Zeitschrift für Naturstein
Gestalten
Ausstellung »Kindertod« in Nürnberg
Angesprochen Baustelle
August 2010
Qualität ist nicht kostenlos
Restaurierung im Münster Bad Doberan
www.s-stein.com
Inhalt
Nachrichten
Es geht auf dem Markt nicht ohne Kommunikation. Kunden, Lieferanten und andere müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben und was ein Unternehmen anzubieten hat.
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Ein Steinmetzbetrieb in der Steiermark setzt auf ein ganzheitliches Konzept in seiner Außenwirkung und hat damit überregionalen Erfolg.
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Stone+tec 2011: Die Planung läuft Die Messe in Nürnberg baut auf Erholung der Weltwirtschaft.
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Stimmung überwiegend heiter Ergebnisse der Konjunkturumfrage des Bundesinnungsverbands
Gut zu wissen 9
Mobil Unterwegs in Bern
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Angesprochen Alles kostenlos
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Steinmensch Erfolg mit unkonventionellen Ideen
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Sehen lernen Botschaften in Stein
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Vor Ort Starke Stücke in Savona
Gestalten 18 Es gibt Firmen, die sich trotz guter Ideen nicht lange am Markt halten. Aber auch altbewährte Firmen müssen manchmal die Segel streichen. Lag es an der Corporate Identity? Was ist so wichtig an dieser Unternehmenspersönlichkeit?
Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/ 43 60 05-0 Fax +49 89/ 43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com
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Ich bin hier nicht Die Ausstellung »Kindertod« auf dem Leitfriedhof in Nürnberg
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Das Münster zu Bad Doberan hat eine einmalige Ausstattung, zu der auch zahlreiche Grabplatten gehören. Ihre aufwendige Restaurierung machte Kunst- und Kulturgeschichte wieder sichtbar.
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Blanc et noir Restaurierung in Paris: Kunst am Bau im Innenhof des Palais Royal
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Geschichte entdecken Im Münster zu Bad Doberan wurden Grabplatten aufwendig restauriert.
Unternehmen & Produkte 60
Neues und Bewährtes aus den Bereichen Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr
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Betreff Leute Vorschau/Impressum/ Fotonachweis
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Inhalt
Außenwirkung 22
Sei (k)ein Frosch ... Warum und wie Kommunikation nach außen sinnvoll ist.
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Die Wirtschaftsmacht von nebenan Die Macher der Kampagne und ihr Bild vom Handwerk
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Alle anderen Wie andere Branchen Werbung für ihr Material machen.
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Österreich – zum Beispiel Ein kleiner Verband mit großem Marketing-Portfolio
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Eheszenen Was Architekten sich von Handwerkern wünschen.
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Kleinod im Nirgendwo Erfolg mit Konzept: ein Steinmetzbetrieb in der Steiermark
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Nicht so bescheiden Sieben Steinmetzbetriebe im Norden machen »gemeinsame Sache«.
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Die Strategie macht’s Zuwächse trotz Problemmarkt: ein Grabmalbetrieb in Rastatt
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Firma mit Persönlichkeit Warum Unternehmenskultur so wichtig ist.
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Ab ins Netz! Was Werbug im Internet wirklich bringt.
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Schöner zeichnen Das Bild macht’s: professionelle Präsentationen
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Seitenblicke Entspannte Werbemuffel
Kennst Du die Geschichte von dem Zweig, der einen Umweg tief unten durch die Erde macht, aber dann durch alle Wolken hinauf in den Himmel wächst. Da will ich auf dich warten wollen – aber lass dir alle Zeit.
