Stein 09/2020

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STEIN

S 09 | 2020

MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK

BAD/SALZBURG

FÜR JEDERMANN + ALLE BOULEVARDS

BIO

BALKONIEN

Landschaftsarchitekt Andreas Kipar befragt zur wichtigen Rolle von Naturstein in der Stadtgestaltung

Köstliches Keramikdesign für das Interieur eines Schweizer Bioladens – mit Cradleto-Cradle-Zertifikat

Ob Terrasse, Austritt oder Balkon: Die wirkungsvolle Drainage von bewitterten Hartbelägen ist wichtig


INHALT

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Der „Kornblume“Moderne Elemente Bioladen wurde für ein können alte Friedhöfe breiteres Unverpacktauflockern, wenn sie angebot sich, wieaufwendig hier in Altdorf umgebaut. Am zurückBoden bei Nürnberg, kamen Fliesen mit dem nehmen und nicht Cradle-to-Cradle-Zertiin den Vordergrund fikat zum Einsatz. drängen.

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Besonders wichtig für die Projekte von Landschaftsarchitekt Andreas Kipar: der Einsatz von Naturstein im urbanen Raum und die Zusammenarbeit mit Steinmetzen.

STEIN ONLINE

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Damit sich die neue Wasserstrahlschneidmaschine schneller amortisiert, können sich Stein verarbeitende Unternehmer mit Lohnschneiden ein zusätzliches Standbein aufbauen.

SCHÖNE WELT DER STEINE

STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema mineralische Werkstoffe gibt es auf facebook.com/stein.magazin

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Nachhaltigkeit im Fokus Ein Bioladen in der Schweiz hat seine ökologischen Ansprüche auch bei der Wahl der Fliesen umgesetzt.

STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de

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Badehimmel für Jedermann Mit dem Paracelsus Bad & Kurhaus ist in Salzburg eine spektakuläre Erholungsoase entstanden.

STEIN – der Newsletter Regelmäßig Neues aus der Stein-Welt, zu abonnieren auf stein-magazin.de

ZUM SAMMELN Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Silberquarzit Dunkel KUNDE

Handelsname:

SILBERQUARZIT DUNKEL (SPALTRAU)

STEINE BEARBEITEN 22

Stein and the City Andreas Kipar spricht über Innovationen in Stadtund Landschaftsplanung.

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Silberquarzit Dunkel Die STEINKUNDE stellt einen Naturstein aus Südtirol vor.

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Draußen schnell drainieren Wie Schäden an harten Nutzbelägen im Außenbereich verhindert werden können.

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Lohnschneiden lohnt sich Unternehmen, die ihre Arbeit an der Wasserstrahlschneidmaschine als Dienstleistung anbieten.

Petrografische Familie:

Quarzit Typische Farbe:

Silbrig mit blaugrauen Wolkungen Herkunftsort:

Sankt Jakob / Südtirol / Italien Liefernachweis:

Grünig Natursteine / Sterzing / Italien

Foto: Abraxas Stone Experts/Giesen

GEOLOGIE/PETROGRAFIE

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Zwischenzeitlich hat es sich auf dem Markt herumgesprochen, dass es sich bei Quarziten um Natursteine mit ausgezeichneten gesteinstechnischen Eigenschaften handelt. Deshalb werden wohl auch viele Natursteine auf dem Weltmarkt unter der Bezeichnung Quarzit gehandelt, bei denen es sich aus petrografischer Sicht um quarzitisch gebundene Sandsteine handelt. Viele dieser Sandsteine enthalten zwar den notwendigen Anteil an Quarz (mindestens 80 Prozent), doch fehlt ihnen eine ausreichende metamorphe Überprägung. Sie zählen deshalb zur Gesteinsgruppe der Sedimentgesteine, während es sich beim Silberquarzit Dunkel um einen echten Quarzit handelt, der zur Gesteinsgruppe der metamorphen Gesteine zählt. Das Primärgestein eines derartigen Quarzits war tatsächlich auch ein quarzitisch gebundener Sandstein, der sich durch die

Zwänge der Metamorphose zu einem sehr kompakten und extrem widerstandsfähigen Gestein umwandelte. Man spricht von einer Metamorphose, wenn ein Gesteinskomplex einem Druck von wenigstens vier Kilobar und einer Temperatur von wenigstens 200 Grad Celsius ausgesetzt war.

