«Von der Bildgestaltung zur Wahrnehmung und zurück» Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Studiengang Montage (BA) Laura Camila Sabogal Espinel - Matrikelnr. 5303, Betreuer: Prof. Marlis Roth und Katja Pratschke.
Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF Bachelorarbeit von Laura Camila Sabogal Espinel Matrikelnr. 5303 - Studiengang Montage (BA) Betreuer: Prof. Marlis Roth, Katja Pratschke Berlin, September 2016
„Im Zentrum des Montageprozesses steht für mich vor allem anderen: Wahrnehmung. Was ist zu sehen, was ist zu hören? Und mit welcher inneren Haltung begibt man sich in diesen Prozess? Dann der Umgang mit dem Material, mit den Bildern und Tönen und die Fragen nach ihrer möglichen Kombination.“ - Gabriele Voss, 2006
Inhalt Was seh’n wir denn da?! ......................................................................................
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Lars ............................................................................................................................ 13 Susann ...................................................................................................................... 43 Felix ........................................................................................................................... 75 Rike ............................................................................................................................ 109 Clara .......................................................................................................................... 137 Nun Ich - Ein Fazit ................................................................................................. 145 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 149 Selbständigkeitserklärung .................................................................................. 151
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Was seh’n wir denn da?!
Als Filmemacher haben wir die Macht Welten zu erschaffen. Nach Monaten intensiver Arbeit landet unser Werk auf der Leinwand. Erst dann, bei der Vorführung des fertigen Films, geht es los: der Zuschauer sitzt vor einem „Magischen Fenster“. Nun wird er in Situationen und Probleme versetzt, die er wahrscheinlich nie anders hätte erleben können. Er wird in Schauplätze transportiert, die ihm fremd und entfernt sind oder an denen er gestern eine Tasse Kaffee getrunken hatte. Er wird andere Lebensformen, Ereignisse aus der Geschichte, Abenteuer und Begegnungen mit außerordentlichen Persönlichkeiten erleben; oder zukünftige Ereignisse, Fiktionen und Phantasien ausleben. Der Zuschauer wird sich in die Lage der Charaktere versetzen, sich mit einigen identifizieren und mit anderen anfeinden (Vgl. Gibson 1982, S. 317) – oder zumindest ist dies (als Filmemacher) unser Ziel, „im Zuschauer die Wahrnehmung eines Verlaufs von Ereignissen und deren kausale Zusammenhänge hervorrufen.“ (Gibson 1982, S. 324). Allerdings sollte man hier beachten, dass der Wahrnehmungsprozess nicht lenkbar ist, egal was an audiovisueller Information dargeboten wird, kann die eigene „Kopfwendung“ jedes Zuschauers, den auf der Leinwand projizierten Beobachtungspunkt einnehmen oder zurückweisen. Das geschieht in jeder Person komplett eigenständig und subjektiv. Und was nun? Das „Danach“ bleibt für uns auf jeden Fall unerreichbar, wir werden einige Personen ansprechen und andere nicht. Aber der davor entstehende Gestaltungsprozess ist immer noch unser Raum und der Ausgangspunkt aller Möglichkeiten. Das Gestalten eines Filmes ist keine exakte Wissenschaft. Man kann es nicht auf das Generieren von audiovisuellem Material, auf das Sortieren und Ordnen dessen, auf das Auswählen und Kürzen und schließlich auf das Aneinanderreihen von den einzelnen Einstellungen nach Vorgaben des Drehbuchs und Weisungen des Regisseurs reduzieren (Vgl. Voss 2006, S. 7). Als Filmeditorin bin ich meistens erst nach dem Drehabschluss mit der Gestaltung beschäftigt. Das Schneiden und Zusammenfügen der Stücke – die Montage – ist mein Anteil. Filmmontage ist in jeder Hinsicht ein Balanceakt „zwischen endlichen Möglichkeiten und der Notwendigkeit der Reduktion, zwischen der Gegebenheit im Material und den eigenen Absichten, zwischen Normen, Konventionen und dem Finden
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einer eigenen Sprache, zwischen einem Zuviel oder Zuwenig an Offenheit und Struktur“ (Voss 2006, S. 9). Bei der Montage eines Filmes gibt es für mich wenige Aspekte, auf die ich mich immer wieder beziehe, um meine Herangehensweise an den gestalterischen Prozess zu überprüfen. Diese sind das Material und der Zuschauer. Aus diesen beiden Punkten stelle ich mir immer drei wichtige Fragen, die mich durch meine Arbeit leiten: Was sehe ich, was höre ich? Und mit welcher inneren Haltung begebe ich mich in diesen Prozess? (Vgl. Voss 2006, S.9). In erste Linie stelle ich mich ins Zentrum des Ganzen – da immerhin ich der erste Zuschauer bin – dennoch werden andere Personen Teil an diesem Prozess haben und aus ihrem Feedback werde ich jedes Mal neue Informationen sammeln, die mich in meiner Aufgabe weiter bringen werden. Aus diesem Grund bin ich fest davon überzeugt, dass Filmgestaltung Hand in Hand mit dem Wahrnehmungsprozess geht. Das heißt zwar nicht, dass ich mich nach Allem und Jeden richte, aber ich bemühe mich achtsam zu sein und immer deren Sichtweise zu hinterfragen. Dies ermöglicht mir, ein größeres Bild vom meinem „Spielfeld“ zu bekommen. Genau dieser Gedanke schwirrt ständig in meinen Kopf herum und bringt mich immer wieder dazu, neue Sachen auszuprobieren. Für meine Bachelor Arbeit habe ich daher eine Reihe von Porträts von meinen engsten Freunden gestaltet. Doch was hat jetzt Filmmontage mit Porträts zu tun? Auf diese Frage könnte ich mit einer Liste von tausenden Gründe antworten. Im Prinzip dient hier das Gestalten von Polaroids (Sofortbilder) als Methode für das Experimentieren und Lernen. Ich möchte hiermit dem Zuschauer – und dessen persönlichen Blick – in den vor der Montage entstehenden Gestaltungsprozess miteinbeziehen. Das geschieht, indem wir zusammen das Material für einen Film generieren. Hierzu gehört vor allem die Interaktion zwischen mir und dem Porträtierten, während des fotografischen Prozess an sich. Denn hierbei werden sich Richtlinien für das Komponieren und Auflösen jedes einzelnen Foto aus der (Selbst-) Wahrnehmung des Porträtierten ergeben (Vgl. Barnow 2016, S. 3). Dafür habe ich mich etwas von dem fotografischen Prozess vom Psychologen Dr. Sven Barnow inspirieren lassen, in dem durch den Dialog die (Selbst-) Erkenntnis ermöglicht wird, sowohl beim Fotografen als auch beim Porträtierten.
Das Vorgehen meines Experiments ist folgendes: In Zusammenarbeit mit einer weiteren Person werden wir eine Folge von Porträts herstellen, wobei das erste Foto immer von mir gemacht wird und alle Folgenden in einem gemeinsamen Gespräch entstehen. Dabei ist es für mich besonderes wichtig, eine eher passive Haltung einzunehmen, um mich gezielt auf die Wahrnehmung der anderen Person einzulassen. Ziel des Experiments ist für mich die Vielfältigkeit der Wahrnehmung und ihre direkte Auswirkung auf die Bildgestaltung greifbar zu machen. Auf den folgenden Seiten sind die Interviews aus diesen Begegnungen zu lesen. Dabei ist beim Lesen der Interviews auf folgendes zu beachten: das Gesprochene ist bei der Transkription aller Interviews detailgetreu und facettenreich wie möglich gehalten, um dem Leser einen möglichst authentischen Eindruck vom Gespräch oder eine gute Basis für die Rekonstruktion desselben zu geben (Vgl. Dresing, Pehl 2013, S. 17). Aus diesem Grund sind einige grammatikalischen Fehler zu finden. Das liegt auch daran, da Spanisch meine Muttersprache ist und mein Deutsch nicht fehlerfrei ist. Um die Lesbarkeit einheitlich zu erhalten, ist der Text des Interviewers (in diesem Fall ich) immer in fette kursive und der, der interviewte Person, in normaler Schrift gestaltet. Zuletzt wird empfohlen das Buch chronologisch zu lesen, denn das Erleben der Entwicklung des fotografischen Prozesses ist wichtig. Hierzu wird eine aktive Haltung vom Leser verlangt. Danken möchte ich allen, die mir bei der Entstehung dieses Buches ihre Zeit, Hilfe und Unterstützung gegeben haben. Vor allem den Gesprächspartnern für ihre Bereitschaft und Offenheit. Schließlich hoffe ich, dass es dem Leser denselben Spaß bereiten wird, den es mir bereitet hat. Berlin, September 2016.
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Lars
Verstehst du, wie die funktioniert? Ich glaub ja, schon... Also das erste Foto ist immer meins, weil ich werde von allen das erste Foto machen. Ich hätte sonst nämlich die Frage, ob die Fotos ganz frei sind? Ja, danach. Das erste Foto ist immer von mir, weil aus diesem Punkt entsteht der Rest. Also es ist schon ein Dialog zwischen uns. Ja. Wahrscheinlich stellst du dich ganz kurz da. Vor ein leeres Wand. Eine leere Wand, oder halt hier, ich weiĂ&#x; nicht, wie nah du willst. Ja doch, stell dich da.
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Ach, da bin ich ja! Bist aber ganz ernst.
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Ich wollte möglichst neutral schauen (Kurze Pause). Was ich sehr auffällig finde, ist dieser Schatten hinter mir. Das macht so was von so nem (…) fast so wie ein „Stalking Foto“.
„Stalking Foto“? Stalking ist so von so einem, zum Beispiel ein Reporter, der irgendwo mich verfolgt und dann weil es so dunkel ist in der Nacht, dann braucht nen Blitz. Ach so! (...) was denkst du? Bist du das? Das ist eine interessante Frage, bin ich das? Naja, Ich war dabei, jetzt als du ein Foto gemacht hast und aus diesem Ding, wo du drauf gedruckt hast, wo es geblitzt hat, kam dann das raus. Und es sieht so aus wie ich, also die sind alle Argumente dafür, dass das ein Abbild von mir ist, wie ich mal aussah. Ich seh jetzt nicht mehr so aus aber weil (...) ein Foto ist ja immer in der Vergangenheit. Aber wahrscheinlich seh ich jetzt noch ähnlich aus, weil so schnell verändere ich mich nicht. Ich hab jetzt natürlich meinen Mund auf und eine andere Körperhaltung und (...) werde nicht angeblitzt und hab keine Bildfehler im Gesicht und bin natürlich 3D. Also das ist auch ne Frage über die mache ich mir auch Gedanken (…) für wen ist das Bild? Oder wer schaut?