www.s-stein.com Meisterstücke aktuell Auf der STEIN-Homepage finden Sie die aktuellen Meisterstücke 2009 der diversen Meisterschulen. Viel Spaß beim Schmökern! www.s-stein.com -> Bildergalerie
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ERNST STRASSACKER GMBH & CO. KG KUNSTGIESSEREI STAUFENECKER STR. 19 · 73079 SÜSSEN TEL. 0 71 62 /16-0 · FAX 0 71 62 /16-355 mail@strassacker.de · www.strassacker.de Partner des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks
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Außenwirkung
Sei (k)ein Frosch... Es geht auf dem Markt nicht ohne Kommunikation. Kunden und Lieferanten müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben und was ein Unternehmen anzubieten hat. »Klappe halten« geht also nicht. Zu groß sollte sie aber auch nicht sein. Von Thomas Kintzen
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as Handwerk versteht sich traditionell als Garant für gute Arbeit. Das immer zu leisten, ist schwer genug. Da ist es verführerisch zu denken: Werbung habe ich nicht nötig. Das kostet nur und bringt mir nichts. Meine Arbeit ist Werbung genug. Doch so einfach ist es nicht. Ohne Kommunikation findet ein Unternehmen auf dem Markt nicht statt, weil es nicht auf sich aufmerksam macht, egal wie groß oder klein es ist. Wenn also Kommunikation notwendig ist, sollte man auch das Beste daraus machen: eine gute und effiziente Außendarstellung. Im Grunde gibt es für Handwerksunternehmen zwei Alternativen: das Budget klein halten und sich auf das Nötige beschränken – wobei dann zu klären wäre, was das Nötige ist. Oder in die Offensive gehen und zu versuchen, sich mit Kommunikation einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Natürlich kostet das etwas. Aber jeder Mitbewerber ist von dieser Notwendigkeit betroffen. Alle sitzen im selben Boot, jeder auf dem Markt muss Geld in die Kommunikation investieren. Diese Kosten sind somit im Vergleich kein Nachteil im Wettbewerb, solange
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sie im branchenüblichen Rahmen bleiben. Daher heißt es, aus der Not eine Tugend zu machen und mit einem angemessenen Betrag ins Rennen zu gehen.
Positiv reden Positive Außenwirkung geschieht maßgeblich über Kommunikation, die ein Unternehmen selbst finanziert und somit stark beeinflussen kann. So kann man sich gezielt nach außen darstellen und ein vorteilhaftes Bild der Firma in der Öffentlichkeit erreichen. Was man preisgibt, hat man selbst in der Hand. Dann wird nicht etwa über die Reklamationen bei einem Auftrag, sondern über das schöne neue Projekt im örtlichen Rathaus reflektiert. Dabei muss (und darf) man gar nicht lügen. Es ist wichtig, sich auf die Interessen der Leser (Adressaten) einzustellen. Über die Großtaten von Meister Meier und des Auszubildenden Müller zu in-
formieren, kommt eigentlich nur im eigenen Unternehmen an oder im »geschäftlichen Dunstkreis«, der die beiden auch kennt. Dagegen den »O-Ton« eines zufriedenen Kunden wiederzugeben, der über die gute Arbeit des Betriebes spricht und dabei kurz erwähnt, dass Meister Meier so vorbildlich mit dem Auszubildenden Müller umgegangen ist, findet auch in anderen Kreisen sehr guten Anklang.
Kommunikationsinstrumente Firmen stehen einige Instrumente zur Verfügung, um aktive Kommunikation nach außen zu betreiben: von den Klassikern »Werbung« und »Öffentlichkeitsarbeit« bis hin zur eigenen Homepage. Und in der Tat sind es diese drei Instrumente, die wir als solide Basis empfehlen, eine gute Grundausstattung (Briefbögen, Visitenkarten, Firmenbroschüren etc.) vorausgesetzt. Hier kann das Budget übersichtlich
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Außenwirkung
Marketing kostet Geld, da lohnt es sich, Werbemittel gezielt einzusetzen und zu platzieren.
gehalten und dennoch ein hoher Wirkungsgrad erzielt werden. Eine weitere Variante, die unverzichtbar und somit ebenfalls für die Außendarstellung unmittelbar relevant ist, wollen wir an dieser Stelle ausblenden: die persönliche, mündliche Kommunikation, also Instrumente wie Verkaufs- und Beratungsgespräche vor Ort oder am Telefon. Erstens wäre das einen eigenen Beitrag wert, und zweitens ist die Reichweite im Wesentlichen auf die teilnehmenden Personen beschränkt. Die direkte Außenwirkung ist somit im Vergleich zur Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit zunächst gering, wenn man indirekte Effekte wie persönliche Weiterempfehlungen einmal außen vorlässt.
