Zeitschrift f端r Naturstein
CNC-Werkzeuge Freiraum China
Stand der Technik
April 2011
Stein setzt Akzente
Eine Branche im Wandel
www.s-stein.com
Natursteinland Deutschland
Inhalt
Nachrichten 06
Handwerksmesse in München Die Internationale Handwerksmesse verzeichnet eine positive Bilanz.
Gestalten
Der Deutsche NatursteinPreis wurde 2011 erstmals europaweit ausgeschrieben und erhielt den Untertitel »European Architecture + Stone«. Insgesamt zwölf Projekte wurden von der Jury ausgezeichnet.
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Mischmaschinen, Körnungen, Gussformen: In Marktredwitz entstehen seit über 50 Jahren Werkzeuge, die in der ganzen Welt für den passenden Schliff sorgen.
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Steine in Berlin Eine Ausstellung in der Parochialkirche
Gut zu wissen 10
Mobil Unterwegs in Guatemala
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Angesprochen Kommunikation in der Natursteinbranche
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Sehen lernen Höfische barocke Baukunst
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Vor Ort Friedhofskulturelle Tagung in Uelzen
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Vor Ort Dortmund: Walk of Fame aus Granit
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Vor Ort Chinas Natursteinbranche im Wandel
Baustelle 65
Stein hat in der asiatischen Gartengestaltung einen sehr hohen Stellenwert. Durch die Jahrhunderte alte Tradition hat sich eine unglaublich vielseitige Kultur der Steinverwendung entwickelt, die auch für die moderne Gartengestaltung inspirierend ist.
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Farbfassungen auf Stein Wie Stein in der Renaissance veredelt wurde.
Unternehmen & Produkte 70
Neues und Bewährtes aus den Bereichen Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr
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Betreff Recht Leute Vorschau/Impressum/ Fotonachweis
65 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trat in Nordeuropa die Steinsichtigkeit in den Vordergrund. Die Farbfassungen auf Natursteinbildwerken der Renaissance dienen aber auch der Veredelung steinsichtiger Oberflächen.
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Imme Immer er die sic herrste Lösung Lösun ng sicherste CNC-Werkzeuge 26
Die Steinbäcker Werkzeuge für den passenden Schliff
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Dem Profilwerkzeug Beine machen Ein neues System sorgt für mehr Geschwindigkeit.
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Polieren ohne Orangenhaut Eine neue Bindung für Schleifwalzen
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Schneller als die Polizei erlaubt Eine neue Generation von Profilfräsern
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Alles Ansichtssache Software für dreidimensionales Entwerfen am PC
Natursteinland Deutschland 38
Deutschland, deine Steine Deutschlands Natursteinbranche heute
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Aus Deutschland in die Welt Exportschlager aus dem Fichtelgebirge: Kösseine
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Vereintes Europa Der Deutsche Natursteinpreis wird europäisch.
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Vom Unstein zum Boomstein Jurakalkstein und sein Imagewandel
AquaDrain® SD Stufengitter AquaDrain® SD Stufendrainage
Stein im Freiraum 57
Steine im Asia-Garten Inspirationen für die Gestaltung mit Stein im Garten.