Ich muss sagen, das ist nicht der Lars, mit dem ich hier grad rede. Ja, natürlich nicht. Es ist ein anderer Lars. Ja, dann mach doch mal jetzt so wie ich grad bin ein Foto.
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Oh, da sieht man schon was. Ja, das ist schon mehr ich, oder? Schon.
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Man sieht die Kamera, man sieht das Mikrofon. Man erkennt nicht wirklich die Kamera. Und man sieht noch das alte Foto da und das erzählt mir grad den Moment aber du bist jetzt nicht mehr im Vordergrund. Es ist die Situation, oder? Ja, ich mein, du möchtest ein Foto, also das hab ich jetzt so ein bisschen raus gelesen, das mich repräsentiert. Ein Foto, das dem nah kommt, wie ich mich verstehe oder wie ich mich kenne? Aber das ist so abstrakt, mein Wesen (Lachen). Man kann‘s sowieso nicht ausdrucken. Wir können sowieso nicht das abbilden, wie ich mich fühle, deshalb machen wir das ganz abstrakt oder machen wir ein schwarzes Foto zum Beispiel. Meinst du, für dich ist es immer so gewesen etwas unmöglich dich ganz genau abzubilden? Ja, ich glaub auch nicht, dass es möglich ist. Und du wirst es heute versuchen? Ich versuche große Ernsthaftigkeit aber gleichzeitig hab ich auch diesen Spieltrieb, dass ich gerne Sachen ausprobiere. Es ist so, wie ein Experiment. Und vielleicht können wir dadurch etwas Neues denken, das wir vorher nicht denken konnten. Also das hier muss schon mal rein(…) dann vielleicht noch so von einem Tee, dieser Spruch, der auf einem Tee ist, Teebeutel(…) kriegen wir sicher einen super Spruch gleich, der total gut passt (Lachen) und dann noch so ein Foto, mein Selbstporträt von mir. Hast du es noch hier? Ja, auf dem Computer. Das können wir ja daneben halten, weißt du? (Lange Pause). Kannst du mir bitte mal die Teekanne bringen?
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Ich sehe noch nichts. Ich sehe irgendwas sehr WeiĂ&#x;es. Es ist ganz schĂśn mit diesem, so wie eine Sonne hinter Wolken.
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Bist du das? (Lachen) Also (Lachen) ich finde es repräsentiert mich ganz gut. Eine Sonne hinter Wolken. Es ist schön. Das, was man am meisten sieht ist (…) Der Blitz. Ich finde es schon ganz gut. Es hat was, wahrscheinlich verwechsele ich das ein bisschen, bin mir grad nicht sicher, es etwas Ikonoklastisches? Man darf dich nicht abbilden. Man darf keine Ikonographie von dir machen, oder? Ja, ich mein, das ist bisschen das, worüber wir grad gesprochen haben, dass man das nicht kann. So wie bei Gott. Genau so wie ein Lebewesen. Wie willst du die Seele einfangen? Und die Seele ist etwas wie Licht oder so. Hinter den Wolken, die Sonne hinter den Wolken. Also wenn die Seele so was ist (...) ich würd gerne noch etwas machen (Lange Pause). Für mich hat Selbstwahrnehmung viel mit Körperwahrnehmung zu tun und deshalb würde ich gerne mir so 5 Minuten geben, oder so lang wie es dauert und eine Position suchen, die mich grad jetzt, wie ich mich grad fühle, repräsentiert und davon darfst du dann ein Foto machen. Im Raum gerne, dann sieht man was von Raum. Gut, dafür werde ich jetzt mich einfach bewegen. Ich hab diesen Raum, ja? Ja. Und ich werde jetzt mein Mikrofon kurz abnehmen. Und wenn ich fertig bin und die Position hab, kannst du das Foto machen.
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Sieht doch langsam schön aus. Ist cool dieses weiße Ding rechts unten. Es hat irgendwie so was, auch so von ein bisschen High-Tech, man weiß nicht was es ist, oder?
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Also es ist schon ein bisschen mysteriös dieser Raum, was ist das für ein Raum? Und etwas Interessantes ist dieser Strich, der direkt auf meinen Kopf geht (Lange Pause). Muss schon genau hingucken, um auch meine Arme zu sehen, oder? Ich weiß nicht, wie hell es noch wird. Es war ohne Flash, natürlich. Wenn man nah dran geht, dann sieht man es schon. Wo guckst du jetzt hin? Was guckst du jetzt an? Erst mal die weißen Punkte, dann danach muss ich sofort springen auf diesen weißen Block und dann auf die weiße Linie hinter dir. Dann nehme ich dich wahr, siehst du? Und hinter dir gibt’s einen fast horizontalen bisschen weißen Block. Und dann nehme ich wahr, dass es jemand da gibt, vor diesem Objekt. Du treibst zwischen diesen drei weißen Objekten in diesem Raum. Mhm (bejahend) es ist schön. Auch diese Dunkelheit. Ja, beim letzten Bild dachte ich schon, wir können aufhören. Und jetzt können wir aufhören, aber wir müssen natürlich weitergehen. Das ist nämlich das Interessante, wenn man dann erst mal schwimmt und nicht richtig weiß. Ich mach kurz ein bisschen Musik, dass ich kurz weiß. (Lars deckt ein Glockenspiel auf) Ach so!!! Ne ne ne!!! (Lachen). Nicht? Das wäre ein sehr schönes Foto Lars. Darfst du mit dem Handy machen aber ich will mich jetzt nur inspirieren lassen, weißt du? Mit dem Bild. Lass uns doch mal gucken, ob wir jetzt grad eine Musik finden. Nicht überstürzen. Nicht zu schnell. (Lars spielt mit dem Glockenspiel) Ok, mach doch ein Foto.
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Tolles Bild. Dieses Schwarz-Schwarz, Mensch-Schatten. Ich denke auch bisschen an Theater, weil es grad Musik gab. Man sieht leider das Instrument nicht. Ja, das muss man hรถren dann.
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Ja! wir haben noch Bilder, ich würde echt gerne (...) eins wäre noch tanzend, da darfst du auch Blitz benutzen. Ich tanze und du guckst den Moment, wo du am meisten mich siehst, weißt du? Du kannst auch mit der Kamera mittanzen oder so, das wäre noch eine Idee. Das wäre interessant. Du nimmst den Moment, wo du spürst „jetzt“ so. Können wir machen. Das ist die nächste Idee, Inspiration aus der Musik hast du bekommen. Ja, das ist ja was Wichtiges für mich, diese Bewegung. Die Bewegung in der Musik, in der Zeit. Und dann ein Foto ist ein Moment. Und wenn man aber die Bewegung sieht, dass man da im Fluss ist. Ok, mach du Musik an und dann fange ich dich. Ich fange deine Seele. Ne! (Lachen). Es gab doch so ein mit „Ichi mini mo… dada dada da… dada dada da… ahhhh“ (Musik läuft) Du musst jetzt das Foto machen, aber lass mich jetzt erst reinkommen (Lachen). Boah! Jetzt fühle ich schon die Kamera! (Lachen). Komm mach noch eins, kannst zwei hintereinander machen.
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Es war voll Power (…) Ahhh Scheiße! Verdammt (Lachen). Passt! Aber das spricht auch von dem Moment, das kann man einfach mal nicht einfangen. Der Moment war super cool und es war weg. Es kommt natürlich nix! Hey aber ziemlich cool, die beiden Fotos gegenseitig zu haben. Ziemlich dunkel, ne? (Kurze Pause). Also ich find das Rechte muss einen Titel haben. Einen Titel? Ich finde das rechte heißt „Tanzen“, oder? Ja, da habe ich dich doch beim Tanzen. Da tanzt du ja auch und die Kamera tanzt (Lange Pause). Das ist schon gut, also auf jeden Fall dieses in Bewegung sein, das ist wichtig. Lars! Du hast immer noch die Macht für ein Bild. Ok (Lars nimmt die Kamera in die Hände). Willst du die Kamera behalten? Ja, ich sollte das Bild machen. Du denkst, du solltest das Bild machen? Nein! Ich darf nicht fotografiert werden! Warum denn nicht? Es geht um ein Bild, das mich abbildet. Das dich abbildet! Ja, also! Es kann ja auch sein, wie mein Blick ist! Ach so! Warte mal kurz, mach wieder kurz zu, wir reden darüber! Du hast Angst! (Lachen).
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Gemein! Ein bisschen. Ich weiß nicht, wie ich mich fühle (Lachen).
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Du siehst ein bisschen unsicher aus. Ja! ich hatte nicht (...) mein Ziel war nicht fotografiert zu werden, aber mit dir muss man das einfach mal erwarten (Lachen). Hätte ich dir ja keine Macht gegeben. Naja, ich habe dir auch ja Macht gegeben. Ich hatte irgendwie diesen Impuls, dass man nach draußen guckt, also man sieht die Welt von draußen, du bist ja auch von draußen. Du wohnst ja nicht hier. Und das erste Foto, das war so neutral und du bist reingekommen als die Außenwelt und hast die ganzen Fotos gemacht und das gehört auch zu dieser Serie dazu. Bestimmt. Und trotzdem bist du noch drin, obwohl du von außen kommst. Also das ist diese Schnittstelle. Du bist die Schnittstelle, du bist ja die Person eigentlich oder die Schöpferin dieser Sicht, dieser Hinsicht von mir, die es möglich für die Welt draußen macht. Ja, sehr schön. Mehr oder weniger hat alles auch mit mir zu tun. Ich finde hier sind wir wo angekommen, hier haben wir etwas erreicht.
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Susann
Sollten wir vielleicht das Fenster zuschliessen? Es nervt nicht. Das ist halt die Atmosphäre. Wie du willst, du bist der Boss. Man hört irgendwie was Schönes im Hintergrund, oder? Ok, dann machen wir jetzt erst ein Foto? Genau, und wir machen es… ja… doch wie du grad da bist. Mhm (bejahend) Sollte ich Kaffe trinken? Ne, warte wie du grad da warst.