Grundsätzlich möchten Adressaten nicht unbedingt allzu viel lesen. Das kennt jeder von sich selbst. Jeden Tag gibt es mindestens eine Tageszeitung zu studieren, um auf dem Laufenden zu bleiben. Dann kommt die tägliche Post, auf Papier oder per Mail. Und dann noch die regelmäßigen Neuigkeiten aus der Branche. Da ist man einfach froh, wenn Werbung, Mails oder Artikel nicht allzu hohe Ansprüche stellen. Je schneller und einfacher
Weniger ist mehr Wenn die unternehmenseigene Kommunikationsstrategie geplant wird, geht es nicht nur um die angepeilten Ziele. Es muss immer mitgedacht werden, wie die Botschaften draußen ankommen, welche Außendarstellung und Außenwirkung sie erzeugen. Das ist präzise die Frage, um die es sich hier dreht. Will man sich als ein Handwerksunternehmen darstellen und positionieren, das herausragende Qualität bietet, ist es nicht sinnvoll, ständig technische Details zu erläutern. Fachleute mögen hier mit der Zunge schnalzen, aber der typische Käufer kommt da nicht mit, er will es eigentlich auch nicht.
Lesen und Verstehen funktionieren, desto besser. Den Kern müssen daher einfache Elemente ausmachen, die – einer Skizze gleich – prägnante Eindrücke in den Köpfen entstehen lassen, die den Zielen des Senders entsprechen.
Sein oder Design? Ein altbekanntes Zauberwort der Fachsprache lautet »Image«, und das lässt sich mit dem einfachen Wort »Bild« übersetzen. Man kann mit Kommunikation, und zwar mit Fotos und auch mit Texten, tatsächlich Bilder in den Köpfen der Empfänger auslösen. Und die stört das im Allgemeinen nicht, im Gegenteil: Bilder sind für uns Menschen leichter zu verarbeiten und vor allem zu erinnern als komplexe Texte. Die Kunst besteht darin, in aller Kürze ein Bild des eigenen Unternehmens entstehen zu lassen. Um die gewünschte Außenwirkung anzuvisieren, ist es ein guter Trick, mit und in Bildern zu sprechen, das »ideale Selbstbild« des eigenen Unternehmens mit den passenden Stilmitteln in der Kommunikation umzusetzen. Ob sich dann die Wirkung wie gewünscht einstellt, ließe sich sogar wissenschaftlich untersuchen. Sich ein solches Image zu wählen, ist nicht schwer, denn man hat es im Kern schon, ein Image ist irgendwie immer schon vorhanden. Das muss man nur identifizieren, von Ballast säubern und etwas idealtypisch in die unternehmenseigene Kommunika-
Der Bilderbuchhandwerker baut auf Tradition.
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Außenwirkung
Architekten denken anders. Wer will das bestreiten. Das Leben mit ihnen ist nicht immer einfach. Es gibt Streit, Krise und Versöhnung. Es geht auch anders. Denkanstöße für eine vorurteilsfreie Zusammenarbeit. Von Volker Bastian
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aturstein und Architektur! Keramik und Architektur! Das sind die unendlichen Geschichten einer nicht immer ganz krisenfreien Beziehung; die Szenen einer Ehe. Wobei nicht der gleichnamige und mehrfach preisgekrönte Film von Ingmar Bergman gemeint ist. Nein, es geht um Steine am Bau, die natürlichen und die künstlichen. Es geht um Naturstein und Keramik, es geht um Fassadenplatten und Bodenbeläge; einerseits. Andererseits geht es um Fliesen und Platten und deren Image bei Architekten, Bauherrn und Auftraggebern. Es geht um das Effektive in der Zusammenarbeit aller fachlich Beteiligten am Bau.
