Zeitschrift für Naturstein
Gestalten
Steinmetz und Künstler im Team
Sehen lernen Baustelle
April 2010
Magdeburgs erste Importsteine
Steinkreis am Göbekli Tepe
Die SchieferRenaissance
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Nachrichten 6
Wer wird Bundesinnungsmeister? Die Kandidaten Bernd Dirks und Gustav Treulieb über ihre Ziele
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Urheberrecht bei Bildern Was Sie wissen müssen, damit Ihre Werbung nicht widerrechtlich ist.
Gut zu wissen 11
Vor Ort Die Vitória Stone Fair in Brasilien
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Vor Ort Die CarraraMarmotec in Italien
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Steinmensch Markus Gorga ist Quereinsteiger.
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Chefsache Wenn der Kunde nicht zahlt
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Angesprochen Damit es nicht zu bunt wird
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Sehen lernen Magdeburgs erste Importsteine
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Mobil Unterwegs in Brüssel
Gestalten 24
Im Team Ein Steinmetz und ein Künstler über ihre gemeinsamen Grabstättenkonzepte
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Zurück in die Steinzeit Ein Steinsanierungsteam und seine Arbeit am Steinkreis im türkischen Göbekli Tepe
Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/ 43 60 05-0 Fax +49 89/ 43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com
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Inhalt
Schiefer 32
Vielschichtige Schönheiten Eine kleine Auswahl aus der Vielfalt der Schiefer
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Im weiten Land Über den Aufstieg eines Familienbetriebes in Brasilien
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Natürlich und nachhaltig Warum Schiefer Eingang in die moderne Architektur gefunden hat.
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Schiefer aus Theuma Wie Fruchtschiefer zu seinem Namen kam und was ihn auszeichnet.
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Schwarz wie die Nacht Ein kleines Schieferbergwerk im Frankenwald hat seine Nische gefunden.
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Graue Freunde Schiefer gilt als Synonym für Leben mit gehobenem Anspruch.
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Gut gepflegt Was Sie über Reinigung und Pflege von Schiefer wissen sollten.
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Seitenblicke Es kommt darauf an, wie man ihn verwendet.
Unternehmen & Produkte 66
Neues und Bewährtes aus den Bereichen Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr
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Betreff Medien S Promotion Leute Vorschau/Impressum/ Fotonachweis
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Die Erfolgsgeschichte des größten Schieferproduzenten Brasiliens vom kleinen Familienbetrieb zum Marktführer begann vor zwei Jahrzehnten, als fünf Geschäftspartner Schiefer für den lokalen Markt abbauten.
Raue Natursteinoberflächen sind wieder in. Gut für den Schiefer, der zunehmend auch in der Innenarchitektur verbaut wird. Schiefer gilt als sehr robust, dennoch gibt es beim Reinigen und Pflegen einiges zu beachten.
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Ein kleines Schieferbergwerk im Frankenwald hat seine Nische gefunden. Der Erfolg liegt in der flexiblen Produktion und der Nachfrage nach einheimischem Schiefer.
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Improvisation gefragt: Die Aufrichtung eines zerbrochenen Pfeilerschaftes in der Grabungsstätte am türkischen Göbekli Tepe wurde zur höchst riskanten Aufgabe für ein Ingenieur- und Steinsanierungsteam.
www.s-stein.com Meisterstücke aktuell Auf der STEIN-Homepage finden Sie die aktuellen Meisterstücke 2009 der diversen Meisterschulen. Viel Spaß beim Schmökern! www.s-stein.com -> Bildergalerie
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Schiefer
Vielschichtige Schönheiten Nicht jeder landläufig als Schiefer bezeichnete Stein ist geologisch betrachtet ein echter Schiefer. Schiefrigen Gesteinen und Schiefern ist aber ihre Spaltbarkeit und damit ihre besondere Oberflächenstruktur gemein. Auf dieser Basis zeigt STEIN eine kleine Auswahl aus der Vielfalt.
