Stein 12 2010

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Zeitschrift f端r Naturstein

Chefsache

Maschinen sicher betreiben

Gestalten

Friedhofstagung in N端rnberg

Baustelle

Hotel in Norwegen

Alles Granit

Dezember 2010 www.s-stein.com


Inhalt

Nachrichten 10

Es gibt Regionen in Europa, die bekannt sind für ihren Granit. Galizien, der Norden Portugals, der Sidobre, die Insel Sardinien, der Süden Finnlands – Geschichte und Geschichten dieser traditionellen Regionen der harten Steine.

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Granit kann auf viele Weisen bearbeitet werden, viele Oberflächen sind machbar. STEIN hat sich bei Granitproduzenten umgehört und zeigt einen Überblick der momentan erhältlichen Granitoberflächen.

Meister heißen – Meister sein Philosophin und Ökonomin Christine Ax über die Zukunft der Handwerker

Gut zu wissen 12

Angesprochen Marktnischen behaupten

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Chefsache Maschinensicherheit im Fokus

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Chefsache Zeichnen und Präsentieren

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Vor Ort Tag der Steine in Berlin

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Sehen lernen Torgau: ein Fürstenhof der Renaissance

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Steinmensch Diplomrestauratorin im Steinmetzbetrieb

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Mobil Palenque in Mexiko

Gestalten 19

Den Friedhof als Ort gestalten Ergebnisse der Bayerischen Friedhofskulturtagung in Nürnberg

Baustelle Feldspat, Quarz und Glimmer – oder was Sie noch alles über Granit wissen sollten, damit Sie Ihre Kunden kompetent beraten können.

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55 Das Farris Bad Spa Hotel

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Spa aus Stein Das Farris Bad Spa im norwegischen Larvik ist eine Reminiszenz an regionalen Stein.

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Naturstein zum Abheben Ein spezieller Natursteinbelag für das Verlegen im Flugzeug

in der südnorwegischen Stadt Larvik ist nicht nur ein komfortables Wellnesshotel, sondern auch eine Reminiszenz an die Steine der Region. Sowohl außen als auch innen dominieren sie das Erscheinungsbild des Gebäudes.

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Titel: Muralla Nazarí in Granada von Architekt Antonio Jiménez Torrecillas, Granada

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Alles Granit 30

Granit vom Ort Granite aus Deutschland und Österreich

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Harte Europäer Eine Reise durch europäische Granitregionen

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Granit mit Geschichte Ein Unternehmen aus dem Mühlviertel

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Villa im Grünen Granit für eine Villa am Ammersee

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Aufgebürstet & abgeledert Oberflächenbearbeitungen für Granit

• Doppelisolierung zwischen Stromleiter und äußerem Gehäuse

Feldspat, Quarz und Glimmer ... Was Sie über Granit wissen sollten.

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Granit

Deutschland und Österreich sind steinreich. Ecco, si, si sagen die »GranitIngenieure« auf Sardinien. Aber harte Steine, die gibt es in Germania und Austria doch kaum. Keine großen Blöcke, keinen richtigen Granit eben. Das stimmt so nicht.