Architektur ist öffentlich Architektur ist eine Kunst, die, wie keine andere, im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Architektur prägt Orte. Architekten und Auftraggeber haben in gleicher Weise gemeinsam eine Verantwortung für ihre Gestalt. Diese wird durch die Formensprache
eigene Ausstrahlung, symbolisieren ganz bestimmte Zusammenhänge, lösen ganz unterschiedliche Assoziationen aus und haben eine ganz eigene Wertigkeit. Sie sind ein fester Bestandteil der Bauten der Vergangenheit, haben ihren Anteil an der Architektur der Gegenwart und suchen nach ihrer Stellung in der Architektur von morgen. Wir sind beim Thema.
Es geht um die Zukunft Die Gegenwart ist heute. Dies lässt sich in zahllosen Beispielen und aktuellen Entwürfen guter – und manchmal leider auch weniger guter – Architektur darstellen. Und die Zukunft? Die muss, wie in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, erst noch definiert werden. Naturstein und Keramik sind per se werthaltige Materialien und eine handwerksgerechte Verarbeitung bestimmt bei beiden Baustoffen nicht nur die Gestalt. Dennoch laufen gerade diese Baustoffe und mit ihnen ganze Branchen Gefahr, durch ein schier unüberschaubares Angebot
Muss man in Zukunft auf das » Handwerk verzichten? Wird es nur noch Händler und Subunternehmer geben?« der Baukörper, die Gestaltung der Räumlichkeiten und die Oberflächen vordergründig sichtbarer Materialien bestimmt. Naturstein und Keramik waren seit jeher mehr als nur funktionsgerechte Baustoffe. Sie bestimmen ganz wesentlich den Charakter von Bauwerken. Beide Baustoffe haben eine ganz
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die Kunden zu verunsichern, zu verwirren, ja zu verschrecken. Das trifft den privaten oder öffentlichen Bauherrn sicher noch bedeutend härter als den Architekten, der ja dank seiner Ausbildung – sagen wir mal – ein gewisses Maß an gutem Geschmack »eingetrichtert« bekommen hat. Architekten fällt es dennoch
EheSzenen schwer, schnell und zielgerichtet bestimmte Steine aus der Fülle der Möglichkeiten auszuwählen, ja erst einmal zu finden. Telefonbuchschwere Kataloge, endlose Ausstellungen von Unmaßplatten oder überfrachtete und völlig unübersichtliche Seiten im Internet mögen vielleicht für den Handel oder die ausführenden Betriebe eine Bedeutung haben, sind aber für den Planer und den privaten Entscheider nicht das richtige Werkzeug. Warum sind die Produzenten und vor allem die Handwerker vor Ort nicht in der Lage oder willens zu erkennen, dass
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Flughafen Stuttgart Terminal 1 Architekten: gmp von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg Natursteine: Rauchkristall, Lasa Marmor Lauster Steinbau, Stuttgart
muss im Vordergrund der Projektbearbeitung stehen, verbunden mit einer grundsätzlichen Bereitschaft, flexibel auf die Bedürfnisse am Markt zu reagieren. Es fehlen zu oft technisch saubere Details, die quasi 1:1 Eingang in die Planung und Ausführung finden können. Gerade in der Detaillierungsphase und im Rahmen der Erstellung der Leistungsverzeichnisse fallen viele Entscheidungen bei Architekten und Planern ganz unspektakulär, sozusagen »im stillen Kämmerchen«. Die schnelle »Umsetzung« in der Bearbeitung, die ist wichtig! Ein Klick, ein gut geführtes Menü – »passt« – und rein damit; mehr braucht es nicht!
Kostenlose Information Das Handbuch für das Fliesengewerbe, herausgegeben vom Fachverband, und die Bautechnischen Informationen des Deutschen Naturwerk-
So schön kann Stein sein: Auswärtiges Amt, Berlin Architekten: Müller Reimann Architekten, Berlin Naturstein: Travertino Romano Lauster Steinbau, Stuttgart
kurzfristig verfügbare Produktinformationen wichtig sind. Gezielte und hinreichend aussagekräftige Produktinformationen in Form von einzelnen, nach Nutzung gegliederten Katalogen, in handlichen und vor allem nutzerfreundlich gestalteten Kataloggrößen sind unerlässlich. Ebenso eng damit verbunden ist die Notwendigkeit zur technischen Beratung. Das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen
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Kaum eine Branche hat in den vergangenen Jahren einen solchen Absturz erlebt. Berücksichtigt man die Folgen der globalen Finanzkrise, ist kurzfristig keine wirkliche Besserung in Sicht. Das Abwandern von Fachkräften und die berufliche Umorientierung vieler junger Menschen sind zwangsläufig die Folge. Fachliches Wissen und handwerkliche Techniken gehen über kurz oder lang verloren.
