STEIN
S 07 | 2015
Zeitschrift für Naturstein
Valetta baut Geschichte
Radikal Neu Werkstoff
Wimperg
WirGefühl
Dekton, Lapitec und Co. werden den Stein-Markt verändern.
In Meißen glückte die Rekonstruk tion des gotischen Wimpergs.
Bessere Kunden betreuung durch kreative Teamarbeit im Betrieb.
Bis vor Kurzem boten Ruinen und Parkplätze an Vallettas Stadttor ein desolates Bild. Jetzt erneuerte Piano den Ort.
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SchĂśne Welt der Steine
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Schöne Welt der SteinE
Ein neues EntreE für Valletta
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Facelift mit Kalkstein Renzo Piano hat sich der Reparatur von Maltas berühmtem Stadttor angenommen. Die Festungsstadt Valletta erhielt inzwischen ein neues repräsentatives Entree mit Parlamentsgebäude, Vorplatz und Freilichttheater. Verwendet wurde dafür nur Stein von der Insel. Von Falk Jaeger
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alletta hat Glück gehabt. Wie überall hatten die Festungsbaumeister versucht, die Verteidigungsanlage der Stadt an den Fortschritt der Waffen anzupassen. Politisch und waffentechnisch überholt, standen dann die großen Anlagen der stürmischen Stadtentwicklung im Weg und wurden im 19. Jahrhundert fast überall geschleift. Nicht so in Valletta: Die Hauptstadt Maltas rühmt sich der größten erhaltenen Festungsanlage Europas. Doch Valletta hat auch Pech gehabt. Im Zweiten Weltkrieg war die Stadt als britischer Stützpunkt 1942 Ziel heftiger Bombenangriffe der Achsenmächte. Es sanken große Teile der Altstadt in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau geschah in Anlehnung an alte Formen und führte zu einer erstaunlich harmonischen Regeneration des Stadtbilds. Das königliche Opernhaus von 1866 allerdings blieb als Ruine erhalten – auch als der Platz am Stadttor 1964 anlässlich der Loslösung Maltas von Großbritannien neu geordnet wurde. Die Brücke über dem Zwinger hat man verbreitert – nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahrhunderten. Der Mauerdurchbruch wurde wesentlich geweitet, das enge Renaissancetor durch einen neoklassizistischen Neubau ersetzt und eine platzartige Erweiterung der Mittelachse geschaffen. Ein Geschäftshaus mit Arkaden und Passage, auch dieses im MussoliniKlassizismus, bildet seitdem das Gegenüber der Opernruine. Die Flächen vor der Oper und innerhalb der Ruine wurden als Parkplatz genutzt. Insgesamt wirkte der städtebauliche Auftakt des Weltkulturerbes Valletta, den Renzo Piano vorfand, wenig ansprechend, als er sich des Projekts eines neuen Stadttors annahm.
Entree und Vorplatz Das Bauvorhaben wurde auf der Marmomacc 2014 vorgestellt. Ziel war es, die Stadt innerhalb ihrer
Formensprache zu sanieren. Das meint in erster Linie vor allem die Verwendung des inseleigenen Kalksteins. Als Erstes ließ Piano an der Brücke alle späteren Verbreiterungen abbrechen und schälte den Ursprungsbau von 1633 heraus, wobei er die Ansätze der Anbauten nicht retuschiert, sondern sichtbar beließ. Das letzte Joch, ursprünglich eine Zugbrücke, fügte er demonstrativ als Holzkonstruktion ein. Wer heute die Stadt über den, nur noch Fußgängern vorbehaltenen, schmalen Steg betritt, erlebt erneut den Charakter der Festung, den kontrollierten Zugang über den Zwingergraben und hat wieder das Gefühl, in die Stadt einzutreten. Blickt man zur Rechten in den Graben, ist da in halber Tiefe eine kuriose Brücke zwischen zwei Tunnelmündern zu sehen. Sie verband einen Eisenbahntunnel von Süden her mit der unterirdischen Bahnstation, die heute unter dem Parlament liegt. Als Nächstes eliminierte Piano das Tor von 1964 und schuf damit wieder eine enge Eingangssituation, indem er die Mauern zu beiden Seiten des Tores hochzog und nur einen schmalen Durchgang in der Breite der Brücke beließ. Die blockhaften Maueranbauten beiderseits des Durchgangs sind keine Rekonstruktion der groben Festungsmauer, sondern ein glatter, offensichtlicher Neubau von schierem Volumen. Zwei 25 Meter hohe Stahlspeere, symbolisch etwas unbestimmt zwischen Flaggenmast und Waffe changierend, charakterisieren die neue Torsituation. Dort, wo gewaltige stählerne „Klingen“ die Mauer in ganzer Höhe zwischen Alt und Neu senkrecht durchtrennen, kann man ablesen, wie weit der Mauerdurchbruch früher klaffte. Ein Aufzugsturm neben dem Tor schafft die Verbindung hinab zum landschaftlich gestalteten Zwingergraben. Nach dem Durchschreiten des Tors weitet sich der Raum zu einer neu formulierten Platzsituation. Geradeaus blickt man auf die Achse der Magistrale Vallettas. Sie bildet das Rückgrat der Stadt und endet ganz im Norden vor der Festung auf der Landzunge, auf der die Stadt angelegt wurde. Links und rechts des Platzes steigen zwei eindrucksvolle Freitreppen entlang der Innenseite der Festungsmauern bis zu deren Scheitel hinan. Der Platz wird linkerhand von dem Arkadenbau aus dem Jahr 1964 begrenzt und rechts vom neuen Parlament des Inselstaats und von der Opernruine flankiert.
