Zeitschrift f체r Naturstein
Gestalten Technik Baustelle
Steine im Hotel
September 2011
S채gen mit dem Seil Sanierung einer Mine
Italiens Klassiker
Inhalt
Nachrichten
In Italien gibt es eine neue Renaissance. Eine Renaissance der eigenen Steine. Italiens Natursteinbranche entdeckt die »Klassiker« wieder; von den Bergen in Südtirol bis an die Küsten in Sizilien. Eine steinige Reise.
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In Hotels sind die Materialien großer Belastung ausgesetzt. Zugleich sollen sich die Gäste dort wie zu Hause fühlen. Im Cantera Natursteinhotel fühlen sie sich so wohl, dass sie den dort in »Echtzeit« getesteten Stein gleich fürs eigene Heim mitnehmen.
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Die Fassade ist ab Probleme mit der Natursteinfassade des Kulturspeichers in Würzburg
Gut zu wissen
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Steinmensch Ein Steinmetz mag‘s massiv
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Angesprochen Steine für Architekten
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Sehen lernen Die Schönheiten vom Lande
18 Mobil Unterwegs im Tessin
Gestalten 20
Ausgezeichnete Arbeiten in Kassel Grabzeichen-Wettbewerb 2010
Baustelle
Ein Bildhauer sägt Engelsfiguren damit, ein Steinmetz verzichtet dank Seil sogar ganz auf eine Brückensäge. Zwei Beispiele, wie sich Seilsägen in der Grabmalfertigung bewähren.
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Schäden durch Klebebänder vermeiden Was Sie beim Einsatz von AbdeckKlebebändern beachten müssen.
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C-Mine – C wie Creativität Stein statt Kohle: die Revitalisierung einer Industriebrache in Genk
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Alte Meister, moderne Restaurierung Die Restaurierung der Skulpturen der Dreikönigskapelle des Naumburger Doms
Kunst und Kultur statt Kohle und Kumpel – C-Mine ist ein gutes Beispiel für die gelungene Revitalisierung einer Industriebrache.
Callwey Verlag STEIN Streitfeldstraße 35 D-81673 München Postfach 800409 D-81604 München Fon +49 89/43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-164 redaktion@s-stein.com www.s-stein.com
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Natursteinland Italien
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Mille Miglia: meine italienische Reise Die Renaissance der italienischen Klassiker
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Mein Verona: mehr als nur Messe Unterwegs in der Stadt von Romeo und Julia
Gestalten im Innenraum
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Den Stein f체r zu Hause testen Zu Gast im Natursteinhotel
S채gen mit dem Seil
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Flexibler mit dem Seil Blick in die Hallen eines Rohtranchenproduzenten
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Mit dem Seil in Form bringen Seils채gen in der Grabmalfertigung
72 Seitenblicke O Sole mio
Unternehmen & Produkte
68 Naturstein, Maschinen, Werkzeuge und mehr 3 Betreff 16 Medien 19 Recht 89 Vorschau/Impressum/ Fotonachweis
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Gestalten
Grabzeichen-Wettbewerb 2010: Ausgezeichnete Arbeiten in Kassel 35 Teilnehmer aus ganz Deutschland zählte der LIV BadenWürttemberg beim Gestaltungswettbewerb Grabzeichen 2010 – zehn mehr als im Vorjahr. STEIN zeigt eine Auswahl der Siegergrabmale und ihre Gestalter. Von Sabine Werbel
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nde Juli war es wieder soweit: Der Landesinnungsverband Baden-Württemberg zeichnete die Sieger des Gestaltungswettbewerbs 2010 im Museum für Sepulkralkultur in Kassel aus. Seit 1965 lobt der Verband diesen Wettbewerb aus. Ziel ist, das handwerkliche und künstlerische Schaffen im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk zu fördern. Seit 1997 wird er unter der Federführung des Landesinnungsverbandes bundeseinheitlich durchgeführt – das einzige bundesweite Qualitätszeichen. Die Jury vergibt Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze. Das Besondere am Gestaltungswettbewerb ist nicht das Preisgeld: Es ist das Ausschreibungskriterium, das festlegt, dass die eingereichten Arbeiten bereits auf dem Friedhof stehen müssen. Das unterscheidet diesen Wettbewerb von anderen Grabmalwettbewerben. Beim diesjährigen Gestaltungswettbewerb haben 35 Teilnehmer insgesamt 111 Arbeiten eingereicht, zehn Teil-
Die Jury Die Wettbewerbssieger mit den Jurymitgliedern im Museum für Sepulkralkultur in Kassel.