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Woran ich grad denken muss ist: hätte ich jetzt so ein Shirt, dann hätte man meine Möpse gesehen, weil ich so sitze, weißt du?
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Ich finde das schon mal ganz nett. Ich denke grad, dass ich mal meinen Schrank aufräumen sollte. Also ich sehe so in dem Hintergrund, der ist so aufregend aber das Mädchen da vorne, das kenne ich, nur eigentlich immer ohne Mikrofon. Ja? Also du erkennst dich schon? Schon, ich erkenne mich schon. Ich finde noch, dass ich etwas unbequem da sitze. Also, ich sehe mich und ich finde ich hab eigentlich ein ganz friedliches Gesicht, aber ich sehe es an und ich hab das Gefühl irgendwie sitze ich unbequem. Ich denke das Foto dürfte nicht auf „Ein, zwei, drei, Cheesse“ sondern währenddessen ich etwas tue, weil dann fühle ich mich wohl und das ist ganz natürlich vielleicht. Und dann sitze ich und trinke einen Tee oder esse was und unterhalte mich und dann passiert das Foto und dann bin so natürlich in dem was ich mache. Ich hab mich so hingesetzt, weil du es gesagt hast und dann bin ich so sitzen geblieben und dadurch ist es noch etwas steif. Weil ich dann so stehen geblieben bin und dachte: „ok, so jetzt kommt das Foto“ (Kurze Pause). Schau mal, das Foto finde ich schön. Wer ist sie? Weiß ich gar nicht, ich hab es irgendwo gefunden (Kurze Pause). Ich mag gerne Fotos, wo man Gesichter nicht sieht. Deswegen mag ich auch dieses Bild da von der Frau, die so weg schaut. Ich finde sie irgendwie sehr sympathisch. Dann? Wie würden wir gerne dein Gesicht verstecken? Vielleicht mit der Tasse, ginge das? Ja, können wir probieren.
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Ich mag es. Ich finde, ich habe einen riesengroĂ&#x;en Arm. Der ist riesig, der hĂśrt gar nicht mehr auf. Ja, es ist sogar aus dem Foto raus. Der ist so sehr groĂ&#x;.
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Es ist ein bisschen mehr beobachtend, es gibt keinen Kontakt zwischen uns beiden. Ich finde es halt schön, weil es macht irgendwie das Bild erlebbarer, also man ist irgendwie schneller in einer Situation und weiß was grad passiert, und sich denkt „die Person sitzt in ihrem Zimmer und trinkt Kaffee“. Das kennt ja jeder, das Gefühl. Und irgendwie ist man bei ihr, aber irgendwie auch nicht. Also irgendwie ist es schon ihr Porträt aber irgendwie ist sie ganz für sich und krabbelt an dieser Tasse. Ich glaube ich hätte das schöner gefunden, wenn ich gar nicht so in dieser Kipp-Phase bin, sondern mehr in dieser (…) weißt du? Wo die Augen wieder runter gehen, und man so leicht ansetzt zu trinken, ich finde das hat was Sinnlicheres. So sieht‘s irgendwie aus als würde da grad ein Kaffee herunter stürzen (Lachen). Ja verstehe, aber wahrscheinlich ist die Situation (…) man kann dich auch irgendwie anders einfangen, wenn du in deinen Gedanken bist. Ich glaub ich würde das Ganze vielleicht mal aus dem Profil machen wollen, dass man mich seitlich Kaffee trinken sieht.
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WeiĂ&#x;t du was ich so witzig finde: das ist ein Profil Bild von mir. Das sieht man dort. Ich gucke einmal in die Richtung und einmal in die Richtung. Das ist sehr witzig.
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Der Rahmen von deinem Bild, diesem runden Bild, sieht ein bisschen aus so wie eine Krone. So wie in dieser religiösen Malerei (Lachen). Oder so wie eine Abbildung deiner Gedanken hinter dir. Ich finde, glaub ich, was ich auf jeden Fall mal feststellen muss, ich find es schön, wenn in den Bildern irgendwie was passiert. Und wenn man einfach was mit dem Porträtierten zusammen erlebt. Oder ich mag es gerne, wenn man mit mir etwas Kleines erlebt. Ich glaub für das Porträt bin ich mir fast zu weit weg in dem Bild, ich hätte mich selbst doch ein bisschen mehr haben wollen. Ich überlege grad. Fühlst du dich immer noch so fotografiert? Ich glaube ich würde es schöner finden, wenn es mehr in der Aktion passiert als in der gestellten Aktion. Also, wenn mehr passiert. Ich mag zum Beispiel total gerne, wenn es Interview-Fotos gibt, und man dann von der Situation sieht, die aber nicht gestellt ist. Man unterhält sich und man lacht und man ist mehr in der Situation und es passiert was. Und vielleicht dreht man sich auch grad oder wie auch immer, aber es passiert in der Situation. Das sehe ich den Bildern noch an, sie sind persönlicher geworden und ich mache etwas, was ich gerne mache und weil ich es auch grad mache. Aber es ist immer noch sehr gestellt. Du solltest einfach mal in deinem Zimmer leben. Ich hab schon die ganze Zeit auf diese Nachos geguckt und dachte mir: was könnte ich mit den Nachos machen, vielleicht zwei Nachos vor die Augen halten, das wäre doch witzig, zwei so kleine Dreiecke. Darauf habe ich jetzt Lust. Das finde ich witzig, das ist zwar auch gestellt aber witzig gestellt. Würdest du das mal machen wollen?
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Wahrscheinlich hätte ich mir einen in den Mund stopfen sollen, aber so ist es auch sehr witzig. Also das fühlt sich grade so an, als ob wir grad in einer Party wären, und ich grad durch das Haus gegangen wäre und dann „Oh! Guck mal Susi, Nachos“ und du „Yeah“.
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Ich find es ganz witzig, weil es hat so was Spielerisches, ich mag spielerische Sachen und man sieht ein Teil von mir wieder nicht und grad die Augen sind ja immer bei Porträts so ganz (…) und das war grad so eine Idee auf die ich Lust hatte und hab ich einfach gesagt lass es machen, und dadurch wirkt das Bild halt (...) sehr sympathisch und authentisch. Das ist die Susi die ich kenne, mit der ich lebe, in der WG. Die sich Nachos vor die Augen hält. Genau. Das könnte so ein Bild sein, was ich in 20 Jahren irgendwo rausgrabe und bei dem ich genau weiß, was grad passiert ist und dass es witzig war: “da saß ich in meinem Zimmer und hab mit der Laura Nachos gegessen und Kaffee getrunken, was überhaupt nicht gepasst hat und Lauri hat grad ein Foto von mir gemacht”. Das ist so ein Foto. Ich denke mal, bei dem NachoBild, würden glaub ich die meistens Menschen sagen “das ist Susi”, also weil ich relativ witzig bin und so kommunikativ (...) ich persönlich würde mich eher etwas nachdenklicher finden, weil ich mich auch so kenne. So ein Momentbild, wo ich denke, ich wär da auch gut beides, wäre zum Beispiel: ich würde irgendwo sitzen und würde eine Zeitung lesen und man sieht vielleicht nicht mein ganzes Gesicht (...) aber ich guck so leicht hoch und grinse und man denkt sich „Ahhh“ (...) da ist halt was kleines Vermischtes. Ein kurzer Blick nach oben. Haben wir eine Zeitung da? Oder ein Magazin?! Ich hab hier auch einen Artikel, den wollte ich eh lesen. Worum geht es da? In dem Artikel geht es darum, dass eine Autorin das erste Mal allein verreist (Lange Pause). Wenn du möchtest, könnte ich dir mal vorlesen (Räuspern). Ich les da mal weiter, wo ich grad bin.
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Oh! Das ist schön. Durch die Ecke hat es so was Intimes, weißt du? Sieht ein bisschen aus, als hättest du mich aufm Klo erwischt. Würde ich grad irgendwie kacken oder so (Lachen). Und lese Zeitung. Ja, es hat was von Toilette.
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Du liest vor, oder? Das sieht man doch an deinem Mund. Man liest nicht vor, wenn man alleine ist. Du liest grad in der Badewanne, ich sitze auf der Toilette und sag: „ich hab grad einen sehr interessanten Artikel entdeckt, dass muss ich dir vorlesen“. So sieht das aus. Ich finde das total nett, besonderes, weil da was passiert und weil es so angeschnitten ist, man sieht nur einen Ausschnitt. Es gibt eine andere Frau im Foto, was hat sie denn im Mund? Ich glaub ne Zahnbürste, das passt zum Badthema. Ja, sie guckt direkt in die Kamera. Sie guckt für mich in die Kamera - stellvertretend. Sehr sympathisches Bild, ich find‘s das beste, was uns bisher gelungen ist, oder? Es gab ein bisschen mehr Zeit dazwischen, dem, dass wir gedacht haben „wir machen so ein Foto“ und dem, dass ich geknipst habe. Es hat sich langsam entwickelt. Man merkt, dass ich grad garnicht bei dir bin. Man sieht, dass ich da grad lese und dass ich grad drin bin. Langsam öffnest du dich mehr und mehr, oder ich komme näher an dich ran. Ich denke auch, du lernst mich mehr kennen, wie ich so ticke und was ich mache. Lass mich kurz überlegen (...) ich schreibe ja sehr gerne mit meinem Füller, ich könnte an meinem Schreibtisch sitzen und was schönes schreiben. Ich will wirklich das, was wir beim Lesen gefunden haben weiter verfolgen. Ich glaub, dass der Impuls zu sagen: „ich setze mich grad hin und schreibe was“ der ist unnatürlich, was zum Beispiel klar ist: ich muss meine Blumen gießen. Das habe ich vorhin schon gesagt und das muss ich ja wirklich machen und du bist hier und wir unterhalten uns und das passiert während ich Blumen gieße. Ob das so schön aussieht, das weiß ich nicht aber das ist vielleicht gar nicht so wichtig.