ARCHITEKTUR Silberquarzit wird in zwei verschiedenen Varietäten am Markt angeboten. In einer hellen Varietät mit Sekundärfarben, die sich überwiegend im Bereich der erdwarmen Ocker- bis Brauntöne bewegen, und einer dunkleren Varietät, deren Sekundärfarben in einem dunklen Blaugrau bis dunklen Graugrün liegen. Im Vorkommen steht überwiegend die hellere Varietät an. Die dunklere Varietät kann bei dickbankigen Lagen auch gegen das natürliche Lager gesägt werden. Dies erzeugt ein eigenständiges Dekor. Bei der Herstel-

lung spalttechnisch erzeugter Oberflächen werden natürliche, relativ durchgängige Glimmerlagen als Spaltebenen genutzt. Sie zeigen einen silbrigen Glanz (daher auch der Name), der auf Hellglimmer-Minerale zurückzuführen ist. Es handelt sich dabei um Muskovit und Serizit. Diese treten angehäuft in den Spaltebenen auf. Sollte es im Außenbereich bei der Reinigung nach dem ersten Winter zu einer Ablösung von Glimmerplättchen kommen, ist dies kein Grund zur Besorgnis. Das Gefüge des Steins wird dadurch nicht geschädigt. Es handelt sich lediglich um Ablösungen, die durch den Spaltprozess im oberflächennahen Bereich hervorgerufen wurden. Der Stein verfügt über sehr gute mechanische und chemische Gebrauchseigenschaften und kann im gesamten Innen- und Außenbereich verbaut werden. Dipl.-Ing.(FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu

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Paul Erdmann (im Bild) und seine Familie mussten mit dem plötzlichen Tod des Vaters und Firmenchefs zurechtkommen. Wie man für solche Schicksalsschläge rechtzeitig Vorsorge treffen kann.

KUNDEN GEWINNEN 46

Wert statt Preis verkaufen Wie man als Steinmetz auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten seine Preise hält.

CHANCEN NUTZEN 54

Wenn der Chef ausfällt Die wichtigsten Tipps für den „Fall der Fälle“, damit die Firma auch ohne Chef weiterlaufen kann.

PANORAMA 60

Termine, Produkte und mehr

RUBRIKEN 65 66 74

Vorschau Impressum STEINLUPE: Markus Scheffczyk (35), Inhaber von Meilenstein aus Dresden

Visionen verwirklichen. SAKRET Produkte mit System.

www.sakret.de S09| 2020


SCHÖNE WELT DER STEINE

NACHHALTIGKEIT IM FOKUS Keramik Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen unserer Zeit. Unter dieser Überschrift gestaltete ein Innenarchitekt in der Schweiz einen Bioladen um und setzte dabei unter anderem auf Bodenfliesen, die mit dem Cradle-to-Cradle-Zertifikat ausgezeichnet sind und deren niederländischer Hersteller sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Von Alexandra Nyseth

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Foto: Royal Mosa/Matthias Schneider

SCHĂ–NE WELT DER STEINE

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Die alte Theke ist nach dem Umbau des Bioladens im schweizerischen Langenthal geblieben, auch wenn sie als vormalige Kasse neue Funktionen Ăźbernommen hat

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SCHÖNE WELT DER STEINE

Vom elysischen Außenpool auf dem Dach durch alle Etagen darunter: Ziemlich zentral in Salzburg ist das spektakuläre „Paracelsus Bad & Kurhaus“ neu entstanden