Waldemar Beck Steinbildhauermeister aus Filderstadt, Vorsitzender der Jury Gerold Eppler Steinbildhauer und Kunstpädagoge
nehmer mehr als in den letzten beiden Jahren. Insgesamt verlieh die Jury 42 Auszeichnungen, davon drei Gold-, zehn Silber- und 29 Bronzemedaillen. »Anspruchsvolle und kreative Gestalter hervorheben und neue Konzepte
Sonderausstellung Außerdem zu sehen im Museum für Sepulkralkultur: Noch bis zum 18. September 2011 »endlich – unendlich: Der Tod als kosmische Spur des Lebens Sol Lyfond – Multimediale Videokunstausstellung« In seinen multimedialen Werken befasst sich der Videokünstler mit der Bedeutung des Todes für das Leben, indem er den Tod nicht nur als Ende, sondern auch als Anfang des Lebens begreift.
entwickeln, um an den weiteren Entwicklungen am Friedhof zu partizipieren«, so erklärte Gerold Eppler, der stellvertretende Direktor des Museums, die Kriterien sowie die Idee des Gestaltungswettbewerbs. Fantasie, Engagement und Qualität seien gefragt, ein weiterer Aspekt des Wettbewerbs, der allen deutschen Gestaltern offensteht. Bewertet wird nach den Kriterien Form, Bearbeitung, Schrift, Symbol und natürlich Gesamteindruck. Die kulturelle Bedeutung des Friedhofs werde durch solche Wettbewerbe wieder hervorgehoben. Insbesondere bei den Grabmalschauen trauen sich die Besucher verstärkt, Fragen zu stellen. An dieses starke Interesse gelte es anzuknüpfen. »In
Anja Schweizer Steinbildhauermeisterin und Architektin Frieder Zimmermann Steinbildhauermeister, Lehrer, freischaffender Künstler Jörg Failmezger Steinbildhauermeister Julia Müller Kunsthistorikerin und Museumsleiterin Gustav Treulieb Bundesinnungsmeister, Vorstandsmitglied der AFD
dieser Hinsicht sind uns die Friedhofsgärtner jedoch noch um einiges voraus. Sie legen eine größere Gesprächsbereitschaft an den Tag«, so Eppler vor den ausgezeichneten Steinmetzen.
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Gestalten
Universelle Symbole zeitgemäß interpretieren »Ob als Kleinskulptur in Stahl, Holz und Stein, als vollplastische Ausarbeitung eines Zypressenhaines in Sandstein (Stele) oder als perspektivische Darstellung einer Allee: Die Zypressen sind ein Gestaltungsthema, das mich seit einigen Jahren in unterschiedlicher Form beschäftigt. Die schlanke, geometrische Grundform, aber auch Bewegung und Struktur im Detail lassen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zu. In Bezug auf ihre Symbolik interessiert mich die Mehrdeutigkeit der Zypresse: als starkes Symbol für Trauer und Tod, aber auch – weit weniger bekannt – als Lebensbaum. Bei meinen Entwürfen strebe ich eine Gestaltungsaussage an, die möglichst allgemein verständlich ist, ohne modisch oder beliebig zu werden. Gerne greife ich bekannte, oft universelle Symbole auf und be-
mühe mich um deren zeitgemäße Interpretation. Gleichzeitig versuche ich, eine dazu passende Formensprache zu finden. Dies führt immer häufiger dazu, dass Entwurfsideen, die ohne konkreten Bezug zu einem Verstorbenen entstanden sind, trotzdem auf einen ganz bestimmten Menschen oder eine ganz bestimmte Situation passen. So auch in diesem Fall. Die Kundin fand im Entwurf Zypressenallee genau die Aussage wieder, die auf ihre Situation als Witwe eines früh verstorbenen Mannes passte: Das Bild des Vorangegangenen, den man jenseits eines bestimmten Punktes oder Ortes wiedersieht. Und wie selbstverständlich verband sich der von der Kundin mitgebrachte Ausspruch »Le Premier au Rendezvous« (sinngemäß: Der Erste am Treffpunkt) mit dem bereits beste-
Steinbildhauermeister Christoph Gabriel aus Witten bietet ausschließlich selbst entworfene und persönlich gefertigte Grabmale an.