EINHEIMISCHE
Von Katharina Baus und Ariane Suckfüll
Rallye auf der Moselschiefer-Straße Das Bindeglied im Nationalen Geopark Vulkanland Eifel, die MoselschieferStraße, führt durch eine variantenreiche und reizvolle Landschaft. Durch Weinberge an der lieblichen Mosel über die Vulkanlandschaft mit dem angeschlossenen Vulkanpark bis zu den Höhen der Eifel. Das Bindeglied all dieser Landschaften ist die hier ansässige Schiefergewinnung und -verarbeitung und die seidig glänzenden Schieferdächer links und rechts des Weges. Denn dieser Teil der Eifel ist ein Zentrum der europäischen Schieferindustrie. Schiefer wird hier schon seit der Römerzeit abgebaut und der Begriff »Moselschiefer« ist mit einer urkundlichen Erwähnung von 1588 einer der ersten Markenbegriffe überhaupt. Der Begriff »Moselschiefer« stammt nicht von seinem Abbau an der Mosel. Der Schiefer, der in der Eifel gefördert wurde, ist über Moselhäfen wie Klotten bis ins benachbarte Ausland verschifft worden und war so als »Schiefer von der Mosel« bekannt, daher der Name. Die Geschichte des Schieferabbaus kann man in Mayen im Deutschen Schieferbergwerk unter der Genovevaburg besichtigen. Allährliches Highlight ist die ADAC Moselschiefer-Classic, eine Oldtimer Rallye, die im Wesentlichen dem Verlauf der Moselschiefer-Straße folgt. Seit 2005 erfreut sich diese Ausfahrt stetig wachsender Beteiligung. www.moselschiefer-strasse.de
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Fredeburger Schiefer Dieser Schiefer entstand vor ca. 350-400 Mio. Jahren. Damals war das heutige Rheinische Schiefergebirge vom Devonmeer überflutet. Auf dessen Grund lagerten sich tonige Schlammmassen ab. Der feine Tonschlamm verdichtete sich zu Tonstein und Schieferton. Die nachfolgende Gebirgsbildung bewirkte durch seitlich gerichteten Druck die Umwandlung des Tonsteins zu Schiefer. Verwendung: vorwiegend für Fassadenverkleidungen und Dachabdeckungen Vorkommen: Deutschland, in der Nähe von Bad Fredeburg Abbau: Magog GmbH & Co. KG www.magog.de
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Schiefer
Von Tafeln und Griffeln
Theumaer Fruchtschiefer Fruchtschiefer ist geologisch betrachtet ein kontaktmetamorpher Schiefer, der dort anzutreffen ist, wo magmatische Gesteine ins Schiefergebirge eingedrungen sind. Markant machen ihn seine Einlagerungen, Mineralneubildungen, die an Samen, Weizenkörner und dergleichen erinnern und ihm daher den Namen Fruchtschiefer eintrugen. Verwendung: mit gespaltener Oberfläche, Feinschliff oder Diamantschliff für Bodenbeläge, Fassadenverkleidungen und Arbeitsplatten Vorkommen: Deutschland, im Vogtland in der Näher der Ortschaft Theuma Abbau: Natursteinwerk Theuma GmbH www.natursteinwerk-theuma.de
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Holzmadener Posidonienschiefer Dieser Stein ist eigentlich ein dünnplattiges, fein parallel geschichtetes, bituminöses Sedimentgestein. Zahlreiche Fossilien sind in bestimmten Horizonten angereichert. Als Naturwerkstein sind sowohl die fossilreichen als auch die fossilfreien Horizonte im Handel. Verwendung: in der Innenarchitektur: für Wandbekleidungen, Bodenbeläge und Arbeitsplatten Vorkommen: Deutschland, in der Nähe der Ortschaft Holzmaden bei Kirchheim Abbau: Jürgen Fischer GmbH & Co www.jf-schieferwerk.de