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Also, ich find’s an sich zwar von der Sache sehr gut aber ich find es vom Winkel her nicht gut. Und ich fand zum Beispiel, als ich hochgegangen bin und die Pflanze gegossen hab, hab ich mich selbst gesehen, wie ich auf dem Hocker stehe aber das kriegen wir hier nicht hin, dass man mich mit dem Hocker fotografiert, also dass man sieht, dass ich auf dem Hocker stehe und mich so hochstrecke, um meine Pflanzen zu gießen. Und ich erkenne auf dem Bild gar nicht, wo ich bin also dass ich auf dem Hocker stehe und dass die Pflanzen auf einem Schrank sind. Es könnte auch ein höherer Tisch sein. Also wahrscheinlich könnte man von hier so angeschrägt, dann sieht man den Hocker und dass jemand auf den Hocker klettert. Das würde ich glaub ich schöner finden, das kann ich jetzt schon sagen. Ich würde das auch noch mal probieren, weil ich nämlich den Bildausschnitt sehr schön finde, wie ich die Pflanzen gieße. Aber ich glaub das Witzigste an der Sache finde ich diesen kleinen Hocker auf dem man mit den Schlappen drauf steht, weil ich glaube jedes mal, wenn ich das mache, wenn ich die Blumen gieße, freue ich mich auf den Moment, dass ich meinen kleinen Hocker hole, darauf klettere und in meinem Zimmer eine Etage höher komme.
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Ist witzig, sehe ich von hier schon. Man kann sich auf jeden Fall vorstellen, dass es ein sehr kleines Mädchen ist.
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Es geht mehr um die Aktion aufm Hocker. Man sieht eigentlich nicht so richtig, was du da oben machst. Ich finde das sehr schön, weil das bin ich zu Hause in meinen Hausschlappen, wie ich grad meine Blume gieße. Also es ist ein sehr persönliches und intimes Foto. Es hat was Witziges, es hat was total Ehrliches, Ungeschminktes. Also warum heißt dann Porträt immer nur, dass man mein Gesicht sehen muss, weißt du? Ich finde Hausschuhe sind ja auch was sehr Intimes und man zeigt da auch eine Seite, die wahrscheinlich nicht so schön ist. Das zeigt meine Füße und in diesen Schlappen, und ich bin dabei etwas ganz Triviales zu tun, Blumen gießen und dabei nämlich noch ein Hocker, weil ich halt klein bin. Ich würde mir wünschen, das wäre ein Foto von Angela Merkel und es gäbe mehr von solchen großen Personen. Wie sehen denn Angela Merkels Hausschlappen aus? (...) ich glaub, würde ich eine große Autorin werden und es gäbe eine Anfrage von einem Magazin, würde ich dieses Foto schicken. So kann man dich abbilden, oder so willst du, dass alle anderen dich kennen würden? Ich finde es hat einen guten Abstand. Das will ich gar nicht, dass alle mir ins Gesicht gucken, das finde ich unangenehm. Das ist ein Porträt von mir, es ist witzig und es lässt mir noch ein Stück privat, ich fühle mich sehr wohl mit dem Bild. Ich hab noch ein Bild, willst du bei dem bleiben oder willst du dich noch einmal trauen und noch ein Bild erstellen? Vorhin beim Gießen habe ich mir gedacht, dass grad so wunderschön auf mein Bett diese Lichter fallen und dass ich gerne ein Bild haben möchte, wie ich vielleicht Musik höre mit meinen Kopfhörern und im Bett liege.
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Sehr schön (Lachen). Langsam denkt man, dass ich ein Fußfetischist bin, oder du, man weiß es gar nicht. Ich dachte nur, dass es sehr lustig ist. Da siehst du so aus, als ob du treibst (…) im Licht.
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Ich finde das sehr sympathisch, ich sehe das und auch wenn ich das jetzt nicht wäre, würde ich mir denken „ach das ist gemütlich“, oder? Das kennt doch jeder und ich finde das mit dem Licht so schön und mit den Füßen, es ist so witzig. Wenn du das erste und das letzte Foto neben einander stellen würdest. (kurze Pause). Es ist komplett eine andere Stimmung. Ich glaube, das erste Foto, das ist mir zu einfach, so ein Porträt zu machen, weil ich mir denke, so blöd in die Kamera gucken kann doch jeder. Und ich fühle mich da unwohl, das ist mir auch zu privat. Das hier finde ich sehr schön, das bin ich, witzig, originell, das ist authentisch und da fühle ich mich sehr gut vertreten und das finde ich aber viel schwieriger zu machen als das erste Foto. So ein Foto kann ja jeder, ein Bild von jemanden, wie er ausschaut, mir ist das zu simpel. Ich finde ein Porträt hat ja meistens das Ziel jemandem sehr nah zu sein, und jemanden so zu zeigen, wie er so ist. Aber das bin ich ja nicht (Susann zeigt auf das erste Foto). Klar so sehe ich aus, das ist meine Hülle, aber das bin ich ja nicht (kurze Pause). Ich bin das da (Susann zeigt auf das letzte Foto). Wenn man engagiert wird, ein Porträt von jemandem zu machen, kommt man mit einer Kamera und Zak, Zak, Zak (...) man kommt nicht dazu die Person kennen zu lernen, sondern die Person in einem Bild zu beschreiben, den ersten Eindruck und das war‘s. Aber wir haben hier weiter versucht, noch mehr Eindrücke zu finden. Ja, das ist nur die Hülle von jemandem, aber ich bin nicht meine Hülle, sondern mich macht ja mehr mein Wesen aus, das in der Hülle steckt und das kommt ja dadurch raus, in dem ich nicht nur irgendwo sitze und in die Kamera gucke, sondern indem ich etwas mache und man mich da erwischt!
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Felix Ach guck mal, jeder bekommt einen Spruch, wenn man den Kassette rein macht. Es sind unterschiedliche Sprüche, für jedermann. Und was ist meiner? Steht einer drauf, oder wie? Ja, aber es ist cool, wenn man so macht (Fotoapparat Klickt). „What we need is more people who specialize in the impossible“(Lachen). Finde ich gut! So witzig, irgendwie jeder Spruch passt zu der Person. Das ist für dich. Cool, danke. Weißt du schon? Oder soll ich dir nochmal wieder erzählen wie das geht? Ich weiß schon. Ok, wo machen wir dann das erste Foto? Kannst du mal bitte da stehen? Einfach ganz schnell, ohne Schmerz. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich geschminkt.
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Na? guck mal dran, das bist du. Gefällt dir das Foto? Ja doch. Ich dachte mir grad als du mich fotografiert hast, hätte ich mir lieber mein Lieblings T-Shirt angezogen oder so was.
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Naja, kannst du doch machen. Es ist in der Wäsche. Aber es ist eigentlich auch egal. Sieht eigentlich ganz gut aus. Fühlst du dich wohl im Foto? Ob ich mich wohl im Foto fühle? Also ich meine wir können drüber reden, wie du aussiehst, wie du guckst, wie du stehst. Über den Hintergrund. Meinst du, jemand guckt dich an und sagt: „ah ja, das ist der Felix“ Ich glaub, ich gucke auf jeden Fall so, wie ich immer auf Fotos gucke. Immer sehr, wie sagt man, vielleicht ein bisschen grimmig oder so. Was heißt grimmig? Na ich lächle häufig nicht auf Fotos sondern gucke mal ein bisschen so, vielleicht so ausdruckslos oder emotionslos. Und aus Versehen oder absichtlich? Ich glaub schon absichtlich. Und warum? Weißt nicht (Lachen). Ich hab das Gefühl, dass es besser aussieht. Wenn du ernst bist? Genau, wenn ich ernst gucke. Aber es heißt jetzt nicht, dass ich nie lächle oder dass ich es irgendwie hässlich finde. Also du würdest zufrieden sein, mit dem Foto? Ja eigentlich schon. Wirklich? Ja.
Mit allem was im Foto steht, ganz genau? Ja, ich bin jetzt nicht so ernst insgesamt, aber es ist schon so wie ich bin, auf jeden fall, im Foto. Es ist nicht, dass ich sagen würde, „das bin ich nicht“ oder ich würde irgendwas ändern wollen. Und die Situation? Es ist so, als ob ich dich grad gegen die Wand gestellt habe und geschossen. Das ist ok? Ja. Oh Gott! Was würdest du denn verändern? Nein, es geht nicht um mich. Wenn du nicht mehr Fotos willst, dann lasse ich es so. Ich wüsste nichts, was ich ändern soll. Also ich mache heute Porträts von dir und die werden andere Leuten gucken und dadurch werden sie dich auch kennenlernen. Mhm (bejahend) ok, du meinst mich durch das Bild kennenlernen. Dann wäre es wahrscheinlich besser, wenn man das Bild irgendwie in meinem Zimmer verorten kann, dass man den Hintergrund sieht oder vielleicht mit irgendwie was ich gerne mache, zum Beispiel Klavier spielen oder Fahrrad fahren. Vielleicht würde man mich besser kennenlernen durch so was (Kurze Pause). Ich weiß nicht, es ist schwierig bei mir, weil es einfach (...) ich hab nicht das Bedürfnis, mich in irgendeiner besondere Art und Weise darzustellen, auf einem Bild. Ok, mhm (bejahend), na dann? Dann müssen wir die Regeln wohl ändern. Oder Ich kann jetzt wirklich aufhören. Mhm (bejahend), ich weiß es auch nicht. Naja, wir sind grad hängen geblieben. Sollen wir mal Pause machen?
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Zwei Tage Pause (...)
Na gut, zweiter Versuch? Al right, vamonos! Du kennst schon die Regeln. (Felix lacht) Ohne Schmerz Okidoki.
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Das ist auf jeden Fall anders als das erste Foto. Ich lächle auf jeden Fall, das ist schÜn. Und gefällt mir eigentlich ganz gut. Es ist einfach ein Moment und ich scheine gute Laune zu haben.
