Stein 07 2010

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Zeitschrift f端r Naturstein

Gestalten

Gestaltungswettbewerb Grabzeichen

Chefsache

CE-Kennzeichung bei Bauprodukten

Baustelle

Verlegen auf Balkon und Terrasse

Juli 2010 www.s-stein.com

Stein ist sinnlich


Inhalt

Nachrichten

Die Wirkung einzelner Farben beeinflusst das menschliche Wohlbefinden. Eine Erkenntnis, die auch bei der Gestaltung mit Stein genutzt werden kann.

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Was bleibt vom Stein, wenn man ihn nicht sehen, sondern nur fühlen kann? Drei blinde Menschen erkundeten Steine allein mit ihrem Tastsinn.

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Gemeinsam gegen Kinderarbeit Informationsbroschüre der Münchner Innung erschienen

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STEINREICH im Passauer Land Eine Ausstellung dokumentiert die steinige Geschichte einer Region.

Gut zu wissen 10

Angesprochen Über Sortimentspolitik

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Sehen lernen Jenseits von Jerusalem

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Mobil Unterwegs in Luzern

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Chefsache CE-Kennzeichung bei Bauprodukten

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Vor Ort Das Europäische Steinfestival in Saverne

Gestalten 14 »Tod und Erotik? Ausgerechnet auf dem Friedhof? Kann ich mir nicht vorstellen!« Da schüttelt mancher den Kopf. »Obwohl, die nackten Engel ...« Gedanken zur Sinnlichkeit des Friedhofs.

Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/ 43 60 05-0 Fax +49 89/ 43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com

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Uraufführung Preisträger des Gestaltungswettbewerbs Grabzeichen 2009

Baustelle 62

Im Sommer verlagert sich das Wohnen nach draußen. Balkon oder Terrasse werden zum zweiten Wohnzimmer. Damit die Besitzer lange Freude daran haben, kommt es auf die richtige Verlegung an.

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Edles Grau gewinnt an Boden Grauer Juramarmor für das Congress Centrum Heidenheim

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Richtig verlegen im Freiraum Was bei Natursteinbelägen auf Balkon und Terrasse zu beachten ist.

Unternehmen & Produkte 67

Neues und Bewährtes aus den Bereichen Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr

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Betreff Medien S Promotion Leute Vorschau/Impressum/ Fotonachweis

Titelfoto: »Mein Torso I«, 1989, von Eberhard Mangold, Ellwangen Fotograf Günther Heckmann, Ellwangen

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Inhalt

Stein ist sinnlich 28

Feuerwerk der Farben Die bunten Steine und die Emotionen, die sie hervorrufen.

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Material für die Sinne Wie Naturstein bei zeitgemäßer Architektur eingesetzt wird.

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Tast-Sinn Drei blinde Menschen erfühlen die Unterschiede der Steine.

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Ich geh’ dann mal duschen … Die demographische Entwicklung beeinflusst das Bad der Zukunft.

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Weiß von Sinnen Über den Mythos der weißesten Steine der Welt

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Flirten mit Stein Die schönsten Skulpturen der Kunstgeschichte

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Zum Sterben schön Warum Tod und Erotik zusammen gehören.

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Seitenblicke Sinn und Sinnlichkeit

www.s-stein.com Meisterstücke aktuell Auf der STEIN-Homepage finden Sie die aktuellen Meisterstücke 2009 der diversen Meisterschulen. Viel Spaß beim Schmökern! www.s-stein.com -> Bildergalerie

Natursteindatenbank mit über 16000 Einträgen In Kooperation mit dem Abraxas Verlag und dem Informationsdienst Naturstein finden Sie die größte Natursteindatenbank mit über 16000 Steinsorten und 13000 Abbildungen – ab sofort ohne Wasserzeichen – direkt auf der STEIN-Homepage. www.s-stein.com/Natursteindb.html