Geht es ohne Handwerk? Muss man in Zukunft also auf das traditionelle Handwerk verzichten? Wird es zukünftig nur noch Händler und schlecht qualifizierte VerlegeSubunternehmer geben? Wird das Handwerk durch Baumärkte und Konfektionsware ersetzt? Naturstein und Keramik sind keine zweitklassigen Produkte, die sich hinter einem anderen verstecken müssen. Beide Baustoffe müssen in Zukunft mehr ihre Vorzüge hervorheben. Naturstein und Keramik müssen sich noch besser selbst darstellen. Beide Baustoffe haben viele positive Eigenschaften. Die Stärke beider ist die Unverwechselbarkeit, die Individualität, die Vielfältigkeit und die Beständigkeit. Wenige Materialien können eine solche Häufung von guten Eigenschaften vorweisen. Serielle Massenprodukte werden dort gebraucht, wo Individualität klein geschrieben wird.
Nachwuchs fördern
stein-Verbands sind von hoher Bedeutung und bilden Standardwerke mit den wichtigsten vertragstechnischen und fachlichen Regeln. Allerdings: Nur die wenigsten Kollegen kennen diese Bücher. Sie kosten Geld. Schutzgebühren von über 100 Euro sind nicht zeitgemäß und vor allem aus marketingtechnischen Überlegungen nicht gerechtfertigt. Das ist die Gegenwart und wie wird die Zukunft aussehen?
Hochwertige Verarbeitung wird dort bestehen und wachsen können, wo Kreativität existiert, wo architektonisch mit diesen Materialien gestaltet wird. Bei den Planern und Entscheidern gilt es, Boden gut zu machen. Dann wird auch in Zukunft auf das traditionelle Handwerk, auf den Steinmetz-, auf den Fliesenlegermeister oder den Natursteinfachmann niemand verzichten können. Hier muss die Ausbildung des handwerk-
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Außenwirkung
Firma mit Persönlichkeit J
eder von uns ist eine Persönlichkeit, mit eigenem Charakter und ganz individuellen Merkmalen. Gang, Fingerabdruck, Stimme oder Handschrift gehören zu nur einem Menschen und bestimmen seine Identität. Gern präsentieren wir unsere persönlichen Besonderheiten, um uns von anderen abzuheben. Da wir uns aber auch an kulturelle Normen und Wertvorstellungen halten müssen, sind wir gleichzeitig Teil eines sozialen Gebildes, welches wir Gesellschaft nennen. Genauso verhält es sich bei einer Firma. Einerseits suchen wir nach Besonderheiten, die nur unserer Firma eigen sind, andererseits müssen wir uns den Marktgegebenheiten und deren Gesetzen anpassen. Den harmonischen und optimalen Einsatz von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild einer Firma nach innen und nach außen nennt man Unternehmenspersönlichkeit oder Corporate Identity (CI). So wie jede Person besteht auch die Firma aus ganz unterschiedlichen Teilbereichen, die in ihrer gesamten Art und Weise der Organisation und des
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Es gibt Firmen, die sich trotz guter Ideen und kaufmännischen Geschicks nicht lange am Markt halten. Aber auch altbewährte Firmen müssen manchmal die Segel streichen und verschwinden lautlos. Lag es an der Corporate Identity? Was ist so wichtig an dieser Unternehmenspersönlichkeit? Von Andreas Fels
Handelns als Ganzes wahrgenommen wird. Neben einem klaren Unternehmensleitbild gehören hierzu ein einheitliches Handeln, das Kommunizieren innerhalb und außerhalb der Firma sowie ihr visuelles Auftreten.