Granit vom Ort

Von Willy Hafner

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s gibt sie doch, die harten Steine! Denn: kein Mittelgebirge ohne Granit. Ob im Harz, im Schwarzwald, in Bayerns Osten, der Lausitz oder im Waldviertel in Österreich: Wo Berge sind, da gibt es auch Granit. Variskisches Gebirge heißt die geologische Formation, ein Rumpfgebirge, das sich durch ganz Mitteleuropa zieht: von den Vogesen bis zu den Ardennen, vom Spessart bis in den Thüringer Wald, vom Harz bis nach Böhmen. Feldspat, Quarz und Glimmer heißen die Mineralien, die den Granit machen. Hellgrau, Dunkelgrau, Graublau, Blaugrau und Gelbgrau – das sind die Farben der harten Steine. Fast so blau wie so mancher brasilianische Granit und fast so gelb wie die berühmten Gneise aus Brasilen können die Steine sein; meist fein- bis mittelkörnig und ohne erkennbare Richtung ist ihre Struktur homogen und einheitlich. Als 800 Grad heiße Magmamasse wurden sie vor 300 Millionen Jahren in die darüberliegenden Erdschichten gepresst. Als die Alpenfaltung vor 60 Millionen Jahren einsetzte, wurde dieser Gebirgssockel als Ganzes herausgehoben. Die Steine wurden gefaltet, verworfen und verschoben – dies macht den Abbau heute nicht leichter. Die Mineralien bestimmen die Farbe der Steine. Die Feldspäte machen das Grau, dunklere Glimmerteilchen sorgen für den Kontrast und die Verwitterung an der »frischen Luft« macht die Steine so schön gelb. Einst hatte man mit diesen Steinen Straßen gepflastert, Brücken über

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Flüsse gespannt und den Mächtigen in aller Welt damit Denkmäler gesetzt. 20 000 Tonnen, 50 000 Tonnen, 100 000 Tonnen, jährlich wurden es mehr. Die Eisenbahn hatte die Steine mobil gemacht. Plötzlich fanden sie ihren Weg in die Stadt. Die Straßen der Städte mussten sauber werden für die schicken Schuhe der feinen Damen, und die Straßen der Länder mussten schneller werden für die »Aufmärsche der Vaterlandsverteidi-

ger«. Nichts war härter als diese harten Steine. In Berlin, Hamburg, Dresden, Leipzig oder Wien liegen sie noch heute: gespaltene Platten mit gestockter Oberfläche für die Einkaufsboulevards der aufstrebenden Metropolen. 1 000 Tonnen für 1 000 Jahre. Ein eher dunkles Kapitel dieser Natursteingeschichte. Nach zwölf Jahren waren die 1 000 Jahre zum Glück vorbei. Und: Im Westen war der harte Stein gründlich out – allenfalls gut für neue Brücken

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Granit

Hintergrund

Politur made in Germany In Weißenstadt hatte Erhard Ackermann Mitte der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts ein brauchbares Granitpoliermittel erfunden: eine Mischung aus Quarzsand, Korund und gebrannter Eisenoxydmasse. Mithilfe dieser Stoffe als Schleif- und Poliermittel ließen sich hochglänzende, glatte Granitflächen herstellen. Polierte Granitwaren aus Fichtelgebirgsgranit waren bald in ganz Deutschland bekannt. Das königlich-bayerische Hofbauamt wurde auf den polierten Granit aufmerksam: Unter Zuspruch König Ludwigs I. erfolgte um 1850 die Bestellung von 72 fünfeinhalb Meter hohen Granitsäulen aus poliertem Fichtelgebirgsgranit für die im Bau befindliche Befreiungshalle in Kelheim. Es entstanden die ersten Natursteinbearbeitungsmaschinen. Die Wandlung von der ursprünglichen Steinmetzwerkstatt zum Natursteinindustriebetrieb war vollzogen.

und Straßen, die helfen sollten, das Wirtschaftswunder in Gang zu bringen. Noch hatte Naturstein wenigstens im Tiefbau Konjunktur, doch dann war auch hier Beton Material der Wahl. Billiger, moderner, ohne belastende Vergangenheit; was dem Hochbau recht war, war dem Tiefbau billig. Dort, wo einst Pflastersteine gebraucht wurden, sorgten nun einheitliche Teerdecken für Sauberkeit und Ordnung. Außerdem waren andere