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Nachrichten

Gemeinsam gegen Kinderarbeit Die Innung München Oberbayern hat gemeinsam mit der Stadt München eine Broschüre herausgegeben, die es den Bürgern von München und Umgebung ermöglichen soll, sich für Grabsteine zu entscheiden, die ohne Kinderarbeit Von Ariane Suckfüll produziert wurden. Mit der neuen Broschüre »Grab- und Natursteine fair einkaufen – ausbeuterische Kinderarbeit verhindern« wird Bürgern von München und Umgebung ein Leitfaden an die Hand gegeben, Grabsteine zu erkennen und zu kaufen, die nicht mit Kinderarbeit produziert wurden. Unter anderem enthält die 23-seitige Broschüre ein Verzeichnis der Innungsbetriebe, die sich auf die Fahne schreiben, ausschließlich fair produzierte Steine anzubieten. Das auf Initiative des Referats für Gesundheit und Umwelt sowie der Steinmetzinnung München Oberbayern erschienene Heft wurde Mitte Juni in einer Pressekonferenz mit dem XertifiX-Vorsitzenden und ehemaligen Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm im Münchner Rathaus vorgestellt. Blüm, der sich mit dem Verein XertifiX für faire Grabsteine und gegen ausbeuterische Kinderarbeit engagiert, folgte einer Einladung von Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt, sowie Ralf Merk, Geschäftsführer der Steinmetzinnung München Oberbayern. XertifiX ist ein Gütesiegel, das Natursteine, die ohne Kinder- und Sklavenarbeit entstanden sind, kennzeichnet. Obwohl gesetzlich verboten komme Kinderarbeit in zahlreichen indischen Exportsteinbrüchen vor, so XertifiX. »Die Ergebnisse dieser Schufterei stehen als Grabsteine auf unseren Friedhöfen oder zieren als Fliesen unsere Gärten«, sagte Blüm, der die Ausbeutung von Kindern geißelte. »Wer einmal in einem Steinbruch die ausgemergelten Gestalten gesehen hat, kann nur erschüttert sein: Hier werden Kinder ihrer Gesundheit und Kindheit aufs Brutalste beraubt.« Blüm rief die Verbrau-

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cherinnen und Verbraucher auf, der Initiative der Landeshauptstadt sowie der Steinmetzinnung München Oberbayern zu folgen und die Herkunft von Grab- und Natursteinen zu prüfen. Er lobte die Initiative der Steinmetzinnung und den Einsatz der Stadt München als vorbildlich. Schon 2002 hat München sich verpflichtet, auf Produkte zu verzichten, deren Herstellung Kinder in irgendeiner Form gefährdet. Dieses Bestreben sollte in den vergangenen Jahren auch auf die städtischen Friedhöfe ausgeweitet werden. »Leider scheiterte die Änderung der Friedhofssatzung an der Klage eines nicht in der Innung organisierten Steinmetzen«, erinnerte Joachim Lorenz. »Nun sind Bundes- und Landesgesetz-

geber gefordert. Wir würden uns freuen, wenn Bayern dem Beispiel des Saarlands folgt, das eine gesetzliche Grundlage geschaffen hat.« Im Saarland können Friedhofsträger verlangen, dass nur noch Grabsteine verwendet werden, die nachweislich fair und ohne Kinderarbeit produziert wurden. Mit der Broschüre soll auch die Münchner Bevölkerung für das Thema ausbeuterische Kinderarbeit sensibilisiert werden. Das Heft

wurde in Zusammenarbeit mit weiteren sechs Kooperationspartnern herausgegeben: die städtische Friedhofsverwaltung, das Referat Weltkirche der Erzdiözese München und Freising, die Evangelische Kirche in der Region München, das Bischöfliche Ordinariat der GriechischOrthodoxen Metropolie von Deutschland, die Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom München sowie der Verein Nord Süd Forum München. Die kostenlose Broschüre sowie Plakate liegen im Referat für Gesundheit und Umwelt, bei der Steinmetzinnung München Oberbayern sowie den genannten Kooperationspartnern aus und können kostenlos bestellt werden unter: oeffentlichkeitsarbeit.rgu @muenchen.de

Ihre Meinung Zum Schwerpunktthema »Schiefer« in STEIN 04/10 erreichte die Redaktion der folgende Leserbrief von Reiner Krug, Geschäftsführer des Deutschen Naturwerksteinverbandes:

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Im Schwerpunktthema findet sich auch eine Beschreibung des Porto Schiefers mit dem Titel »Portoschiefer: frostfest und uralt« (S04/10, Seite 35). Leider ist dieser Schiefer, wie einige andere auch, nur bedingt frostfest. Viele Schiefer weisen eine sehr gute Frostwiderstandsfähigkeit auf und werden deshalb auch als Dacheindeckung eingesetzt. Schiefer hat jedoch auch eine entstehungsbedingte Besonderheit: die schiefrige Struktur. Während die einzelnen Schichten quasi wasserundurchlässig sind,