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Auf jeden Fall, der Felix hier (Laura zeigt auf das erste Foto) ist ein anderer Felix als der hier (Laura zeigt auf das zweite Foto). Inwiefern anderer? Was meinst du mit „anderer“? Also wenn ich dich nicht kennen würde, auf jeden Fall würde ich mir was anderes vorstellen, wenn ich das Foto sehe, als wenn ich das Foto sehe. Ja, warum? Das ist aber nur ein Foto. Ich finde jetzt nicht, dass ein Foto alleine so viel aussagt. Weil das sagt nicht mehr als mich in einem Kasten, so porträtmäßig. Aber wie siehst du in den Fotos aus? Wie ist dein Gesichtsausdruck? Ja, auf dem einen lächle ich auf jeden Fall. Das gefällt mir mehr. Auf dem anderen gucke ich zu ernst ziemlich überrumpelt. (Lachen) Auf jeden Fall fühle ich mich auch wohler in der Situation, auf meinem Bett zu sitzen als irgendwie so wie im Verhör vor der Wand gestellt zu sein. Was hältst du davon, dass ich auf dem einen Foto das Mikrofon aufgenommen habe? Es war halt so, es ist die Situation gewesen. Naja, ich versuche durch die Aufnahmen und das Gespräch mit dir, eine Abbildung zu gestalten. Das glaube ist mir nicht so richtig klar. Ich könnte irgendwie jetzt sagen, ich möchte mich selbst so und so zeigen, aber es gibt nichts, wie ich mich speziell zeigen möchte, so eine Pose, oder was ganz Besonderes an hab in dem Moment. Ich werde jetzt versuchen die Frage ein bisschen klarer zu stellen. Es geht nicht darum, dass wir etwas von dir abbilden, was nicht existiert.
Ich will nur ein Bild von dir finden, wo du dich wohl fühlst, du dich darin erkennst und es von dir erzählt, dass jemand es sehen würde und der würde sagen „ja, das ist Felix“. Es ist schwierig. Ich glaube es fällt mir schwer, mich selbst wahrzunehmen. Es fällt dir schwer, dich selbst wahrzunehmen? Ok, erzähl. Es fällt mir schwer so ein Bild zu gucken und zu sagen, „nee, das gefällt mir nicht, ich möchte das so und so haben“. Es fällt mir schwer, wenn ich selbst das Motiv bin. Weil ich immer das Gefühl hab, „ja, das bin ich selbst, jetzt in diesem Moment, genau so wie ich grad da saß, wie du mich erwischt hast“. Es geht auch nicht ums Ändern sondern ums Gestallten. Ok (Lachen). Wenn es darum geht, was zu gestallten, dann würde ich gerne lustiger machen. Ich hab das Gefühl, ich bin zur Zeit gestresst. Deswegen wäre es schön, wenn es einfach (...) weiß nicht. Ich überlege, ob es ein Hintergrund sein könnte, der anders ist. Aber jetzt wenn wir bei mir zu Hause sind, gibt es nicht viel Hintergrund außer mein Schreibtisch oder mein Wohnzimmer und es ist alles nicht so lustig oder fröhlich. Aber vielleicht irgendwelche Sachen zum Anziehen oder so was. Wir werden durch die Fotos versuchen, das Lustige an dir zu suchen? Vielleicht nicht an mir aber vielleicht beschreibt es mich doch. Ich mache manchmal viele Witze oder scherz zu viel aber vielleicht, weil ich nicht diesem Alltag nachgeben möchte. Wahrscheinlich zeigt es irgendwie doch eine Seite von mir. Warte mal, ich weiß schon wa (...) Zum Beispiel das hier. Ah doch, das ist sehr schön.
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Ich gucke auf jeden Fall richtig bedeppert. Wie auch immer, oder?
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Ich weiß immer nicht, wie ich gucken soll. Also wenn ich weiß, dass ich fotografiert werde. Es ist immer so: „Jetzt normal sein“. Das könnte etwas sein für das nächste Bild. Nicht bedeppert gucken? Nein! Nicht fühlen, dass ich dich fotografiere. Mach das mal jetzt (Lachen). Fotografier mich jetzt so, dass ich es nicht merke. Wir können drüber später reden, lass uns mal erst über das Foto reden. Es ist schön, gefällt mir. Man sieht leider nicht die Farbe von dem Hut. Komm, sei mehr kritisch mit meinem Foto, stellt dir mal vor du würdest mir 15000 € bezahlen. Das ist eine utopische Vorstellung. Ach komm! Lass dich drauf ein. Ja, das Bild ist sehr gestellt. Ich finde es trotzdem lustig. Gestellt ist ein gutes Wort. Ja, aber ich mag das auch, wenn man sieht, dass es künstlich ist. Ich find es ganz schrecklich, wo Fotos total gekünstelt sind aber so aussehen sollen, als ob es total zufällig passiert ist. Wenn es halt gestellt ist, finde ich es umso lustiger einfach direkt in die Kamera zu gucken. Und wenn das Foto irgendjemand gucken würde, dann finde ich es umso lustiger, weil man durch die Kamera quasi diese Person direkt anblickt. Wir können jetzt kein Foto machen, was wirklich authentisch ist, wo ich nicht wissen würde, dass du mich fotografierst, einfach aus der Situation heraus. Aber vielleicht können wir einfach das ganze noch weiter übertreiben. Das klingt wie ein Plan.
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Ist nicht so ganz wie ich es mir vorgestellt hab. Das ist gut (Lachen). Das freut dich? Ja natĂźrlich.
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Ich hatte es mir mehr verrückt vorgestellt. Noch mehr so „insane“. Ich glaube wir müssen noch eins machen. Man sieht den Hut nicht. Wir sollten den einen Schritt gehen und es noch gestellter machen. Wie hattest du dir es eigentlich vorgestellt? Ich mehr in der Mitte, dass man nur meinen Kopf komplett sieht. Eber das ich auch noch verrückter gucke. Einfach ein richtig verrückter Gesichtsausdruck? Warum willst du jetzt einen verrückter Gesichtsausdruck? Weil es so künstlich ist. Gibt es nicht einen anderen Gesichtsausdruck, der auch künstlich wäre? Doch, alle Gesichtsausdrucke können künstlich sein. Ich find es so schön wenn es irgendwas Übertriebenes ist. Ernsthaft kann auch übertrieben sein, traurig auch oder glücklich. Ja stimmt schon, weiß auch nicht warum ich einen verrückter Gesichtsausdruck vor Augen habe. Was machen wir denn jetzt? Wir können noch eins versuchen aber ich weiß nicht wie (…) oder was ganz anders So wie? Weiß ich auch nicht (…) schwierig. (Laura betätigt die Kamera, Felix lacht) Das sieht bestimmt richtig bescheuert aus. Ich hab was ganz anderes ausprobiert. Bist du böse auf mich? Ne, kannst du ruhig machen. Zeig mal.
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Die 15000€ würde ich dir für das Foto nicht geben (Lachen). Muss du auch nicht.
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Ich finde, es sagt irgendwie nicht so viel aus. Wenn wir dabei bleiben, ob es authentisch ist, ja. Aber ich kann nichts fühlen dabei. Man sieht nicht, ob es mir gut geht dabei oder schlecht oder warum ich da liege. Ist irgendwie alles nicht draus erkenntlich. Was soll ich denn mit dem Foto machen? Weg schmeißen! Es ist echt nicht schön. Es ist schöner über irgendwas zu sprechen, worüber man was wahrnimmt. Darüber reden wir doch, du sagst mir „dabei fühle ich einfach nichts“. Das heißt nicht, dass du keine Wahrnehmung hast, sondern, dass so ein Bild deine Wahrnehmung nicht erregt. Ich würde es anders beschreiben (Lange Pause). Ja, vielleicht hast du recht, es erregt meine Wahrnehmung nicht. Es gibt irgendwie nicht viel wahrzunehmen auf dem Foto, es gibt nicht viel was Assoziationen auslöst, was einen nachdenken lässt. Es gibt keine Objekte, die irgendwie eine Beziehung zueinander einnehmen. Du fühlst dich nicht angesprochen vom Foto. Das is was anders. Ich kann von einem Foto nicht angesprochen werden im Sinne „das interessiert mich nicht“, aber es kann trotzdem irgendwas auslösen. Könnte das Foto irgendjemandem anderen doch was sagen? Ich würde sagen nicht, das Foto interessiert keinen. Lass uns mal ein Foto machen, das doch was sagt, deiner Meinung nach. Ich würde vielleicht jetzt grad kein Foto von mir machen, weil ich finde mich selbst nicht so sonderlich interessant. Ich finde es interessanter von anderen Sachen. Da hätte ich mehr wahrzunehmen. Wie können wir ein Foto von Sachen machen, die ein Bild von dir geben könnten? Wahrscheinlich mein Schreibtisch von oben, genau so wie er grad ist. Ich finde so was ich sehr interessantes von einem Menschen.
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Ach, viel zu hoch! Es ist trotzdem lustig. Nicht so ganz, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich finde trotzdem, es sagt doch mehr Ăźber mich, als irgendwie ein Foto von mir. Man sieht nichts (Lachen).
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Jetzt aus dem Winkel nicht. Ich hatte es mir so vorgestellt, dass man den ganzen Schreibtisch sieht, mit allem was so drauf ist und man ein bisschen suchen kann. Wenn man ein Detektiv wäre und würde versuchen wollen rauszufinden, was für eine Person das ist. Es ist häufig im Film so gemacht, dass jemand irgendwie ganz schnell ins Büro geht und guckt welchen Unterlagen da grad bei dem auf dem Tisch sind und klaut man sich schnell was aus den Unterlagen, was man braucht. Oder kriegt man dadurch ein gutes Bild, was so diese Person macht. Willst du dieses Bild vom Schreibtisch weiter verfolgen? Warum von oben? Man könnte einen anderen Winkel suchen. In meiner Wahrnehmung wäre es so gesehen, so wie man am Schreibtisch sitzt. Aber wenn du dich mit der Kamera an den Schreibtisch setzt, hast du nur einen kleinen Ausschnitt, weil es kein Weitwinkelobjektiv ist. Du könntest am Schreibtisch sitzen und ich versuche hinter dir ein Foto zu machen, wollen wir das probieren? Ne, das ist Käse. Es geht nicht darum zu sehen, dass ich an dem Schreibtisch sitze, sondern einfach den Schreibtisch beobachten zu können. Die Details sehen zu können. Das kriegen wir jetzt nicht so richtig hin (Lange Pause). Ich überlege grad, ob irgendwas anders von mir spricht (...) was ich lustig fände ist, ein Foto von mir mit dem Klavier, aber wo ich ganz eindeutig nicht spiele. wo ich irgendwas lustiges mit dem Klavier mache. Warum nicht spielen? Ich stelle mir immer vor meine Kommilitonen, die mit mir im Musikleistungskurse waren, die immer ganz emotionalen Bilder mit Klavier hochgeladen haben: „hier sitze ich ganz nachdenklich an meinem Klavier und spiele schöne Musik, ganz träumerische Musik“. So wieder ein gestelltes Bild. Ja auf jeden Fall. Aber halt wieder ganz eindeutig gestellt. Sollen wir das probieren?