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Steine gefragt. Entscheidend für die schwierige Marktsituation war jedoch der fast völlig zum Erliegen gekommene Export ins Ausland und die eher begrenzte Farbpalette der Granite. In den USA bestimmen, wie im Rest der Welt, die italienische Konkurrenz und die bunten Gneise aus Brasilien, Indien oder die weitaus billigeren Granite aus China das Bild. Richtig große Granitblöcke gibt es in Deutschland nur in der Oberpfalz,

sagen jedenfalls die Oberpfälzer. Flossenbürger, Roggensteiner heißen dort die Steine. Gatterblöcke haben nur wir, verkünden sie stolz; drei Meter lang, 1,60 Meter breit und 1,20 Meter dick. Wir können aber auch größer, so die Antwort auf die Frage, wo denn die Grenze sei. Die Grenzen, das sind die natürlichen Lager im Steinbruch und die Tragkraft der SchwerlastKrane. Südlich, im Bayerischen Wald, in Patersdorf, Nammering, Fürstenstein und Hauzenberg, sieht der Stein ganz anders aus. Die Gemengeteile sind hier regelmäßig angeordnet. Das richtungslose Material hat Gänge – Feldspatverdichtungen, kaum wahrnehmbar und doch von eminenter Bedeutung. Die Granite »im Wald« lassen sich besonders gut spalten. Pflastersteine, Bodenplatten, Randsteine, das waren und sind vermehrt wieder die Cash-Cows. Werksteine, Bausteine, Hochbauprojekte, das war und ist nicht die Sache der »Leute vom Wald«. Im Norden, im Fichtelgebirge, da saßen einst die Grabstein-Macher. Vor

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Granit

Harte Europäer Es gibt Regionen in Europa, da ist alles aus Granit: die Häuser, die Kirchen, die Wege, ja sogar die Dächer. Galizien in Spanien, der Norden Portugals, der Sidobre in Frankreich, die Insel Sardinien, der Süden Finnlands – Geschichte und Geschichten dieser traditionellen Regionen der harten Steine. Eine etwas andere Steinreise von Willy Hafner, Anne-Marie Ring, Richard Watzke, Werner Schwate und Ariane Suckfüll

Galizien: Granit mit Tradition Galizien war und ist (wieder) eine Welt in Granit. Granit war in dieser Region »der Stein für alles«. Die berühmte Kathedrale in Santiago de Compostela, die Brücken »am Weg« – am langen Camino de Santiago – oder die einst von den Mönchen aus Cluny gebauten Pilgerherbergen, alles wurde in Galizien aus diesen harten, feinkörnigen, leicht gelblichen, grauen oder rötlichen Steinen gebaut; massiv, archaisch, unverwüstlich. Wer pilgert, der muss leben, und Galizien lebte von den Pilgern; gar nicht schlecht sogar. Doch dann brachten die Aufklärer aus Paris und Weimar im 18. Jahrhundert den einst schier endlosen Zug der Pilger zum Heiligen Jakobus zum Stillstand. 500 Jahre hatte die Große Wallfahrt zum Grab von »Santiago Matamoros« gedauert. Danach brauchte man plötzlich keine neuen Häuser mehr. Die Kirchen hatten ausgedient. Die Wirtsstuben blieben leer, die Betten in den Herbergen unbenutzt. Die Wallfahrt war aus. Die Pilger und die »Devisen« blieben weg. Es blieb das Meer, der Wind, reichlich Fisch, die harten Steine und eine wirklich schöne Geschichte: Zwei junge Architekten gewinnen 1918 den Wettbewerb zum Neubau des Palacios de Cominicaciones mitten in Madrid. Antonio Palacios Ramilo und Joaquin Otamendi Machimbarrena stehen damals am

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Die Musikakademie in Santiago de Compostela: zeitgenössische Granitarchitektur in Galizien des spanischen Architekten Antón García-Abril

Beginn ihrer Karriere und heute für eine ganz bestimmte Epoche der spanischen Architektur im 20. Jahrhundert. Ramilo baute klassizistisch, »weitestgehend monumental«, wie er selbst schreibt und natürlich mit Granit. Soweit ist die Geschichte bekannt. Weniger bekannt ist der Cousin von Palacios Ramilo. Alfons Ramilo, Steinbruch-Besitzer aus Porriño, Weltenbummler und Jung-Unternehmer. Seit 1920 betreibt er Steinbrüche und Natursteinwerke in Galizien. In Argentinien hatte er gesehen, wie man aus Blöcken Platten macht. Sein bester Kunde ist natürlich der berühmte Cousin aus Madrid. Zu Hause in Porriño braucht man jetzt die Steinmetzen. Sie sägen und meißeln für die