kann zwischen den Lagerschichten des Schiefers eindringendes Wasser zu einer nachträglichen Aufspaltung führen. Die Gefahr der Aufspaltung wächst mit zunehmender Plattendicke. Insbesondere bei Bodenplatten und Fassadenplatten ab 30 mm Dicke entstehen immer wieder Schäden, da sich die verwendeten Schieferplatten unter Feuchtigkeits- und Frosteinwirkungen aufspalten. Bei Fassadenplatten kommt hinzu, dass die verwendeten Ankersysteme oftmals wie Keile wirken und die Aufspaltung begünstigen. Fassaden-

bekleidungen aus großformatigen Schieferplatten bergen ein hohes Schadensrisiko. In den vergangenen Jahren wurden deshalb kaum noch Fassaden mit Schieferplatten hergestellt. Der derzeitige Trend zum Schiefer führt auch wieder zu vermehrten Reklamationen. Eine sichere Verankerung von Schieferplatten ist mit Klammern oder Schraubankern möglich, die die gesamte Plattendicke umfassen und das ungewollte Aufspalten der Schieferplatten und daraus folgende Plattenabstürze verhindern.

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Nachrichten

Ein Leben mit Stein Unter den Titel »Ein Leben mit Stein« stellt der Ellwanger Bildhauer Eberhard Mangold Skulpturen und plastische Steinbilder in seiner Heimatstadt Ellwangen im Palais Adelmann aus. Im Vestibül sind Skizzen und Entwürfe aus seiner Akademiezeit bei Professor Schorer, Nürnberg, zu sehen. Die tonnenschweren Großobjekte stellt der Künstler im Palaisgarten aus. Darüber hinaus werden Fotos aktueller Arbeiten und Aufträge gezeigt, die Günther Heckmann raffiniert vor der Kamera inszenierte. Mangold stammt in 5. Generation aus einer Ellwanger Kaufmannsfamilie, die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts Naturstein verarbeitete. Seine traditionell-klassische Ausbildung erhielt er in Werkstätten im Schwarzwald, der Schweiz und in Norditalien. Darauf folgten prägende Auslandsaufenthalte in Mittelamerika, Ägypten, Irland und Indien. Seine Meisterausbildung schloss er mit dem bayerischen Staatspreis ab. Zur Ausstellung erscheint auch ein Katalog. Ausstellungsdauer: bis So., 12. September 2010 Öffnungszeiten des Palaisgartens: Täglich von 10 bis 19 Uhr Öffnungszeiten der Ausstellung im Palais Adelmann: sonntags, jeweils von 14.30 bis 17 Uhr

Günther Heckmann setzte Mangolds Skulpturen fotografisch in Szene.

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Ein Meilenstein für die Branche

Steinmetzen des Granitwerkes Teisnach um 1899

STEINREICH im Passauer Land »Alte Steinmetzkunst« ist das Thema einer Ausstellung im Granitzentrum Bayerischer Wald in Hauzenberg. Die Ausstellung ist Teil einer neuen Reihe, die das Haus der Bayerischen Geschichte ins Leben gerufen hat. Diese »Bayernausstellungen« sollen die Vielfalt der bayerischen Regionen abbilden. Das Passauer Land machte im Mai 2010 den Anfang. Unter dem Großthema STEINREICH wird der Granit als prägender Werkstein der Region in den Mittelpunkt gerückt. Die zentrale Ausstellung findet ihren genuinen Platz im Granitzentrum Bayerischer Wald, das zur Eröffnung im Mai sein fünfjähriges Bestehen feierte. Unter dem Titel »Alte Steinmetzkunst« wird die fast 1 000-jährige Tradition der Granitverwendung in der Dreiländerregion Bayerischer Wald – Mühlviertel – Böhmerwald vorgestellt. Der Bogen spannt sich von der Hochzeit der Steinmetzkunst im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, in dem unter dem Zeichen des Historismus wieder verstärkt Naturstein im öffentlichen und privaten Bauen verwendet wurde. Zentrales Objekt ist die Rekonstruktion eines gotischen Maßwerkfensters, anhand dessen man den komplexen Prozess von der Idee, dem Reißboden und dem Rohblock bis hin zum fertig versetzten Werkstück nachvoll-

ziehen kann. Die Werksteine entstanden im Schausteinbruch des Granitzentrums. Die ganze Ausstellungssaison hindurch wird dort auch immer wieder gearbeitet. Weitere Ausstellungsorte sind das Freilichtmuseum Finsterau, wo es um den Einsatz von Naturstein im bäuerlichen Bauen geht, und das Diözesanmuseum Passau, das eine Schau zum Steindruck (Lithographie) zeigt. Für einen bemerkenswerten Mehrwert des Ausstellungsprojekts sorgt der Einbezug des Passauer Doms mit seiner Dombauhütte. Unter dem Motto »Importierte Pracht« wird in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege an etlichen Stationen rund um den Dom Sehens- und Wissenswertes zur Baugeschichte, zur Herkunft der verbauten Gesteine und über die Konservierung und Restaurierung von Naturstein berichtet. Zur Ausstellung ist ein begleitender Doppelband mit den Titeln »Steinreich« und »Alte Steinmetzkunst« im Passauer Dietmar Klinger Verlag erschienen. STEINREICH läuft bis zum 31. Oktober 2010.