Salzburger Wasserspiele Selten liegen Kultur und Natur so nahe beieinander wie in Salzburg. Die österreichische Stadt vereint diese Aspekte wie wenige Orte: Unesco-Welterbe, Residenzstadt, Salzburger Festspiele sowie der übergroße Mozart einerseits und Alpencharme mit Salzach und den Stadtbergen andererseits. Der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal schrieb 1919 während der Planungsphase zu den ersten Festspielen: „Das Salzburger Land ist das Herz vom Herzen Europas.“ Diesen Ritterschlag konnte sich die viertgrößte Stadt Österreichs erhalten – dem Denkmalschutz sei Dank, denn notwendige Veränderungen werden hier behutsam und unter Einbeziehung der gesamten städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Gegebenheiten vorgenommen. Von Dr. Sofia Glasl

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Foto: Agrob Buchtal GmbH / Michael Christian Peters

BADEHIMMEL FÜR JEDERMANN

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SCHÖNE WELT DER STEINE

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der Eingangshalle direkt eine Himmelsleitertreppe durch die darüber gelagerten Ebenen und reicht bis hinauf in die im dritten Stock gelegene Schwimmhalle mit ihrer wellenförmigen Decke. Die so gegebene natürliche Beleuchtung strömt dem Besucher entgegen und führt ihn dem Blick folgend in die oberen Etagen. So entsteht trotz der Stapelung der Nutzungsbereiche durch die verwendeten Materialien und das geradlinige Lichtkonzept ein gestalterisch einheitliches Gebäude. Erst beim Erklimmen der Treppe wird die großflächige Festverglasung erkennbar, die den Eingangsbereich von der Badewelt trennt. Vorbei an der im zweiten Stockwerk gelegenen Kasse gelangen die Besucher in den Umkleidebereich. Feinsteinzeugfliesen der Serie Savona von Agrob Buchtal markieren ab hier den Eintritt in den Nassbereich. Die Fliesensorte wird sich in den Bade- und Saunabereichen wiederholen und auch trotz der geschichteten Anordnung der Ebenen eine einheitliche und deshalb heimelige Atmosphäre erzeugen. Sowohl der Therapiebereich, die Erschließungszonen wie auch die Garderoben, Beckenumgänge und der Saunabereich wurden von den Fliesenexperten der Firma Fuchsber-

Beläge eignet wie z. B. eben in Spa-Anlagen. In Sachen Hygiene ist das Material hinsichtlich mikrobiellen Wachstums trinkwasser- und schwimmbadgeprüft nach DVGW W 270. Zur elastischen Verfugung in den normalen Bereichen ohne Spezialanforderungen wurde der jeweils passende Silikondichtstoff von Ramsauer (450 Sanitär, 440 Naturstein und 110 Acetat) verwendet. Bei höherer Beanspruchung (Schwimmbad, Duschen bei Umkleiden, Saunabereich, Küche) griff man auf die Spezialsilikone Botament CF600 bzw. SF300 zurück. Bei Bauwerksfugen oder sehr breiten Estrichfugen wurden Profile der Firma Schlüter (DilexEKSN) verwendet. Die Erschließungszonen wurden in Dünnbettverlegung gearbeitet und mit Multifuge Base verfugt, einem schlämmfähigen und schnell erhärtenden Multifunktions-Fugenmörtel mit einem sehr breiten Anwendungsspektrum im Innen- und Außenbereich, der sich besonders für Feinsteinzeug, Steinzeug und Naturstein eignet. Insgesamt wurden etwa 4000 Quadratmeter der Fliesenserie Savona, 8-Millimeter-Feinsteinzeug, in den Formaten 30x60, 20x60 sowie 10x60 verlegt. In den Umkleiden liegen 60 Zentimeter

Umgeben von variierenden Linienführungen Bahnen ziehen oder schlicht planschen: Die farblich abgesetzten Beckenränder führen das Streifenthema der Decke fort