Die Kathedrale von Santiago de Compostela steht über einer Grabstätte, die dem Apostel Jakobus zugeschrieben wird. Die Granitfassade stammt aus dem 17. Jahrhundert.

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Granit

In Portugals Norden

Rosa Porrino ˜ aus Spanien

Silvestre aus Spanien

neue Architektur; keine Kirchen mehr natürlich. Auf dem Plan stehen auch in Spanien die Ikonen des Fortschritts: Postämter, Bahnhöfe und Büros. Vor 50 Jahren noch war in Galizien der Markt spanisch; lokal und regional. 100 Kubikmeter Granit wurden im Jahr in Porriño aus den Brüchen geholt. In den 1990er-Jahren waren es 2 000 Kubikmeter täglich, und dies fünf Tage die Woche, über 200 Tage im Jahr. Über eine Million Tonnen Granit wurden damals jährlich in Galizien gewonnen; mit modernster Technik. Granitabbau ist Hightech. Die einst bekannten Bohrlafetten sind verschwunden; die lauten Feuerlanzen verbannt. Diamantseilsägen machen

In einem spanischen Granitbruch: Die Blöcke werden wie Tortenstücke aus der Wand geschnitten und anschließend in gattergerechte Maße zerteilt.

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die schwere Arbeit fast geräuschlos, und dies bei Tag und Nacht. Früher lebten die Leute in Galizien vom Fisch und bauten mit Stein. Dann lebten die Leute vom Stein. 5 000 Beschäftigte wies im Jahr 2 000 die Statistik aus; 1 500 davon arbeiteten in den Steinbrüchen. Staatlich gefördert waren viele dieser Produktionsstätten. Auch die Regierung in Madrid hatte erkannt, dass es mehr Steine gibt als Fische. Leer gefischt sind viele der traditionellen Fanggebiete. Vom Fisch zum Stein, das war ein typischer Umschulungsweg. In Porriño wurde eine Schule eröffnet. Dort soll man alles über Granit lernen; über die Brüche und über die Weiterverarbeitung; Schneiden, Sägen, Polieren, Kalibrieren. Die Technologie ist da. In Galizien stehen noch immer 400 Granitgatter. Doch heute kommt der Granit aus dem Osten; 65 Prozent aus China. Aber es gibt auch Argumente: In den galizischen Steinbrüchen gibt es keinen Abfall. Der Abraum wurde ganz natürlich beseitigt. Die Hochwasser des Miñho und der anderen Flüsse haben die Erde mitgenommen. Was bleibt, ist der harte Stein. Was nicht zu Blöcken zu gattern ist, wird zu Schotter zermahlen oder wieder Werkstein. Denn heute baut in Galizien, wer es sich leisten kann, wieder mit richtigen Steinen. Dicke Wände lassen im Winter die Kälte und im Sommer die Hitze draußen. »Schöner wohnen« auf Galizisch.

Die Nachfrage nach Stein stagniert in Portugal. Es gibt – nachdem die britischen und amerikanischen Schuhund Lederfabrikanten lieber im Osten Europas fertigen und der Granit aus China kommt – wieder Arbeitslose. Es ist wie überall in Europa: Graue und gelbe Granite liefern die Chinesen unschlagbar billig. Roten Granit will heute keiner mehr und außerdem haben die Architekten in Amerika, Europa und Asien plötzlich andere Steine für sich entdeckt. Warum also in Portugal

Die Bruchwand im Granitbruch SPI. Deutlich sind die Spuren der verschiedenen Abbaumethoden zu erkennen. Heute wird umweltschonend mit modernen Diamantseilsägen abgebaut.