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Koblenz verwandelt Bergische Grauwacke für die BUGA in Koblenz
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Seitenblicke Unter Strom
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Vor Ort
Chinas Steinprovinz Die Provinz Fujian ist Chinas wichtigstes Produktionsgebiet für Stein und Steinprodukte. In der Hauptstadt Xiamen findet jährlich die Xiamen International Stone Fair statt. Region, Stadt und Messe spiegeln wider, wie sich Chinas Natursteinwirtschaft wandelt. Von Ariane Suckfüll
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ie chinesische Hafenstadt Xiamen gilt als eine der attraktivsten Städte Chinas. Sie wurde sogar schon zur saubersten Stadt Chinas gewählt. Tatsächlich hat die Hauptstadt der »Steinprovinz« Fujian und Veranstaltungsort der Xiamen International Stone Fair einen Charme, der vielen der wirtschaftlich boomenden Städte an Chinas Südostküste fehlt. Xiamen liegt auf einer dem Festland vorgelagerten Insel und zeichnet sich vor allem durch seine ausgedehnten Grünflächen aus. Allein der Botanische Garten, eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Inselstadt, ist so groß, dass ein Buspendelverkehr die Besucher zu den einzelnen, teils weit auseinanderliegen Themengärten
gen« über eine der Brücken, die sie mit dem Festland verbinden, auf dem Weg in die Steinregionen der Provinz Fujian verlässt, erlebt einen Gegensatz, der größer kaum sein könnte. Die Luft hier ist staubgeschwängert, ein meist grauer Himmel spannt sich über die von Steinbrüchen gekerbte Landschaft, die flachen Bauten der steinverarbeitenden Betriebe säumen die Straßen, auf denen reger Verkehr herrscht: Auf allen erdenklichen Fahrzeugen wird Stein transportiert. Rund 5 000 Produktionsbetriebe soll es geschätzt in der Region Fujian geben. Die Vielzahl ist unüberschaubar, der Standard ist sehr unterschiedlich, was das Niveau der technischen Ausstattung betrifft. Es ist jedoch nach wie
Chinesischer Granitbruch: Sprengen soll in Zukunft der Vergangenheit angehören.
bringt. Daneben existieren zahlreiche weitere angelegte Parks, und der Lagunensee im Westen der Stadt dient Einwohnern und Geschäftsreisenden, die die hochaufragenden Hotelkomplexe an der Südseite des Sees bewohnen, gleichermaßen zur Erholung. Auf der gegenüberliegenden Seite entstehen neue Wohnhochhäuser, wer hier wohnen wird, gehört zur aufstrebenden Mittelklasse. Wer diese »Insel der Glückseli-
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vor der hohe Anteil an manueller Arbeit, der Steinprodukte aus China fast unschlagbar günstig macht. Dennoch wandelt sich auch hier das Bild. Facharbeiter sind gerade in den mordernen Betrieben gefragt und auch die ungelernten Wanderarbeiter, die sich meist für ein Jahr verdingen und lediglich den Zeitraum der Neujahrsferien im Februar bei ihren Familien in teils weit entfernten Regionen im Landesinneren ver-
Xiamen Stone Fair 2011: Daten und Fakten Auf der diesjährigen Xiamen Stone Fair, die vom 6.–8. März in Xiamen stattfand, stellten 1 370 Aussteller aus insgesamt 50 Ländern auf rund 100 000 m2 aus. Zahlreiche internationale Aussteller hatten sich zu Länderpavillons zusammengeschlossen; vertreten waren unter anderen: die Türkei, Brasilien, Spanien, Italien, Frankreich, Finnland, Portugal, Marokko, Ägypten, Iran und Indien. Aus Deutschland stellten folgende Unternehmen aus: Franken-Schotter, Treuchtlingen-Dietfurt; JMS Jura Marble Suppliers, Eichstätt; Juma, Gungolding. Rund 120 000 Fachleute besuchten die Messe, rund 22 000 davon waren internationale Besucher aus 140 Ländern. Seit 2006 verzeichnet die Messe damit in allen Bereichen ein Wachstum.