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Das Foto ist jetzt wirklich albern. Ich find es geil. Ich stelle mir jemanden vor, der Orgel in einer Psychedelic-Rock-Band spielt und irgendwann anfängt so sein Solo ßber der Orgel zu machen. Ich find es halt lustig, weil es ganz eindeutig gestellt ist. Wir kÜnnen ja einfach im Vergleich noch als letztes Foto machen, wie ich halt wirklich Klavier spiele. Aber dann muss du was Richtiges spielen, etwas von dir.
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Schwierig. Man weiß ja nicht, was ich da gespielt habe in dem Moment auf dem Foto. Das Foto klingt ja nicht. Weißt du? Ich finde irgendwie doch schön, dass du für dich bist und dass ich dich nicht sehen kann. Ja, aber es ist glaub ich nur, weil du mich kennst. Für jemand fremdes, der würde bei dem Bild nicht wissen, was in mir vorging.
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Vielleicht würde man es sehen, wenn man ein Foto von irgendeiner Band sieht. Dann sieht man höchstens, das Interessante dabei, den Gesichtsausdruck. Im Sinne von, jemand spielt etwas total Abgefahrenes, total Virtuoses und er hat einfach Flammen in den Augen buchstäblich. Oder jemand spielt etwas Melancholisches und man sieht, dass er total in sich versunken ist und gar nicht sieht, was vor und hinter ihm ist, sondern in seiner eigenen kleinen Blase vor sich hin schwebt, dass er fragil ist. Aber das sieht man auf dem Foto nicht. Aber ich habe dich von vorne nicht aufgenommen, weil ich nicht wollte, dass du weißt, wenn ich dich aufnehme. Dann sind wir wieder bei dem Ding, wenn ich es gesehen hätte, wäre ich auf jeden Fall nicht in meiner eigenen Musikwelt. Wahrscheinlich wenn du da gesessen hättest und zehn Minuten lang kein Foto gemacht hättest, dann hätte ich irgendwann nicht mehr damit gerechnet, dass du überhaupt noch eins machst. Dann hätte es vielleicht funktioniert. Ich hab viel zu schnell reagiert? Ja. Hätte man ablichten wollen, wie ich Klavier spiele und meine Ausdrucksweise dabei, hätte man mich von vorne sehen müssen. Also, man kann nicht fühlen wie du Musik spielst. Ne, denke ich nicht. Ich weiß nicht was in dem Moment gespielt habe, ich kann’s auch nicht fühlen. Ich kann einen Bebop gespielt haben oder irgendwas Melancholisches gespielt haben. Hätte aber auch „Alle meine Entchen“ spielen können. Keine Ahnung. Das Einzige was daran vielleicht Emotion hat, ist dann für mich oder jemanden, der mich kennt oder diesen Ort kennt und weiß, das ist das Wohnzimmer in der Lenbachstraße 8 und das ist die Couch, die da immer steht und da steht immer das Klavier und ich hab immer dran gesessen und vor mich hingeklimpert.
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Rike
Es geht so los. Ich mach Fotos von dir, wir werden die Fotos sehen und wir werden über deine Wahrnehmung reden. Durch diesen Wahrnehmungsprozess werden wir suchen, wie wir das nächstes Foto gestalten können (Kurze Pause). Wahrscheinlich kannst du dich da hinsetzen? Und das alles kann ich drauf lassen? (Fotoapparat wird betätigt) Wie lange dauert das? Meistens zwei Minuten oder so. Meine hatten immer eine halbe Stunden gebraucht. Oh mein Gott, es ist so spannend.
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Da kommt langsam was. Was sagst du? Ja das bin ich. Ich weiß nicht. Einfach meine Wahrnehmung? Es gefällt mir gut, weil ich lächle. Und ich find auf jeden Fall den Prozess auch gut, dass man sehen kann, wie das Foto langsam erscheint, durch das Polaroid.
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Ich erkenne mich, es gefällt mir glaub ich, besser als alle anderen Fotos, die ich in letzter Zeit von mir gesehen hab. Es sieht auch ein bisschen unsicher aus. Und der Hintergrund gefällt mir nicht. Mir gefällt meine Haltung nicht so gut, es ist ein bisschen krumm. Wie empfindest du die Situation, in der es aufgenommen wurde? Es sieht unsicher aus, es ist ja klar, weil ich halt nicht weiß, was auf mich zukommt. Außerdem bin ich nicht so ein Mensch, der gerne vor der Kamera steht. Wir können alles machen was du möchtest (Lachen), wir versuchen eine Situation zu gestalten wo du dich wohler fühlst, dich komplett inszenieren oder dass man dich immer in Situationen findet und dich beobachtet. Das wäre mir lieber. Müssen wir im Zimmer bleiben oder können wir zu dem Balkon gehen? Ich glaub, ich fänd es gut beim Rauchen, wenn das ok ist? Also ich will nicht so große Umstände machen und vielleicht kein direkter Blick in die Kamera. Wahrscheinlich würde ich mich wohler dabei fühlen. Ich weiß ja noch nicht so genau, worauf du hinaus willst, deswegen bin ich noch so unsicher. Ja, es ist komisch (Lachen). Mich interessiert eigentlich zu lernen, wie Leute unterschiedlich beim Wahrnehmen ticken. Wahrnehmung ist sehr subjektiv, jeder empfindet Sachen komplett anders und ich versuche durch den Prozess von Fotografieren mit deiner Wahrnehmung von einem Punkt zu dem anderen zu kommen. Es ist sehr offen, es gibt kein Richtig oder Falsch. Das finde ich sehr spannend, in dem ich selber Editorin bin und auch eine Wahrnehmung habe. Aber wenn ich einen Film montiere, darf ich mich nicht zu sehr auf meine eigene Wahrnehmung konzentrieren (Kurze Pause). Ich weiß nicht wie viele Anweisungen ich dir geben soll. Mach einfach solang wie ich rauche ein Foto. Irgendwann.
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Spannung. Es gefällt mit auf jeden Fall besser, dass ich keinen direkten Kontakt habe. Ich find auch cool, dass ich dich nicht mehr beim Rauchen aufgenommen habe, sondern beim AufhÜren (Lachen).
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Ich hab schon überlegt, ich fänd es ganz cool irgendwie nur meine Hände oder so was. Aber erst mal haben wir das Foto hier. Ja genau. Natürlich können wir weiter aus deinen Gedanken andere Fotos machen aber auf jeden Fall muss man kurz das Foto einwirken lassen. Es ist natürlich immer schwierig mit dem Hintergrund in einer Wohnung. Aber es gefällt mir besser, weil es draußen ist. Das Licht ist schöner. Du hast eine Pflanze hinter deinem Kopf. Genau, die wächst aus meinem Kopf raus (Lachen). Ich finde es schöner, weil da etwas passiert, es erzählt irgendwie eine Geschichte. Da ist irgendwie Bewegung drin. Jemand guckt auf mich zu aber ich gucke nicht zurück. Im Hintergrund passiert mehr im Gegensatz zum ersten Foto. Das ist halt so wie ein Bewerbungsfoto (Rike spricht über das erste Foto). Aber wofür? Keine Ahnung. Für „Guck mal wie nett ich bin“. Das hier ist irgendwie mehr Rike (Rike zeigt auf das zweite Foto). Da sieht man mehr von mir, auch wenn man mein Gesicht nicht sieht. Es war ein guter Moment, den du erwischt hast. Mir gefällt es besser, weil ich was tue, posieren finde ich langweilig, das sagt nichts aus über mich. Ich hatte die Idee das nächste Foto vielleicht (…) ich muss meine Hosen nähen. Das ich nähe und du machst dann ein Foto. Also wenigsten ein Loch zusammennähen, ich muss nicht alle machen. Ja Ich verstehe, was du meinst. Du musst es wirklich machen. Und ich würde gerne an meinem Schreibtisch sitzen, weil ich mag gerne die ganzen Bilder die da hängen, dass sie im Hintergrund sind. Es ist zwar jetzt nich die Tätigkeit, die mich super gut beschreibt aber ich glaub das ist ganz cool.
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Da sehe ich voll breit aus aber man sieht auf jeden Fall die Fotos dahinter. Voll breit? Aber wahrscheinlich wegen des Pullis. Stimmt, ich hätte mich ein bisschen mehr umdrehen müssen. Das ist auf jeden Fall ganz schön, aber ich gefalle mir nicht so gut.
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Der Pullover ist so hell und der macht mich so breit. Es ist wahrscheinlich nicht der beste Pullover um Fotos zu machen aber ich mag den, deswegen wollte ich ihn anziehen. Man sieht gar nicht dein Gesicht. Ein ganz kleines bisschen. Das gefällt mir aber mein Körper gefällt mir nicht, er ist so wie ein Schrank. Was hältst du von der Tätigkeit? Es ist keine Tätigkeit, die mich wirklich beschreibt. Vielleicht was anderes sollte ich machen aber mir gefällt es ganz gut mit dem Schreibtisch im Hintergrund, das ist schon mal gut. Aber ich gefalle mir nicht, wie gesagt, der Pullover hat zu viel Licht aufgefangen, der ist so wie eine weiße Fläche. Ich hätte es ein bisschen besser gefunden, wenn ich etwas schräger zu dir geguckt hätte. Man sieht auch nicht so richtig was du machst, oder? Wir könnten es nochmal versuchen, ich muss eh noch ein Loch an der Hose nähen. Möchtest du nochmal nähen? Ja, ich würd es gerne nochmal versuchen mit Nähen, weil ich es mir besser vorgestellt hatte mit dem Nähen. Aber sonst? Der selbe Ort? Ja! Der Ort gefällt mir gut, weil das ist halt mein Schreibtisch, da bin ich ganz oft. Vielleicht mehr von das hier und dass ich mich ein bisschen schräger zu dir drehe. Und dann habe ich zwei Löcher zugenäht (Lachen). Wenn man es von hier machen würde, würde man dich drei mal sehen. Das was ich von dir gemalt habe und das da bist du, oder? Das ist vielleicht gar nicht so schlecht (Lachen). Ich erfinde mich heute ganz neu.