Der Deutsche NaturwerksteinVerband (DNV) präsentierte im Rahmen seiner Mitgliederversammlung eine Nachhaltigkeitsstudie, die Naturstein- und Glasfassaden hinsichtlich ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit bewertet. Ein Meilenstein für die gesamte Branche, so Vorstandsmitglied Ulrich Klösser. Für DNV-Präsident Joachim Grüter bieten die Diskussion um ökologische Baustoffe und die Nachhaltigkeit von Gebäuden große Chancen für den natürlichen Baustoff Naturstein. Der Verband veranlasste eine Studie, die Naturstein- und Glasfassaden hinsichtlich ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit bewertet. Die zweiteilige Studie betrachtet die gesamte Ökobilanz der Glas- und Natursteinfassaden, aufgeteilt in Herstellung, Nutzung und Entsorgung, und vergleicht unterschiedliche Fassadenkonstruktionen bezüglich des Verbrauchs von Primärenergie und der Entstehung von Umweltbelastungen. Die Natursteinfassade, so die Kernaussage der Studie, weise deutliche energetische Vorteile hinsichtlich des Verbrauchs an Primärenergie und der auftretenden Umwelteinwirkungen gegenüber der Glasfassade auf. Der DNV werde, so Joachim Grüter, in einer professionellen Medienkampagne über die Vorteile einer Natursteinfassade gegenüber den ökologisch und ökonomisch nachteiligen Glasfassaden kommunizieren. Eine Infobroschüre, die die gesamten ökologischen und ökonomischen Erkenntnisse der Studie enthält, kann ab Mitte Juli beim DNV erworben werden. Sie soll dem Fachmann als Informationsgrundlage im Gespräch mit Architekten, Bauherren und Materialentscheidern dienen.

Im Netz

mehr Information

www.hdbg.de/steinreich

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Sinnlich

Feuerwerk der Farben

STEIN: Welche Steinfarben werden bei Ihnen derzeit besonders nachgefragt? Dietrich Bartels: Wir stellen momentan zwei Farbtrends fest: Zum einen sind es die cremigen, warmen Farbtöne, deren Anmutung ins Mediterrane geht, mit oder ohne Struktur. Der zweite Trend heißt »Schwarz«, Schwarz und Anthrazit mit allen Oberflächenvarianten. STEIN: Wie lange halten sich derartige Farbtrends? Dietrich Bartels: Wenn ich auf die letzten zwanzig Jahre zurückblicke, würde ich sagen, drei bis fünf Jahre.

Dietrich Bartels ist für den Einkauf bei der Marmorwerk Bartels GmbH in Wedel zuständig. Für STEIN macht er einen Streifzug durch die farbenfrohe Welt der Steine und zeigt Klassiker, Bestseller und seine Lieblingssteine.

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Die Wirkung einzelner Farben beeinflusst das menschliche Wohlbefinden. Eine Erkenntnis, die auch bei der Gestaltung mit Stein genutzt werden kann. Denn die natürlichen Steine verfügen über eine Farbvielfalt, die kaum ein anderes natürliches Material zu bieten hat. Von Ariane Suckfüll

Wir hatten eine lange Phase, in der warme Rottöne trendy waren, gefolgt von einer Phase, in der Blautöne in allen Changierungen modern waren, jetzt vor allem die sandfarbenen. Nur von Schwarz kann man sagen, dass es eigentlich schon seit rund zehn Jahren ein Dauerseller ist. STEIN: Wo kommen die schwarzen Steine vor allem zum Einsatz? Dietrich Bartels: In Bädern und Küchen. Bei Böden muss man vorsichtig sein, da hat zu viel Schwarz recht schnell einen sakralen Charakter. Auch im Freien werden sie oft eingesetzt, sind aber nicht besonders praktisch, wenn man bedenkt, dass Terrassen und Balkone häufig südwestlich liegen. Und da heizen sich gerade dunkle Steine natürlich sehr stark auf. Das ist nicht wünschenswert in einem Bereich, in dem man barfuß laufen möchte. Übrigens sollte man die Farbwahl gerade draußen auch von der Nutzung abhängig machen. Bei viel belaufenen Steinen, die dementsprechend rau und rutschsicher sein müssen, sind helle Farben ungünstig, weil man Laufspuren viel eher sieht. Also würde ich für einen Eingangsbereich eher gedeckte Farben verwenden. STEIN: Apropos gedeckte Farben. Es fällt auf, dass bunte Steine gerade nicht besonders »in« sind. Hat man sich satt gesehen an den knalligen Farben?