Das Parlament Die Baumasse des Parlaments hat Piano in zwei Baukörper geteilt, um eine diagonale Geh- und Blickverbindung zu erhalten. Brückengänge verbinBlick von Südwesten im Modell
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Blick von einer der Verbindungsbrücken zwischen Plenarsaal und Bürotrakt
den den Bürotrakt und das Plenarsaalgebäude miteinander. Die Fensterfronten liegen hinter der Steinfassade mit ihren Öffnungen, die wie eine Art Perforation in unregelmäßigen Mustern über die Fassade wehen. Die Inspiration dazu kam den Architekten durch die eigenartigen Verwitterungsmuster des sehr weichen örtlichen Sandsteins, die überall in Valletta und vor allem an den Festungsmauern zu beobachten sind. Die Architekten treiben das Spiel mit den Fassaden noch weiter. Sie differenzieren zwischen Volumina mit groberer Oberfläche, die aufgrund der
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Bodenquader aus dem Boden herauszuwachsen scheinen, und artifiziellen Kuben mit polierten Oberflächen, die über gläsernen Erdgeschossen schweben. Mit ihren geschlossenen Kalksteinfassaden wirken die beiden Quader sehr dominant und signalisieren mit ihrem Charakter zwischen historischem Festungsbau und neuzeitlichem Bürobau ihre besondere Stellung und ihren staatstragenden Inhalt. Das Erdgeschoss ist die Erweiterung des Platzes im Gebäude - und sowohl offenes Foyer als auch Ausstellungsfläche. Für das Publikum gibt es aus
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Keramik in Natursteinoptik, aber mit Fantasietextur: Nero-Supremo-Platten in sechs Millimeter Stärke ermöglichen bei extrem niedriger Aufbauhöhe den fast vollständigen Verzicht auf Fugen.
Neue Werkstoffe, neues Glück Dekton, Lapitec und Co. Neue Werkstoffe liegen im Trend. Steinmetz-Betriebe, die Marktchancen suchen, technikaffin und Neuem gegenüber aufgeschlossen sind, werden sich für die neuen Werkstoffe begeistern können. Allerdings erfordert ihr Verarbeitung eine Umstellung der Werkzeuge und Maschinen.
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Oberfläche unterschiedlich verhalten, zu beherrschen. Denn nur er verfügt über das nötige Fingerspitzengefühl und die Erfahrung im Umgang mit Stein. Maschinenhersteller, Werkzeugfabrikanten und Materialanbieter unterstützen die „Naturstein verarbeitenden Handwerker“ nach besten Kräften. Erfolgreich kann allerdings nur der Steinmetz-Betrieb sein, der mit diesen Materialien umzugehen versteht und sein Unternehmen mit entsprechenden Maschinen ausgestattet hat.
STEIN stellt folgende Firma vor: Böhm Gruppe Potsdam boehm-gruppe.com M. Kolb steinbearbeitung.de Aero Lift Vakuumtechnik aero-lift.de
Foto: Graniti Fiandre S. p. A.