Moselschiefer Die Entstehung dieses Schiefers reicht ca. 400 Mio. Jahre zurück. In der Devon-Zeit bildeten sich auf dem Grund urzeitlicher Meere feinste Tonschlamm-Ablagerungen, die sich durch hohen Druck und hohe Temperaturen allmählich zu Tonstein verfestigten. Bei der späteren Gebirgsbildung falteten sich diese Tonstein-Schichten durch seitlichen Druck auf. Der ursprüngliche Transportweg über die Mosel gab dem begehrten Baustoff schon um 1850 seinen Namen. Verwendung: vorwiegend für Fassadenverkleidungen und Dachabdeckungen Vorkommen: Deutschland, in der Nähe der Ortschaft Mayen Abbau: Rathscheck Schiefer www.rathscheck.de
EINHEIMISCHE
Wie strapazierfähig Schiefer ist, können Generationen von ABC-Schützen bezeugen. Seit etwa 1400 ist die Verwendung von Schiefertafeln im Schulunterricht bekannt. Damals wurde der Stein vor allem im Frankenwald und im Thüringer Schiefergebirge gewonnen. Ihre Blütezeit erlebte die Tafel- und Griffelindustrie in der Zeit von 1890 bis 1914. Franken wurde zum Zentrum der Schiefertafelherstellung und war praktisch weltweit ohne Konkurrenz. Der jährliche Ausstoß lag in dieser Hochphase bei rund zwölf Millionen Stück pro Jahr. Die Nachfrage war sogar so groß, dass die einheimische Produktion bald nicht mehr ausreichte und man auf Importe, hauptsächlich aus der Schweiz, angewiesen war. Damit war jedoch der Höhepunkt erreicht. Nach dem zweiten Weltkrieg sank die Nachfrage nach Schiefer beständig.
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Schiefer
Im weiten Land Die Erfolgsgeschichte des größten Schieferproduzenten Brasiliens vom kleinen Familienbetrieb zum Marktführer begann vor zwei Jahrzehnten, als fünf Geschäftspartner Schiefer für den lokalen Markt abbauten. Heute betreibt das Unternehmen 14 Steinbrüche und exportiert in mehr als 70 Länder. Von Richard Watzke
Sägen im Bruch Pompéu Velho II: Das erst vor 1,5 Jahren erschlossene Vorkommen liegt nahezu horizontal und erlaubt einen zügigen Abbau.
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ie Landschaft ist sanft gewellt, leuchtet in allen Grüntönen. Dazwischen sticht ockerrote Erde laut hervor und zeugt von den reichen Bodenschätzen in Minas Gerais. Vom Flughafen von Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaates, sind es zwei Autostunden bis zum Hauptsitz von Micapel. Im schicken Belo Horizonte befindet sich ein Verwaltungssitz, doch das logistische Herz des größten Schieferproduzenten Brasiliens schlägt in Pompéu, einem kleinen Städtchen mit 30 000 Einwohnern. Der Firmensitz ist ein
zweistöckiger Verwaltungsbau. Repräsentativ, aber bodenständig, genau so, wie die ganze Geschichte 1988 mit fünf Geschwistern als Firmengründer sowie fünf Arbeitern und einem Schieferbruch begann. Im Jahr 2000 bezog man das Verwaltungsgebäude, die Schaltzentrale für die weitverzweigten Aktivitäten des Schiefergiganten. Das Büro des Präsidenten ist geräumig, aber schlicht. Hier wird nicht repräsentiert, sondern gearbeitet. Leonel selbst wohnt nur wenige Häuser entfernt. Jeder kennt jeden, mit 700 Mitarbei-
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Schiefer
Firmenpräsident Leonel Campos Reis (r.) demonstriert einem englischen Kunden die Materialeigenschaften des schwarzen Materials aus Pompéu Velho.
Zwei Arbeiter im Schieferbruch Pompéu Velho II bauen Rohblöcke für Bodenplatten und Dachschindeln ab. Insgesamt beschäftigt Micapel 700 Mitarbeiter.