Dietrich Bartels: Ja, das kann man durchaus so sehen. Als diese Steine – zum Beispiel die hellblauen brasilianischen Quarzite – entdeckt wurden, waren sie eine Zeit lang sehr gefragt, sie galten als exotisch und waren hochpreisig, also etwas Besonderes. Das hat zurzeit stark nachgelassen. Sicher wird sich auch das wieder ändern, allerdings denke ich, dass die Nachfrage lange nicht mehr so stark wie am Beginn dieses Booms sein wird. Ein gutes Beispiel sind auch kräftige Grüntöne. Grün ist bei uns im Norden noch nie besonders gut gelaufen. Jetzt steigt die Nachfrage etwas, aber nach den dunkleren Tönen. Ein tiefgrüner Stein mit weißen Calcitadern wie der Verde Lapponia sieht zwar für sich genommen wunderschön aus und ruft regelmäßig Begeisterung bei Innenarchitekten hervor, die unsere Ausstellung besuchen. Er ist aber dennoch schwer verkäuflich, denn er lässt sich kaum in die Einrichtung integrieren. STEIN: Gibt es es eine Farbe, der sie momentan ein Comeback einräumen? Dietrich Bartels: Ich denke, das trifft am ehesten auf die Farbe »Braun« zu. Zum Beispiel dunkle Travertinsorten. Walnussbraun kann sehr edel und klassisch wirken. Oder Antique Braun mit seiner feinen Struktur, der gebürstet eine wunderschöne Haptik erhält.

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Sinnlich

Sehen Sie rot Auf die Frage »Welche Farbe hat die Liebe?« würden die meisten Menschen »Rot« antworten. Doch Rot ist nicht nur die Farbe der Liebe, der Wärme und der Erotik, sondern steht auch für Gefahr und Aggression. Wer schon einmal »rot vor Wut geworden ist« oder »rotgesehen« hat, der weiß, welche emotionale Wirkung diese Farbe hat. Die Farbe Rot hat offenbar eine einschüchternde Wirkung auf die Gegenspieler: Denn bei der Farbwahl für Fußball-Trikots schneidet die Signalfarbe einer britischen Studie zufolge am besten ab. Die Farbe Rot wird wahrgenommen, sie zeigt Dominanz, setzt in Szene. Innerhalb eines Raumes erzeugen Rottöne ein Gefühl von Wärme, Nähe und Behaglichkeit. Sie lassen einen Raum allerdings kleiner wirken. Zurückhaltend eingesetzt unterstützt die Farbe Rot die Bereitschaft zur Kommunikation, die Überwindung von Schwellenangst. In gesellschaftlichen Räumen wie Bars und Diskotheken hat sie eindeutig eine sinnliche Komponente. Für eine sinnliche Atmosphäre sorgen die roten Natursteine auch zum Beispiel als Bodenbelag in edlen Restaurants oder in komfortablen Wellnessanlagen.

Favorit: Porphyr Rhyolith aus Italien für innen und außen Klassiker: Rosso Verona Kalkstein aus Italien für innen und außen

Schwarz wie die Nacht Keine Farbe ruft bei Menschen so starke Gefühle hervor wie Schwarz. Schwarz spricht steinzeitliche Existenzängste an. In der Dunkelheit lauerten die Tiere. Der Religionsforscher Jeffrey Burton Russell schreibt, Schwärze sei fast überall mit dem Bösen assoziiert. Allerdings hat Schwarz offenbar auch eine faszinierende Wirkung. Schwarz ist die beliebteste Farbe bei Kleidung und die bestverkaufte Farbe bei Möbeln. Es wirkt unergründlich und extrem, zieht sich weder in den Raum zurück noch tritt es aus ihm hervor. Es suggeriert Autorität, Überlegenheit und Würde. Schwarze Natursteine sind Dauerseller, ob matt oder poliert. Sie kommen oft dort zum Einsatz, wo sie Seriösität vermitteln sollen: etwa in den Eingangsbereichen von Banken und Versicherungen. In Verbindung mit Gold stehen sie für leicht dekadenten Luxus. Bestseller: Nero Assoluto Gabbro aus Afrika für innen und außen Klassiker: Nero Marquina Kalkstein aus Spanien nur für den Innenbereich Favorit: Porto Schiefer Schiefer aus Portugal für innen und außen