nach Graniten suchen, die auf den ersten Blick ganz ähnlich aussehen wie die billigen Steine aus China, Spanien oder Sardinien. Doch wie so oft bei Stein lohnt ein zweiter Blick. Unterwegs in Portugal: Die Straßen sind, dank der großzügigen »Spenden« aus Brüssel, prächtig ausgebaut. Die weiß getünchten Fassaden der Häuser wurden in den letzten Jahren renoviert und aufgefrischt. So müssen Häuser sein, denkt man sich: einen Meter dick die Wände, kleine Fenster, die Hitze und Kälte draußen halten, große Räucherschornsteine und niedrige Dächer. Sie wirken wie Waggons eines endloses Zugs. »Substanzielle Architektur« eben. Doch nicht nur die alten Häuser haben Substanz, mehr

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Granit

Aufgebürstet & abgeledert Granit kann auf viele Weisen bearbeitet werden, viele Oberflächen sind machbar. STEIN hat sich bei Granitproduzenten umgehört und zeigt einen Überblick der momentan erhältlichen Granitoberflächen. Von Michael Senn Kösseine Granit mit AquapowerOberfläche am IBM-Gebäude in Zürich

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ede Gesteinsart hat ihre Spezialitäten, die sie auszeichnen oder auch limitieren. Sei es, was ihre Eignung angeht, ihre daraus resultierende Verwendung oder eben die Oberflächen, die sich in ihr realisieren lassen. Damit sind nicht nur technische Machbarkeiten gemeint, sondern in erster Linie, ob etwas sinnvoll ist. So ist es wenig verwunderlich, dass man auch den Granit nur in einer Auswahl aller prinzipiell möglichen Oberflächen bekommen kann. Doch wie in jeder Branche sucht man auch in der Natursteinbranche nach neuen Möglichkeiten.

Tittlinger Feinkorn, satiniert

Die Klassiker Poliert: Diese Oberfläche, mutmaßlich immer noch eine der beliebtesten Verarbeitungsweisen des Granits, bringt viele Vorteile. Tausende Grabmalkunden oder auch Freunde der Küchenarbeitsplatte aus einem stark beanspruchbaren Naturstein schätzen ihren polierten Granit aus hauptsächlich zwei Gründen: Man kann das Material so schön sehen und es ist äußerst pflegeleicht. Durchaus stellt die Tatsache, dass die Oberfläche maximal glatt ist, einen gewissen Vorteil dar. Vielerlei Verschmut-

zungen oder auch Umwelteinflüsse perlen nahezu rückstandsfrei von ihr ab. Nachteil ist die für Kenner eher tot anmutende Oberfläche und die schon fast in Richtung Entmaterialisierung gehende Spiegelwirkung, vornehmlich bei dunkleren Granitvertretern. Für Verfechter zeitgenössischem bildhauerischen Anspruchs kommt die blanke Politur meist nicht mehr in Frage. Geschliffen: Diese sehr breit gefächerte Bearbeitungsart kann so ziemlich alles sein. Von einem zweifellos edel anmutenden Mattschliff, der kurz unterhalb der Politur das Material

Kösseine Granit, Aquapower

Oberfläche in Reinform: gespalten

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Granit

nahezu kratzerfrei zeigt, bis zu einer ziemlich grob daher kommenden ebenen Fläche, durchzogen von allerlei Riefen. Bei den eher gröberen Vertretern dieser Oberflächengattung stehen meist Rutschfestigkeitsanforderungen im Vordergrund, die im überwiegenden Fall zulasten der Optik gehen, oder wirtschaftliche Zwänge. Diamantgesägt: Je nach Qualität der verwendeten Säge beziehungsweise des Blatts hin und wieder nicht von den geschliffenen Oberflächen zu unterscheiden, außer durch die gelegentlich vorkommenden Sägeriefen. Dementsprechend bisweilen auch zu glatt für Bodenbeläge im Außenbereich, wenn keine nachträgliche Aufrauung erfolgt.