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achdem sich Engineered Stone langsam vorgetastet hat und die Branche sich mit diesem Werkstoff vertraut machen konnte, drängt jetzt eine weitere Neuerung in den Markt: Großplatten aus Dekton, Lapitec, Porzellankeramik und Feinsteinzeug. Diese neuen Werkstoffe sind in immer mehr Marktsegmenten vorhanden und erhöhen den Druck auf das verarbeitende Handwerk. Dem Steinmetz wird dabei zugetraut, die neuen Werkstoffe, die sich je nach Hersteller, Serie, Stärke und
Von Michael Spohr
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1. Eine Nasenlänge voraus Die Böhm-Gruppe mit Sitz in Potsdam hat sich als eines der ersten Unternehmen in Deutschland intensiv mit den neuen Werkstoffen beschäftigt.
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as Spektrum reicht von Naturwerksteinen über die gesamte Engineered-Stone-Palette bis zu Spezialglas sowie Großkeramiken. Aus der 1990 von Udo Böhm gegründeten Firma hat sich ein international agierender Firmenverbund entwickelt, der nach wie vor in Familienhand ist. Nur wenige Unternehmen verfügen über ein derart umfangreiches Know-how der verschiedenen Ober-
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flächenmaterialien. Nachdem Böhm in den späten 1990er-Jahren ein Natursteinwerk gegründet und einen kompletten Maschinenpark zur Produktion und Bearbeitung von Naturstein-Produkten angeschafft hatte, kam 2004 die Bearbeitung von Glas und Keramik hinzu. Um drei Millimeter dünne Porzellankeramik-Platten „bearbeitungsfähig“ zu machen, laminierte er diese auf verwindungsfreie Glasplat-
Als Fassadenlösung preisgünstig
Udo Böhm vor einem Musterhaus seines „30M“-Modulhaus-Systems mit 6-mm-Keramikplatten im Format 3 x 1,5 m an der Fassade
Fotos: Michael Spohr
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Vidrostone aus dem Hause Böhm
Um dünne Keramikplatten zur Fertigung von Küchenarbeitsplatten verwenden zu können, laminiert Böhm diese auf Glasplatten.
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ten. Die daraus gebauten Arbeitsplatten verkaufte er über die, eigens gegründete, Firma Glas Systems Böhm. „Vidrostone“ nannte er diese Erfindung, bei der „das Geheimnis der richtige Verbund ist“, wie der 56-Jährige verrät. Um diesen zu erzielen, habe er einen eigenen, spannungsfrei aushärtenden Klebstoff entwickelt. Keramik-Arbeitsplatten auf Maß verkauft die Firma seither an Küchenstudios, Möbel-
Eigene Waschtisch-Linie
In drei Formaten und einer Vielzahl von Farben bietet Böhm aus dünnen Keramikplatten gefertigte Waschtische an.
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„Granit Labrador Golden Brasilien“
Eine 6-mm-Keramikplatte wird mit der 5-Achs-Anlage Omax Maxiem 2040 wasserstrahlgeschnitten – hier auf Gehrung.
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Der fertiggestellte Wimperg mit einer Bleiverwahrung der wasserf체hrenden Fl채chen, die mittels verdeckt liegender Kastenrinne 체ber die Wasserspeier entw채ssert werden.
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Ein Preis für MeiSSen Bekrönung aus Stein 1909 wurde der Wimperg über dem Westportal der Fürstenkapelle des Meißner Doms abgetragen. Nun wurde die Rekonstruktion des gotischen Details mit dem Peter ParlerPreis ausgezeichnet. Von Günter Donath
Fotos: Archiv, Büro des Dombaumeisters, 2015
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igentlich haben Rekonstruktionen in der Denkmalpflege keinen guten Ruf. Denn das Hauptaugenmerk der Denkmalpfleger liegt tatsächlich auf dem noch vorhandenen Originalobjekt. Jede noch so gut ausgeführte Rekonstruktion ist de facto ein Neubau, der das verlorene Original weder vollständig ersetzen, noch Geschichte rückgängig machen kann. Aber in der baupflegerischen Praxis sind Rekonstruktionen – wie das Ergebnis eines wissenschaftlichen Kolloquiums am Meißner Dom 2011 gezeigt hat – zum Wohl und Schutz der Denkmale mitunter unumgänglich und an den europäischen Kathedralen keine Seltenheit. Am Meißner Dom gibt es dazu bereits ein ausgeführtes Beispiel. Die offenen Arkaden des Achteckbaus wurde neu vermauert – nach gut dokumentierten Vorbildern aus der Zeit um 1370. Die Erneuerung des seit über 100 Jahren fehlenden Wimpergs ist dagegen ein Sonderfall – und für den planenden Architekten eine interessante Erfahrung in der Aufbereitung von längst vergessenem Wissen aus dem Mittelalter.