Produktion von Dachschiefer im Werk Joao ˜ Vereda: Die Maschinentechnik stammt aus Spanien.
tern ist Micapel ein bedeutender Arbeitgeber der Region. Für seine unternehmerischen Aktivitäten wurde Leonel sogar von Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva ausgezeichnet. Eigene Steinbrüche und harte Arbeit sind seitdem die beiden Konstanten, die alle Aktivitäten von Micapel prägen, erläutert Firmenpräsident Leonel Campos Reis, der selbst zu den Firmengründern gehört. Das Geschäft entwickelte sich sofort nach der Gründung so gut, dass nach wenigen Monaten bereits in zwei Schichten gearbeitet wurde. Zuerst bediente man den nationalen Markt, erschloss vom Wachstum getragen weitere Vorkommen und investierte fortlaufend in neue Maschinen. Das ist ein weiterer Erfolgsfaktor: Wachstum wird nicht mit Krediten, sondern mit eigenem
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Kapital finanziert, so auch 1998, als das internationale Geschäft begann.
Rasantes Wachstum Für einen großen Schub sorgte damals auch die Zusammenarbeit mit einem Geologen der Universítät von Sao ˜ Paulo. Dieser wertete Satellitenfotos aus und erkannte anhand der Bodenvegetation potenzielle Lagerstätten. Mittlerweile ist diese Technik bei Micapel Standard bei der Suche nach Abbaustätten; für 500 000 Hektar besitzt Micapel Bewilligungen zur Prospektion. Bei Erfolg versprechenden Stellen sondiert man alle 400 Meter, die anschließend mit einem engeren Raster verfeinert werden. Die Lagerstätten sind rund 600 Millionen Jahre alt und
8 bis 14 Meter mächtig. Sobald die abbauwürdige Schicht angeschnitten ist, muss der Bruch rasch in die Breite getrieben werden, erklärt Leonel, sonst würde der horizontale tektonische Schub um den Einschnitt das Gestein schädigen. Charakteristisch für die Schieferbrüche sind die mehrfach abgetreppten Böschungen, die wie in den Boden gestülpte Festungswälle aussehen. Die strenge Geometrie sorgt
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Schiefer
Graue Freunde Schiefer als Baumaterial hat Eigenschaften, die sowohl innen- als auch außenräumlichen Beanspruchungen gerecht werden. Außen an der Fassade oder auf dem Dach, innen als Bodenbelag oder Wandbekleidung. Schiefer gilt als Synonym für Leben mit gehobenem Anspruch, meist mit dem vagen Vorwurf, er sei teuer im Vergleich zu anderen Materialien oder zu teuer für das wirtschaftliche Bauen. Eine falsche Behauptung. Von Willy Hafner
Bautafel Architekt Kemper Steiner & Partner 44791 Bochum Material Mustang Schiefer, gespalten und gebürstet Natursteinlieferung Rossittis GmbH Naturstein-Import 59439 Holzwickede Natursteinarbeiten Naturstein Raue 45326 Essen
Massiver Block in der Küche Massiv und bodenständig wirkt die Struktur des brasilianischen Mustang Schiefers mit seiner gespaltenen und anschließend gebürsteten Oberfläche in dieser Küche in einem großzügigen Einfamilienhaus. Die Arbeitsplatten wurden in Massivoptik auf Gehrung gearbeitet und lassen das Arbeitsfeld der Küche wie aus einem Block gearbeitet erscheinen. Das Ceran-Kochfeld wurde passgenau, bündig, ohne jede Kante und ohne beim Hantieren störende Übergänge in die Schieferplatten eingepasst. Auch die Edelstahlspüle wurde bündig und übergangslos in die Arbeitsplatte eingebaut. In Verbindung mit matt glänzenden Armaturen schaffen die lebendigen Schieferoberflächen mit ihren dunkelgrauen und oft beinahe schon schwarzen Schattierungen eine besondere Atmosphäre in dieser Küche.
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ie Verbindung von Innen und Außen ist immer häufiger der Wunsch von Bauherren oder Architekten. Naheliegend ist die Verwendung des gleichen Baustoffs: Ein durchgehender Bodenbelag kann einen fließenden Übergang schaffen und damit wechselseitige Bezüge stärken. Ein Wiederaufgreifen des Fassadenmaterials als Oberfläche der Möblierung stellt haptische und optische Zusammenhänge her. Schiefer bietet sich hier an: Seine Widerstandkraft gegen Temperaturschwankungen, gegen chemische Angriffe und gegen biologische Einwirkungen überzeugt. Von allen natürlichen Steinen verfügt er über die höchsten Biegezugfestigkeitswerte und kann deshalb in geringen Dicken verarbeitet werden.