Zum zweiten Mal gehörte in diesem Jahr der »World Stone Congress« zum Rahmenprogramm der Messe. In diesem Jahr lautete das Thema »Naturstein in der Architektur.« Die Xiamen Stone Fair 2012 findet erneut vom 6.–9. März statt. Ein weiterer Ausbau des Messegeländes bis 2013 ist in Planung. www.stonefair.org.cn
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Vor Ort
Chinas Steinindustrie im Wandel: Ein Gespräch mit Zou Chuansheng Zou Chuansheng ist Präsident des Branchenverbands China Stone Material Association, landesweiter Verband der Steinbranche. 1 000 Firmen aus Produktion, Verarbeitung und Handel sind Mitglieder. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Im Gespräch mit Peter Becker, Betreiber des Internetportals BusinessStone.com, äußert er sich zum derzeitigen Stand der chinesischen Steinindustrie. Peter Becker: Wo liegen aktuell die Herausforderungen für die chinesische Steinindustrie? Zou Chuansheng: Das wichtigste und dringendste Feld, wo wir besser werden müssen, ist die nachhaltige Produktion. In den vergangenen Jahrzehnten ging es einfach nur um Wachstum. Jetzt sind wir zu einer richtigen Industrie geworden, und da müssen auch saubere Produktion und schonender Umgang mit den Ressourcen Zielsetzungen sein. Wir müssen die Emissionen reduzieren, also die Belastungen unserer Arbeiter und der Umwelt mit Staub und Lärm verringern, und auch die Abfälle sauber entsorgen. Wasserrecycling ist ebenfalls ein zentrales Thema. Hier hat die Regierung Regeln festgelegt, die die großen Firmen schon erfüllen. Peter Becker: Was kann der Verband noch tun? Zou Chuansheng: Wir sind dabei, für verschiedene Bereiche Standards zu entwickeln, die die Firmen einhalten müssen. Zum Beispiel soll in Brüchen nicht mehr gesprengt werden. Peter Becker: Wer legt die Standards fest und wer kontrolliert die Einhaltung? Zou Chuansheng: Wir haben eine Kommission eingesetzt, die die Standards erlässt. Darin sitzen in der Mehrheit Vertreter der Firmen sowie Wissenschaftler, Techniker und Vertreter des Verbands. Wenn eine Firma die Standards nicht einhält, wird sie geschlossen. Peter Becker: Wie ist der Stand der Technik in Chinas Steinindustrie? Zou Chuansheng: Zum Westen gibt es hier noch einen gewissen Abstand. Dasselbe gilt übrigens auch in Design und Kunst. Grundsätzlich heißt unsere Zielsetzung: Wir wollen nicht nur Rohmaterialien oder Halbfertigprodukte erzeugen, sondern Endprodukte. Peter Becker: Was aber passiert mit den Arbeitern, wenn Sie hochwertige Produkte herstellen, für die Sie mehr Technik einsetzen? Zou Chuansheng: In China macht sich schon jetzt ein Mangel an Arbeitskräften bemerkbar. Wir kommen nicht umhin, in Maßen mehr Maschinen einzusetzen. Dafür aber brauchen wir besser qualifizierte Kräfte. Deshalb gehört es zu einer der zentralen Aufgaben für den Verband, Möglichkeiten für berufliches Training bereitzustellen.
Facharbeiter sind gefragt in Chinas Natursteinindustrie. Schon jetzt besteht ein Mangel.
Peter Becker: Wo liegen die Chancen für ausländische Firmen, die auf den chinesischen Markt wollen? Zou Chuansheng: In denselben Bereichen wie für die einheimischen Firmen. Die Urbanisierung, die gerade von statten geht, bietet für die Steinbranche ungeheure Chancen. Im Osten und an der Küste ist die Entwicklung schon weit fortgeschritten. Dort werden deshalb verstärkt hochwertige Produkte nachgefragt. Im Westen und in Zentralchina geht die Entwicklung gerade erst los.
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bringen, sind nicht mehr selbstverständlich zu haben. Das hat vor allem damit zu tun, das auch im Landesinneren die Entwicklung unterschiedlicher Wirtschaftszweige voran schreitet und die Arbeiter den weiten Weg nach Fujian nicht mehr auf sich nehmen müssen. Diese Situation kann den Beschäftigten zugute kommen, wenn es um die Verbesserung ihrer Konditionen geht. Dazu gehört auch der Aspekt der Arbeitssicherung und Einhaltung sozialer Mindeststandards. Die Agentur Win=Win, die Steine und Steinprodukte gemäß der Einhaltung bestimmer Standards mit dem »Fair Stone«-Siegel zertifiziert, führt in Betrieben Schulungen durch und erklärt, wie wichtig der konsequente Einsatz von einfachen Schutzmaßnahmen wie Ohrstöpseln und Mundschutz ist. Noch ist die Zahl der Betriebe, die sich zertifizieren lassen, vergleichsweise gering. Eine Nachfrage von zertifizierten Steinen seitens der ausländischen Handelspartner kann diese positive Entwicklung vorantreiben.