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Oh das gefällt mir, da passiert viel auch im Hintergrund. Es ist nich so viel von mir, sondern mehr mein Zimmer. Das gefällt mir besser. Das könnte man vielleicht ein bisschen mehr ausarbeiten. Und ich mag halt gerne meine Hände, wenn sie was machen. Ich finde das sagt viel über mich aus. Stimmt, der Hintergrund wird immer interessanter von Foto zum Foto. Auf jeden Fall gefällt mir sehr, wenn man mehr von meiner Wand sieht. Wahrscheinlich könnte man das so machen, weiter weg, dass man noch mehr sieht? Und das halt wirklich nur ganz wenig von mir zu sehen ist. Irgendwie schon würde ich doch da drauf gerne sein. Du meintest grad was von deinen Händen. Deine Hände fotografieren. Ja, und die Hände. Ich überlege was man noch machen könnte (Singend). Könnte man das so fotografieren, dass du mir über die Schulter guckst? Du setzt dich aufs Bett und ich sitze am Schreibtisch. Weiß nicht. Ich hätte eine Idee, du könntest den Spruch aus der Polaroid Kamera an die Wand pinnen. Und du fotografierst mich dabei? Ja, ich weißt, dass du eine Person bist, die gerne Sachen (…) Anhängt? Ja, das könnten wir machen. Von hier hinten? Ja, ich dachte du könntest weiter weg, aber dann sieht man die Hände nicht so gut. Du kannst auch kurz mal gucken wie das aussieht. Guck mal. Ja, kannst du mal kurz an die Wand greifen? Ja, das ist gut. Von dem Punkt? Du bist größer als ich. Ich glaub das ist gut so. Oh und ich brauch nen Pin.
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Gefällt mir nicht so gut, glaub ich. Also doch, gefällt mir nicht, dass hier so ein bisschen abgeschnitten ist und irgendwie ist zu viel Rücken drauf. Ich glaub ich würde schon ein bisschen Gesicht drauf haben. Der Hintergrund ist wieder langweilig geworden. Stimmt, ich dachte dass man mehr von der Wand sieht von dem Punkt aus. Aber dann hätte ich deine Hände nicht so gut gesehen. Also von hinten ist nicht so die beste Idee. Auch die Perspektive mit den Armen gefällt mir nicht so gut. Was hältst du jetzt von der Tätigkeit? Es ist halt auch langweilig. Wenn man alle Fotos sehen würde, ich würde sagen „die Rike, die ich kenne, ist die Nummer zwei“ Ja das stimmt, das zweite Foto ist immer noch das beste. Wir können auf jeden Fall noch ein Foto machen, wo ich rauche. Na ja, wie du willst. Aber was sind noch Sachen die du gerne machst? Ich würde auf jeden Fall gerne eins mit Ole machen. Und wie? Dass ich ihn auf den Armen habe. Ich müsste ihn rein holen und dann müsstest du schon bereit für das Foto sein, weil er würde nicht lange auf meinem Arm bleiben. Und entweder springt er grad von meinem Arm oder sitzt er auf meinem Schoss. Es müsste halt schnell gehen. Ich würde so machen, du setzt dich schon mal hin und ich würde mich auf den Stuhl setzen, mit Ole und dann fotografierst du einfach.
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Ach Scheiße! Auf jeden Fall war es ganz schnell. Ich glaub das ist so besser. Wenn man so schnell Fotos spontan macht. Also gefällt mir besser. Es beschreibt Ole ganz gut „schnell weg!“
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Kannst du dich in den Fotos erkennen? Ich weiß nicht. Ich finde das immer schwer, mich zu erkennen, in Fotos. Weil Fotos sind halt so (…) es ist nur ein Augenblick. Man kann nicht einen Menschen in einer Sekunde beschreiben. Also ich hab es jedenfalls noch nicht hingekriegt bei mir (Lachen). Und ich wüsste jetzt nicht wie (…) aber ich fühle mich wohl mit den Fotos, außer mit dem ersten. Mit dem fühle ich mich nicht so gut, weil das ist so „geposed“ und das mag ich nicht gerne. Es ist schon besser, wenn ich irgendwas mache und nicht zurück gucke. Also man könnte dich nicht so richtig mit einem Porträt darstellen? Vielleicht ist es möglich aber wie gesagt, ich wüsste nicht wie, weil ich kann gar nicht so viel da rein machen in einem Foto, wie ich fühle oder wie ich bin. Wenn zum Beispiel man dich nicht ganz darstellen kann, kann man ein Stück von dir darstellen? Meine Hände? Ich hatte eine Idee, ich hab so eine Kiste mit Erinnerungssachen, wo halt so Zeug von Leuten ist und Sachen, die mich an Dinge erinnern und alte Flyer und so was. Ich hatte überlegt ich könnte das auspacken und mir dann angucken und du fotografierst meine Hände dabei. Das wäre etwas, was mich so ein bisschen definieren würde. Das ist eine super schöne Idee. Juhu! Ich darf in die Kiste von Erinnerungen von Rike reingucken. Das ist schon ein krasses Vertrauen. Ich hab auch eine. Jeder hat eine Kiste. Ja, wahrscheinlich. Ich pack ein paar Sachen raus, die ich wichtig finde (…) Da bist du mit drauf, das nehme ich auf jeden Fall mit (Lange Pause). Ich kann davon erzählen: das ist von meinem 18. Geburtstag, der Flyer. Da habe ich in der „Villa Offensiv“ gefeiert, das ist so einem Jugendclub. Den Flyer hatte Anne gemacht, die hier gewohnt hatte. Voll cool, wie eine Fahrkarte. War sogar genau an meinem Geburtstag. Rike wird 18, Berlin AB, 2€ plus Begrüßungstequila, Villa Offensiv. Das ist super cool.
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Ah das sieht schön aus. Man sieht dich nicht mehr, schade! Das wäre lustig gewesen. Ich hab noch mehr Sachen raus gepackt. Naja, ich hab ja das Foto gemacht. Man sieht mich auf jeden Fall. Man hätte (…) mir gefällt nicht, dass hier so viel Platz ist. Ich hätte es schöner gefunden, wenn alles voll mit Zeug ist, aber sonst ist es schön. Man sieht leider den Flyer nicht von deiner Party. Ja es ist zu hell. Aber es ist auf jeden Fall ein schönes Foto, das sagt viel aus. Vielleicht könnte man das Foto nochmal machen? Mit noch mehr Sachen auf dem Boden? Es könnte auch ein bisschen mehr von mir noch zu sehen sein.
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Das sieht schon mal cool aus. Es gefällt mir, dass da viel drauf ist. Es ist ein Suchbild, ich mag sowieso Suchbilder, weil man ganz viel zu gucken hat.
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Guck mal, wie alle Fotos sich entwickelt haben, ich meine vom ersten bis zum letzten Bild. Das ist auf jeden Fall das Beste (Rike zeigt auf das letzte Foto), da fühle ich mich wohl. Auf jeden Fall ist nicht grad so eine Tätigkeit. Und das ist auch schön, weil du irgendwie mit drauf bist, wegen den ganzen Erinnerungen. Obwohl ich nicht da war, kann ich einige Erinnerungen erkennen, aus deinen Erzählungen. Es ist auf jeden Fall ein schönes gepacktes Bild, es ist nicht so langweilig so wie bei den anderen Bildern. Und Rike? Ist diese Person da drin? Doch, das bin ich. Das sind alle meine Erinnerungen und ich bin auch mit drauf. Die sind ganz viele Einblicke. Und es gefällt mir auch, dass ich nicht im Mittelpunkt bin, sondern so am Rande. Anscheinend funktioniert sehr gut, die Zusammenarbeit. Es hat ein bisschen gedauert aber das ist ja auch oft so, dass man ein bisschen braucht. Aber wir haben uns „eingegroovt“. Die andere Bilder sind auch schön aber das letzte ist jetzt wirklich was man auf einem Foto von mir zeigen kann.
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Clara
Ich nehme schon auf, ja? Wie geht es dir Clara? Wirklich? so geht es los? Nein Quatsch! Mir ist es schlecht. Jetzt geht es doch los Clari, das erste Foto mache ich. Und was soll ich machen? Also, erst mal einfach da bleiben, es wird nicht drßber nachgedacht und jetzt so machen! (die Kamera wird betätigt) Was ist das? (Lachen). Super radikal irgendwie.
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Ach krass! Ăœbelst verschwommen. Verwackelt! Aber das finde ich gut. Es kĂśnnte eigentlich so bleiben, aber mein Kopf sieht ganz lustig aus. Der ist so oval. Weil es so verschwommen ist. Irgendwie ist dein Gesicht kein richtiges.
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Mich irritiert mein Gesicht, aber sonst ist es ganz schön. Vom Gleichgewicht her ist es vielleicht ein bisschen zu viel Fenster. Erkennst du dich da? Ja, geht. Also mit mir hat es nicht so viel zu tun. Warum? Keine Ahnung. Was spürst du? Wie empfindest du den Kontakt von dir zu der Kamera? Distanziert, jetzt nicht wegen dem Bildausschnitt, sondern weil es einfach zu schnell entstanden ist. Aber du guckst schon direkt zu mir? Ich denke. Ist das irgendwas, was dich unwohl fühlen lässt? Ich mag nicht fotografiert zu werden - an sich. Ich mache es nur für dich. Dankeschön (Lachen). Du meintest grad, dass das Foto nicht so viel mit dir zu tun hat. Das interessiert mich, warum? Es gibt einfach super wenige Bilder von mir, wo ich sagen würde, dass die mich in irgendeiner Art und Weise darstellen, also so wie ich mich sehe. Genau, ich versuche heute so eins von dir zu machen. Aus deinen Gedanken das richtige Bild von dir zu machen. Es ist lustig, weil ich bin die, die knipst. So, ich muss deine Gedanken übersetzen. Ich finde das Format sehr schön, ich würde weniger von dem Weiß nehmen. Vielleicht mehr von hier. Du willst den selben Motiv versuchen? Ich meine wir können einen anderen auch machen. Ich dachte mir grad nur, dass das interessant aussehen könnte, aber wir können dein Zimmer „explorieren“. Was siehst du denn in deinem Zimmer?