henden Entwurf zu einer Einheit. Im Fluchtpunkt öffnet sich ein Durchbruch, der auf der Rückseite wieder zu einer rechteckigen Öffnung erweitert wird, sodass auch die Rückansicht eine Übergangs- und Torsituation thematisiert und gleichzeitig eine bewusste, akzentuierende Gestaltung erfährt.«
Das Grabmal »Zypressenallee« wurde in Kassel mit Silber ausgezeichnet. Material: Pietra Serena Sandstein Maße: ca. 48 x 18 x 125 cm
Mensch und Stein in einen Dialog bringen
Das Team Howard Schwämmle und Klaus-Dieter Haarer ist in diesem Jahr mehrfach für seine Arbeiten in Kassel ausgezeichnet worden.
»Die Auszeichnungen sind eine zusätzliche Bestätigung für unsere Kundschaft, dass der vorangegangene gemeinschaftliche Prozess zur Entstehung eines gestalteten Grabmales wertvoll und wichtig war. Für uns selbst ist es eine zusätzliche Motivation, dass die Grabzeichen von einer fachkundigen Jury bewertet werden. Zudem
ist uns der kommunikative und konstruktive Austausch bei den Preisverleihungen sehr wichtig. In diesem Jahr sind unsere Grabzeichen viermal mit Silber ausgezeichnet worden. Diese Auszeichnungen dienen auch der Werbung, um unserer Kundschaft zu zeigen, dass in unserem Betrieb handwerklich hochwertige Arbeiten entste-
hen und der Leitgedanke unseres Steinmetzbetriebes »Dialog Mensch – Stein« bei uns im Mittelpunkt steht. Wir versuchen immer, die Wünsche und Anregungen der Angehörigen zu berücksichtigen, ob es nun ein Symbol wie der Lebensbaum, eigene Interessen und Hobbys oder typische Eigenheiten des Verstorbenen sind.« Links: Der Sonnenuntergang war eine Zeichnung der Verstorbenen. Die Familie wird durch Bänder symbolisiert, die auf die Kletterleidenschaft der Familie verweisen. Material: Postaer Elbsandstein Maße: 120/38 cm Mitte: Das Wunschmotiv der Angehörigen für ihren Verstorbenen war ein Lebensbaum. Material: Jurakalk Maße: 85/35 cm Rechts: Die Verstorbene liebte die Sonne, saß gerne mit Freunden im Garten. Die Form wurde schlicht gehalten. Material: Jurakalk Maße: 115/40 cm
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Italien
Der Mythos lebt
Mille Miglia: meine italienische Reise In Italien gibt es eine neue Renaissance. Eine Renaissance der eigenen Steine. Italiens Natursteinbranche entdeckt ihre »Klassiker« wieder: von den Bergen in Südtirol bis an die Küsten Siziliens. Die neuen »Trendsteine« sind die alten, und die haben alle eine ganz eigene Geschichte. Stationen einer Reise in eine alte und doch ganz neue Steinzeit.
Legende l Laaser Marmor l ▲ Porfido Trentino l u Pietra di Lessinia l u Botticino l u Pietra di Nanto l u Pietra Serena l l Carrara l ▲ Basaltite l n Grigio Sardo l u Travertin l u Trani l ▲ Pietra Lavica l 1 2 3 4 5
Von Willy Hafner
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12 Zeichenerklärung: n Plutonite l Metamorphite ▲ Vulkanite u Sedimentgesteine
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Italien
G
anz Italien, das ist Marmor, hieß es in Carrara. Der Stiefel ist aus Kalk? Falsch! Der Stiefel ist auch aus Porphyr, Granit, Lava und Basalt. Es stimmt: Aus Carrara kommt Marmor, aus Laas auch und aus dem Val d‘Ossola ebenfalls. Aus Tivoli kommt Travertin, Botticino kommt aus Brescia und Pietra di Vicenza wird in der Nähe von Nanto gewonnen. Alles Kalksteine! Die Sandsteine der Toskana sind grau und großteils aus Kalk, die Steine aus dem Veneto, gelb oder rötlich, sind natürlich aus Kalk und Trani auch. Es lebe die Vielfalt! Und die gibt es eben nicht nur aus Kalk! Italien bietet sie: früher und heute sowieso. Italiens Steine waren lange Jahre fast in Vergessenheit geraten. Heute, nach all den bunten und grauen Steinen aus dem amerikanischen Süden und dem asiatischen Osten, erleben sie eine Renaissance. In Italien, aber nicht nur dort, wird wie-
der Architektur gemacht mit den »Steinen vom Ort«. Beginnen wir in Südtirol.