Doch zurück nach Xiamen, diesmal in den Südosten der Insel. Dort liegt das moderne Messezentrum, direkt am Meer. In den vergangenen Jahren wurde die Ausstellungsfläche sukzessive vergrößert und umfasst mittlerweile 100 000 Quadratmeter. Die Xiamen International Stone Fair findet hier jedes Jahr Anfang März statt. Sie hat sich mittlerweile zu einer der wichtigsten Fachmessen Asiens entwickelt. Im Kleinen spiegelt die Messe die
Arbeiter in einem Produktionsbetrieb, teilweise wird mit Mundschutz gearbeitet.
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Deutschland
Kösseine – aquapowered
Kösseine – beflammt
Kösseine – jetgestrahlt
Kösseine – poliert
Walzenschleiferei
Kösseine – aquapowered
Kösseine – beflammt
Steinbruch um 1920
Kösseine – jetgestrahlt
»Hier ist ein Stein mehr wert als eine Kuh«, heißt es im Volksmund. »Der Granit lässt mich nicht los«, schrieb Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief an Charlotte von Stein. Dreimal war der Dichter dort: im Fichtelgebirge – auf dem Gipfel der Kösseine!
Aus Deutschland in die Welt – Kösseine
Eine Spurensuche von Willy Hafner
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ast jeder Steinmetz kam in seinem Leben mit diesem Stein in Berührung. Für den einen ist er ein wenig beachteter, ja selbstverständlicher Granit – irgendwo aus Deutschland, für den anderen ein Stück »Kunst der Natur«, mitunter sogar ein »Kultobjekt«. Frauen mittleren Alters sollen ein geradezu erotisches Verhältnis zu dem Stein entwickeln, und namhafte Künstler versuchten und versuchen sich immer wieder daran, den harten Stein nach ihren Eingebungen zu formen. Max Bill mag hier das bekannteste Beispiel sein.
ter südlich von Wunsiedel gelegen. Die Kösseine ist ein weitläufiges Granit-Blockmeer mit einer Fläche von fast 16 Hektar, das heute unter Naturschutz steht; einerseits. Andererseits war und ist der Hang der Kösseine ein Steinbruch. Wer Steine brauchte, der bediente sich – schon immer. Mit Hammer, Meißel und Sprengkeilen löste man die harten Werksteine in den natürlichen Lagern vom Block. Bis ins späte 19. Jahrhundert wurde so für den »Hausgebrauch« gebrochen.
Blaue Steine aus Bayern
Dann kam die Eisenbahn, und das »Wunder der blauen Granite« begann, denn die Geologie ist einmalig im Fichtelgebirge, erzählen Claus Wölfel, Geschäftsführer der Grasyma Natursteine GmbH und HeinrichGeorg Hofmann, Geschäftsführer der Natursteinwerke Hofmann, Rechtsnachfolger der Grasyma Steinbruch GmbH. Die Natursteinwerke Grasyma sind heute noch einer der wenigen mit dem Abbau von Granit beschäf-
Die Rede ist von Kösseine, dem blauen Granit aus dem Fichtelgebirge, in Deutschland und Europa einzigartig. Nach seinen Abbauorten eher prosaisch auch Kleinwendern oder Schurbach genannt. Gewonnen am Hang, knapp unter dem Gipfel der Kösseine – einem Bergmassiv, fast 940 Meter hoch, im Hohen Fichtelgebirge im Nordosten Bayerns, kaum 20 Kilome-
Steine für die Welt
» Der Geburtsort der modernen Natursteinindustrie lag im Fichtelgebirge.«
Kösseine – poliert
Claus Wölfel, Geschäftsführer Grasyma Natursteine
S04/11 Kösseine – aquapowered
Deutschland
Kösseine heute: aquapowered Architekten: Suter + Suter, Zürich Neue Börse, Zürich Natursteinarbeiten: Hofmann Naturstein GmbH, Werbach-Gamburg
» Die perfekte Granitpolitur wurde im Fichtelgebirge erfunden.