Schiefer ist hydrophob Schiefer ist zum Untergrund hin hydrophob, also wasserdicht; Diese Eigenschaft wirkt sich zum Raum hin positiv aus, das Material gilt als sehr schmutzunempfindlich. Schiefer ist widerstandfest und leicht zu pflegen und kann auch im Nassbereich eingesetzt werden. Aus optischen Gründen wird er vor dem Einbau oder in festen Abständen geölt. Leinöl frischt seine dunkle Farbe wieder auf. Allerdings ist Schiefer relativ leicht einritzbar.
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Schiefer
Schieferfels am Hang
Bautafel Architekt S+W+S Architektur CH-6430 Schwyz Material ColorSklent-Schiefer in seltenen Rot- und Grüntönen Natursteinlieferung Rathscheck Schiefer 56727 Mayen-Katzenberg
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Während der Benutzung stellen sich kleine Kratzer ein, die jedoch durch die natürliche Struktur des Materials nicht als störend empfunden werden. Schieferbeläge verfügen in der Regel über spaltraue Oberflächen. Neben den plattigen Anwendungen als Boden- und Wandplatten sowie Treppenstufen, Küchenarbeitsplatten und Fensterbänken, wird Schiefer auch als Bruchstein zur Herstellung von Verblendoder Trockenmauerwerk angeboten. Schon seit
Eine Symbiose von Architektur und Natur – das Einfamilienhaus im Schweizer Kanton Schwyz thematisiert mit seiner kantigen Form und der markanten Fassade aus Schiefer das Felsige des Ortes. Die Architekten Steiner + Wille + Steiner entwickelten das Gebäude in den Südhang des Berges hinein, wo es sich edel und doch archaisch in die steinige Landschaft stemmt. Die äußere Erscheinung ist geprägt durch eine hinterlüftete Fassade aus grünem ColorSklent-Schiefer mit einer Tafelgröße von 40 x 25 cm. Die Steine sind als waagerechte Rechteckdeckung im Hochformat mit Edelstahlklammern angebracht, dahinter befindet sich eine 22 cm starke, druckfeste Steinwolledämmung. Mit Hilfe des Rogger-Systems erfüllt das Gebäude den MinienergieStandard und ist weitgehend wärmebrückenfrei. Hierbei wird die Fassadenunterkonstruktion über lange Distanzschrauben freitragend durch die Steinwolle hindurch im Beton verankert. Ein seidiger Glanz verleiht dem ursprünglich spaltrauen Schieferstein einen felsenhaften, aber zugleich edlen Charakter.
Jahren lässt sich Schiefer als Dach- und Fassadenmaterial nicht mehr auf den Einsatz in ornamental geschmückten Giebeln oder Dachdeckungen reduzieren. Immer öfter wird dieser Naturstein als Verbindung von Kunst und Architektur eingesetzt. Künstler gestalten ganze Plätze mit Schiefer und Architekten entwerfen Waschbecken aus Schiefer und Chromstahl. Außergewöhnliche Schieferarbeiten sind inzwischen auch in kleineren Baumaßnahmen mit hohem
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Monolith im Dorf Wenn Dörfer aussterben, weil es die Jugend in die Städte zieht, entsteht Platz für Städter, die das Landleben schätzen. Resthöfe sind oft preiswert zu kaufen. Auf diese Weise entstehen Keimzellen für neues Leben in alten Dörfern. So geschah es in einem kleinen Dorf bei Boxberg. Der Bauherr kaufte einen alten Bauernhof, ließ ihn zum großen Teil abreißen und errichtete auf Teilen der alten Grundmauern sein modernes, energiesparendes Einfamilienhaus. Der neu errichtete Wohnmonolith steht zum Teil auf den alten Grundmauern und folgt mit den Abmessungen weitgehend dem Wohnbereich des ehemaligen Hofes. Der grundsanierte Natursteinsockel wurde um zwei Betonwände ergänzt. Von Anfang an stand fest, dass der Neubau ein Monolith mit gleichem Werkstoff auf Dach und Wand werden sollte. Auf dem Dach deckten die Dachdecker eine Rechteck-Doppeldeckung im Format 50 x 25 cm ein. An der Wand kam die neue variable Rechteck-Deckung mit Kreuzfugenraster im Format 50 x 25 cm zum Einsatz. Während die Südfassade zum geschützten Innenhof großzügig verglast ist, zeigen sich die drei übrigen Seiten der Schieferfassade zurückhaltend geschlossen.