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Sinnlich

TastSinn

Die jetgestrahlte und anpolierte Oberfläche des Granits Meteorus spricht den Tastsinn von Astrid und Verena besonders an.

Was bleibt vom Stein, wenn man ihn nicht sehen, sondern nur fühlen kann? Drei blinde Menschen machten für STEIN den Test bei einem Münchner Steinmetzen. Von Richard Watzke

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ast ist es eine Verschwendung. Natursteine regen mit ihrer Vielfalt so viele unserer Sinne an und doch beschränken wir uns meist auf das Sehen. Zu dominant ist der Sehsinn, als dass man den anderen Sinnen eine Chance gibt. Ganz anders Sehbehinderte und Blinde; sie ordnen ihre Welt anhand von Tönen und ihrem Tastsinn. Wie sie die gängigen Steinoberflächen wahrnehmen, zeigt ein Versuch im Schauraum des Münchner Steinmetzen Markus Steininger: Verena und Tobias

Bambus nachempfunden: Die regelmäßigen und sanft abgerundeten Rillen der Oberfläche Bamboo fühlen sich besonders angenehm an.

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Die dunklen Einschlüsse im gebürsteten Matrix werden als Zeichen wahrgenommen.

sind beide von Geburt an blind. Sie arbeiten und wohnen in den Münchener SWW, den Südbayerischen Wohnund Werkstätten für Blinde und Sehbehinderte. Verstärkung bekommen sie von Astrid, die während der letzten Jahre allmählich erblindete und nun nur noch hell und dunkel vage unterscheiden kann.

Oberflächenmix im Test Für den Versuch hat Markus Steininger verschiedene Musterplatten in einer Reihe aufgelegt: Hart- und Weichgesteine mit unterschiedlichen Oberflächen, von poliert bis gestockt und überschliffen; ein Muster besitzt eine maschinell geformte Struktur aus feinen Stäbchen, ein anderes ist jetgestrahlt und anpoliert. Den Anfang macht ein gebürstetes Muster des Schiefers Matrix. Verenas erster Eindruck gilt der auf sie sandig wirkenden Oberflächenstruktur. Die

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dunkleren, wegen ihrer Härte beim Bürsten glatter gebliebenen Partien beschreibt sie als Buchstaben oder Muster. Auch Astrid ertastet sofort diese zeichenhaften Strukturen; die Fläche empfindet sie als sehr angenehm. Der daneben liegende, polierte Marmor Pinta Verde sei dagegen kalt, zu glatt und eher unangenehm. Der Travertin Santorinio wird wegen seiner gebürsteten Oberfläche als wärmer empfunden; seine feinen Strukturen gefallen den dreien und würden zum Barfußlaufen anregen, sagen sie spontan. Der gebürstete Quarzit Chocolate Brown greift sich homogener an, da er im Vergleich zum Travertin weniger aufgeraut wurde. Wegen seiner gleichmäßigeren Oberfläche empfinden ihn die drei Testkandidaten jedoch als kühler. An einem weiteren, gewolkten Travertin mit sehr feinen, offenen Poren scheiden sich die Geister. Verena nennt ihn cool, Tobias und Astrid empfinden ihn als kalt; in dieser Form möchten sie ihn nicht zu Hause verwenden. Die kaum sichtbare, feine Ader in einem gebürsteten Marmor Grigio Amani fällt Verena sofort auf. Auch beim Jurakalkstein mit einer gestockten und überschliffenen Oberflächenstruktur ertastet sie Wellen, wenn ihre Hand auf die überschliffenen Stellen trifft. Ein gespachtelter und fein geschliffener Auerkalk erscheint ihnen genauso kalt wie der offenporige Travertin, zudem biete er keine wahrnehmbare Oberflächenstruktur, urteilt Astrid. Anders ein antikisierter Kalkstein Ungarisch Rot: Da wirken die vertieften Adern auf sie wie eine feine Landkarte; als Küchenboden könne sie sich diesen Stein gut vorstellen.