«
Claus Wölfel, Geschäftsführer Grasyma Natursteine
tigten Natursteinbetriebe am Fuße der Kösseine. Vor über 330 Millionen Jahren erstarrte hier eine granitische Schmelze sehr tief in der Erdkruste bei schon leicht metamorphen Bedingungen. Unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur entstanden die blau färbenden Cordierit-Einlagerungen in den Feldspäten, die durch Abkühlung über Jahrmillionen bis zu drei Zentimeter große Kristalle bildeten. Richtig große Blöcke gab und gibt es am Hang der Kösseine. Gatterblöcke, drei Meter lang, 1,60 Meter breit
und 1,20 Meter dick. Und dann erzählt mir Wölfel von der Geschichte des weltbekannten Vorkommens am Rande des Felsenlabyrinths der Luisenburg. »Imperator« hieß der Kösseine Granit noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und dieser Stein war ein echter Exportschlager. Das Fichtelgebirge, so Wölfel, darf daher als einer der Geburtsorte der industriellen Produktion von Naturstein betrachtet werden. In Weißenstadt erfand Erhard Ackermann Mitte der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts ein brauchbares
Kösseine heute: poliert Hauptverwaltung IBM, Zürich Architekt: Max Dudler, Berlin Natursteinarbeiten: Hofmann Naturstein GmbH, Werbach-Gamburg
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Granitpoliermittel: eine Mischung aus Quarzsand, Korund und gebrannter Eisenoxydmasse. Mithilfe dieser Stoffe als Schleif- und Poliermittel ließen sich hochglänzende, glatte Granitflächen herstellen; glänzend, wie nirgends auf der Welt, wenn auch manchmal nachgeholfen werden musste. 1910 zum Beispiel, als sein Großvater Carl – über Italien – nach Ägypten gereist war und dort einen Kunden von der Qualität der Politur aus dem Fichtelgebirge überzeugen wollte. Alle Granitmuster wurden in die heiße Mittagssonne gelegt und mit Terpentin bestrichen. Der Erfolg war überzeugend. Die Muster der Konkurrenten wurden grau und die Politur verblasste, nur der blaue Kösseine hielt, was er versprach und glänzte vorbildlich.
Das »Wunder« der Politur Was für ein »Wunder«. Ein anderes »Wunder« ereignete sich ein paar Jahre später im Haus eines ägyptischen Architekten. Alle Granitmuster wurden zwei Wochen auf eine Fensterbank in die Sonne gelegt. Das Ergebnis: Nur der blaue Stein aus Bayern behielt auf wundersame Weise seinen Glanz. Der Trick des schlauen Manns aus dem Fichtelgebirge war ganz einfach: Die Muster waren vor der Abreise von einem guten Schleifer händisch poliert worden und dadurch besser ausgeschliffen. Ein Phänomen, das
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Freiraum
Steine im Asia-Garten
Ob in Japan, China oder Korea, Stein hat in der asiatischen Gartengestaltung einen sehr hohen Stellenwert. Kein anderes Material wird so intensiv, universell und fantasiereich eingesetzt. Durch die Jahrhunderte alte Tradition hat sich eine unglaublich vielseitige Kultur der Steinverwendung entwickelt, die auch für die moderne Gartengestaltung inspirierend ist. Von Daniel Böswirth
Kiesflächen und Findlinge passen gut in asiatische Gärten.
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Freiraum Trockenbachbett mit einem Trittsteinweg zum Überqueren
Der runde Schleifstein fügt sich harmonisch in das Steinpflaster ein.