Die spektakuläre Decke erzeugt unterschiedliche Raumhöhen und strukturiert die Halle auf außergewöhnliche, fließend anmutende Weise in mehrere Bereiche

ger in Amstetten verlegt. Projektleiter Franz Fuchsberger setzte auf das Baustoffsystem der Firma Botament. Auf die Botament-AE-Abdichtungs- und Entkoppelungsbahn wurden die Fliesen mit M-21-PremiumFlex-Kraftkleber und EF-500-Epoxidharzmörtel aufgebracht. Im Schwimmbadbereich erfolgte dies im Buttering-Floating-Verfahren. Danach wurde mit Multifuge Diamond ausgefugt, einem multifunktionalen 2K-Reaktionsharz-Fugenmörtel desselben Herstellers für Wand- und Bodenbeläge im Innen- und Außenbereich, der sich laut Produzent wegen „revolutionärer“ Farbechtheit u. a. auch besonders für anspruchsvolle

lange Fliesen im Farbton Kalk, abwechselnd in 20 und 30 Zentimeter breiten Streifen. Der freie Verband hebt sich angenehm von den oft klinisch gefliesten Umkleiden klassischer Badebereiche ab, der warme Farbton erzeugt eine natürliche Atmosphäre. Mit Rutschhemmwerten von R11 und Klasse B für nasse Böden im Barfußbereich entsprechen die Fliesen den gängigen Vorgaben, die Wandbeläge sind R10 und A klassifiziert. Die in dezentem Blau und Grün gehaltenen Kabinen wiederholen die Streifenoptik und verleihen dem Bereich in der Vorahnung des farbigen Wasserspiels eine dezent mediterrane Anmutung.

Fotos: Agrob Buchtal GmbH / Michael Christian Peters (2)

SCHÖNE WELT DER STEINE

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SCHÖNE WELT DER STEINE

Runde Sache: Von der Galerie aus hat man einen tollen Blick auf die Sudkessel. Parkett innen Eiche, außen geräucherte Eiche

Fotos: Agrob Buchtal GmbH / Christian Richters (oben), Michael Christian Peters

Ausblicke: Die umlaufende Fensterfront gewährt spektakuläre Ausblicke auf die angrenzenden Grünanlagen oder die Salzburger Altstadt und die umliegende Bergwelt

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Unter Wasser: Die gewellte Decke lässt den Badegast in eine eigene Welt eintauchen. Die weiß glänzenden Fliesen reflektieren das Türkis der Pools

Zurück auf der Himmelsleitertreppe lässt der letzte Aufstieg die Badegäste regelrecht in der von natürlichem Licht durchfluteten Schwimmhalle auftauchen. Besonders beeindruckend wird dieser Gang durch die sich frei durch die Halle windende Anhangdecke: Weiße Keramikfliesen führen sowohl die von den Fassadenlamellen erzeugten Streifen als auch die organische Wellenbewegung der Fensterfront weiter. Diese spektakuläre Wellendecke erzeugt variierende Raumhöhen und unterteilt die Schwimmhalle natürlich in verschiedene Bereiche: Sport-, Familien- und Sprungbecken werden somit von den

kalkfarbenen Fliesen der Serie Savona im freien Verband und der weißen Keramikdecke sanft zusammengehalten. Die raumhohen Fensterfronten eröffnen einen ungehinderten Blick auf den Kurgarten und die Salzburger Altstadt. Alfred Berger legte bei der Gestaltung der Schwimmhalle besonderen Wert auf das Lichtkonzept. Inspiriert von der Skulpturenserie „Elogio de la Luz“ des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida bot sich die gestapelte Struktur des Kurhauses für ein bewusstes Spiel mit Volumen und leerem Raum wie auch mit Ein-, Durch- und Ausblicken an. Die kompakte Form des Gebäudes vermittelt auf den ersten Blick eine Schwere, die durch das scheinbar schwebende und in seiner Wellenbewegung nicht greifbare Dazwischen der Glasebene eine unerwartete Leichtigkeit erhält. „Die Aufgabe war, mit dem Stiegenweg so durch das Volumen zu brechen, dass man in diagonaler Richtung aufsteigend direkt unter der großen Lichtkuppel die Badeebene erreicht und kontinuierlich auf das Licht zugeht.“ Die Entscheidung, das Bad durchgängig mit Keramikfliesen zu gestalten, fiel für Alfred Berger auch aus

