einleuchtet. Schon als kleines Mädchen liebt Giuntoni die Stille. Davon gibt es in Fossone, einem kleinen Dorf in den Hügeln oberhalb Carraras, reichlich. Giuntoni ist ein Draußen-Kind, geht gern in den Wald, spielt viel am Wasser. Oder schaut ihrem Vater Marino zu, der als Heizungstechniker arbeitet und ein immerzu erfindender Bastler ist. Sein Rat an seine Tochter: Die Natur ist der beste Lehrmeister. Willst du etwas über Formen lernen, dann schau es dir bei ihr ab. Für Marmor als Material und die Industrie dahinter interessiert sich Giuntoni als Kind nicht. Doch sie erinnert sich an ein prägendes Möbelstück aus Marmor: den Küchentisch in ihrem Elternhaus, aus Bianco Carrara, gezeichnet vom lebhaften Alltag. Er wird nicht geschont, die Mutter knetet dort Nudeln, bügelt und bäckt, Giuntoni und ihre Brüder machen Hausaufgaben, spielen und turnen auf ihm herum. Mit den Jahrzehnten bekommt der Tisch eine, wie Giuntoni es nennt, „Vintage-Politur“. Sie selbst macht sich als junge Berufsstarterin schnell selbstständig, zunächst mit einer kleinen Boutique für Möbel. Der große Erfolg bleibt aus, deshalb wendet Giuntoni sich dem Interieurdesign zu, beginnt, die Innenräume von Villen in der Region umzugestalten, später auch in Frankreich und Belgien. Doch wirkliche Erfüllung findet sie dabei nicht. „Meine Stadt drängte mich schließlich zu einer Rückwärtsreise. Weg von den fertigen Villen, zurück zu den Rohstoffen.“ Giuntoni, die mit den Marmorbrüchen in direkter Nachbarschaft aufwächst, lernt diese erst als junge Erwachsene richtig kennen – „mit all ihren Qualitäten und Problemen“. Sie ist fasziniert von der Aussicht in den Marmorbergen und der Schönheit des Materials. Sie spricht mit Arbeitern, die seit Jahrzehnten abbauen, mit Handwerkern und Bildhauern. Und sie beobachtet die immense Ausbeute, die unzähligen Blöcke, die schwere Lkw tagtäglich die engen Schotterpisten hinunter transportie-
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CHANCEN NUTZEN
Das „weiße Gold“ darf für Giuntoni ruhig imperfekt sein – für die restliche Branche eher nicht. Die Designerin findet, damit geht viel Bandbreite verloren. Das Material für ihre Projekte sucht sie selbst in den Brüchen aus und lagert es teilweise jahrelang ein
ren. „Ich träume seitdem von einem Marmorabbau, der das Timing der Natur respektiert. Den traditionellen Blick toskanischer Künstler auf das Material als etwas, das es zu entdecken gilt, haben wir weitestgehend verloren. Es gibt Tonnen abgebauter Blöcke, die nur darauf warten, dass jemand sie nutzt. Wir müssen nicht immer schneller immer mehr Material gewinnen.“ Denn Marmor sei eigentlich zeitlos – die Trends, die der Markt hervorbringt und wieder begräbt, widerstreben der Designerin. „In der Mode lassen sich Designer zum Beispiel von früheren Formen und Schnitten inspirieren. Warum soll das beim Interieur-Design nicht gehen?“
Foto: Barbara Giuntoni
KRITIK AM MARMORMARKT Der überwiegend männliche Marmorsektor ist teils sexistisch und wenig vorausschauend, so sieht es Barbara Giuntoni. Sie glaubt, als Mann hätte sie vielleicht mehr Chancen gehabt in ihrem Berufsleben. Doch den Kopf in den Sand stecken, verstummen will sie nicht. Sie plädiert nachdrücklich für einen verlangsamten Abbau. Kritisiert, dass viele Bruchbetreiber nur die Filetstücken aus den Bergen sägen. Giuntoni selbst ist eifrige Sammlerin, lagert verschiedenste Blöcke und Platten auf einer Mietfläche ein und teilt mit Freunden eine Werkstatt, in der sie Materialien testet und an ihren Objekten arbeitet. Maschinen besitzt sie keine, Mitarbeiter beschäftigt sie auch nicht. Auch in der Gemeinschaftswerkstatt gibt es weder CNC-Säge noch sonstige Bearbeitungsmaschinen. Zu unsicher seien die Zeiten im Natursteinsektor für kleine Firmen wie ihre. Wenn nötig, wendet sich Giuntoni an eines der in Carrara ansässigen Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, anderen maschinell zuzuarbeiten. Dass kaum noch jemand die sonstigen Kalkstein-Vorkommen der Region nachfragt, dass sie selbst Objekte aus Marmor „zweiter Klasse“ schwer verkauft bekommt und die Keramik-Branche, die Marmor-Optiken zu einem Drittel des Preises nachahmt, auf dem Vormarsch ist – für Giuntoni alles Konsequenzen aus dem Verhalten der Unternehmer in Carrara und der regionalen Wirtschaftspolitik. Dass mehr und mehr chinesische Akteure in den regionalen Markt drängen, kritisiert sie harsch. „Ein so exklusives und kostbares Produkt wie Marmor sollte vollständig vor
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