Es muss nicht immer Carrara sein Auf halbem Weg von München dorthin findet man im Südtiroler Vinschgau einen reinweißen kristallinen Marmor und als Zugabe noch eine Reihe reizvolle Farbvarianten dieses sehr harten, kristallinen Marmors. Bei Laas, etwa 40 Kilometer westlich von Meran, erhebt sich an der Nordostflanke der Ortlergruppe in über 1000 Metern Höhe ein Marmormassiv von unbekannten Ausmaßen. Seiner Reinheit und seiner Wetterbeständigkeit wegen war der Marmor schon früh geschätzt. Seit dem Mittelalter wird der Stein verarbeitet: Maßwerke, Taufbecken, Grabsteine, Statuen und Wappenreliefs, das Übliche.
Laaser Marmor Ein sehr h arter, widerstandsfähiger und wetterbeständiger, frostfester Marmor, der im Südtiroler Vinschgau abgebaut wird. Eingeschlossen sind Quarz- und Glimmerschichten. Die Marmorblöcke werden zum Großteil in Platten geschnitten und zu Fußbodenbelägen, Fliesen und Fassadenplatten verarbeitet.
Marmor aus Carrara
Platten aus Porphyr aus dem Trentino
Porfido Trentino Gehört zur Gruppe der Vulkanite und kommt in zahlreichen Brüchen zwischen Bozen und Trento vor. In einer braunvioletten bis rotbraunen Grundmasse liegen Einsprenglinge aus dunkelweißen bis rötlichen Feldspäten. Dieses Hartgestein wird in der Außenarchitektur u.a. für Terrassenplatten und Treppenbeläge verwendet.
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Innenraum
Den Stein für zu Hause testen Elegante Kombination: Limestone Da Vinci, geschliffene Oberfläche in Platten 60 x 60 x 1,5 cm, zusammen mit Möbeln aus Kirschholz.
In Hotels sind die Materialien großer Belastung durch die ständig wechselnden Nutzer und häufige Reinigung ausgesetzt. Zugleich sollen sich die Gäste dort wie zu Hause fühlen. Im Cantera Natursteinhotel fühlen sie sich so wohl, dass sie den dort in »Echtzeit« getesteten Stein gleich fürs eigene Heim mitnehmen. Von Susanne Lorenz
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chon zum zweiten Mal ist STEIN zu Gast im Cantera Natursteinhotel in Wunstorf nahe Hannover. Seit dem ersten Besuch haben diverse Umgestaltungen stattgefunden und das Hotel hat sich unter den verarbeitenden Handwerkern der Natursteinbranche etabliert. Doch auch Architekten und Fachleute aus dem Baugewerbe, Hotelbesitzer mit Renovierungsabsichten und Privatleute, die über Naturstein als Baumaterial nachdenken, kommen hierher.
Jörg Horstmann, der den Familienbetrieb von Beginn an mit aufgebaut hat, spricht voller Leidenschaft über die Grundidee des Natursteinhotels: Es dient der räumlichen Präsentation von Natursteinen warmen, weichen Charakters in echter Wohn-Umgebung, nicht wie auf sterilen Präsentationsmöbeln. Die Besucher erhalten einen realistischen Eindruck, wie ein Stein als großflächiger Bodenbelag im Schlafzimmer, Wohnbereich oder im Bad wirkt. Auch das Gesicht des Steins
nach einigen Jahren der intensiven Nutzung sollen die Gäste hier vor Augen geführt bekommen – und sie tragen selbst durch ihren Aufenthalt dazu bei, dass der Stein weitere Abnutzungsspuren bekommt. In den Zimmern sind der Boden, das Eingangsportal, das Bad, Waschbecken, unterschiedliche Wandbereiche, zum Teil der Nachtschrank und die Kamineinfassung in Stein ausgeführt. Neuerdings ist dort auch Glasscheiben-Onyx anzutreffen.