Ich sehe Bilder, aber das wäre blöd, wenn ich vor meinen Bildern stehen würde. Na ja, würde das es besser machen? Was wäre der nächste Schritt? Wäre besser, wenn man dich in einer Situation einfängt? Ich finde beides gut. In meinem Selbstporträt gucke ich auch direkt in die Kamera. Also inszenierte Sachen. Aber wenn man ein natürliches Foto von mir machen will, es ist glaub ich besser, wenn ich irgendwas mache. Aber jetzt habe ich nichts zu tun. Du kannst mir etwas erzählen. Wir können auch inszenieren, es ist nur irgendwie nicht normal, so wie wir uns sonst unterhalten, weißt du? Und ich glaube, wenn man hier stehen muss und dahin guckt ist nicht so schön. Ich könnte dieses Mal drauf verzichten und es nicht aufnehmen. Ach komm, wenn es ein bisschen offen machen würde, dann würde ich gerne drauf verzichten. Nein, so war das gar nicht gemeint. Ich mach doch dein Konzept nicht kaputt. Ich bin halt nicht so verspielt grad. Ich weiß nicht, was ich dir anbieten soll. Das ist witzig. Ich hätte gedacht, bei dir ist es einfacher, weil du ein BildMensch bist (Lachen). Soll ich kurz stoppen? Du kannst mal kurz stoppen. Ich finde den Rahmen irgendwie so unnatürlich. Das hier. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich geben muss, so zu sagen. Ich muss dir Sachen erzählen und ich muss mich inszenieren. Nein, ich wollte über deine Wahrnehmung reden. Die Reflexion, die bei dir im Kopf entsteht, über das Gestalten von Bildern. Aber ich habe es ja gesagt. Ich find die Ecke eigentlich ganz gut. Ich find da ist zu viel Fenster. Ich bin sehr froh über die weiße Bettdecke, weil da hat man auch links im Bild noch was Helles.
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Da heißt, der Prozess mit dir müsste so gehen, dass ich Fotos von dir mache und du wirst mir was dazu sagen? Aber nicht unbedingt, wie ich dich fotografieren muss? Wie gesagt, ich werde halt nicht gerne fotografiert. Das ist das Problem. Ok (...) selbst nicht wenn du das bestimmen kannst? Die Sache ist, dass ich das Gefühlt habe, dass du keine Frage hast. Doch ich habe Fragen, aber ich kann nicht mehr fragen, wenn ich keine Bilder mehr habe. Ich hab schon gefragt, ob du das bist, ob du dich wohl fühlst. Wie würdest du dich wohler fühlen? Du sagst mir, dass du nicht magst fotografiert zu werden. Das heißt, dass ich Clara gar nicht abbilden kann. Doch, das haben schon Leute geschafft, aber nicht viele. Ich kann erst mal kurz Pause machen. (Ende der Aufnahme; Clara bittet mich darum komplett aufzuhören).
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Nun Ich - Ein Fazit.
Wie es bei dem Titel dieses neuen Abschnittes gemeint ist, werde ich mich hierbei mit meinen Gedanken zu dieser Arbeit auseinandersetzen. Dieser Text fasst kein Zwischenresümee der Interviews oder eine Auflistung von Ergebnissen abschließend zusammen. Damit ist auch gemeint, dass ich keinen Schlusspunkt mit den in meiner Bachelorarbeit gesammelten Erfahrungen setzen möchte. Sie haben mich auf verschiedene Art und Weise den interviewten Personen näher gebracht und sie werden eine langfristige Auswirkung auf meine Sichtweise als Person, als Freundin und als Editorin haben. Aus diesem Grund möchte ich auf den folgenden Seiten einen Blick auf meine „Haltung“ – als Autorin – und meine Erfahrungen im Gestaltungsprozess dieses Buches anbieten. Durch die Gestaltung und den Inhalt dieses Buches habe ich versucht fünf Begegnungen darzustellen. Hierbei stehen die Abbildungen dieser Begegnungen für mehr als nur den Beweis dieser Momente und die Bezeugung der Existenz dieser Personen. Sie besitzen einen Geist und ein Lebensgefühl. In dieser Hinsicht sind diese Reihe von (Selbst-) Porträts die Vergegenständlichung eines Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesses, in dem Gestalter und Zuschauer gemeinsam über dessen technische Seiten hinausdenken und sich in das ästhetische Erlebnis vertiefen. Sodass jedes schöpferische Ergebnis ergriffen, gewertet, umgeformt, bereichert und eingefangen werden konnte. Im Rahmen dieses Experimentes wurde ich intensiv und ständig mit meiner Erwartungshaltung konfrontiert – nur dadurch kann ich es als erfolgreich bezeichnen. Dieser Raum, den ich für das Wahrnehmen und Gestalten von (Selbst-) Porträts angeboten habe, öffnete eine neue Facette zwischen mir und den Porträtierten. Obwohl ich allen und jeder einzelnen dieser Personen nah stehe, entwickelte sich der fotografische Prozess als ein neues Kennenlernen. Es war mir schon klar, dass der Umfang der Wahrnehmung nicht definierbar ist. Allerdings hatte ich eine gewisse Vorstellung (basierend auf meiner Auswahl und den vorherigen Erlebnissen mit diesen Personen) wie sich dieser Prozess ergeben würde.
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Die Porträts in diesem Buch ermöglichten mir subjektive Erlebnisse und Sichtweisen zu erleben. Interessant für mich war dabei wiederzuerkennen, dass manche Dinge wichtiger, schöner, deutlicher (...) als andere erscheinen und dass die Aufmerksamkeit auf diese persönlichen Bedeutungen der Schlüssel für die Kommunikation, die gemeinsame Gestaltung und schließlich das Auslösen der Kamera ist. Dies verlangte sowohl von mir als auch vom jeden einzelnen Porträtierten eine komplett offene Haltung. Dementsprechend müssten wir uns auf einander und auf den Prozess einlassen, da ich die Macht des Auslösens hatte und die Porträtierten einen „direkten“ Einfluss auf die Gestaltung übten. Daher war am spannendsten der Vergleich verschiedener Sichtweisen von außen mit der eigenen (Selbst-) Wahrnehmung. Dieser letzte Gedanke ist etwas utopisch beschrieben. Ehrlicher ist dem Leser wissen zu lassen, dass ich mich voll und ganz nicht einlassen konnte. Öfter kämpfte ich gegen meinen Wunsch bei der Gestaltung der Porträts. Mehrfach kann man bei den Interviews den Kommentar „das ist nicht die Person, die ich (Laura) kenne“ lesen. Das zeigt nur wie das Bedürfnis nach Bestätigung der eigenen Wahrnehmung natürlich und unkontrollierbar ist. Es funktioniert nicht auf Kommando. Besonderes bei „Felix“ und „Clara“ ließen mich die Begegnungen verstehen, dass die Bereitschaft und Offenheit für einen gestalterischen Prozess unter solchen Bedingungen nicht abrufbar ist. Hierzu spielte der emotional-seelische Zustand eine wichtige Rolle, sowohl bei der Fotografin als auch bei dem Porträtierten. Darüberhinaus fragte ich mich mehrmals während der Aufnahmen, ob ich mich besser hätte vorbereiten sollen? Hätte ich gezielte Fragen formuliert und gestellt? Wie hätte ich einem roten Faden folgen können? Heute, einen Monat nach der Aufnahme, bin ich nur glücklich und dankbar, dass bei jedem Interview sich eine Eigendynamik entwickelt hat und dass gar nicht so viel auf meiner Hand lag, außer der Kamera. Im Weiteren gibt es nun die Frage: Wie wird mich diese Erfahrung weiter in meiner Montage Methodik bringen? Diese Erfahrung hat mir noch klarer vor Augen geführt, dass die Gestaltung eines Filmes gar nicht der Einsamkeit eines dunkeln Raumes gehört. Ich werde noch öfter aus dem
Schnittraum herausgehen und nach einem Feedback fragen. In gemeinsamer Arbeit mit meinen Kollegen in den gestalterischen Prozess hineingehen. Bei der Vorführung einer Schnittfassung den Film für sich allein sprechen zu lassen und aus dem Feedback reflektieren. Zuletzt ziehe ich für mich aus dieser Arbeit einen persönlichen Schluss, indem ich die Filmgestaltung als keinen geschlossenen Raum begreife. Es stimmt schon, dass wir – als Filmemacher – eine klare Vorstellung davon haben können, was wir mit dem Film erreichen wollen. Allerdings ermöglicht uns der Vergleich verschiedener Darstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln ein ganzheitlicheres Verständnis unseres Films zu bekommen.
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Literaturverzeichnis BARDENHEUER, H., BEIFUß, H., FERH, M. (1979). Wie seh’ ich denn da aus?! Unheimliche Begegnung mit der zweiten Dimension. München: Heinz Moos Verlag. BARNOW, S. (2016). Psychologie der Fotografie: Kopf oder Bauch? Über die Kunst, Menschen zu fotografieren. (1. Auflage) Heidelberg: dpunkt. verlag GmbH. BEILER, B. (1977). Denken über Fotografie. Leipzig: VEB Fotokinoverlag. DRESING, T., PEHL, T.: Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. (5. Auflage), 5/2011, Rev. 9/2013, Marburg: Eigenverlag Marburg., Quelle: http:// www.audiotranskription.de/download/praxisbuch_transkription.pdf?q=Praxisbuch-Transkription.pdf, Zugriff am 10. Sept. 2016.
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OLONETZKY, N.: Polaroid: die Maschine zum Lebensgefühl. (2016) in: Du : die Zeitschrift der Kultur, Band 62 (2002-2003), Heft 727: Polaroid : Eine Episode. Quelle: http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=dkm-003:2002-2003:62::1642, Zugriff am 10. Sept. 2016. VOSS, G. (2006). Schnitte in Raum und Zeit. Notizen und Gespräche zu Filmmontage und Dramaturgie. Berlin: Vorwerk 8.
Selbständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt durch meine Unterschrifft, dass ich die nun vorstehende Bachelorarbeit „Von der Bildgestaltung zur Wahrnehmung und zurück“ selbstständig und nur unter Zuhilfnahme der angegebenen Quellen verfasst und alle wörtlich und sinngemäß übernommenen Textstellen auch als solche kenntlich gemacht habe.
Ort, Datum
Unterschrift
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