jeder Pflasterstein, wenn er denn den Anforderungen der TL Pflaster entsprechen will, nochmals in die Hand genommen werden muss, um ihn zu kontrollieren und gegebenenfalls händisch in den Toleranzbereich zu bringen. Das kostet Zeit und stellt inländische Granitproduzenten vor nahezu unlösbare Probleme, was den wirtschaftlichen Wettbewerb angeht. Denn jeder Handgriff öffnet die Schere zwischen inländischem und ausländischem Lohngefälle weiter. Und trotz aller Beteuerungen werden öffentli-

sonnen, der für zahlungswillige Kunden tätig ist. Gespitzt: Eine der schönsten Oberflächen, die sich im Granit realisieren lassen. Und wirtschaftlich betrachtet so ziemlich das unwirtschaftlichste, was heutzutage in Granit gemacht werden kann, vorausgesetzt die handwerkliche Bearbeitung erfolgt im Inland. Gestockt: Dank Maschinenstocktechnologien eine bezahlbare, ergo gerne genommene Oberfläche in Granit. Eine gestockte Bearbeitung erfüllt

Fürstensteiner Granit, satiniert

Die Handwerklichen Gespalten: Ursprünglichkeit in seiner Reinform, treffender kann Granit schwer inszeniert werden. Leider aber nur bedingt realisierbar, wenn man sich innerhalb einer bestimmten Maßhaltigkeit bewegen muss. Das dürfte jeder verstehen, der mit einem Sprengeisen in der Hand überrascht schaut, weil der Riss auf der anderen Seite des Steins so gar nicht dort angekommen ist, wo er eigentlich hätte ankommen sollen. Dieser Umstand betrifft das individuell gestaltete Grabzeichen, das laut Friedhofssatzung eben nur ein klar benanntes Maximalmaß haben darf, der Granit sich beim Aufbrechen aber leider nicht daran hält, genauso wie den kleinen Pflasterstein. Denn auch beim gewöhnlichen Pflasterstein bleibt das Prinzip das gleiche, wenn auch in kleinerem Maß, und war jahrhundertelang kein Problem. Jetzt aber ist es eines laut der technischen Lieferbedingungen für Bauprodukte zur Herstellung von Pflasterdecken, Plattenbelägen und Einfassungen, auch TL Pflaster genannt. Dort ist die Rede von Toleranzen, zu denen der Granit nur mithilfe einer Sonderbehandlung kompatibel ist. Konkret bedeutet das, dass so ziemlich

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Herschenberger Granit, grob gestrahlt

che Ausschreibungen über den Preis entschieden, heimischer Granit oder Arbeitsplätze spielen keine Rolle. Wenn dann noch Ausschreibungsvorgaben hinzukommen, die eine besonders arbeitsintensive Verarbeitungsmethode einfordern, haben hiesige Granitproduzenten, die nicht mit Importware handeln, keine Chance. Bossiert: Diese Bearbeitung ist aufgrund ihres Arbeitsaufwands fast nur im Grabzeichensektor zu finden, vorausgesetzt das Grabzeichen wurde von einem gestaltenden Metzen er-

Rau und schön: sandgestrahlter Granit in Laxenburg

viele Anforderungen, sowohl optisch als auch von der praktischen Seite her. So sind gestockte Granite schön anzusehen und ausgesprochen rutschfest. Bildhauerische Oberfläche: Bei dieser Oberflächenbearbeitung ist so ziemlich alles erlaubt, was Spaß macht. So hüpft beispielsweise des Bildhauers Herz vor Freude über eine gut gemachte bildhauerische Oberfläche in Granit, insbesondere wenn sie Bearbeitungsverläufe aufweist und so von gröberen Bereichen zu feineren

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Baustelle

Auch in den Dauernassbereichen des Spa kam Blue Pearl in unterschiedlichen Formaten zum Einsatz. Die Bodenfliesen erhielten eine matte Oberflächenbehandlung.