Die Unternehmenskultur Unter dem Begriff Unternehmenskultur fassen wir alles zusammen, was für das Unternehmen wichtig und wünschenswert ist. Die Frage, ob Sie einen konservativen Standpunkt vertreten oder sich dem Wandel anpassen, gehört ebenso hierzu wie Ihr Verhältnis zu Innovationen oder Ihr Umgang mit den Mitarbeitern. Die Unternehmenskultur zeigt sich generell im Denken und Handeln aller Mitarbeiter. Und da sind wir schon beim springenden Punkt. Ihr Unternehmen steht und fällt mit den Mitarbeitern. Die fachliche Qualifikation sollte man bei allen Firmen voraussetzen. Aber sind die Stärken von gestern nicht die Schwächen von morgen? Als Chef haben Sie früher vielleicht nur Ihren eigenen Standpunkt dargestellt. Heute
sollten Sie Gegenargumente anhören und dazu Stellung beziehen. Haben Sie früher nur über Dinge informiert, die die Mitarbeiter brauchten, um korrekt arbeiten zu können, sollten Sie heute alles ansprechen, was den Mitarbeiter interessieren könnte – zum Beispiel auch, was die Konkurrenz macht. Alle Informationen, die Sie verbergen, führen zu Gerüchten, sind letztendlich geschäftsschädigend. Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auf, sich aktiv an der Unternehmenskultur zu beteiligen und Ideen beizusteuern. Sie werden staunen, wie positiv es sich auswirkt, wenn Sie Vertrauen und Verantwortung weitergeben. Mitarbeiter, die sich ernst genommen fühlen, sind motiviert und identifizieren sich eher mit einem Betrieb also solche, die von einem despotischen Chef klein gehalten werden.
Angst vor dem Wandel In vielen alteingesessenen Steinmetzbetrieben wird der Wandel als Feind betrachtet. »Das haben wir immer so gemacht« oder »Bevor
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Prüfen Sie, wie es um Ihre Unternehmenskultur steht. Bewährt haben sich dabei Fragebögen, mit denen Sie regelmäßig die Meinung Ihrer Mitarbeiter einholen können.
meine Leute aufsteigen, müssen sie erst ein paar Jahre da sein« wird argumentiert. Die Tendenz am Markt sieht aber ganz anders aus. Fachleute nennen den Teil der Unternehmenskultur, der sich mit dem Verhalten gegenüber Kunden und Mitarbeitern befasst, »Corporate Behaviour«. Demzufolge haben es Firmen, die flexibel sind, neue Trends zügig aufnehmen und umsetzen, um einiges leichter. Mitarbeiter sollten sich umfassend weiterbilden und in ihrer Entwicklung nicht behindert werden. Auch die alte Regel der Distanz zu Mitarbeitern und Kunden hat ausgedient. Oft war der Vorgesetzte wie ein Befehlshaber, man siezt sich und mischt sich nicht ein. Das eigene Arbeitsgebiet wird vor Einblicken und Eingriffen anderer geschützt, die Kluft zwischen Chef und Mitarbeitern war gewollt. Heute sollten Sie anders vorgehen. Legen Sie Wert auf ein familiäres Miteinander. Sorgen Sie dafür, dass sich die Mitarbeiter gegenseitig unter die Arme greifen. Wie im privaten Leben wird es dann immer noch
ausreichend Spannungsfelder geben, aber die Unternehmenskultur bekommt gegenüber Kunden ein ganz anderes Bild. Doch woher sollen Sie wissen, was Ihre Mitarbeiter oder Kunden eigentlich denken? Zur Unternehmenskultur gehört auch, dass Sie genau diese Frage von Zeit zu Zeit analysieren. Sie können die Mitarbeiter- und Kundenbefragung gern im offenen Interview durchführen. Obwohl man darin alles sagen kann und mehr erfährt als von einem Fragebogen, besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter sich nicht trauen, ehrlich zu antworten. Besser bewährt haben sich standardisierte Fragebögen. Sie selbst entscheiden, welche Fragen Sie von Ihrem Mitarbeiter oder Kunden beantwortet haben möchten. Je präziser Sie diese stellen, desto klarer eröffnet sich Ihnen das Denken der Befragten.