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Innenraum
Jedes der elf Zimmer hat sein eigenes Flair: Basis ist jeweils der Stein in seiner jeweiligen Bearbeitung, kombiniert mit darauf abgestimmtem Mobiliar. Für Fragen rund um die Zusammenstellung von Stein und Möbelstilrichtung steht eine Innenarchitektin mit Rat und Tat zur Seite. So treffen hier Kombinationen von Stein, Holz und Metall aufeinander, Architekturelemente und Farbkombinationen werden erlebbar. Begleitend ändert der Stein sein Gesicht: Steinplatten in unterschiedlichen Formaten, Kantenund Oberflächenbearbeitung in verschiedenen Variationen und Zusam-
menstellungen zeigen dem Gast, ob der ins Auge gefasste Stein wirklich optimal ist oder vielleicht doch ein anderer besser für das Eigenheim passt. Immerhin steht eine Entscheidung für mehrere Jahre an. »Ein oder zwei Nächte reichen aus, um zu testen, ob man den Stein für sein eigenes Zuhause gefunden hat«, ist Jörg Horstmann überzeugt.
Stein erleben Die gute Auslastung seines Hotels gibt ihm und dem homogenen Konzept Recht: Zimmer, Seminarräume
und öffentliche Sauna erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch in der Sauna bleibt der Gast von Naturstein umgeben: Der Boden ist mit spaltrauem brasilianischem Quarzit ausgestattet. In den Zimmern erlebt der Besucher nicht nur das Material, sondern auch Oberflächenbearbeitungen und Verlegemuster; nicht wenige haben sich nach dem Besuch für oder auch gegen einen Stein entschieden. Denn wenn die Interessenten mit konkreten Vorstellungen von ihrem Wunschmaterial eintreffen und in der räumlichen, at-
Getrommelter Kalkstein Provence Corton beige Rougé aus Frankreich, 15 x 15 x 2cm, hat eine rustikale Erscheinung und harmoniert mit dem antiken Metallmobiliar.
Der Bodenbelag aus Gallo di Cantera im römischen Verband, getrommelt, schafft mit Canaan Gold Tavor, 20 cm bei freier Länge, gespalten oder geschliffen, als Wandbelag eine warme Wohnumgebung. Das ist konsequent auch im Bad mit Canaan Gold Tavor aus Israel umgesetzt.
mosphärischen Umgebung des Hotels dann zum ersten Mal dessen Eigenheiten und das Abnutzungsverhalten kennenlernen, kommt schon mal eine Neuentscheidung zustande. Ist die räumliche Wirkung des Steins etwa ganz anders als auf dem Präsenta-tionsmöbel im Geschäft, passt eine Oberfläche weniger zum beabsichtigten Nutzen oder hat man sich die Gebrauchsspuren anders vorgestellt, dann können hier Alternativen über Nacht ausprobiert werden. Die Auswahl an Steinen und ihrer Verarbeitung ist groß. Kalkstein, Quarzit, Schiefer und Antik-Marmor
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Seilsägen
Mit dem Seil in Form bringen Keine wilden Konturen, sondern einfache Schnitte kennzeichnen die Formensprache Oskar Reithmeiers.
Ein Bildhauer sägt Engelsfiguren damit, ein Steinmetz verzichtet dank Seil sogar ganz auf eine Brückensäge. Zwei Beispiele, wie sich Seilsägen in der Grabmalfertigung bewähren. Von Richard Watzke
Der fertige Stein: Der Kern wurde zweimal in der Längsachse geschnitten und dann wieder zusammengefügt.