Silver Pearl charakterisiert die Außenhaut des Gebäudes.

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großen Hotelkomplex mit seinen rund 180 Zimmern und zehn Suiten. Sie wollte ein modernes Hotel und sie legte – was angesichts der Tatsache, dass sie zu 50 Prozent Eignerin des Steinproduzenten Lundhs ist – Wert auf die Verwendung des für die Region typischen Natursteins, der neben Holz und Glas in verschiedenen Varietäten und Oberflächenbearbeitungen ausgiebig eingesetzt wurde. Der ursprünglich nach der Stadt benannte Larvikit, eine mittlerweile veraltete Bezeichnung für die grobkörnigen Plutonite, wird von Lundhs in den Hauptvarietäten Blue Pearl, Emerald Pearl und Silver Pearl abgebaut. Gefertigt wurden die einzelnen Elemente für das Hotel von der Nikolaus Bagnara S.p.a. im Raum Verona, Italien. Bereits die Fassade des Gebäudes eröffnet den Exkurs in die steinernen Vorkommen der Region: Sie besteht aus Silver-Pearl-Fassadenplatten in den Maßen 120 x 60 Zentimetern mit einer Stärke von drei Zentimetern. Die Oberflächen wurden geflammt und mit einer speziellen Oberflächenbearbeitung versehen, die einen seidenmatten Eindruck erzeugt. Die Steinplatten bilden gleichsam den Rahmen um die gesamte Gebäudehülle, in den Elemente aus Glas und Metall eingebettet sind.

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Baustelle

Blue Pearl wurde auch für die Wasserrinnen in der Lobby verwendet, ebenso für die Sockel der Figuren.

Wer das Hotel betritt, steht auf einem Boden aus Blue Pearl mit Fliesen in den Maßen 60 x 60 x 2 Zentimeter. Die Fliesen wurden mit einer Oberflächenbehandlung mit dem vielversprechenden Namen »Caress«, Zärtlichkeit, behandelt. Dies soll für eine glänzende Oberfläche sorgen und die Strukturen des Steines betonen. In der Lobby des Hotels sticht sofort die Rezeption ins Auge, gefertigt aus Emerald Pearl mit einer Kombination aus gestockten und polierten Oberflächen. Derselbe Stein wurde auch für die Haupttreppe verwendet. Die Treppenstufen in den Maßen 154 x 28 x 8 Zentimeter wurden poliert. Aus einem ganz besonderen Material, Lundhs Antique, wurde die Theke der sogenannten Water Lounge gefertigt. Während die Water Lounge, trotz des Namens, in der Regel trocke bleibt, ist der Spa-Bereich dauernder Feuchtigkeitseinwirkung ausgesetzt.

Doch auch hier wurde der Larvikit, in diesem Fall die Variante Blue Pearl, eingesetzt, sowohl an der Wand als auch auf dem Boden in verschiedenen Formaten. Während die Wandfliesen zum Großteil poliert wurden, erhielten die Bodenfliesen eine matte Oberflächenbehandlung mit dem Namen »Eco Antik«. Besonders gut genießen kann man diesen Stein im Pool treibend, die Arme auf der matten Oberfläche aufstützend und durch die große Glasfront hinaus auf den Fjord blickend.

Emerald Pearl in der polierten Variante ist das Material der Haupttreppe.

Bautafel Architekt: Halvorsen & Reine, NO-Drammen Innenarchitekt: Björkén Arkitekter AB, SE-Luleå Natursteinproduzent: Lundhs AS, NO-Larvik Natursteine: Silver Pearl, Blue Pearl, Emerald Pearl, Labrador Antique Natursteinbearbeitung: Nikolaus Bagnara S.p.A., I-Volargne/Verona Oberflächenbehandlungen: Tenax S.p.A., I-Volargne/Verona

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