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STEINE BEARBEITEN

Tagsüber, nachts und in der Dämmerung: Die Menschen in Mailand genießen die neue Piazza während der Arbeitspausen und in der Freizeit

Foto: Nicola Colella

chen Raum hier aus? Unsere Wahrnehmungen haben dann zu den Grundelementen des Entwurfs geführt. Und Natursteine waren eines der Grundelemente? Exakt. Bei unserem Projekt Piazza Gae Aulenti haben wir sehr großen Wert auf das Pavement gelegt, auf die Oberfläche. Die Gae Aulenti ist ein Beispiel dafür, dass wir mit Naturstein, in diesem Fall vor allem Pietra di Luserna, sehr bewusst gestalten können, ohne monoton zu werden. Und dafür, dass wir mit ein und demselben Material unterschiedlich umgehen können. Luserna Gneis wurde in den Bergen des Piemont, südwestlich von Turin, bereits im elften Jahrhundert abgebaut. Zum Inneren hin haben wir die Formate der Platten im Kreis leicht geändert, die aber dennoch miteinander verbunden sind. Dem entgegen steht der weiße Biobeton, aus dem in Spanien nach unseren Entwürfen Bänke mit amorphen Formen gegossen wurden. Dieses Zusammenspiel zwischen der Klassik der Natur und der Innovation der Moderne bringt eine eigene Dialektik hervor. Dabei ist die sensible Dosie-

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rung ganz, ganz wichtig. Viele Besucher fühlen sich an den Mailänder Domplatz erinnert, obwohl die Piazza Gae Aulenti inmitten moderner Hochhäuser liegt. Inwiefern haben Sie diese Assoziationen bezweckt? Tatsächlich wollten wir etwas von der Atmosphäre, die wir vom historischen Domplatz her kennen, hier mit einfließen lassen. Alle dort vorgefundenen formalen Variationen – klein, groß, polygonal, quadratisch, rechteckig, geritzt, nicht geritzt, geschliffen, nicht geschliffen – sollten auf einem Platz zusammenkommen, und dies in einer intelligenten Art und Weise. So haben wir den Geschichtsduktus vom Domplatz in eine andere Form überführt. Darin liegt der Grund, dass der Aufenthalt auf der Piazza Gae Aulenti solche Assoziationen hervorruft. Derzeit ist in Europa Naturstein aus Übersee beliebt, etwa Padang aus China oder brasilianische Quarzite. Auf der Piazza Gae Aulenti wiederum

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STEINE BEARBEITEN

Aufbrausend: Fontänen erfreuen Groß und Klein. Die Entwässerung wurde smart in die Dehnungsfugen des Bodenbelags integriert

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stein um? Man muss recyceltes Material ja nicht immer flächenhaft über alles streuen. Es gibt den schönen Begriff „Intarsien“, der eigentlich eine Einlegearbeit von Holz in ein anderes Holz meint. Wenn wir ab und zu „steinerne Intarsien“ als Statements unseres lokalen Materials einfügen, während der Rest aus recyceltem Material, etwa Resin-Harz, besteht, dann stellt sich beim Betrachter ein Gefühl der Wertschätzung ein. Auf dem Boden der Piazza Gae Aulenti fallen Ritzen auf. Die haben offenbar nicht nur eine ästhetische Qualität? Ja, in der Tat. Wir haben die Dehnungsfuge mit der Entwässerung spielerisch gekoppelt. Wo immer heute Flächen versiegelt werden oder ein Bodenbelag geplant wird, ist mehr denn je die Entwässerung und Versickerung mitzudenken. Das Thema Wasser wird in unseren Städten ja immer wichtiger, etwa aufgrund häufigeren Starkregens. Zugleich spielt die Ästhetik eine große Rolle. Es