Rau interessanter als glatt Generell werden vielseitig aufgeraute Oberflächen von allen dreien als angenehm empfunden. Der brasilianische Granit Meteorus entpuppt sich als Überraschung. Seine Oberfläche ist zuerst jetgestrahlt und dann poliert. Tobias ist gleich beim ersten Haut-

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Auf dem gebürsteten Schieferboden gleitet Astrids Blindenstock gut, gibt ihr aber kaum Orientierungshilfe.

Die gerillte Oberfläche wäre ideal für ein Leitsystem an Wand und Boden.

Auch wenn die individuelle Wahrnehmung variiert: Bei den meisten Oberflächen sind sich die drei Tester einig.

kontakt begeistert. Er könne sich diesen an einer Wand montiert vorstellen, da der deutlich strukturierte Stein sehr abwechslungsreich und aufregend für ihn sei. Der Eindruck, dass der Stein gut an die Wand passt, ist nicht weit hergeholt; genau in dieser Oberfläche habe er ihn in einem Privatbad als Wandverkleidung montiert, erklärt Markus Steininger. Die Oberfläche, die spontan auf Zustimmung stößt, besteht aus zwei gegensätzlichen Ebenen: Die harten Partien der Oberfläche blieben beim Jetstrahlen stehen, die weichere Trägerstruktur drumherum ist mittels Strahlen zwei Millimeter tief ausgewaschen worden und wirkt körnig rau. Nach dem Strahlen wurde das Material poliert. Dadurch entstand der

große Oberflächenkontrast der beiden Ebenen. Wie sich im Vergleich zu den anderen Mustern herausstellt, begeistert gerade das beim Berühren. Käme ein drittes Element hinzu, würde man den Stein schon wieder als verwirrend empfinden, wie die spaltraue Fläche des Kalksteins Pietra di Prun zeigt. Hier stecken zu viele Informationen in der bewegten Oberfläche, die für Blinde zudem überraschende Löcher und Vertiefungen aufweist und beim Betasten als richtungslos beschrieben wird; für alle drei ist die Fläche zu rau. Einen gestockten und mit der Handmaschine angeschliffenen Jurakalkstein beschreiben die drei im Vergleich zum Meteorus als weniger abwechslungsreich und damit auch weniger

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Baustelle

B

ei der Verlegung von Naturstein im Außenbereich werden verschiedene Systemaufbauten verwendet: • Verlegung auf Stelzlager oder Mörtelsäckchen • Verlegung auf Splitt-/Kiesbett • Klassische Verlegung im Mörtelbett • Vollsatte Verlegung auf einer Verbundabdichtung • Verlegung mit Grobkornmörteln. Je nach Systemaufbau werden Haftschlämme bzw. Haftvermittler benötigt, um eine Verbundhaftung zum Naturstein sicherzustellen. Viele Natursteinbeläge im Außenbereich werden aus Kostengründen klassisch im Mörtelbett, auf Stelzlager oder Mörtelsäckchen oder auf Splittbeziehungsweise Kiesbett verlegt. Lediglich bei diesen drei Methoden wird eine feste Verbundhaftung angestrebt. Bei der losen Verlegung werden zwar eine schnelle Wasserabführung und Wartungsfreundlichkeit sichergestellt sowie Kalkauswaschungen vermieden, jedoch ist nur eine geringe mechanische Belastbarkeit und Lagestabilität gegeben. Zusätzlich besteht auch hier die Gefahr der

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Verfärbung, beispielsweise infolge von Verschmutzungen durch die offenen Fugenkammern.

Klassische Verlegung umstritten Auch heute noch wird eine Vielzahl von Flächen im klassischen Mörtelbett verlegt. Bei den traditionellen Mörteln handelt es sich in der Regel um Portland-Puzzolanzementmörtel (Trassmörtel). Bei dieser Bindemittelvariante wird dem Portlandzement ein Anteil des Puzzolans Trass zugegeben. Je höher dessen Anteil im Bindemittel ist, desto geringer ist das Ausblühungspotenzial. Gemäß den Empfehlungen des Deutschen Naturstein-Verbandes e.V. sollte der Trassanteil im Zement bei der Anwendung im Außenbereich über 40 Prozent liegen, sodass für diese Anwendung lediglich Spezialtrasszement verwendet werden darf, um das Ausblühungspotenzial möglichst gering zu halten. Durch den Trassanteil wird jedoch die Erhärtungs- und Trocknungsgeschwindigkeit des Mörtels verlangsamt. Dadurch