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Meditation statt Nutzgarten
Quelle der Inspiration
Die Vorstellung von einem Garten könnte zwischen Asien und Europa konträrer nicht sein: während mit europäischen Gärten meist auch ein praktischer Nutzen verbunden ist, dienen asiatische Gärten der hohen Schule der reinen Betrachtung. Einen Garten ausschließlich für die geistige Meditation anzulegen und diesem Konzept alles unterzuordnen sowie die strenge Choreografie üben oft eine ganz besondere Faszination auf Europäer aus. So sind Japanische Gärten eng mit der Zen-Philosophie verbunden. Unter dem Einfluss von Buddhismus und chinesischer Philosophie so wie dem Shintoismus entstanden kunstvoll angelegte Meditationsgärten, denen ein ausgeprägtes Gefühl für Raum und Rhythmus innewohnt.
Es ist nicht ratsam, die hohe Kunst der asiatischen Gartengestaltung einfach nachzuempfinden und in die europäische Kultur zu übernehmen. Jahrhunderte alte und fremde Traditionen lassen sich nicht so leicht in die westliche Welt übertragen und auch leben. Nichts spricht jedoch dagegen, sich von der faszinierenden Verwendung von Stein im asiatischen Garten anstecken zu lassen und etwas Neues zu erschaffen. Geschickt in den Garten eingebunden, können viele Elemente wie Steinbrunnen, Pagoden oder gerechte Kiesflächen wunderbar mit moderner Gartengestaltung kombiniert werden. Als Quelle der Inspiration spielt wie bei der asiatischen Gartenkunst die Natur eine große Rolle. Eigenwillige Solitärsteine oder auffal-
Steinlaternen gibt es in unzähligen Variationen. Gefragt sind Unikate. Ein Experimentierfeld für Steinmetzen.
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Baustelle
Vergoldungen am Königsgrabmal Gustavs I. Wasa im Dom zu Uppsala (1823 mit der zweiten Gemahlin Margareta Eriksdotter Leijonhufvud), Ansicht von rechts
Farbfassungen auf Stein D
ie plastische Gestaltung von Steinbildwerken findet immer wieder das Interesse der Fachwelt. Dabei ist die Akzentuierung von edlen Natursteinen durch Vergoldungen und Farbgestaltungen weniger bekannt. Verwitterung, Patinierung, spätere Überfassung und Restaurierungen haben den ursprünglichen Eindruck häufig stark verändert oder vollständig verschwinden lassen.
Der Florisstil Die steinernen Bildwerke der Renaissance zeigen übergreifend stilistische Gemeinsamkeiten. Sie liegen meist in der Kombination von Putten, Engeln, Allegorien, Arabesken, Grotesken, Mauresken, Voluten, Kartuschen, Roll- und Schweifwerk, Wappen und Wappenschilden sowie Speeren. Die sogenannte Florisschule hat hierbei ihre eigene Stilistik entwickelt. Sie baut auf dem aus Italien kommenden »modernen« Ornamentstil auf.