Foto: Nicola Colella

wurde neben überwiegend lokalen Materialien auch Stein aus Madagaskar verwendet ... Es ist eine Frage des Preises, wer wo was anbietet. Doch wenn wir in Europa wirklich eine Kreislaufwirtschaft anstreben, werden wir in Zukunft aus Übersee importierte Steine sicher seltener einsetzen. Auftraggeber und Öffentlichkeit werden öfter fragen, woher die Materialien stammen. Uns kommt das entgegen, denn wir glauben, dass ein lokales Verorten aus vielen Gründen wichtig ist. Nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit: Lokalität ist ein Statement, eine Haltung. Im deutschen Raum ist bereits eine Trendwende spürbar. Ein gewisser Hang zur Lokalität zeichnet sich hier bereits ab. Bauherren und Investoren setzen vermehrt auf Materialien aus der Region, aus der Nachbarschaft. Hier sprechen wir von der Bildung einer Identität. Einer Identitätsbildung im und mit dem Ort. In allen Projekten, an denen wir bei LAND aktuell arbeiten, stellt sich die Frage: Wie gehe ich mit recyceltem Material um, wie gehe ich mit lokalem Natur-

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STEINE BEARBEITEN

Außenverlegung Die Verwendung von Keramik, Natur- oder Betonwerkstein zur Bekleidung von Balkon-, Terrassen- und anderen Außenflächen bildet seit jeher ein Gewerk, das in Schadensstatistiken und Erhebungen über Häufigkeiten von Baumängeln auf den vorderen Plätzen rangiert. Die hohe Qualität bauchemischer Verlegeprodukte und die Errungenschaften technischer Systemanbieter vermochten es bisher nicht, die Schadensrisiken auf ein tolerables Maß zu senken. Von Marcus Winkler

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Foto: Mapei

DRAUSSEN SCHNELL DRAINIEREN

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STEINE BEARBEITEN

Funktioniert nicht nur bei klein-, sondern auch großformatigen mineralischen Belägen: ein gut durchdachtes Drainagesystem

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rüher gab es solche Probleme nicht!“ Wer kann schon von sich behaupten, diese allseits bekannte Weisheit selbst nicht auch schon – entweder mehr oder weniger laut – bemüht zu haben? Im Fliesen- und Natursteinhandwerk jedenfalls stößt man häufig auf diese oder ähnlich klingende Aussagen, wenn es um Verlegearbeiten auf Balkonen und Terrassen geht. Früher – auf jeden Fall bis gegen Ende der 1980er-Jahre – wurde das Gros an Bekleidungsarbeiten in Außenbereichen mit vergleichsweise kleinformatigen, stranggezogenen Belagsmaterialien ausgeführt. Fugenbreiten von acht bis zehn Millimetern haben den Bauherrn kaum gestört. Dass derartige Ausführungen zu keinen Reklamationen geführt haben sollen, dürfte sicherlich eher unserem im Laufe der Zeit verblassenden Erinnerungsvermögen geschuldet sein. Denn die poten-

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ziellen Ursachen für Schäden an harten Nutzbelägen in Außenbereichen, also im Wesentlichen die jahreszeitlich bedingten großen Temperaturschwankungen und vor allem Feuchtigkeitseinwirkungen, gab es „früher“ ja auch schon. Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Anteil an Schäden im Laufe der Zeit deutlich gestiegen ist. Eine spürbare Zunahme an Beanstandungen fällt hierbei mit dem Aufkommen sehr dicht gebrannter keramischer Materialien im Markt zusammen. Die extrem geringe Wasseraufnahme des so bezeichneten Feinsteinzeugs erschwerte seinerzeit die Ausbildung einer ausreichenden Anhaftung der verwendeten Klebemörtel an den Rückseiten dieser Erzeugnisse. Die somit geringere Verbundhaftung senkte die Belastbarkeit der Konstruktionen gegenüber den natürlichen Einwirkungen im Außenbereich. Die Folgen waren vermehrt