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Bautafel Architekt überbau architektur Bruno Blesch 97944 boxberg Material: ColorSklent-Schiefer in seltenen Rot- und Grüntönen Natursteinlieferung Rathscheck Schiefer 56727 Mayen-Katzenberg Natursteinarbeiten Linke und Rissland 98701 Neustadt am Rennsteig
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Baustelle
Zurück in die Steinzeit S
ie waren ein Jahrtausendfund: die berühmten Steinkreisanlagen am Göbekli Tepe. Sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer zeitgeschichtlichen Einordnung sind sie einzigartig. Die ältesten Pfeiler der Anlage im Südosten der Türkei sind mit 12 000 Jahren älter als alle bisher weltweit gefundenen Steinkreise. Diese archäologische Weltsensation liegt im heutigen Anatolien, rund fünf Kilometer nordöstlich der Stadt Sanliurfa, unweit der Grenze zu Syrien im oberen Euphrattal. Die als Langzeitprojekt vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) unter der Leitung ihres Entdeckers Klaus Schmidt auszugrabenden Anlagen bestehen aus monolithischen T-förmigen Pfeilern, die bei einer Stärke von nur rund 20 bis 45 Zentimetern eine Höhe von bis zu fünf Metern erreichen.
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Improvisation gefragt: Die Aufrichtung eines zerbrochenen Pfeilerschaftes in der Grabungsstätte am türkischen Göbekli Tepe wurde zur höchst riskanten Aufgabe für ein Ingenieurund Steinsanierungsteam. Über einen Drahtseilakt um Materialbeschaffung, Wetter und die Gesetze der Physik im Wettlauf gegen die Zeit. Von Eduard Knoll
Bislang sind vier Steinkreise vollständig ausgegraben, weitere 16 durch geomagnetische Kartierung entdeckte Anlagen warten noch auf ihre Freilegung. Die Anordnung der Pfeiler folgt immer dem gleichen Schema: T-Pfeiler sind durch grob geschichtetes Bruchsteinmauerwerk und steinerne Bänke zu kreis- oder ovalförmigen Anlagen verbunden. In der Mitte eines jeden Kreises befinden sich jeweils zwei zentrale, frei stehende Pfeiler, die die äußeren Monolithen an Größe deutlich übertreffen.
Verziert ist ein Großteil der Pfeiler mit als Relief dargestellten menschlichen Armen und Händen an den Schmalseiten, zahlreiche Tierdarstellungen befinden sich auf den breiten Seiten. Zur Bearbeitung wurde lediglich Steinwerkzeug benutzt, Metall war noch unbekannt zu dieser Zeit der Menschheitsgeschichte. Die Anlagen auf dem Göbekli Tepe stammen aus der Schlussphase der Zeit der Jäger und Sammler, also aus der Übergangsphase in die Sesshaftigkeit, die sogenannte »Neolithische Revolu-
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Baustelle
Aufsicht Anlage »C«, Pfeiler Nr. 37 ist in der Mitte der Anlage, links vor dem Erdsteg. Gut erkennbar sind die aus dem massiven Fels herausgearbeiteten Köcher.
tion«. Für die zeitaufwendige Errichtung einer derartigen Anlage war neben einer bereits hoch entwickelten steinzeitlichen Gesellschaft ein gewisser Grad an Sesshaftigkeit zumindest während der Dauer der Erstellung der Anlage unabdingbar. Die Steinkreise wurden, nachdem sie – für was auch immer – »ausgebraucht« waren, von ihren Erbauern zugeschüttet.