verzögert sich die Haftung des Mörtels zum Naturstein bzw. zum Untergrund. Die Mörtel können ohnehin nur ein begrenztes Haftspektrum zum Verlegeuntergrund und zum Naturstein aufbauen. Dies erfolgt durch die mechanische Verankerung der Zementsteinkristalle in den Poren des Untergrundes bzw. des Natursteins. Zu dichten Untergründen bzw. dichten Belagmaterialien verfügen diese Mörtel daher nur über eine begrenzte Haftung. Damit ist diese Anwendung ohne den zusätzlichen Einsatz einer Haftschlämme bzw. eines Haftvermittlers ausschließlich auf offenporige Untergründe und offenporige Belagmaterialien, die nur einer geringen Belastung ausgesetzt sind, beschränkt. Die Verarbeitung von Verlegemörtel und Haftbrücke muss grundsätzlich »frisch in frisch« erfolgen. Bei dieser Verlegetechnik weist das Mörtelbett trotz Verwendung von hochwertigem Trasszement ein erhebliches Alkalipotenzial auf. Beläge im Außenbereich sind auch bei der sorgfältigsten Verarbeitung niemals wasserdicht, da über den Naturstein selbst oder über feine Haarrisse im Bereich

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Baustelle

Richtig verlegen auf Balkon und Terrasse Im Sommer verlagert sich das Wohnen nach draußen. Balkon oder Terrasse werden zum zweiten Wohnzimmer. Damit die Besitzer lange Freude daran haben, kommt es gerade bei Naturstein auf die richtige Verlegung an. Von Claudia Steiner

der Fugenflanken oder im Fugenmörtel Feuchtigkeit in die Unterkonstruktion eindringen kann, sodass aufgrund der unvermeidlichen, immer wiederkehrenden Durchfeuchtung des Mörtelbetts und der darauf folgenden Trocknung Ausblühungen und Verfärbungen an der Belagsoberfläche die Folge sein können. Zusätzlich treten bei dieser Art der Verlegung im Mörtelgefüge verstärkt Hohlräume auf, kombiniert mit einer geringen Festigkeit. Dies führt bei Frost-Tau-Wechselbeanspruchung zu einer Zerstörung des Mörtelgefüges

Schaden eines Belags aufgrund der Verwendung eines ungeeigneten Verlegesystems

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und als Folge davon zu Rissbildung und Hohllagigkeiten des Belags. Die Verlegung von Natursteinbelägen im Zementmörtel mit dichtem Gefüge wird gemäß den Empfehlungen des Deutschen NatursteinVerbandes e.V. Merkblatt 1.4 »Bodenbeläge, außen« nur eingeschränkt empfohlen.

Schäden vermeiden Um die beschriebenen Schadensformen zu vermeiden, muss eingedrungenes Wasser möglichst schnell abgeleitet werden bzw. wieder austrocknen können. Dies wird zum einen durch die Anordnung von Abdichtungsschichten möglichst direkt unter dem Belag und dessen weitgehend hohlraumfreie Verlegung bzw. durch die Anordnung von Drainschichten unterhalb des Belags erreicht. Neben dem Einsatz von Dünnbettdrainagen aus Drainmatten erlebt seit einiger Zeit auch die Herstellung von drainfähigen Lastverteilungsschichten aus sogenannten Grobkornmörteln bzw. Drainestrichen eine Renaissance.

Vollsatte Verlegung auf Verbundabdichtung Bei diesem Systemaufbau befindet sich die Abdichtungsebene direkt unterhalb des Belags, denn Natursteinplatten werden mit einem mit der Abdichtung im System geprüften Verlegemörtel in der Regel im zeitintensiven Buttering-Floating-Verfahren nahezu hohlraumfrei verlegt. Durch die Verlegung mit schnell abbindenden und trocknenden Klebemörteln mit einer hohen Kunststoffvergütung (Güteklasse C2 S2) wird eine schnelle und hohe Verbundhaftung mit spannungsabbauenden Eigenschaften erreicht, die eine Plattendickenreduzierung unter 30 mm ermöglichen. Die mechanischen Lasten werden direkt an die tragfähige Lastverteilungsschicht bzw. den Beton übertragen. Zudem zeichnet sich die kostenintensivere Verlegung auf einer Verbundabdichtung durch eine gute Langzeiterfahrung sowie eine geringe Aufbauhöhe aus. Durch die Verlegung mit einem Mittelbettmörtel können auch nicht kalibrierte Naturwerksteine verlegt werden.

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