auftretende Hohllagigkeiten und andere Schäden. Um Abhilfe zu schaffen, intensivierten die Hersteller bauchemischer Produkte ihre Bemühungen, die Adhäsionsklebfähigkeit ihrer Verlegemörtel zu erhöhen. Von der Verwendung neuartiger Polymere, über Erhöhungen der Kunststoffgehalte bis hin zur Entwicklung zweikomponentiger Klebesysteme wurde kein Aufwand gescheut, den Anforderungen sehr dichter Belagsmaterialien gerecht zu werden. Gleichzeitig sagte man der Hauptschadensursache – dem Wasser – verstärkt den Kampf an. Spezielle Dichtungsschlämmen und ein stärkeres Augenmerk auf eine handwerkliche Ausführung mit besonderer Ausrichtung auf hohlraumarme Verlegungen rundeten das Maßnahmenpaket ab. Trotz aller Unkenrufe ist diese als Verbundkonstruktion bezeichnete Ausfüh-

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KUNDEN GEWINNEN

Steinmetz- und Steinbildhauermeister Niklas Neitsch setzt auf hohe handwerkliche Qualität und Schnelligkeit. Die Zahlungsbereitschaft für diesen Mehrwert ist bei den Kunden da (siehe Porträt ab Seite 52).

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eil im Lockdown auch das Angebot massiv zurückgefahren wurde, blieben die Preise in der Corona-Krise bislang weitgehend stabil. Doch nun, da die Kunden und Aufträge zurückkehren, geht das Rabattgeplänkel wieder los. Natürlich auch befeuert durch die Mehrwertsteuersenkung, die – über den Hebel Preis – den Absatz für den Rest des Jahres

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branchenübergreifend ankurbeln soll. Nimmt der Preisdruck jetzt also tatsächlich zu? Und, wenn ja, was tun, wenn die Kunden verhandlungslustiger werden?

DIE NACHFRAGE ZIEHT WIEDER AN Hier hilft zunächst ein Blick auf die aktuelle Lage. Die gute Nachricht: Im Handwerk verbessert sich seit dem

Lockdown im März die Stimmung von Monat zu Monat. In der zum Redaktionsschluss vorliegenden fünften Corona-Umfrage des ZDH gaben bereits 41 Prozent der Unternehmen an, dass ihr Umsatz im Mai 2020 genauso hoch war wie im Vorjahresmonat. Bei 17 Prozent war der Umsatz sogar höher. Zudem erwarten die allermeisten Unternehmen spätestens zum Jahresen-

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KUNDEN GEWINNEN

WERT STATT PREIS VERKAUFEN

Foto: Seliger Brands GmbH

Preisgestaltung Gute Preise brauchen eine exzellente, zeitgemäße Positionierung. Wie Sie Ihre Preise auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten halten. Von Annette Mühlberger

de eine weitgehende Stabilisierung ihrer Auftragsbestände. Auch der BIV hat seine Corona-Sonderumfrage aktualisiert und im Juni ein Update herausgegeben. Danach beklagen 39 Prozent der Betriebe einen Umsatzrückgang. 37 Prozent berichteten von einem Rückgang des Neugeschäfts, Stornierungen und Projektverlegungen. Wirtschaftlich gefährdet sieht sich im Moment

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hingegen nur ein kleiner Teil der Steinmetze: 81 Prozent schätzen ihre wirtschaftliche Lage hingegen als stabil ein.