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ngel sind Oskar Reithmeiers Markenzeichen. Schon Hunderte der geflügelten Wesen haben seine Werkstatt in Velburg verlassen, einer Kleinstadt im oberpfälzischen Jura. Die Firma existiert seit 120 Jahren, Reithmeier ist die vierte Generation am Ort. Sein Vater machte noch alles, von der Fensterbank bis zum Grabmal. Wie in einem Gemischtwarenladen war das, erklärt Reithmeier, der ursprünglich als freischaffender Bildhauer arbeiten wollte, dann aber ins väterliche Geschäft einstieg. Mittlerweile zählt die Kundenkartei mehrere hundert Steinmetzen, die seine Entwürfe schätzen und bestellen, doch
auch in Velburg ist die Veränderung auf dem Grabmalmarkt angekommen. Die Stückzahlen gehen zurück und Reithmeier konzentriert sich mit seinen 15 Mitarbeitern statt der Lohnfertigung verstärkt auf Privatkunden. Da lässt sich individueller arbeiten und die Wertschöpfung ist höher. In der Musterausstellung zeigt Reithmeier seine gestalterische Linie »Neue Wege«. Die Kombination aus Bildhauerarbeit und einem raffinierten Seilsägeschnitt macht den Erfolg seiner Steine aus, erklärt Reithmeier. Auf diese Weise lässt sich ein Stein rationell produzieren und ist in der Veredlung durch den Bildhauer besser
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Seilsägen
Oskar Reithmeier mit Modellen für einen 3,5 Tonnen schweren Altar, Ambo und Tabernakel aus Jura-Kalkstein.
gegen Nachahmer geschützt. Zusätzlich werden die Entwürfe urheberrechtlich geschützt. Als Gestalter erliegt er aber nicht der Versuchung, jede technische Möglichkeit des Seils tatsächlich auszureizen. Sein Stil sind blockhafte Steine, die sich aus geometrischen Grundformen zusammensetzen. Bei fast allen Steinen kommt die Seilsäge zum Einsatz: Beim gerundeten Kopf, bei diagonalen Trennschnitten in Längsachse des Kerns, der aus den beiden Teilen anschließend wieder zusammengefügt wird, aber auch bei rechteckigen Ausschnitten oder der Negativ-Kontur eines Kruzifixes.
Dauereinsatz mit dem Seil In der Sägerei laufen verschiedene Brückensägen und zwei Bidese-Konturenseilsägen im Dauereinsatz. Reithmeiers erste Seilsäge war eine Maschi-
Mit der Seilsäge wird vorgesägt, dann arbeitet der akademische Bildhauer in zehn Tagen den Engel aus.
ne von SFT aus Salzburg. Das Sägestück lag horizontal, das Aufbänken war umständlich. Als die Säge ihren Geist aufgab, kaufte Reithmeier im Jahr 2000 eine kleine Vertikalseilsäge vom Typ Polar von Bidese. Wegen der vertikalen Seilführung war die Säge jedoch für kleine Werkstücke wie liegende Bücher, aber auch für großformatige Schnitte ungeeignet.
2006 ersetzte er die Säge durch eine Top Wire Junior, bei der das Werkstück auf einem fahrbaren Schlitten steht. Konstruktiv ist der Arbeitsbereich in der Höhe auf 115 Zentimeter beschränkt. Die Sägeergebnisse gefielen Reithmeier jedoch so gut, dass er 2009 eine zweite Seilsäge kaufte, um damit Steine bis zu 1,7 Metern Höhe zu sägen. Ursprünglich wäre die Top Wire in den Dimensionen noch erheblich größer gewesen, in Kooperation
mit Weha ließ sich Reithmeier die Maschine aber auf seine Bedürfnisse verkleinern und bearbeitet bis zu 2,5 Meter breite und 1,7 Meter hohe Werkstücke damit. Inzwischen hat die kleinere Junior über 5000 Betriebsstunden auf dem Tacho. Das sind umgerechnet vier Stunden reine Sägezeit an jedem Werktag im Jahr. Bei dieser Auslastung muss man sich sputen, die Maschinenprogramme zu erstellen. Kommt der Chef mit dem Zeichnen
Damit der Schnitt nicht bauchig wird, sägt die Top Wire Junior eine 1,4 m lange Stele mit einem Vorschub von 1 cm in der Minute.
Eine Negativ-Kontur eines Kruzifixes lässt sich nur mit der Seilsäge gestalten.
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