Das visuelle Erscheinungsbild Wichtig ist, dass die Firma in einem einheitlichen visuellen Erscheinungsbild auftritt. Die dazugehörigen Komponenten werden als Corporate De-
sign (CD) bezeichnet. Es wird vornehmlich durch Gestaltungskonstanten geprägt wie das Logo, einer von Ihnen gewählten Firmenfarbe, der Firmenschrift, der typografisch gestalteten Form eines Slogans und den stilistischen Vorgaben für Abbildungen, Fotos und andere Illustrationselemente. Hierbei empfiehlt es sich, eine professionelle Werbeagentur zu beauftragen. Bei der Schrift haben Sie als Steinmetz allerdings einen Vorteil voraus. Schriften kennen Sie besser als jede Agentur. Also lassen Sie sich nicht mit Times New Roman oder Arial als Schriftart abspeisen. Gehen Sie alle Schrifttypologien durch und wählen Sie diejenige, die Ihnen am schönsten erscheint und zu Ihrem Firmenprofil passt. Ebenso verhält es sich bei der Gestaltung Ihrer Internetseite. Dort sollten Sie ebenfalls die Inhalte bestimmen und das Gestalten einer Spezialfirma überlassen. Wie Ihre Rohsteine aussehen, wissen sie, Fotos von Ihren Produkten haben Sie ebenfalls. Scheuen Sie sich nicht, sich selbst darzustellen. Aber nicht nur Sie mit Knüpfel und Eisen. Fotos von Ihrem sozialen Engagement
Mitarbeiter sollten sich » umfassend weiterbilden und in ihrer Entwicklung nicht behindert werden.
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Geschichte entdecken D
as Münster zu Bad Doberan unweit von Rostock in Mecklenburg-Vorpommern gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Backsteinbauten in Deutschland. Zu seiner in einmaliger Geschlossenheit erhaltenen Ausstattung gehört auch eine große Zahl von Grabplatten geistlicher und weltlicher Personen in beeindruckender Ausführungsqualität. Bei dem Münster handelt es sich um die Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters, das im frühen 13. Jahrhundert erbaut, ständig erweitert und bis ins 16. Jahrhundert betrieben wurde. Die Klosterkirche ist als dreischiffige Basilika mit Kapellenumgangschor errichtet worden. Im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1552 aufgelöst. Im Gegensatz zu vielen anderen Klosterkirchen wurde die Kirche nicht aufgegeben, sondern durch die evangelische Kirche weitergenutzt und sogar um 1580 durch Herzog Ulrich von Güstrow generalinstandgesetzt und damit vor dem Verfall gerettet. Mit der Gründung des Seebades Heiligendamm 1793 durch Herzog Friedrich Franz rückte die Münsterkirche wieder verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit, da der Bau auch bei ausländischen Gästen Bewunderung fand. Dies führte letztendlich zu einer Generalrestaurierung, die um 1830 begann und 1900 ihren vorläufigen Abschluss fand. In den 1970er- und frühen 1980er-Jahren folgte eine erneute Sanierungs- und Rekonstruktionsphase, in der das mittelalterliche Erscheinungsbild weitgehend wiederhergestellt wurde.
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Das Münster zu Bad Doberan gehört zu den bedeutendsten erhaltenen zisterziensischen Klosterkirchen. Grund ist seine einmalige Ausstattung, zu der auch zahlreiche Grabplatten gehören. Ihre aufwendige Restaurierung machte Kunst- und Kulturgeschichte wieder sichtbar. Von Boris Frohberg
Westansicht des Münsters zu Bad Doberan
Die Grabplatten befanden sich liegend im ursprünglich überwölbten Kreuzgang. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Platten in die unteren Innenwandbereiche der Kirche eingesetzt. Hierbei handelt es sich unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten um eine durchaus positiv zu bewertende Maßnahme. Leider fand die Feuchte- und die Salzbelastung der betreffenden Wandbereiche beim Einbau keine Berücksichtigung, sodass die Grabplatten im Laufe der vergangenen 100 Jahre weiteren Schädigungen ausgesetzt waren. Bereits 1997 begann man mit der Restaurierung der mittelalterlichen Grabplatten, 2007 wurde sie abgeschlossen. Durch eine in diesem Zusammenhang umgesetzte weitestgehend chronologische Ordnung der Platten ist außerdem ein wichtiges Kapitel der Klostergeschichte ablesbar geworden. Auch die kunstgeschichtliche Entwicklung von einfach gestalteten Platten, noch nach dem Schlichtheitsprinzip der frühen Zeit der Zisterzienser ohne
Inschrift, bis hin zu reich gestalteten spätgotischen Platten aus der Blütezeit des Klosters wird in hervorragender Weise deutlich. Der Grundgedanke ist jetzt, die Äbte und die Stifter so weit wie möglich einander zuzuordenen.