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Zur Baugeschichte Das umgangssprachlich „Fürstenkapelle“ genannte Bauwerk wurde kurz nach 1412 von Friedrich dem Streitbaren wie ein Westchor dem Dom vorgelagert. Das alte Westportal aus dem Jahr 1400 wurde zum Innenportal. In der Achse der Westfassade befindet sich das hier beschriebene Portal, das durch eine angesetzte Fensterrose betont worden war. Der Bau – den Heiligen Drei Königen geweiht – wurde mit einer Kommunität von sieben Geistlichen verbunden und mit drei Altären sowie einem dem Patrozinium entsprechenden Skulpturenprogramm ausgestattet. Nach Vernachlässigung und willkürlichen Beschädigungen im Dreißigjährigen Krieg wies Kurfürst Johann Georg II. eine Restaurierung der Fürstenkapelle an. Von 1662 bis 1676 erfolgte die barocke Umgestaltung der Kapelle durch Oberlandbaumeister Wolf Caspar von Klengel, der im Geist seiner neuen Stilauffassung das Portal nun mit einer kleinen Vorhalle versah
und diese mit einer Schweifhaube überdachte. Deren ungewöhnliche Form entstand aus Rücksicht auf den Wimperg. Die Formensprache der Hütte Peter Parlers beeinflusste die damals hochmoderne Architektur. Für die Errichtung von Stiften an Hofkapellen war offenbar der Bau der Allerheiligenkapelle (1356–1383) östlich der Prager Burg durch Parler von besonderer Bedeutung. Das Chorhaupt mit seiner fünfseitigen Brechung (7/12-Schluß) wurde zum baukünstlerischen Vorbild für zahlreiche mittelalterliche Chorfassaden um 1400. Kennt man das Formenprinzip der Prager Allerheiligenkapelle, so fällt diese auch im Bau der Meißner Fürstenkapelle auf; vor allem in den Verschlingungen und Kleinformen der Strebepfeilerarchitektur. Die große Ähnlichkeit dieser beiden Bauten verblüfft immer wieder, insbesondere beim Vergleich der ursprünglich geplanten Gewölbe mit dem Parallelrippenschema. Außen erfuhr der Meißner Bau in der
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Kunden gewinnen
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Kunden gewinnen
Dürfen wir vorstellen: Ihr Dream-Team! Das perfekte Team für Ihre Kunden Alles beginnt beim Kunden. Weil Betriebe immer flexibler agieren, muss auch Mitarbeiterführung neu gelernt werden. Jeder Kontaktpunkt, jeder Mitarbeiter entscheidet. Die Eigenverantwortung steigt und damit die Anforderung an den Einzelnen und die Führungskraft. Von Annette Mühlberger
Foto: istock
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al ehrlich: Welchen Typ Mit arbeiter beschäftigen Sie? Klopft er Steine, verlegt Plat ten und betätigt die Brückensäge? Ver dient er bei Ihnen seinen Lebensunter halt? Oder erbauen Ihre Mitarbeiter Tag für Tag für Kunden Kathedralen, schaffen Momente der Erinnerung und Oasen der Entspannung und der Freu de? Mit welchem Selbstverständnis und welcher Vision arbeiten Sie selbst? Und: An welcher Stelle steht für Sie der Kunde?
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TopLeistung braucht topmotivierte Leute Heute entscheiden Kunden, ob neue Kunden mit Ihnen ins Geschäft kom men, und jeder Mitarbeiter (und Sie als Vorgesetzter) entscheidet darüber, wer die besten Fachkräfte für den Wett- bewerb um die Kunden gewinnt. Men schen, die motiviert und begeistert sind, die Freude am eigenen Tun, an der Kommunikation im Team und am Um gang mit Kunden haben, ziehen genau
Annette Mühlberger ist Journalistin für Verkauf, Marketing und Ma nagement. Sie zeigt Lösungsan sätze, die sich im betrieblichen Alltag schnell und erfolgverspre chend umsetzen lassen. Annette Mühlberger arbeitet für Verlage und entwickelt Kommunikations konzepte für Unternehmen. Kontakt: redaktion-muehlberger.de
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