WAS BRINGT DIE MEHRWERTSTEUERSENKUNG? Seit Juli gelten die neuen Mehrwertsteuersätze für alle Umsätze, die zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezem-

ber 2020 erbracht wurden und werden. Ausschlaggebend für den Leistungszeitpunkt auch von Teilleistungen ist dabei der Tag der Abnahme bzw. des Abschlusses der Leistung. Bei Materiallieferungen entscheidet der Tag, an dem der Versand beginnt. Wenn Kunden von dem niedrigeren Steuersatz bis zum Jahresende profitieren wollen, Projekte aber bis dahin

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CHANCEN NUTZEN

Michaela Erdmann und ihr Sohn Paul führen zusammen mit den Mitarbeitern den Steinmetzbetrieb nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes und Vaters weiter. Hier besuchen der Landesinnungsmeister Thüringens Matthias Hoff und seine Stellvertreterin die Firma anlässlich des 100-jährigen Bestehens. V. l. n. r.: Michaela Erdmann, Matthias Hoff, Paul Erdmann, Christiane Köpler

WENN DER CHEF AUSFÄLLT Unternehmensführung Es kann passieren, dass der Firmeninhaber für längere Zeit oder gar für immer ausfällt. Jedoch verdrängen viele Chefs dieses Szenario. STEIN hat mit einer Unternehmerin gesprochen, die zusammen mit ihrem Sohn nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes den Steinmetzbetrieb erfolgreich weiterführt. Von Alexandra Nyseth

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CHANCEN NUTZEN

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oronavirus, Verkehrs- oder Arbeitsunfall oder auch Herzinfarkt: Ganz plötzlich können Betriebsinhaber ausfallen. Laut Statista werden etwa 29 bis 41 Prozent der heute 30- bis 50-jährigen Erwerbstätigen vor ihrer Rentenzeit berufsunfähig. Doch eine Umfrage von „The Alternative Board“ unter 165 Firmenchefs in KMU besagt, 81 Prozent der Betriebe hätten keinen Notfallplan, der regle, wie der Betrieb beim plötzlichen Ausfall des Unternehmers aufrechterhalten werden könne. Auch für Michaela Erdmann vom Steinmetzbetrieb Steinmetz Erdmann im thüringischen Bad Berka war der plötzliche und unerwartete Tod ihres Mannes Thomas mit Ende vierzig vor drei Jahren nicht vorhersehbar. Er war der Chef des zwischenzeitlich schon in fünfter Generation geführten Steinmetzbetriebs.

Foto: Paul Erdmann

VOLLMACHT ALS DAS „A & O“ Michaela Erdmann arbeitete in ihrem eigentlichen Beruf als Betriebswirtin schon immer etwas verkürzt, sodass ihr Mann froh war, dass sie im Steinmetzbetrieb gewisse Dinge abfangen konnte. „Ich war also jeden Tag in der Firma präsent und hatte entsprechende Einblicke“, erinnert sich Michaela Erdmann. „Die Arbeit hier im Betrieb meines Mannes habe ich immer als mein persönliches ehrenamtliches Engagement bezeichnet – damals für meinen Mann, heute für meinen Sohn Paul, der die Firma übernommen hat. Das war unser großes Plus insbesondere nach dem Tod meines Mannes.“ Die Erdmanns hatten, auch aufgrund einiger Alzheimerpatienten in der Familie, schon früh über Vollmachten gesprochen. Michaela Erdmann erläutert: „Wir waren uns glücklicherweise einig, wer was machen darf, aber wir hatten unsere Ergebnisse noch nicht notariell beglaubigen lassen.“ Der Steinmetzbetrieb Erdmann befand sich mit seinen Mitarbeitern kurz vor dem plötzlichen Tod des Chefs und einige Zeit danach im absoluten Ausnahmezustand. „Trotz dieser Extremsituation habe ich an dem Tag, an dem mein Mann notoperiert wurde, sofort den Notar angerufen, der dann ins Krankenhaus kam. Wir haben vor Ort die Generalvollmacht unter Dach und Fach gebracht, denn mein Mann war zu diesem Zeitpunkt noch Herr seiner Sinne, danach wäre es nicht mehr möglich gewesen. Diese Generalvollmacht hat mir sowohl in der Krankheitsphase als auch in der Zeit nach seinem Tod das Leben gerettet. Denn auch die Banken lassen nicht mit sich reden, wenn man keine Generalvollmacht vorweisen kann. Die Konten werden oft so lange gesperrt, bis der Erbschein eintrifft, was mehrere Wochen

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