Material und Gestaltung Bei den mittelalterlichen Grabplatten in den mecklenburgischen Kirchen handelt es sich überwiegend um Kalksteinplatten, die vermutlich von den Inseln Gotland und Öland stammen. Im Zuge der engen Handelsbeziehungen der Hanse im Mittelalter wurden diese, neben verschiedenem Bruchgestein, vorwiegend als Ballast für sonst leer zurückkehrende Schiffe genutzt. Bei den im Münster vorhandenen Grabplatten zeigen sich Architekturrahmungen der Figuren in gotischen Stilformen. Die meisten Grabplatten sind durch umlaufende Schriftzüge, sogenannte Minuskeln, gerahmt, die Auskunft über Alter, Todesdatum, Namen und Stand geben. Die Darstel-
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Baustelle
Innenraum des Münsters nach Osten
Detail der Reliefgestaltung mit dunkler Holzmischung in den Vertiefungen an der Grabplatte des Hermann von Giwertze
lungen der Äbte des ehemaligen Klosters sind jeweils durch Abtsstab und Buch gekennzeichnet. Auf einem Teil der Platten sind in den Eckpunkten stilisierte Blattmotive, die Weihekreuzen ähnlich sind, zu sehen. Bei den anderen Platten sind die Eckbereiche durch runde Felder mit Evangelistensymbolen gekennzeichnet. Es ist zu beobachten, dass durchgängig die starre, frontale Haltung der Figuren beibehalten wird, weichere Formen, Körperdrehungen oder andere Ansichten sind nicht zu finden. Die Reliefs sind nur schwach in die Oberfläche eingearbeitet. Es scheint aufgrund der umfassenden restauratorischen Untersuchungen sicher, dass die Grabplatten hier ursprünglich zweifarbig gestaltet waren. Die hell gehaltenen Oberflächen waren – entgegen sonstigen mittelalterlichen Befunden – wahrscheinlich steinsichtig, da die Platten im Fußboden des Kreuzganges lagen. In den Tiefen finden sich dunkle bis schwarze Pigmentmischungen auf weißen Kalkkasein- und roten Menni-
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gegrundierungen sowie vorwiegend harzhaltige Massen aus Pech oder ähnlichen Mischungen. Die größeren Vertiefungen wurden damit auf ein gleiches Niveau gefüllt, was sich bei einigen Platten weitgehend erhielt. Harze bieten einen größeren Widerstand gegen Abrieb und Feuchtigkeit als vergleichsweise Farbfassungen, denn es ist davon auszugehen, dass die Oberflächen einem ständigen Abrieb ausgesetzt waren. Die farbige Gestaltung von Grabplatten ist kein Einzelfall. Es gibt viele zeitgleich entstandene Grabplatten mit ähnlicher Grundgestaltung und vergleichbarem Material, entspre-
chender Größe und Stärke in den Hansestädten entlang der Ostsee. Die dunkle Absetzung der Tiefen ist bei fast allen Platten zu erkennen, zum Beispiel im Kloster Hl. Kreuz, Rostock. Es sind aber auch polychrome Gestaltungen durch verschiedenfarbige Harze wie im Dom in Ratzeburg in Rot, Schwarz und Grün oder andersfarbige Rücklagen erhalten. In der Spätgotik und in der Frührenaissance wurden teilweise die gesamten Gestaltungen aus Metallwerkstoffen gearbeitet und montiert wie in St. Marien, Lübeck, und dem Schweriner Dom. Hierbei kam es auch zu Ab- und Überarbeitungen älterer Platten.
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