Der Pfeilerschaft steckte mit einer geringen Einspanntiefe von nur 30 Zentimetern in einem aus dem massiven Fels herausgearbeiteten Köcher. Die Fortführung der archäologischen Grabung war ohne die Beseitigung des Erdhügels, auf dem der Pfeiler Nr. 37 lag, unmöglich, sodass Klaus Schmidt eine Instandsetzung und Aufrichtung des Pfeilers für notwendig hielt.
Der zerbrochene Pfeiler
Ein erstes Konzept
Die Aufrichtung eines zerbrochenen Pfeilerschaftes mit der Nummer 37 sollte zu unserem Projekt werden. Einer der beiden zentralen Pfeiler der Anlage C, oder besser gesagt der Pfeilerschaft – das Kopfstück wurde bislang noch nicht gefunden –, lag in zwei Teile zerbrochen schräg auf einem Erdhügel sowie auf einem Bruchstück des zweiten, vor Tausenden von Jahren mutwillig zerstörten Zentralpfeilers dieser Anlage. Im etwa 8. vorchristlichen Jahrtausend wurde der Bau neuer Steinkreisanlagen aufgegeben, ein über Jahrhunderte gewachsener künstlicher Hügel überdauerte die Jahrtausende. Der gesamte Hügel mit einer Höhe von über 18 Metern, auf dem heute die Grabungen stattfinden, ist damit erst im Verlauf von Jahrhunderten durch die immer an der gleichen Stelle erfolgte Errichtung von Anlagen und deren Auffüllung entstanden. Der Pfeiler Nr. 37 zerbrach durch eine mutwillige Zerstörung erst lange nach der Aufschüttung des Berges – wahrscheinlich durch Bauern, die den aus der Erde herausragenden störenden Stein bis auf den Köcher ausgruben und ihn, vermutlich mit Tierkraft, in die Waagrechte zogen, wobei er zerbrach. Die beiden jeweils rund 1,8 Meter breiten und rund 42 Zentimeter starken Teilstücke sind im Einzelnen jeweils rund zwei Meter hoch bei einem Gesamtgewicht von etwa zehn bis zwölf Tonnen. Würde man das fehlende Kopfstück noch dazurechnen, ergäbe sich ein Pfeiler mit einem Gewicht von 14 bis 15 Tonnen und einer Gesamthöhe von über fünf Metern.
Somit entwarfen wir noch in Deutschland ein Aufrichtungskonzept nach einem gebräuchlichen System, bei dem wir bereits davon ausgingen, dass die technischen Mittel vor Ort begrenzt sein würden: Mithilfe eines Tragsystems aus Stahlgerüstrohren und einem Kettenzug sollte das Ober-
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teil des abgebrochenen Pfeilers heruntergehoben und neben dem Unterteil zwischengelagert werden. Dann sollte der ebenfalls schief stehende untere Teil aufgestellt und mithilfe des Gerüstes wieder mit dem oberen Teil verbunden werden. Diese einfache Gerüstkonstruktion wurde in einer Werkstatt zur Probe aufgestellt und mit einem fünf Tonnen schweren Betonblock erfolgreich getestet. Eine detaillierte Material- und Geräteliste wurde zusammengestellt und ans DAI geschickt, die erforderlichen Teile sollten rechtzeitig vor Ort geordert werden. Alles schien perfekt durchorganisiert. Zum damaligen Zeitpunkt war uns noch nicht bewusst, dass die von uns gewünschten »einfachen« Materialien für anatolische Verhältnisse immer noch zu kompliziert waren ...
Pfeiler Nr. 37. Zustand vor Beginn der Maßnahmen. Die Lage des zerbrochenen Pfeilers auf dem Erdreich behinderte die weiteren Ausgrabungen.
Skizze Vorzustand: Befestigung der Hebel am Oberteil des Pfeilers
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