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Das mittelalterliche Gestaltungsideal sah die vollständige Überfassung von Natursteinoberflächen und die Imitation von wertvolleren Oberflächen vor. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trat auch in Nordeuropa die Steinsichtigkeit in den Vordergrund. Die Farbfassungen auf Natursteinbildwerken der Renaissance dienen aber auch der Veredelung steinsichtiger Oberflächen. Von Boris Frohberg
Die flämischen Bildhauer und Bildschnitzer kombinierten in dieser Zeit wieder bekannt gewordene antikisierende Formen mit Ornamenten, die den Metallbeschlägen von Truhen, Schränken und Türen entlehnt sind. Diese Formenkombination wird als Florisstil oder Beschlagwerk bezeichnet. Dieser findet sich in der Wandmalerei, in der Schnitzkunst, in Stuckaturen und in der Bildhauerkunst gleichermaßen. Die Verbreitung beschränkt sich weitgehend auf die protestantischen Gebiete – von London über Tournai im Westen bis Königsberg im Osten, von Prag und Freiberg
im Süden bis Uppsala im Norden. Dabei ist die flämische Bildhauerschule von Mechelen als stilbildend für den nordeuropäischen Raum anzusehen. Dort existierte vermutlich eine ausgedehnte Relief- und Statuettenproduktion. Diese wurden erst vor Ort montiert wie beispielsweise das Grabmal Moritz von Sachsens, 1560, im Freiberger Dom. Der Schwerpunkt lag oft auf dem Zusammenspiel von schwarzem Kalkstein und hellem Alabaster. Für tragende Teile wie Säulen und Pfeiler kommt häufig roter Kalkstein (sogenannter Rouge Griotte) zur Anwen-
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Baustelle
Detail der Kanzel in der Stadtkirche St. Marien in Güstrow
werke sind die Holzschnitte zum Beispiel der Großen Holzschnittpassion Albrecht Dürers, und die Kupferstiche der niederländischen Kupferstecherfamilie Sadeler (zum Beispiel Domkanzel, Magdeburg), aber auch Zeichnungen des flämischen Baumeisters und Bildhauers Cornelius Floris als Vorbilder oder als Inspirationsquelle anzusehen. Bei den Grabdenkmälern zeigt sich eine üppige Formensprache, die keine protestantische Nüchternheit und Sparsamkeit erkennen lässt. Sie gehören zu den in dieser Zeit aufwendigsten und qualitätvollsten Bildhauerarbeiten nördlich der Alpen. Viele der in Nordeuropa tätigen Bildhauer und Maler stammen aus den heutigen Beneluxstaaten. Die Emigration der Künstler hatte sozial-wirtschaftliche und religiöse Gründe, schreibt Anna Jolly, die calvinistisch geprägten Bilderstürme dürften den Kunstmarkt schwer erschüttert oder ganz zum Erliegen gebracht haben.
Vergleiche
Ulrichmonument, Giebelbekrönung nach der Restaurierung 2011, im Dom zu Güstrow
dung. Diese Materialkombination ist als zeittypisch anzusehen. Bei dem farblichen Kontrast der Materialien wird von Anfang an von der Materialästhetik der Natursteine ausgegangen und damit eine bewusste Abkehr von den mittelalterlichen Gestaltungsidealen eingeleitet. Die plastischen und figürlichen Dekorationen sind meistens durch partielle Auf- oder Auslagen aus Blatt- oder Muschelgold akzentuiert, außerdem sind die vertieften oder auch erhabenen Schriften
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vergoldet oder ausgelegt worden. Die belgischen Kalksteine sowie der Alabaster wurden nach der Bearbeitung geschliffen und teils hochglänzend poliert hierbei kamen auch Wachse und Harze zum Einsatz. Hierdurch wird der Kontrast der tiefschwarzen Kohlenkalksteine, der stark geäderten Rouge-Griotte-Kalksteine und des milchigweißen Alabasters erheblich gesteigert. Es sind auch polychrome Farbfassungen erkennbar. Für die Reliefs innerhalb der Bild-
Durch die genannten Vorbilder für die Gestaltungen und die Beziehungen der Künstler untereinander sind bei vielen Objekten auch Ähnlichkeiten in der Ausführung erkennbar. Am auffälligsten waren die Gemeinsamkeiten der vollplastischen Kriegerfiguren am Großen Fürstenepitaph im Münster zu Bad Doberan und den ebenfalls vollplastischen Kriegerfiguren am Grabmal Moritz von Sachsens
Literatur Kornelia von Berswordt-Wallrabe, Prestige und Kunst 15556-1636, Ausstellungskatalog, Schwerin 2006 Carsten Neumann, Die Renaissancekunst am Hofe Ulrichs zu Mecklenburg, Ludwig, Kiel 2009 Anna Jolly, in Oud of Holland, RKD, 1999
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